Was wäre ein Text, den wir selbst als junge Frauen gern gelesen hätten? Diese Einführung ist eine Nachricht an ein früheres „Ich“, ein Buch als Anleitung zur revolutionären Praxis und zur Selbstveränderung. Die Grundlage sind geteilte Erfahrungen von Gewalt, Arbeit, der eigenen Sexualität und von Befreiung – und davon, dass diese nur gemeinsam gelingt.
Das Kollektiv MF3000 besteht aus sieben Frauen und Queers aus ganz unterschiedlichen linken Spektren, von autonomen Gruppen über Partei, Gewerkschaft, Wissenschaft, das sich zusammengeschlossen hat für ein gemeinsames politisches Projekt.
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The Kollektiv MF3000 consists of seven women and queers from very different left spectrums, from autonomous groups to party, trade union, science, who have joined forces for a common political project.
Der Text ist leicht verständlich, schlüssig gegliedert und beinhaltet viele praktische Beispiele und historische Erklärungen. Ich hätte mir mehr Explizites zur marxistischen Theorie gewünscht. Die Handlungsempfehlungen sind die üblichen ("organisiert euch") und damit leider sehr vage gehalten. Alles in allem sehr gut geeignet für Einsteiger*innen und Menschen, die sich noch nicht so viel mit Feminismus beschäftigt haben und noch nicht organisiert sind.
ich habe dieses buch nun zum zweiten mal gelesen, weil ich in letzter zeit wegen ines schwerdtners kandidatur für den linke-parteivorsitz wieder öfter darüber geredet habe. ich kann es jedem, der sie für eine kompetente besetzung hält, wärmstens empfehlen. der text erweckt den eindruck, dass die autor:innen sich als teenager mal gedanken über geschlecht und geschlechterrollen gemacht haben und seitdem nie wieder und sich auch mit diversen debatten nur sehr oberflächlich beschäftigt haben, wenn überhaupt. hier also einige kritikpunkte ohne anspruch auf vollständigkeit: die autor:innen bezeichnen sich als marxistisch-feministisch, marxismus fehlt in diesem heft aber ziemlich komplett - bezeichnend auch für die linkspartei, in denen mehrere wichtige funktionen innehaben oder hatten (bettina gutperl - parteivorstand, daphne weber - parteivorstand, kerstin wolter - mitarbeiterin von janine wissler, ines schwerdtner - eu-kandidatin und wohl neue parteivorsitzende). es ist auch eine interessante entscheidung, sich als marxfems zu bezeichnen, ohne zumindest kritisch darauf hinzuweisen, dass das ein begriff ist, der sich über die letzten jahre immer mehr zum synonym für terf entwickelt hat - was eigentlich nicht zu verpassen war, wenn man linken feministischen diskurs verfolgt hat. die beziehung der autor:innen zu trans personen ist aber, denke ich, auch zu kritisieren. man scheint eine grosse angst davor zu haben, das thema männlichkeit anzufassen, über männlichkeit = schlecht hinausgehend, weil die eigene analyse nuancen bei geschlecht usw auch gar nicht verkraften könnte. man könnte den eindruck bekommen, dass die existierenden geschlechter sind: frauen und queere personen vs männer, was sich liest, als ob es da keine überschneidungen gäbe, und was jegliche bestandsaufnahme der individuellen gruppenspezifischen probleme unmöglich macht. in einem buch, in dem es um sexismus und unterdrückung und fremdbestimmung geht, transmännlichkeit nicht einmal zu erwähnen, ist wirklich eine solide leistung, als ob ein identifizieren mit männlichkeit immer und für alle privilegien bedeutet und einen von sexismus-erfahrungen und gewalt befreit. immerhin schafft man es ungefähr drei mal, alibi-mässig trans frauen zu erwähnen. eine tatsächliche behandlung der gefahren und der gewalt, der trans frauen im besonderen ausgesetzt sind, und eine auseinandersetzung mit transmisogynie sind aber komplett zu vermissen. dieses buch wurde von cis weiblich gelesenen für cis weiblich gelesene personen geschrieben, wenn auch vielleicht nicht bewusst. und auch rassismus wird ab und zu für ein paar absätze rausgeholt, aber man setzt sich nie tatsächlich damit auseinander, was das konkret für die betroffenen personen heisst und was für schlüsse daraus für die eigene arbeit zu ziehen wären - weil man ein komplett weisses kollektiv ist. man fragt sich, ob die autor:innen keine freund:innen haben, die nicht weiss sind und/oder transitionieren - aber die antwort gibt sich natürlich von alleine. und, nur so nebenbei, wer einige dieser „genoss:innen“ persönlich kennt, der kann ihr gerede über solidarisches miteinander auch nur als mehr als heuchlerisch empfinden, denn die realität sieht sehr anders aus. diese lektüre ist, alles in allem, also vor allem ein guter beitrag, um den desaströsen zustand der gesellschaftlichen linken zu erklären und weiter zu verschlimmern.
Mir persönlich zu wenig Marxismus-Bezug wenn man diesen im Titel schon groß benennt. Leicht verständlich und für Leute die noch auf der Suche sind sicher ein tolles Einstiegsbuch.