Wie ich zum Wutbürger wurde
©non157 | Bigstockphoto.com (85194530)Vor ein paar Wochen habe ich mein Notebook für das Upgrade von Windows 8.1 auf Windows 10 angemeldet. Prima, dachte ich, das geht seinen Gang. Nicht umsonst hatte ich in etlichen Fachartikeln gelesen, dass das ganz einfach vonstatten ginge. Dabei bin ich davon ausgegangen, dass ich ein einwandfrei funktionierendes Gerät habe. Vor zehn Tagen reagierte jedoch plötzlich das Touchpad meines Notebooks nicht mehr. War ich froh, dass ich mir irgendwann einmal eine externe Maus gekauft hatte!Windows 8 zu Windows 8.1? Pustekuchen!
Ich muss dazu sagen, dass das Notebook zu diesem Zeitpunkt ganze sechs (!) Wochen alt war! Da rechnet man nicht damit, dass ein Geräteteil ausfällt. Hinzu kommt, dass ich mir diesen Laptop extra deswegen gekauft hatte, weil mein "altes" Notebook (das gerade mal zwei Jahre alt ist), sich absolut weigerte, sich von Windows 8 auf Windows 8.1 upgraden zu lassen. Vom wackeligen Windows 8 kann man aber nicht auf Windows 10 umsteigen. Und ich wollte dieses instabile Betriebssystem unbedingt loshaben. Alle Recherche, Befragung von Freunden und Anfrage bei einer PC-Zeitschrift hat nichts gebracht - Windows 8.1 ließ sich auch beim gefühlt hundertsten Versuch nicht installieren.
Als ich das neue Notebook schon hatte, habe ich das alte auf den Werkszustand zurückgesetzt. Und siehe da: Nun ließ es sich problemlos auf Windows 8.1 upgraden! Dumm gelaufen - hätte ich wohl vor dem Kauf eines neuen probieren sollen... Jetzt ist es eben mein Reserve-Notebook, und wie nötig man so was braucht, zeigten die Ereignisse der nächsten Tage.
Touchpad-Odyssee
Ich recherchierte also wieder einmal. Diesmal lernte ich, dass man per einfachen Tastenklick das Touchpad ein- und ausschalten kann. Die Tastenbelegung ist nicht bei jedem Notebook gleich, bei mir ist es die F5. Aber leider funktionierte das nicht. Mauszeiger und Links- und Rechtstaste reagierten trotzdem nicht.
Nichts wie hin zur Herstellerseite, Treiber für mein Notebook heruntergeladen. Null Reaktion. Haareraufen. Erster Impuls für einen Schreianfall.
Griff zum Telefonhörer, Anruf beim Hersteller-Support. Der nette Mann am anderen Ende erzählte mir, dass das sowohl ein Hard- als auch ein Softwareproblem sein könnte. Ich sollte mal das Notebook auf den Werkszustand zurücksetzen. Wenn das Touchpad dann immer noch nicht reagierte, dann müsste es eingeschickt werden. Auf meinen vagen Einwand, ob das Rücksetzen denn unbedingt nötig wäre, erwiderte er, dass der Servicetechniker das sowieso machen würde. Und sollte sich herausstellen, dass es ein Softwarefehler wäre, würde der nicht von der Garantie abgedeckt. Sprich: Ich dürfte für den ganzen Scheibenkleister auch noch das Portemonnaie zücken.
Stärkerer Impuls zum zweiten Schreianfall. Tief Luft geholt und Nacht darüber geschlafen.
Zähneknirschende Sicherung
Am nächsten Tag keine Touchpad-mäßige Änderung der Tatsachen, also zähneknirschend damit begonnen, meine Daten und Programme zu sichern. Habe alles auf verschiedene Cloudspeicher verschoben und das Wichtigste zusätzlich auf einer externen Festplatte gesichert. Besonders bei meinen Scrivener-Dateien habe ich darauf geachtet, dass sie auch auf den diversen Speichern angekommen waren. Scrivener ist ein Schreibprogramm für Autoren, mit dem ich schon seit Jahren arbeite, weil Word ziemlich unflexibel ist, was das Bücherschreiben betrifft. Und dann das: Die Version des Mailprogramms war, von mir unbemerkt, so verändert worden, dass ich die Identitäten nicht mehr automatisch exportieren konnte, die die Emails, das Adressbuch und die Einstellungen beinhalten. Also den Hersteller anschreiben und dann alles per Hand machen. Alles zusätzliche Arbeit. So langsam kam ich an meine Grenzen. Mehr als einen ganzen Tag lang hat mich das alles beschäftigt.
Trügerischer Erfolg
Dann tief Luft geholt und die Systemwiederherstellung in Angriff genommen. Die Prozedur dauerte Stunden! Da wachsen meine grauen Haare schneller. Beim Start wurde mir angeboten, auf Windows 10 umzusteigen, aber das habe ich nicht gemacht. Hatte die Nase voll vom Warten und wollte außerdem erst einmal sehen, ob unter der ursprünglichen Konfiguration alles wieder funktioniert. Und wirklich: Der Mauszeiger lief wie am Schnürchen über den Screen.
Meine Freude dauerte nur kurze Zeit. Getrübt wurde sie zum ersten durch die ganze Arbeit, die ich am Hals hatte, um alle Programme wieder neu zu installieren und einzurichten. Ich hatte nach den zwei Tagen, an denen ich jede freie Minute vor dem Screen zugebracht hatte, so schon brennende Augen und ein Gefühl, als hätte ich Sandpapier hinter den Lidern.
Den Rest gab mir dann, dass ich meine Projektdatei in Scrivener nicht mehr öffnen konnte! Es kam die Meldung: Diese Daten lassen sich mit dieser Programmversion nicht öffnen. Sinngemäß, den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr.
Nun echt zum Schreien!
Diesmal bekam ich wirklich einen Schreikrampf! Am liebsten hätte ich das Notebook in Stücke zertrümmert! Na gut, davon würde ich meinen Roman auch nicht wiederbekommen, das sah ich quasi im allerletzten Moment ein. Ich hatte zudem ja noch andere Speicherorte. Aber bei allen war es dasselbe: Die Projektdatei ließ sich nicht öffnen.
Ich suchte mich dumm und dämlich nach einer älteren Programmversion im Netz. Diejenigen, die ich fand, halfen auch nicht weiter. Da fiel mir ein, dass ich ja noch ein vier Jahre altes Windows-7-Notebook herumstehen hatte, wo vielleicht noch eine alte Programminstallationsdatei drauf war. Das Gerät war das erste, auf dem ich Scrivener installiert hatte, vielleicht hatte ich diesmal Glück.
Zu meiner riesengroßen Erleichterung fand ich darauf noch eine alte Programminstallationsdatei. Die habe ich auf dem neuesten Notebook installiert - und konnte meine Projektdatei wieder öffnen. Ich hätte wieder schreien können - diesmal vor Freude!
Es wäre nicht alles verloren gewesen
Wenn das nicht geklappt hätte, wäre zwar nicht der gesamte Roman verloren gewesen, sondern ich hätte nur zweieinhalb Kapitel neu schreiben müssen, weil der Rest schon in einer Word-Datei gespeichert war. Aber meine ganzen Projektnotizen wären hin gewesen - kleine Gedankensplitter, die mir beim Schreiben eingefallen waren und die ich später noch einbauen will.
War es ein Wunder, dass ich drei Tage lang überlegt habe, ob ich das Upgrade auf Windows 10 überhaupt noch mache? Wie heißt es so schön: Never change a running system. Schließlich habe ich mich doch getraut - ich hatte ja nicht viel zu verlieren, es war ja (fast) alles noch gespeichert und gesichert. Zu einem späteren Zeitpunkt hätte ich damit wieder viel Arbeit gehabt.
Windows 10
In der Nacht zu gestern habe ich also das Upgrade gestartet. Nach vierzehn Stunden war es endlich soweit und ich konnte zum ersten Mal Windows 10 starten. Mit einigem Bibbern und ziemlich erhöhtem Blutdruck. Was würde mich jetzt wieder erwarten?
Aber alles ist gut, läuft und lässt sich öffnen. Und zwar OHNE Veränderungen an den installierten Programmen! Welch eine Erleichterung! Ich war schon darauf gefasst gewesen, alles wieder neu installieren zu dürfen.
Und nun braucht mich keiner mehr zu fragen, warum ich in der letzten Woche nichts an meinem Roman geschrieben habe. Nichts auf Scriptorium sanctum und kaum eine Email. Heute habe ich nachgeholt, was ich hier versäumt hatte. Spätestens morgen geht es wieder ans Fabulieren.
Ich freu mich drauf.
Published on August 13, 2015 10:55
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