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Ein elitäres Wiener Internat, untergebracht in der ehemaligen Sommerresidenz der Habsburger, der Klassenlehrer ein antiquierter und despotischer Mann. Was lässt sich hier fürs Leben lernen? Till Kokorda kann weder mit dem Kanon noch mit dem snobistischen Umfeld viel anfangen. Seine Leidenschaft ist das Gamen, das Echtzeit-Strategiespiel Age of Empires 2. Nach dem Tod seines Vaters wird für ihn aus dem Hobby eine Notwendigkeit. Ohne dass jemand aus seinem Umfeld davon wüsste, ist Till mit fünfzehn eine Online-Berühmtheit, der jüngste Top-10-Spieler der Welt. wie real ist so ein Glück? Im Abschlussjahr 2020 kommt für Till, in der Schule und im Leben, alles noch einmal anders als gedacht.
Tonio Schachingers Roman führt von Erfahrungen, die fast alle teilen, bis an Orte, zu denen die meisten von uns keinen Zugang haben. Dabei sind seine Schritte so überraschend, der Humor so uneitel und Echtzeitalter ist Beispiel und Beweis für die zeitlose Kraft einer guten Geschichte. Und ein großer Gesellschaftsroman.
361 pages, ebook
First published March 14, 2023
"Es gibt Menschen, für die jeder Tag ein weißes Blatt ist, die sich treiben lassen, wohin es sie trägt, in Straßenbahnen steigen und von der Endstation aus einfach losgehen, in Cafés oder Espressos sitzen, ohne auf irgendwen oder irgendwas zu warten, die Zeit haben, ihre Umwelt zu betrachten. Es gibt Menschen, die aus Verzweiflung so leben und Menschen, die es aus Langeweile tun, Versorgte und Versandelte. Es gibt Menschen, die den ganzen Tag in einem Call Center oder hinter einer Kasse sitzen und nach der Arbeit bei GTA oder Breath of the Wild, bei Bolano oder Pessoa diese Ziellosigkeit finden, sie in einer Intensität ausleben, die ihnen erlaubt, noch einen weiteren Tag durchzuhalten bis sie endlich zwei Nächte, und irgendwann, in weiter Ferne, zwei Wochen am Stück frei haben. Und es gibt Menschen, die wissen, dass dieser Zustand irgendwann enden wird, die einer besseren Zukunft entgegenblicken, sodass sie, während sie ihre Aufgaben erfüllen, eigentlich nur diese Zukunft erwarten. Menschen, denen Eskapismus unnötig erscheint, weil sie noch die Perspektive haben, alldem zu entkommen.
Till hakt einen Tag nach dem anderen ab. Er liest Heldenplatz von Thomas Bernhard und er schreibt einen Einser auf die dazugehörige Schularbeit, weil er über Bernhard genau das schreibt, was er sich nach Mauthausen über den Dolina denkt, dass Bernhard die Nazis gehasst hat, aber auch diejenigen, die glauben, dass sie keine Nazis gewesen wären, die Angepassten und die Opportunisten, die Städter und die Menschen vom Land, die Sozialisten und die Journalisten, die abgeschmackten deutschen Feuilletons und den totalen Stumpfsinn der österreichischen Drecksblätter. Dass Bernhard durchschaut hat, wie Reichtum und Bildung und Tradition dazu dienen, Menschen seiner Herkunft auszuschließen und trotzdem an nichts anderem interessiert ist als an teuren Herrenmodegeschäften im ersten Bezirk, alten Meistern und der Vergangenheit."