Als Mira ins Auto steigt, um sich auf den Weg nach Südkärnten zu machen, weiß sie, dass ihr schwierige Tage Ihre alte Mutter muss auf den Auszug aus dem Haus vorbereitet werden, in dem sie vor Jahrzehnten als ungelernte Arbeiterin mit den damals noch kleinen Kindern Obdach gefunden hat. Tatsächlich verdichten sich im Lauf der folgenden Wochen die Erinnerungen an eine als traumatisch erlebte Kindheit, die vom frühen Tod des Vaters genauso belastet war wie von der rigiden patriarchalen Ordnung und den Dogmen der katholischen Kirche. Die alten, unaufgelösten Konflikte verschaffen sich neuen Raum, und Mira beginnt zu verstehen, dass sie von den lang beschwiegenen Lebensgeschichten ihrer Ahninnen befeuert Tagelöhnerin die eine, die unter dramatischen Umständen ums Leben kam, Partisanin die andere, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr nach Kärnten zurückkehrte. In eindringlichen Bildern erzählt Maja Haderlap in ihrem neuen Roman aus dem Leben dreier Generationen von Frauen, von ihren Verstrickungen in aufgezwungene und verinnerlichte Leitbilder und ihrem Ringen um Autonomie. Die Geschichte der Nachtfrauen ist eine der Verluste, des Schweigens und der Schuld, in der trotz allem die Nachsicht und der Respekt füreinander, vielleicht sogar die Liebe, nicht aufgegeben werden.
Austrian author of Carinthian Slovenian descent. In 2011 she won the 25,000 Euro prize prestigious Ingeborg Bachmann prize at the 35th Festival of German Literature in Klagenfurt. Her award-winning poetic text is a three-generations family history, and highlights the resistance of the Carinthian Slovenes against the German Nazi Wehrmacht.
She studied German language and literature at the University of Vienna and has a PhD in Theatre Studies. As a writer, she was co-editor of many years of bi-lingual Carinthian-Slovene literary magazine 'Mladje'.
Ein Buch das ich noch nicht ganz einordnen kann. Der Schreibstilbwar toll und sehr bildhaft. Ich habe schnell in die Geschichte gefunden und auch der Perspektivenwechsel zu Mitte des Buchs gefällt mir gut. Viele Themen werden behandelt wie z.B. Herkunft, Erziehung, Entfremdung, Gewalt, Untreue, Krieg und Schuld. Nach meinen Empfinden werden diese aber jeweils nur an der Oberfläche angekratzt und es bleibt kaum Zeit sich tiefer damit zu beschäftigen, da die Geschichte schnell wieder ein neues Thema aufgreift. Auch das Ende lässt für mich einiges offen.
Nachtfrauen ist ein etwas störrisches Buch. Ich fand es interessant, weil ich bisher noch nie einen Roman über die slowenisch-sprechende Minderheit Kärntens gelesen habe, und weil mich die Hauptfigur in ihrer Ablehnung und gleichzeitig Sehnsucht nach dieser familiären Identität berührt hat. Auch den Wechsel zwischen der Tochter- und der Mutterperspektive fand ich spannend.
Störrisch ist es deswegen, weil die Sprache sich mir nicht geöffnet hat. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Frage danach, in welcher Sprache man was ausdrücken kann, so im Vordergrund steht, war das auch wieder faszinierend - doch ein page-turner sieht bei mir anders aus.
Außerdem fand ich dann irritierend, dass die Erzählung aus der mütterlichen Perspektive tonal so ähnlich war wir der erste Teil; ich habe beim Lesen nie das Gefühl gehabt, wirklich zu hören, wie diese Frau über ihr Leben nachdenkt. Das ist vielleicht dieser Erzählstimme irgendwo zwischen Stream of Consciousness und auktorialer Erzählerin geschuldet, hat mich aber am Ende nicht ganz überzeugt.
Insgesamt fand ich es ein intellektuell spannendes Buch, bei dem ich aber unsicher wäre, wem ich es schenken wollen würde. Es hat auch keinen Lesesog entwickelt - die Themen (Generationenkonflikt, Beziehung, Affaire, Krankheit) sind jenseits des spezifisch kulturellen Hintergrunds dafür vielleicht zu klassisch. An manchen Stellen wird der Dialog dann arg ausdrücklich. Schlecht ist es deswegen aber keinesfalls.
Tole sem seveda prebral v slovenskem prevodu Štefana Vevarja (Goga, 2025). Stilistično izredno izpisan roman, ki pa se skuša spopasti s preveč temami naenkrat (občutki krivde glavne junakinje zajemajo smrt očeta, izdajo slovenščine, vere, razredni preskok, zapustitev matere in skok čez plot, temu lahko dodamo še feministično in nacionalistično kritiko ter ukvarjanje z dednostjo travme oziroma usodnostjo okolja), pri čemer potem vse teme seveda razdela na pol. Zlasti v razrednem vprašanju je izredno črno-bela in opozicijo urbano/ruralno, meščansko/delavsko-kmečko v prvem delu precej poenostavi v pozitivno-negativno. Šele v drugem delu, pisanem iz perspektive matere, to nekoliko zmehča, ampak nekoliko premalo in prepozno.
Maja Haderlap arbeitet sich wieder an der Vergangenheit der Kärntner Slowenen ab, diesmal geht es um Frauenschicksale anhand dreier Generationen erzählt. Die Männer gehen meist früh verloren, der Krieg spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Haderlap schreibt gut, das Prickeln des Engels des Vergessens stellt sich bei mir jedoch nicht ein. Allerdings können Menschen meines Alters möglicherweise ein Lied davon singen, wie es jemandem geht, der mit viel Schuldgefühlen daran arbeiten muss, einen Elternteil in eine betreute Senior:inneneinrichtung zu übersiedeln, das beschreibt die Autorin auch hier sehr gut und auch, wie unterschiedlich Frauen und Männer (Töchter und Söhne) auf solch eine Entscheidung reagieren. Nominiert zum österreichischen Buchpreis.
Nekako mi branje ni steklo. Ne vem kako bi se izrazila, ampak slog pisanja je bil "starinski". Zadnji zdihljaji zgodbe malo popravijo končni vtis, ampak vse deluje kot ena dolga ravna črta.
„Es waren gewissermaßen Expeditionen im eigenen Land, Reisen ins Innere ihrer Kindheit, die Mira mehr anstrengten als längere Aufenthalte im Ausland oder tagelange Fußmärsche mit schwerem Gepäck. Sie konnte nicht einmal behaupten, in die Fremde zu reisen, wenn sie nach Hause fuhr, das würde ihr niemand glauben.“ (Zitat Seite 11)
Inhalt Mira lebt seit ihrer Studienzeit in Wien, das sind nun schon mehr als dreißig Jahre. Aufgewachsen ist sie mit ihrer Mutter Anni und ihrem Bruder Stanko in Jaundorf, einem Ort in Südkärnten. Die alte Anni wohnt noch immer in dem kleinen, einfachen Haus, einem Nebengebäude auf dem Bauernhof ihres Bruders, in dem sie nach dem frühen Tod ihres Mannes die beiden Kinder großgezogen hat. „Weggehen kann jeder. Das Schwierige ist doch, zu bleiben, auch wenn die Mehrzahl der Bewohner das Weite gesucht hat.“ (Zitat Seite 14) Inzwischen hat Annis Neffe Franz das gesamte Anwesen geerbt und jetzt will er das Häuschen abreißen und dort eine Tischlerwerkstatt bauen. Mira muss nach Jaundorf fahren, sie soll Anni von der Notwendigkeit der Übersiedlung überzeugen und mit ihr Entscheidungen treffen, wie und wo Anni nun wohnen soll. Mira spricht mit ihrer Mutter immer noch slowenischen Dialekt, die Sprache ihrer Kindheit, und jede Reise nach Südkärnten ist für Mira auch eine Reise zurück in die Erinnerungen einer problematischen Vergangenheit.
Thema und Genre In diesem Familien- und Generationenroman geht es um drei Frauen, Mira, ihre Mutter Anni und deren Mutter, Miras Großmutter Agnes. Themen sind Heimat, enges Dorfleben, Verluste, problematische Mutter-Tochter-Beziehungen, die vom Schweigen über die Vergangenheit und Verschweigen geprägt sind. Es geht auch um Schuldgefühle, die den Verlauf von Menschenleben beeinflussen, um Beziehungen und Liebe.
Erzählform und Sprache Im ersten Teil des Romans steht Mira im personalen Mittelpunkt der Geschichte, wir sehen die Ereignisse aus ihrem Blickwinkel, tauchen in ihre Gefühle und Gedanken ein. Wir erfahren Details aus der Vergangenheit, an die sie sich während dieser aktuellen Tage mit ihrer Mutter erinnert. Durch Zufall trifft sie ihre Jugendliebe Jurij wieder, was dazu führt, dass sie über ihre Ehe mit dem Mittelschullehrer Martin nachdenkt. Im zweiten Teil der Geschichte steht dann Miras Mutter Anni im Mittelpunkt. Die bevorstehende Übersiedlung aus dem alten Häuschen, in dem sie einundvierzig Jahre ihres Lebens verbracht hat, nützt Anni, um ihre Erinnerungen zu sichten, Kartons mit alten Unterlagen, Briefen, Zeitungsausschnitten und Fotos, mit denen sie einzelne Ereignisse verbindet. So reisen ihre Gedanken zurück in ihre eigene Kindheit und als sie die Schachtel mit der Hinterlassenschaft ihrer Mutter Agnes durchsieht, öffnet sich vor uns auch das Leben von Agnes und ihrer unangepassten Schwester, der Partisanin Dragica. Es sind von Entbehrungen, harter Arbeit und dem Druck auf die slowenische Minderheitsbevölkerung im südlichen Kärnten geprägte Frauenschicksale. Sowohl die eindrucksvolle Geschichte selbst, als auch die intensive Sprache ziehen uns sofort in ihren Bann.
Fazit Eine packende, vielschichtige Generationengeschichte, in deren Mittelpunkt drei Frauen, Großmutter, Mutter, Tochter, stehen. Dieser Roman war für den Österreichischen Buchpreis 2023 nominiert und ist ein überzeugendes Leseerlebnis.
Ein wunderschönes Testament Kärntner Slowenischer Geschichte, Identität und generationaler Konflikte. Dieses Buch war nicht das, was ich erwartet habe (ein klarerer Plot, mehr Bezug zum Zweiten Weltkrieg), aber deswegen nicht weniger schön. Auch, wenn ich mir zugegebenermaßen beim ein oder anderen Erzählstrang doch noch etwas mehr
Überraschenderweise hat mir Teil 2 fast besser gefallen als Teil 1. Haderlap gelingt es, die alte Mutter Anni, die mit ihrer tiefkatholischen Gottesfürchtigkeit sicher in heutiger Zeit wie ein Relikt der Vergangenheit - und dabei nicht unbedingt sympathietragendes - wahrgenommen werden könnte, mit so vielen Nuancen, Liebe und Verständnis zu schildern. Ihre Schwierigkeiten, ihr Innenleben zu teilen, sich mit ihrer Tochter Mira, den Enkeln oder Menschen überhaupt zu verbinden und ihre konfliktbeladene Beziehung mit der eigenen Mutter aufzuarbeiten waren wirklich berührend.
Das mag völlig subjektiv und persönlicher Familienerfahrung entsprungen sein, aber etwas an dem Buch fühlt sich vertraut an. Man kennt die Geschichten, die Charaktere, kommt zu ihnen nach Hause oder sucht dieses "zu Hause" mit ihnen.
Wunderschöne Sprache, hat mich sehr berührt, nicht nur wegen der verqueren Mutter- Tochter Beziehung sondern auch weil mir nicht bewusst war, wie zerreißend das Leben in den Österreichisch- Slowenischen Grenzregionen zeitweise war. Obwohl ich das wohl irgendwo immer gespürt habe da ich auch in dieser Gegend aufgewachsen bin. Ganz große Leseempfehlung!
This was an amazing book - covering not only the issues in the mother/daughter relationship, but also the personal doubt and issues faced by the main character in the book. When the book suddenly shifts to the mother, we get even more insight into her own life and childhood -as to how she became the woman her daughter thought she understood. Overlaying the family element here, is the tension between Slovenians and Austrians, esp. with the creation of a Communist Yugoslavia right across the border. A definite must-read.
I think I lost momentum with this - as I paused when I had to leave the book in Vienna - and picked it up again in Salzburg in November. But it’s very beautifully written, very understated but touching.
Im Buch "Nachtfrauen" von Maja Haderlap lernen wir beide kennen. Zuerst die Tochter und im zweiten Teil die Mutter. Dazu noch weitere Frauen aus der Familie mit ihren Schicksalen.
Mira, die Tochter, soll bzw. muss ihre Mutter auf den Einzug in das Altenheim vorbereiten. Was gleichzeitig bedeutet, das Haus, in dem sie einen großen Teil ihres Lebens verbracht hat, zu verlassen. Durch den Besuch bei ihrer Mutter werden Erinnerungen geweckt, sei es an eine Jugendliebe oder die eigenen Kindheit. Diese Tage bei der Mutter sind ein schwieriger Prozess für Mira und schmerzhaft.
Im zweiten Teil kommt Anni, die Mutter, zu Wort. Durch ihre Erzählung hat sich mein Blick auf sie, den ich aus dem ersten Teil gewonnen hatte, gewandelt. Ihr Leben war geprägt von Kriegszeiten und Entbehrungen, einem Trinker als Mann (der früh verunglückt, und das ist eine Geschichte für sich) und alles andere als einfach. Nun steht sie quasi am Ende ihres Lebens und muss sich mit mit dieser Phase arrangieren. Alles nicht einfach.
Das Buch war nicht nicht immer einfach zu lesen. Der Schreibstil ist teilweise spröde. Ich habe es aber trotzdem gerne gelesen weil es sehr interessant und auch bewegend ist. Und es Raum zum Nach- und Weiterdenken bietet.
Maja Haderlap erzählt in ihrem Roman “Nachtfrauen”, der 2023 auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises stand, von drei Generationen an Frauen, die der Minderheit der Kärntner Slowenen angehören. Ausgangspunkt ist der Heimatbesuch Miras, die nach ihrem Studium in Wien dort lebt und arbeitet, nun aber für einige Tage zu ihrer Mutter Anni in die Kärntner Provinz fährt. Der Cousin will das alte Haus übernehmen, Anni soll in eine altersgerechte Wohnung umziehen. Der Aufenthalt in der Heimat und in ihrem alten Kinderzimmer veranlasst Mira nicht nur dazu, ihre Beziehung zur Mutter zu reflektieren, sondern auch ihrem eigenen Lebensweg nachzuspüren. Ihre slowenische Abstammung wollte sie eher abstreifen und begab sich in die Hauptstadt, um als erste der Familie zu studieren. Nun legt sie Versatzstücke ihrer Vergangenheit wieder frei, die sie dachte, hinter sich gelassen zu haben.
Im zweiten Teil erhalten wir einen Einblick in Annis Gedanken - eine interessante Entscheidung der Autorin, die damit wunderbar zeigt, wie Kommunikation zwischen den Generationen völlig scheitern kann und das Verständnis füreinander auf der Strecke bleibt. Beide Frauen haben Herausforderungen gemeistert und sich auf ihre Art von den Konventionen der vorherigen Müttergeneration gelöst. Und doch bleiben sie in der eigenen Sichtweise verhaftet, durch die nur langsam Einsichten bröckeln - kleine Erkenntniskrumen und Liebesbezeugungen, die ohne Empfänger wirkungslos verhallen.
In die Beziehungen und Lebensgeschichten webt die Autorin zusätzlich Versatzstücke aus der slowenisch-österreichischen Vergangenheit mit ein. Aus dieser vielversprechenden Anlage der Geschichte heraus konnte mich die Autorin jedoch leider weder sprachlich noch erzählerisch vollends überzeugen. Viele Themen werden nur angedeutet und das Cluster an Konflikten bleibt am Ende verknäuelt und wirr. Das Buch hätte für mein Empfinden deutlich länger sein können - ja müssen! - um die angesprochenen Zusammenhänge auszuarbeiten. Dazu kamen schräge Bilder und Vergleiche, gepaart mit einer wiederholenden, stilistisch ermüdenden Sprache.
Daher für mich leider nur eine mittelmäßige Lektüre, die sich aber wunderbar zum Diskutieren im Buchclub eignete.
Die Geschichte von Miras kärntner-slowenischen Familie liest sich gemischt. Besonders spannend fand ich die unterschiedlichen Vorstellungen der Ordnung der Dinge, die die verschiedenen Frauen aus Miras Familie zugrundelegen. Die Spannungen innerhalb der slowenischen Population, die sich in unterschiedlichen Kristenzeiten, wie dem Weltkrieg oder dem Jugoslawienkrieg immer wieder nicht zugehörig fühlten und überall verstoßen wurden, lassen sich sehr gut erkennen. Nicht überraschend entstanden dadurch Generationen-Traumata, welche sich in der Familiengeschichte um Anni und ihrer Tochter Mira entladen. Erstere soll ins Heim. Die Jüngere flieht vor allen Spannungen nach Wien, wo ihr Leben auch nicht wie gewünscht verläuft. In dem Roman spielen nicht nur Herkunft und Sprache, sondern auch Rollenbilder und Glaube eine große Rolle. Manche Passagen und inneren Monologe zogen sich für mich und mir ist nicht klar, welche Rolle diese in der Geschichte spielen. Teilweise sind mir die Konflikte zu vielschichtig, was wahrscheinlich der Realität betroffener Menschen entspricht, mir fehlte leider die Reflexion. Andere Passagen wiederum fand ich fesselnd und flog geradezu durch die Seiten.
„Es waren gewissermaßen Expeditionen im eigenen Land, Reisen ins Innere ihrer Kindheit, die Mira mehr anstrengten als längere Aufenthalte im Ausland oder tagelange Fußmärsche mit schwerem Gepäck.“
Zwei Frauen, Mutter und Tochter, stehen hier im Mittelpunkt, ihre Beziehung, ihre Herkunft, ihre Entwicklung. Zu Recht ist dieses Buch Anwärter auf den Österreichischen Buchpreis, der heute Abend verliehen wird.
Ein Buch das mir etwas Mühe gekostet hat beim Lesen. Man ist ständig hin und her gerissen zwischen Verständnis und Unverständnis, egal ob vom Standpunkt der Tochter, oder vom Standpunkt der Mutter aus gesehen. Ein hin und her zwischen Heimat und Fremde, zwischen zwei Sprachen, zwischen altbewährtem und neuem.
Mira wächst als Kärnten Slowenin in einem Dorf in Südkärnten auf, ist für ihr Studium jedoch nach Wien gezogen. Nun muss sie einige Tage zurück in das Dorf ihrer Kindheit fahren, um ihre Mutter, Anni, vom Umzug in eine altersgerechte Wohnung zu überzeugen.
Im ersten Teil des Buches erhalten wir ein Blick in Miras Beziehung zu ihrer Herkunft, zu ihrer Emanzipation von ihrer Mutter und ihrer Entfremdung von ihre slowenischen Wurzeln. Sie hat den Schritt aus dem Dorf und ihrem alten Leben gewagt, aber dadurch auch die Verbundenheit damit verloren. Die einzigen Gefühle, die bleiben, wenn sie zurückkehrt, sind all die Dinge, die sie zurückgelassen, all die Dinge, die sie nicht mehr ist.
Im zweiten Teil erhalten wir Einblick in Annis Vergangenheit und besonders auch in ihre Beziehung zu ihrer Mutter, wodurch man der Familiengeschichte entlang Einblick in die Komplexität dieser Mutter-Tochter Beziehung erhält. Auch Anni hat sich von ihrer Mutter und ihrer Forderungen emanzipiert, fühlt sich aber so als hätte sie keinen Platz gefunden, und selbst in der Beziehung zu ihrer Tochter versagt.
Es geht um drei Generationen von Frauen, wie sich sich von den Konventionen von ihrer Muttergeneration emanzipieren, Autonomie finden, aber sich dadurch voneinander entfremden und an all den Dingen, die sie einander nicht sagen können, vereinsamen.
------------------------------------------------- "Als Kind hielt sich zahllose Male an irgendeiner Stelle, auf einem Weg oder am Waldrand inne, im Wissen, dass es eines Tages vorbei sein würde mit dem Anblicken der Welt, dass es egal war, wer sie gerade im Blick hatte, dass nur ihr Schauen ausschlaggebend war, ihr einsames, unsicheres Auge."
"Sie wusste nicht mehr, wann sie aufgehört hatte, sich im Frühjahr eine vielversprechende Zukunft vorzustellen. Irgendwann war ihr aufgefallen, dass sie die aufblühende Natur aus einer gewissen Distanz betrachtete."
"Wie schade, dass ich die Wunder meines Lebens niemandem vermitteln kann, dachte Anni."
"Beim Gedanken an die Nähe der beiden Frauen fühlte sich Anni um die eigene Mutter betrogen, die meistens nur im Schweigen anwesend war (...). Mutter, Mutter, dachte Anni, worüber wir nicht reden konnten, wiegt im Nachhinein schwerer als alles Gesagte."
"Es ist wohl so, dass mir der Weg zu den anderen versperrt bleibt. Als ob mir Gott den Mund verknotet hätte, bringe ich nur falsche Sätze heraus."
HADERLAP, Maja: „Nachtfrauen“, Berlin 2024 Die Hauptperson des Romans – Mira – kommt aus einem Dorf in Kärnten. Sie ist zweisprachig – deutsch und slowenisch – aufgewachsen. Nach der Matura ermöglichte ihre Mutter ein Studium an der Universität in Wien. Mira lernt hier ihren Freund kennen und wird in der Hauptstadt ansässig. Die Mutter lebt allein am Bauernhof, besucht aber die Tochter öfter in Wien besucht, was rückblickend auch beschrieben wird. Sie ist konservativ und – im Unterschied zur Tochter - sehr gläubig. „Jahrelang hatte Anni versucht, Mira in die Welt des Glaubens einzuweihen, ihr die Anforderungen, die Gott und die Kirchen an die Frauen stellten, nahezubringen, aber das war gründlich schief gegangen.“ (Seite 248) Eines Tages meldet sich der Bruder bei Mira und teilt ihr mit, dass es der Mutter nicht gut geht und sie kommen solle. Sie, die Tochter, soll ihr beibringen, dass sie in ein Altenheim übersiedelt. Mit mulmigem Gefühl macht sich Mira auf die Reise. Im Zuge des Aufenthalts bekommt sie Kontakt mit ihrem Jugendfreund und stürzt sich in eine Zwietracht zwischen ihrem Lebenspartner in Wien und dem neuen, frisch aufgeflackerten Verhältnis. Mühsam wird der Mutter der Umzug schmackhaft gemacht, den man aber als Leser nicht mehr mitgeteilt bekommt. Anni – so heißt die Mutter – hat sich aber letztendlich mit einer Übersiedlung abgefunden. Am liebsten wäre es ihr, in einem verlassenen Haus am Hauptplatz der Bezirksstadt zu leben. „Dort würde ich tagein, tagaus auf einer Bank neben dem Haustor sitzen und die Menschen beobachten, wie sie an mir vorübergehen. Ich müsste nichts mehr tun, nur grüßen und zuweilen jemanden zu mir auf die Bank einladen. Man würde sich an mich und mein Dasitzen gewöhnen, so sehr, dass man mich bald mit einem Denkmal verwechselte. Niemand würde meinen Tod bemerken, das würde mir gefallen, dachte Anni …“ (Seite 293) Maja Haderlap schreibt sehr langatmig. Viel Platz wird Landschaftsbeschreibungen gewidmet. Sie beschreibt diese, wie mit einer Kamera gefilmt.
Zuerst muss ich zu "Nachtfrauen" von Maja Haderlamp sagen, dass ich das Coverdesign wunderschön finde und es schon einen Einblick in die Stimmung im Buch gibt. Unter der Geschichte von Mira, die ihre Mutter besucht, um sie sanft darauf vorzubereiten, dass sie bald aus dem Familienhaus ausziehen muss, liegen viel Melancholie, die Schwere unausgesprochener Worte zwischen Mutter und Tochter, Erinnerungen an schwere Zeiten. Mira und ihre Mutter Anni haben beide früh ihre Väter verloren und allgemein kommen die Männer in den Leben der beiden Frauen nicht besonders gut weg. Miras Bruder Stanko und ihr Cousin Franz zeigen wenig Interesse an Anni und ihren Verbleib, belassen es bei dem Fokus auf das Organisatorische rund um die Räumung des Hauses und des Grundstücks. Während ich mich mit dem Thema der slowenischen Einwanderinnen und Sprachkultur nicht wirklich identifizieren konnte (aber es trotzdem interessant fand!), konnte ich den Mutter-Tochter-Konflikt und das beidseitige Herumtänzeln um Probleme und Verschweigen von Gefühlen besonder gut nachvollziehen. Meine Mutter und Oma haben eine ähnliche, kühle Beziehung. Also all in all ein angenehm zu lesendes Buch mit tollem Flow und spannenden Themen.
Obwohl es mich insgesamt 2 Jahre gekostet hat, das Buch fertig zu lesen, habe ich es so sehr geliebt. Es werden verschiedene Geschichten aus der Perspektive von Frauen aus 3 Generationen erzählt. Was ich so schön finde, ist die Tatsache, dass die Protagonistinnen endlich einmal ältere Frauen sind, ich fand das eine sehr willkommene Abwechslung zu den sonst ja eher jungen Hauptpersonen. Ich liebe, wie tief man hineintaucht in die Gefühlswelt der Frauen. Es kommen viele tiefe & berührende Themen im Buch vor. Ich finde auch, dass man eine neue Perspektive auf das Älterwerden und Mensch sein bekommt. Es geht viel um Verzeihen, Liene trotz schwieriger Beziehungen, Glücklich sein trotz schlimmen Erfahrungen. Es geht um voneinander Lernen, sich und anderen Verzeihen & ums Fehler machen. Große Enpfehlung.
Ebenso wie in "Engel des Vergessens" schafft es Maja Haderlap auch in "Nachtfrauen" die Geschichte von einfachen Frauen aus der kärntnerisch-slowenischen Gesellschaft zu beschreiben. Sowohl Mira, die sich dem Slowenischen vollkommen entsagt hat und in Wien lebt, als auch ihre Mutter Anni, die im Dorf geblieben ist und ihr Seelenheil im Glauben gesucht hat, merken nun, dass sie mit dem Vergessen und Verdrängen nur Zeit gewinnen konnten. Die Vergangenheit und Wurzeln holen sie ein. Nachdem nun Anni, die Mutter von Mira, mit ihrer Lebensgeschichte im Reinen ist, kann sie letztendlich die Vorbereitungen, auch geistig, treffen, um ins Altersheim zu gehen.
Schöne Geschichte mit vielen wichtigen Themen, bei denen ich mir aber manchmal mehr Tiefgang gewünscht hätte. Es geht um eine Minderheit von der ich bisher nicht gehört oder gelesen hatte, man kann also auch noch was lernen und es ist wahrscheinlich noch interessanter wenn man die historische Einordnung nachvollziehen kann und sich mit dem Thema befasst hat. Schön geschrieben, kann bei den richtigen Leser*innen viel auslösen i guess
Das erste Drittel fand ich sehr interessant und abwechslungsreich. Es geht um die Biographien von drei verwandten Frauen aus verschiedenen Generationen, verschiedene Lebensumstände und Lebensentwürfe (v.a. was berufliche Tätigkeit und Bildungswege angeht). Um die Geschichte von Slowenien und Österreich, insbesondere der Region Kärnten. Und um den Unterschied zwischen dem Leben in der Großstadt und auf dem Land.
Unglaublicher Roman. Wie langsame, beruhigende, bedächtige Schritte. Und dann wieder so aufrüttelnd und voller Gefühle. Wie viele ungesagte Sätze können zwischen Menschen hängen...wie sehr können Menschen miteinander und nebeneinander existieren, verwoben sein und sich gleichzeitig kaum berühren... Absolute Leseempfehlung. Lässt mich wohlig und traurig und zufrieden zurück.
Eine extrem berührende Erzählung der Entfremdungen und Annäherungen einer Familie über Generationen hinweg. Nicht nur für Menschen mit kulturellem Bezug zu Haderlap heilsam, aber für diejenigen besonders. Danke für Ihre Stimme und dieses Buch!
2. Teile: Mutter/Tochter Österreichischer Bezug Familiendynamiken Trauma Tod Mutter/Tochter dynamik Veränderung Mentale Krankheiten Betrug Verbindung zur Natur Kreative Mutter Handlung wird von Gedanken unterbrochen, vergangene Geschichten von Geschehen.
Gute Beobachtungen und Beschreibungen. Interessant, weil ich mich noch nie enger mit dem Thema der Kärntner Slowen*innen auseinandergesetzt habe. Trotzdem bleibt das Buch irgendwie distanziert, die Figuren nur wenig greifbar - genau das, was die Protagonistinnen in ihrer Familie erlebt haben.