Nilay will los. Am liebsten noch heute Nacht, von Berlin nach Istanbul. Seit Wochen verfolgt sie mit ihren Eltern die Nachrichten vom die Bilder der Proteste, das Rufen nach Freiheit. Selim und Hülya sind außer sich. Sie selbst waren Kinder in den Straßen Izmirs. Dann kam der Putsch, im September 1980. Es folgten Jahre der Willkür, doch sie glaubten an eine Zukunft in der Türkei. Schließlich hatten sie sich und fanden Wege des Widerstands. Dreißig Jahre später zieht es ihre Tochter in das Land, das sie hinter sich ließen, in der Hoffnung, anderswo frei zu sein.
Ein unglaublich starkes Buch über Polizeigewalt, Widerstand, Vertrauen, Familie und Freiheit. Die Geschichte erzählt von den Generationen, die vor uns gekämpft haben. Selim und Hülya (und alle anderen Menschen) müssen entscheiden, bis wohin es sich zu kämpfen lohnt. Sie müssen entscheiden, wie wichtig ihnen ihre Freiheit ist und wem sie vertrauen.
Eine absolute Weiterempfehlung! Vor allem möchte ich erwähnen, wie stark dieser Debütroman ist. Ich bin auf alles weitere gespannt, dass von Özge kommt. Chapeau.
Ich bin Özge lange Zeit auf Twitter gefolgt und habe es nun endlich geschafft, ihren Debutroman zu lesen – entsprechend meiner Erwartungen hat die Autorin hier ordnungsgemäß abgeliefert, denn Özge ist eine der klügsten Stimmen unserer Generation.
„Natürlich kann man hier nicht leben“ erzählt in mehreren Erzählebenen, wie verschiedene Generationen einer Familie gegen die politischen Missstände in der Türkei ankämpfen. Wie viel Willkür kann man ertragen, bevor man einen Schlussstrich zieht?
Auch das Ankommen in der Fremde, der Weg ins neue Land, die Startschwierigkeiten, die viele Migranten hier erleben, wurden eindrücklich beschrieben. Wie sich Hülya nach über zwanzig Jahren in Deutschland immer noch nicht ganz heimisch fühlt, der Zwiespalt der Kinder.
Ein toller Roman. Özge findet (wie schon damals) einfach die richtigen Worte für das, was sie erzählen will.
Kleiner Hinweis: Es werden nicht allzu viele politische Hintergründe erläutert, eine grundlegende Kenntnis der neueren türkischen Geschichte und des Systems machen das Lesen angenehmer.
Was für eine tolle Geschichte über politisches Engagement und Widerstand, Familie und Heimat. Mir hat der ruhige Erzählstil mit wechselnden Perspektiven sehr gut gefallen. Einzig das Ende kam ein wenig plötzlich. Ich hätte auch noch 100 Seiten mehr lesen mögen.
Kurzmeinung: Ein Debüt mit Vertiefungsproblemen Von der Heimat - politisch und privat Özge Inan beschreibt in ihrem Debütroman am Beispiel zweier Familien Willkür und Verfolgung seitens der Staatsmacht in der Türkei. Selim und Hülya haben Unterschiedliches erlebt. Selim ist marxistisch-leninistisch orientiert und vertreibt verbotene Literatur, Hülya lebt in einer traditionellen Familie, muss sich mit der traditionellen Frauenrolle auseinandersetzen und erlebt, wie schwierig und gefährlich es wird, als ihre Schwester sich in einen Kurden verliebt. Als die Kutlosoys (Selim und Hülya) ihr erstes Kind erwarten, emigrieren sie nach Berlin. Der Roman spielt in Rückblenden weitgehend in den 1980er Jahren in Izmir.
Der Kommentar. Die historischen Hintergründe und näheren Umstände, die zu dem Militärputsch 1980 in der Türkei führten, in deren Folge Ahmet Kenan Evren einige Jahre lang Präsident war, werden nicht näher beleuchtet oder gar kontrovers diskutiert. Dabei ist das die Zeit in die uns die Autorin in Rückblenden hineinversetzt, damals als das Ehepaar Kutlosoy (Selim und Hülya) jung gewesen ist und in Izmir lebte. Polizei und Militär griffen hart durch, sie duldeten keine widerständigen Aktivitäten. Die Kurden waren damals schon Feindbild Number One.
Die Aufgabe des Militärs, die durch Kemal Atatürk ins Leben gerufene laizistische Verfassung des türkischen Staates zu bewahren und zu verhindern, dass nachfolgende Regierungen die Trennung von Staat und Religion wieder aufheben, wird in diesem dialoglastigen Roman nicht diskutiert. Und auch nicht, dass das Militär diese Aufgabe, Hüter der laizistischen Verfassung zu sein, in der Jetztzeit nicht mehr erfüllen kann, da durch Recep Tayyip Erdoğans systematische Infiltrierung des Militärs durch seine Gefolgsleute und Anhänger einerseits, der konsequenten Entfernung von kemalistischen Entscheidungsträgern andererseits der Tiger zahnlos wurde. Recep Tayyip Erdoğan ist derjenige Präsident, der bekanntlich sinngemäß sagte: “Die Demokratie ist ein Zug, auf dem wir mitfahren, bis wir das Ziel (Herrschaft = Einheit von Islam und Staatswesens) erreicht haben, danach brauchen wir den Zug nicht mehr.” Auch die Geschehnisse 2012/13 auf dem TaksimPlatz werden nur kurz angerissen, obwohl diese der Ausgangspunkt des Romans sind und man muss sie entweder parat haben oder bei Wikipedia nachlesen: „Ende des Jahres 2012 war der Taksim-Platz wegen Bauarbeiten gesperrt worden. Im April 2013 kam es zu massiven Protesten gegen den Abriss des als Weltkulturerbe qualifizierten Emek-Kinos und gegen eine Politik der Stadterneuerung, die bevorzugt Baudenkmale des Kemalismus und der Verwestlichung aufs Korn zu nehmen scheint. Ihre Fortsetzung fanden diese Ereignisse in der Kontroverse um den Gezi-Park, dessen Bäume die Stadtverwaltung Istanbul zu fällen plant(e), um dort ein Einkaufszentrum zu errichten.“ (Wiki).
Der Roman konzentriert sich auf das individuelle Erleben seiner Protagonisten, das ist an und für sich nicht verkehrt, doch weil er es versäumt, die Widerfahrnisse der Familie Kutlosoy energisch an bestimmte historische Geschehen anzubinden, diese klar zu benennen und sie unter die Lupe zu nehmen, bleibt der Roman an der Oberfläche. Das ist wirklich schade, denn man erkennt den Versuch einer Auseinandersetzung mit der Türkei: aber er schürft nicht tief. Themen werden angerissen, aber es gibt keine Kontroverse, Themen werden nicht mit Hintergrund unterfüttert, nicht einmal abgeschlossen. So wird am Ende nicht einmal klar, wem die Eltern Kutlosoy ihre Geschichte eigentlich erzählen, klären sie ihre Kinder über ihre Vergangenheit auf und was könnte dies für Emre (Sohn) und Nihay (Tochter) hier in der Gegenwart nun bedeuten – oder erzählt das Ehepaar Kutlosoy von seinen politischen Ansichten, von seinem Engagement in der Jugend und dem Enthusiasmus, der sie damals bewog, die Welt zum Guten verändern zu wollen und von ihrer umfassenden Enttäuschung darüber, dass es unmöglich war - nur uns, den Lesern? Das alles bleibt offen. Am klarsten wird der Roman noch, wenn er von den Studentenunruhen berichtet, und sich selbst dort, wo Frauen für Frauenrechte demonstrieren, patriarchalische Strukturen durchsetzen.
Der Roman arbeitet mit Dialogen, ist absolut dialoglastig, es gibt kaum Beschreibungen. Diese Dialoge sind allerdings recht lebendig, nicht gerade tiefschürfender Art, aber sie sind auch durchaus mehr als dick aufgetragene Informationsträger, deren Absicht man erkennt und dadurch genervt ist. Die Dialoge sind das Gute an dem Roman.
Fazit: Dialoge allein reichen nicht aus. Die erzählerischen Mittel der Autorin sind momentan noch limitiert, die Wortwahl enthält Phrasen; stärker zu Buche schlägt jedoch das Fehlen von sachkundiger Einbettung ins Zeitgeschehen, Erläuterungen und historische Zusammenhänge.
Kategorie: Eine Art historischer Roman Verlag: Piper, 2023
Ein erfrischend straight erzählter und unprätentiöser Roman über linkes politisches Engagement, Familie, Freundschaft und das Leben als politisch Geflüchtete.
Berlin 2013: Hülya und Selim sitzen vor dem Fernseher und saugen die Berichte über die Gezi-Proteste im Taksimviertel in Istanbul auf. Hülya ist voller Unglauben darüber, dass CNN in der Türkei eine Pinguindoku sendet, statt über die Proteste zu berichten. Selim kennt diesen Umgang der Regierung in seinem Heimatland mit Protesten genau. Er macht sich nur insgeheim Hoffnung. Hülyas und Selims 16-jährige Tochter Nilay versteht nicht, wie ihre Eltern dem Geschehen gegenüber scheinbar unbeteiligt sind. Sie will direkt nach Istanbul aufbrechen.
Nach diesem fast filmischen Einstieg erzählt Özge İnan chronologisch die Geschichte von Selim und Hülya in der Türkei der 80er- und 90er-Jahre. Wir lernen Selim als Zehntklässler auf einem Jungeninternat in Izmir kennen. Es ist eine Zeit politischer Morde an linken Oppositionellen. Selim engagiert sich für die Jugendorganisation der TKP (Türkiye Komünist Partisi), er geht plakatieren, wird von den Grauen Wölfen und von der Polizei verfolgt. Der Militärputsch von 1980 verschärft das Klima für Selim und seinen besten Freund Ozan deutlich, die Jugendlichen müssen sich vor Festnahmen und Gewalt fürchten.
Nach der Schule arbeitet Selim im Buchladen von Muharrem, einem Freund seines Vaters. Er schreibt nebenbei politische Kolumnen für eine linke Untergrundzeitschrift und beginnt, mit verbotenen Büchern zu handeln. Dieses Kapitel habe ich geliebt. „Junger Mann, ich wüsste keine Tätigkeit, die politischer ist, als Bücher zu verkaufen.“ <3
Selim und Hülya begegnen sich zum ersten Mal bei einem Treffen zum Internationalen Frauentag. Als Hülya schwanger wird und Selim zeitgleich eine Vorladung mit der Aussicht auf eine fünfjährige Gefängnisstrafe erhält, sieht Selim sich gezwungen, die Türkei zu verlassen. Hülya geht nur widerwillig mit, sie lässt ein ganzes Leben zurück: ihre Familie, ihre Freunde, ihr fast beendetes Medizinstudium. Hülya tauscht das alles gegen ein Leben als Hausfrau und Mutter in einem Land ein, dessen Sprache sie nicht spricht.
„Natürlich kann man hier nicht leben“ ist ein handlungsgetriebener, intelligenter Roman über ein Elternpaar, das für die Zukunft seiner Kinder eine Heimat und große Teile seiner selbst zurücklässt. Das Ende erschien mir zu abrupt, gerne hätte ich die Geschichte der Familie noch viel weiter verfolgt.
CN: rassistische Mikroaggressionen, (Militär)Diktatur, Autokratie, rechter Terror, politische Morde, Polizeigewalt
Hab den Roman innerhalb von 1,5 Wochen verschlungen und konnte ihn ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weglegen. Zu Beginn war ich etwas enttäuscht, dass der Schreibstil ähnlich sei, wie bei anderen Romanen, die ich zuletzt über migrantische Erfahrungen gelesen habe (Dschinns, Auf der Straße heißen wir anders). Das stellte sich jedoch als Trugschluss heraus, weil die Zeitsprünge nur zu Beginn und am Ende stattfinden.
Ich habe die Geschichte von Selim und Hülya gern gelesen. Deren politische Arbeit und die Gefahren, die damit einhergehen, fand ich sehr spannend. Die letzten 40 Seiten aus Deutschland, insbesondere die Szene, bei der Hülya auf der Polizeiwache ist, haben mich aufgewühlt und mir das ein oder andere Tränchen in die Augen gespült.
Das Buch für mich aber leider etwas zu ereignislos. Das liegt aber nicht daran, dass es per se schlecht geschrieben ist, denn die Figuren sind sehr nachvollziehbar in Leiden und Gedanken. Auch das Gefühl, das sie durchmachen verstehe ich.
Mehr ist der Funke aber nicht übergesprungen. Das mag daran liegen, dass ich bei den vielen Namen nicht immer ganz sicher war (wäre mir das auch bei bekannteren Namen passiert?), kann aber auch an fehlender persönlicher Anschlussfähigkeit mit dem Thema politischer Verfolgung liegen.
Die Stärken liegen für mich in der Beschreibung des Lebens unmittelbar vor und in Berlin. Das Ende ist also wirklich gut gelungen, insbesondere auch das allerletzte Kapitel.
Würde ein Buchlauf von dieser Bewertung nullkommanull abhängig machen. Es hat sicher einige Stärken und die negativen Aspekte sind vermutlich ziemlich persönlich.
Ein unfassbar starkes, berührendes und auch spannendes Buch über zwei Generationen einer türkischstämmigen Familie, das Themen wie Heimat, Freiheit und politisches Engagement behandelt.
Die Charaktere und ihre Leben waren so gut geschrieben, dass man sich gut vorstellen konnte, wie Menschen wie sie wirklich solche Leben geführt haben.
Die Rahmenhandlung mit den Kindern fand ich interessant, hätte mir da aber fast ein paar Seiten mehr Inhalt gewünscht, um noch besser nachvollziehen zu können, was sie erleben und wieso sie so handeln, wie sie handeln.
Empfehlungen gehen raus, dieses Buch hat auch gute Chancen Teil der Analyse meiner Masterarbeit zu werden.
Greift wichtige Thematiken auf und ist inhaltlich stark! Schreibstil hat mich aber an manchen Stellen nicht ganz abgeholt und ich hätte mir noch mehr Tiefgang für die Charaktere gewünscht. Trotzdem tolles Debüt ⭐️
die Geschichte startet mit Protesten in der Türkei 2013. Nilay ist in Deutschland geboren und will unbedingt was tun. Sie beschließt nach Istanbul zu fliegen. Das zweite Kapitel spielt 1980. Selim, Nilays Vater, ist linker organisierter Schüler und wir erleben seine und die Geschichte seiner späteren Frau Hülya als linke Aktivistis in der Türkei, die gegen Unterdrückung, Nationalismus und für eine bessere Türkei kämpfen. Unglaublich einfühlsam und gleichzeitig drastisch geschrieben. Für mich eins meiner Jahreshighlights 5/5 Teegläsern.
4,5 sehr inspirierend! ich mochte die Charaktere sehr & man kriegt einen Eindruck der linken Bewegung und Widerstand in der Türkei in den 80ern (weniger Fakten, da muss man evtl. ein bisschen nachrecherchieren, sondern mehr über alltägliche Leben)
2.5 ⭐ | Der Klappentext schien zunächst vielversprechend. Die Protagonistin Nilay, die zwischen Berlin und Istanbul hin- und hergerissen ist, und ihre Eltern Selim und Hülya, die die politischen Unruhen in der Türkei miterlebt haben, bieten eine interessante Grundlage für eine Geschichte über intergenerationelle Konflikte und Migrationserfahrungen. Doch leider konnte das Buch meine Erwartungen nicht erfüllen.
Ein zentrales Problem des Buches ist die passive Erzählweise der Autorin. Özge İnan bleibt oft distanziert und vermittelt die Ereignisse eher wie eine chronologische Abhandlung als eine lebendige Erzählung. Es wird nicht klar, ob İnan eine Familiengeschichte darstellen oder sich kritisch mit den linken Diskursen auseinandersetzen möchte. Diese Unentschlossenheit führt dazu, dass die Charaktere flach bleiben und die emotionalen Höhen und Tiefen der Geschichte nicht richtig zur Geltung kommen.
Die historische Auseinandersetzung mit der linken Studentenbewegung der Türkei wird detailliert beschrieben, was an sich interessant ist, aber nicht das war, was ich erwartet hatte. Ich hatte mir erhofft, mehr über die spezifischen Herausforderungen und Erlebnisse türkischer Migrant*innen in Deutschland zu erfahren, doch dieser Aspekt wurde weitgehend vernachlässigt. Stattdessen dominiert die historische Perspektive, die mich nicht so sehr fesseln konnte. Hier wird viel Wissen vorausgesetzt und wenige der Umstände erklärt. Insbesondere die Vaterfigur bleibt unglaublich unreflektiert und zeigt keine nennenswerte Weiterentwicklung.
3,75 ⭐️ Es hat sich so in die Länge gezogen bis ich jetzt endlich fertig war. Aber nicht weil das Buch schlecht ist, eher weil ich null im Lesemodus war. Fand das Buch toll. Thematik mochte ich sehr, vor allem konnte ich mich sehr mit Nilay identifizieren. Die Story hat mich sehr an eine meiner Lieblingsserien erinnert (öyle bir gecer zaman ki). Selim war für mich absolutes Ebenbild von Ahmet, hab das geliebt. Kann mir absolut vorstellen, dass es nicht jedem gefallen würde, weil es sehr politisch ist. Aber ne fand es toll!! (Hätte mir gewünscht es wäre mehr auf Nilay bzw. Gegenwart eingegangen)
Familiengeschichte aus verschiedenen Perspektiven und Zeitpunkten, wobei es vor allem um die Vergangenheit der Eltern in der Türkei zeigt. Ich hatte Schwierigkeiten am Anfang, reinzukommen, bis ich gemerkt habe, dass es um die Lebenswege der Eltern, Hülya und Selim, geht. Inan macht die politische Arbeit von jungen Leuten in der Türkei in den 80er und 90ern fühlbar - und den Struggle zwischen Widerstand leisten gegen den Faschismus und Auswandern.
„Natürlich kann man hier nicht leben“ ist eine eindrückliche Geschichte über Hoffnung, Engagement und Enttäuschungen. Die Geschichte einer Familie und, quasi als weiteren Hauptcharakter, eines Landes. Nichts an dieser Geschichte deckt sich mit meiner Biografie und doch hat mich Özge von der ersten Seite an mitgenommen in Lebensunstände und die Geschichte eines Landes, die mir fremd sind und die sich während der 240 Seiten doch sehr nah anfühlten. Allein das macht dieses Buch zum Erfolg. Erzählt ist das alles mit einer fokussierten, teils fast wütenden Dringlichkeit, die Liebhabern metaphernreicher Beschreibungen vielleicht zu direkt ist, für mich aber sehr passend die Gefühlswelt der Charaktere einfing. Einzig die Passagen, die in Deutschland spielen hätte ich mir länger gewünscht, da sie mit zu den Stärksten des Buches gehören. Insgesamt also ein sehr gelungenes Debut, ich hoffe da wird noch einiges kommen.
Laß sich einfach von der Hand. Der politische Aktivismus der Hauptcharaktere überzeugt; eigentlich engagieren sie sich nur ein bisschen nebenbei, aus Haltung und mit einer Spur von Optimismus. Auch Generationenkonflikte in der Türkei der 80er Jahre fließen recht natürlich ein.
Letztendlich gab es aber kaum Stellen, die mich emotional oder durch neue Erkenntnisse komplett abgeholt haben. Die Verflechtung mit der Jetztzeit eine Generation später, durch die das Buch einen Rahmen zu spannen sucht, klappt nur skizzenhaft.
Okayokay ich versuch jetzt Goodreads und schau mal wie das funktioniert (confused boomer noises) das war das letzte was ich gelesen hab und ich fands klasse (trotz nachvollziehbarer Schwächen) also fünf Sterne.
Spoiler: Wahrscheinlich trag ich hier nicht oft was ein - aber will wieder mehr lesen! Und bin gespannt was Ihr lest also LG
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Ein Buch was ich nicht explizit empfehlen aber auch nicht davon abraten würden. 24€ für's Hardcover ist es nicht wert aber wenn man es günstig schießt warum nicht.
Sehr lesbar, mit menschlichen Charakteren, deren Motive und Schicksale positiverweise nicht alle bis ins letzte Detail auserzählt aber ausdifferenziert werden. Ein Blick in die linke Studentenbewegung in der Türkei der 80er, aber der Roman beschränkt sich hier nicht auf das öffentlich-politische, sondern betrachtet auch das private politische, das allgegenwärtige Patriarchat der Gesellschaft und Familie, und die verschiedenen Lebensvorstellungen und -realitäten der beiden Hauptfiguren. "Natürlich kann man hier nicht leben" war der erste Roman, den ich gelesen habe, der sich mit insbesonderer türkischer politischer Migration beschäftigt hat und ehrlich gesagt auch der erste Roman, der (hauptsächlich, der narrative Teil, der in Deutschland in 2013 gesetzt ist, ist vor allem Framing für die eigentliche Handlung, das muss man wissen, da der Klappentext hier vielleicht ein bisschen irreführend ist) in der Türkei spielt.
Manchmal driftet der Schreibstil in kurze Klischee-Formulierungen ab, aber fängt sich zuverlässig nach ein, zwei Sätze wieder. Insgesamt also durchgehend sehr angenehm und gut lesbar. Nach vielen Büchern auf Englisch in letzter Zeit hatte ich ein bisschen Angst vor Schachtelsätzen und Tempi-Gewirr, aber das hat sich sehr schnell als unbegründet herausgestellt. Ein bisschen poetisch, ein bisschen zweckmäßig, irgendwie aber immer passend.
Wirklich solider Debütroman, bei dem mir beinahe nicht mal mehr der Hardcoverpreis wehtut :')
Özge Inan beweist hier leider mal wieder, dass gute politische Tweets schreiben nicht unbedingt auch heißt, dass man gute politische Bücher schreibt. In ihrem Debütroman erzählt sie die Geschichte von Selim und Hülya, die in den 80ern nach dem Militärputsch in der Türkei aufwachsen. Es ist eine Geschichte des Widerstands und eine Geschichte, die sich lohnt zu erzählen. Das Problem ist nicht die Thematik, sondern hauptsächlich die sprachliche Umsetzung. Fast die gesamte Handlung spielt sich in direkter Rede ab. Was auf der einen Seite einen schnellen Lesefluss erzeugt, ist auf der anderen Seite stilistisch wirklich wahnsinnig langweilig und auf Dauer auch ermüdend. Im Journalismus mag es funktionieren, wenn das Thema vor der Sprache kommt, ein guter Roman lässt sich so allerdings nicht schreiben, sind doch die besten Bücher die, in denen eine Geschichte fast nebenbei durch intelligenten Einsatz von Sprache erzählt wird. Erschwerend hinzu kommt eine viel zu große Menge an Nebencharakteren und ständige Zeitsprünge, die dann wieder neue Nebencharaktere einführen und genauso schnell wieder fallen lassen. Insgesamt ergibt sich damit leider ein sehr unbefriedigendes Leserlebnis und ein Buch, das viel hätte erzählen können, aber es leider am Ende doch wieder auf das vernichtende Urteil herausläuft: vielleicht sollte Özge doch eher bei den Tweets bleiben.
Grossartiger historischer Roman, der mir persönlich Einblicke gegeben hat in Menschen und Erfahrungen, die ich sonst wohl nirgendwo bekommen hätte können, egal ob es um den politischen Kampf in einem repressiven Land geht, das Frau-sein in der Türkei oder die Flucht in ein fremdes Land.