Die Welt der russisch-jüdischen Familie aus Hamburg, um die es in Maxim Billers neuem Roman »Mama Odessa« geht, ist voller Geheimnisse, Verrat und Literatur. Wir lesen aber auch ein kluges, schönes und wahrhaftiges Buch über einen Sohn und eine Mutter, beide Schriftsteller, die sich lieben, wegen des Schreibens immer wieder verraten – und einander trotzdem nie verlieren.
Mit beeindruckender Leichtigkeit spannt Maxim Biller einen Bogen vom Odessa des Zweiten Weltkriegs über die spätstalinistische Zeit bis in die Gegenwart. Alles hängt bei der Familie Grinbaum miteinander das Nazi-Massaker an den Juden von Odessa 1941, dem der Großvater wie durch ein Wunder entkommt, ein KGB-Giftanschlag, der dem Vater des Erzählers gilt und die Ehefrau trifft, die zionistischen Träumereien des Vaters, der am Ende mit seiner Familie im Hamburger Grindelviertel strandet, wo nichts mehr an die jüdische Vergangenheit des Stadtteils erinnert – und wo er aufhört seine Frau zu lieben, um sie wegen einer Deutschen zu verlassen. Dennoch scheint ständig ein schönes, helles Licht durch die Zeilen dieses oft tieftraurigen, außergewöhnlichen Buchs.
»Mama Odessa« ist ein literarisches Meisterstück von größter Präzision und poetischer Kraft, wie es auf Deutsch nur selten gelingt.
Maxim Biller hat im März letzten Jahres in der ZEIT geschrieben: "Ich will kein Schriftsteller mehr sein, ich will nie wieder einen Roman oder ein Buch mit Erzählungen veröffentlichen." Das war einen Monat nach Russlands Überfall auf die Ukraine. "Mama Odessa", das Biller kurz vor Beginn des Krieges zu Ende geschrieben hatte, könnte also sein letzter Roman sein. Ich hoffe, dass es nicht so kommt. Der Roman ist sogar noch besser als "Sechs Koffer" von 2018. Biller hat mittlerweile ein so hohes Niveau erreicht, dass ich gerne mehr von diesem Kaliber von ihm lesen würde.
Maxim Biller erzählt in "Mama Odessa" eine Mutter-Sohn-Geschichte aus der Ich-Perspektive. Die Mutter Aljona Grinbaum lebt in Hamburg, der erfolgreiche Schriftsteller-Sohn Mischa zunächst in München später in Berlin. Die jüdische Familie ist 1972 aus Russland nach Deutschland geflohen. Der Vater fährt immer wieder nach Israel, wo er auch begraben werden möchte. Er verlässt die Familie für eine andere Frau, die Aljona und Mischa als "deutsche Nazihure" bezeichnen.
Die Mutter schreibt auch Erzählungen. Bereits im dritten Kapitel können wir eine davon lesen. Am Ende werden fünf der vierunddreißig Kapitel autobiographische Erzählungen der Mutter sein. Doch es gibt nur ein veröffentlichtes Buch der Mutter. Dieses ist mit Unterstützung des Sohnes erschienen und wurde ein respektabler Erfolg. Für ein zweites Buch sind bis zu ihrem Tod nicht mehr genügend Geschichten zusammengekommen. "Mama wurde als Schriftstellerin geboren, aber sie wurde es zu spät, um wirklich eine zu werden."
Die Literatur spielt generell eine große Rolle. Die Mutter mag Achmatowa und Pasternak. Sie würde sich wünschen, dass ihr Sohn mehr wie Letzterer schreibt und weniger wie Philip Roth, dessen grandioser Roman "Gegenleben" erwähnt wird. Der verstorbene Schriftsteller Jakob Arjouni taucht leicht verfremdet und unter anderem Namen auf. Es ist ein wunderbares Spiel zwischen Realität und Literatur. "Aber offenbar ahnte Mama, dass ich etwas schreiben wollte, und erzählte mir fast nichts." Das Verbot von Billers Roman "Esra" vor zwanzig Jahren schwingt hier mit.
Das Buch ist zwar nur 233 Seiten dünn, aber in diesen wenigen Seiten steckt unglaublich viel Leben und Geschichte. Es geht um jüdische Identität, das Leben in Odessa, Emigration, das Leben in dem Land der Täter, Familie, Israel, Russland, Literatur und um die Liebe zur Mutter. "Sechs Koffer" stand 2018 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Ich würde mich über einen ähnlich grossen Erfolg für "Mama Odessa" sehr freuen.
Lebensgeschichte der Familie von Maxim Biller. Jüdisch-ukrainisch-sowjetische Emigranten, die nach Hamburg kommen. Es geht viel um Ehe der Eltern, das Schreiben und den Zionismus des Vaters, der immer wieder zu Repression in der UdSSR führt. Immer wiederkehrend ist die Sehnsucht und die Angst vor und um Odessa. Toll gelesen, sehr schönes Buch. Nachdenklich, wehmütig, aber auch sehr aktuell. 4 1/2 Sterne
Identität. Die Identität eines russischen Juden aus Odessa, der nach Deutschland eingewandert ist. Die Beziehung zur Mutter, einer späten Schriftstellerin. Das sind die Themen des Buches. Es ist sehr gut geschrieben, der Schreibstil des Autors ist leicht und schön, man verliert sich ein wenig zwischen dem Hin und Her zwischen Hamburg und Odessa, zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit. Ich muss zugeben, dass ich mich nicht so sehr in dieses Buch verliebt habe wie Thomas, ich hatte sogar ein wenig Schwierigkeiten gehabt, es zu Ende zu lesen. Meiner Meinung nach fehlt der Geschichte ein echter roter Faden, so dass man nicht wirklich das Gefühl hat, Fortschritte zu machen, sondern sich in der Erzählung zu verlieren. deshalb würde ich 3 1/2 Sterne geben
„Im Mai 1987 – ich war erst sechsundzwanzig Jahre alt – schrieb mir meine Mutter auf einer alten russischen Schreibmaschine einen Brief, den sie nie abschickte.“ (Zitat Pos. 55)
Inhalt 1971 durfte die jüdische Familie Grinbaum aus der Sowjetunion ausreisen, doch statt in Tel Aviv, wie sein Vater Gena es sich gewünscht und geplant hatte, landen sie in der Bieberstraße 7 im Hamburger Grindelviertel. Hätte Aljona Grinbaum Jahre später ihren Mann auf einer seiner Reisen nach Israel begleitet, hätte dieser vielleicht die junge Deutsche nicht kennengelernt, wegen der er nun seine Frau verlässt. Mischa Grinbaum, der Sohn, ist noch ein Kind, als sie Odessa verlassen, inzwischen ist er längst erwachsen und Schriftsteller. Die großen Lücken in der Geschichte seiner Familie füllen sich erst langsam, verbinden sich mit seinen plötzlich wieder auftauchenden Kindheitserinnerungen, als er nach dem Tod seiner Mutter neben den alten Unterlagen und Fotoalben auch das Manuskript für ihr zweites, nicht mehr veröffentlichtes, Buch findet, und ein Bündel Briefe, die sie im Laufe vieler Jahre an ihn geschrieben, aber nicht abgeschickt hatte.
Thema und Genre Im Mittelpunkt dieses Generationen- und Familienromans einer russisch-jüdischen Familie steht der Schriftsteller Mischa Grinbaum und natürlich sind Literatur und das Schreiben Themen, doch vor allem geht es um die Konflikte in Eltern-Kind-Beziehungen, um Familiengeheimnisse und der Geschichte der Juden in Russland.
Charaktere Im gedanklichen Hintergrund der Familie immer präsent ist Jaakow Gaikowitsch Katschmorian, Aljonas Vater, Mischas Großvater, der in Odessa geblieben ist. Mischa beginnt seine Laufbahn als Schriftsteller schon in jungen Jahren, während seine Mutter zwar ihr ganzes Leben lang ihre eigenen Erfahrungen als Erzählungen niederschreibt, doch als ihr erstes Buch herauskommt, ist sie weit über sechzig Jahre alt. Sie lieben einander, aber besonders Mischa braucht viel Abstand. Den Zugang zu seiner Mutter findet er, indem er über sie schreibt.
Erzählform und Sprache Mischa schreibt die Geschichte seiner Familie in der ersten Person, in Kapiteln, doch es gibt keine chronologische, fortlaufende Handlung. Es sind, wie in der persönlichen Erinnerung, Episoden, die je nach Situation und Ereignis auftauchen, und daher auch lebhaft wiederholt zwischen den Zeiten wechseln, von der Gegenwart in unterschiedliche Jahre in der Vergangenheit, und wieder zurück. Erzählungen aus dem Buch der Mutter, jeweils ein eigenes Kapitel, vertiefen mit weiteren Details, die der Ich-Erzähler nicht wissen kann. Dennoch, und hier zeigt sich auch in diesem Roman das besondere Können des Autors, entsteht nie eine Unruhe in den Abläufen, es bleiben am Ende keine offenen Erzählstränge, sondern die Einzelteile füllen die Lücken eines im Hintergrund immer präsenten Gesamtbildes einer Familiengeschichte mit allen Höhen, Tiefen, Konflikten und Geheimnissen. Die Sprache ist einfühlsam, in den Beschreibungen präzise, bunt und lebhaft und man liest dieses Buch mit Vergnügen.
Fazit Eine beeindruckende, vielseitige Familiengeschichte über den Verlust der Heimat, und die Suche nach dem Platz und Sinn im eigenen Leben, in deren Mittelpunkt eine von Konflikten und dennoch tiefer Zärtlichkeit füreinander geprägte Mutter-Sohn-Beziehung steht.
Has small, shiny little moments and nuances that make this an interesting read at times. Dull, self-infatuated, ostentatiously intellectual and stuck up to a point that was hard to bear at other times.
Maxim Biller does nothing to hide who he is or what he thinks himself to be, which is in a way a quality, but it was also a burden to read.
Would make for decent literature to read in german highschools as there is a lot to be interpreted and discovered between the pages.
This first edition could've also done with a bit more editing as there were a few annoying little mistakes still present.
All in all, I had hoped for more but I also leave this reading experience somewhat richer than I had entered it.
ein bisschen ein holpriger Anfang. Hab auf den Biller Exhibitionismus gewartet.. vergeblich? Vielleicht erschien es deshalb am Anfang so langweilig? Aber alle Fäden haben sich gut gespannt über den Lauf. Die Beziehung zwischen dem Protagonist und seiner Mutter und eigentlich auch seinem Vater wurde immer greifbarer und man wollte auch danach greifen. Man wollte verstehen und durchschauen und irgendwie näher ran. Näher ran als sie sich selber gegenüber standen? Alle waren sich irgendwie in der Nähe so fern.. ein zitat hab ich mir rausgeschrieben:
„wer konnte überhaupt mama hassen, der sie nicht wenigstens so gut kannte wie ich“
das zeigt es ganz gut. Die ganzen politischen Geschehen, Israel, udssr und Deutschland, es war zwar alles da, aber irgendwie ging es fast unter hinter der Mutter-Sohn Geschichte. Von der man aber auch echt bis zum Anschlag alles bekommen hat. Kam mir irgendwie so vor, als war es fast zu viel. Alles fein säuberlich serviert und erklärt bis ins Detail und dann noch ein klitze kleines bisschen darüber hinaus.
Mascha war super!! Honestly von ihr hätte ich mehr wissen wollen, aber Protagonist/Erzähler haben sich dagegen gesträubt etwas über sie preis zu geben, immer nur ihre Brüste erwähnt??? Aber immerhin bekam sie ihren call back, und sie hat ne super Figur gemacht, von der der Protagonist nur träumen würde.. Vielleicht ist das genau das was er sagen wollte? Mascha als Gegenpol, den er nie wollte, immer runtergemacht hat, und der ihn dann am Tiefpunkt übertrumpft und vorführt gewissermaßen. …. Genau wie die Beziehung seiner Eltern. Ist er durch Mascha nicht doch irgendwie das geworden was er nie sein wollte? Sein Vater? I guess Muttersöhnchen personality schützt dich nicht vor dem faith des gescheiterten Patriarchen
Erzählt wird die Geschichte der Familie Grinbaum aus Sicht des Sohnes Micha. Vater und Großvater des Erzählers entkamen knapp dem Juden-Massaker in Odessa 1941 – letztlich sind sie im Hamburger Grindelviertel gelandet, hier jedoch bricht die Familie auseinander: Vater Grinberg hatte immer Sehnsucht nach Israel und gibt diesem Gefühl schließlich nach. Er verlässt Hamburg mit einer anderen Frau und lässt Mutter und Sohn zurück.
Das Leben ist für die beiden nicht leicht, mehr recht als schlecht schlagen sie sich aber durch. Auch als Micha nach München zieht, bricht die Verbindung zwischen beiden nicht ab – sicher auch, weil sich beide der Literatur widmen: Während die Mutter Geschichten erzählt, auch aus ihrer eigenen Kindheit in Odessa, widmet sich Micha eher den Romanen. Und spät trifft er auch noch mal auf seinen Vater – ein Treffen, das ihn manches mit anderen Augen sehen lassen wird.
Wie viel autobiografisches in diesem Buc steckt, kann ich nicht sagen, an mancher Stelle kommt man aber nicht drumherum, genau das zu denken. Maxim Biller hat eine Geschichte mit viel Gefühl und Sehnsucht geschrieben, das merkt man sofort, wenn man in das Hörbuch hineinhört. Ein wenig verwirrt hat mich die fehlende Chronologie – es sind viele einzelne Geschichten aus verschiedenen Lebensabschnitten von Mutter, Vater und Micha und erst in Zusammensicht ergibt sich schließlich ein großes Ganzes. Das Bild muss sich der Leser bzw. Hörer aber selber zusammensetzen, für ihn gibt es lediglich viele einzelne Puzzlestücke. Die Liebe zur Literatur bleibt dabei aber ein vorherrschendes Element – sowohl die von Micha als auch die seiner Mutter.
Es gibt viele erschreckende Momente in dem Hörbuch, gar nicht, weil so detailliert in die Tiefe gehend berichtet wird, was geschieht, sondern weil trotz der Oberflächlichkeit der Schmerz und die Verletztheit in vielen Situationen zu spüren ist. Es werde viele Themen angesprochen, doch leider bleibt Maxim Biller bei den meisten sehr oberflächlich, so dass der Eindruck eines unzuverlässigen Erzählers entsteht und man sich als Hörer bzw. Leser viele eigene Gedanken machen kann und muss.
Das Verhältnis von Micha zu seiner Mutter ist durchaus ein tiefes, wenn auch nicht immer innig, je mehr sie aber aus ihrer Kindheit erzählt, desto mehr Verständnis kann Micha für vieles aufbringen. Ähnlich ist es mit seinem Vater – an ihm lässt er zunächst kein gutes Haar und hier ist seine Wortwahl auch sehr harsch. Das Treffen mit dem Vater ist dann ein zwar wortarmes aber sehr erhellendes.
Der Schreibstil ist erstaunlich leicht und gut les- bzw. hörbar; aber durch die vielen Zeitsprünge in der Erzählung muss man trotzdem mit Konzentration hören, sonst könnte man den Anschluss verpassen. Der Sprecher Jens Harzer war mir bisher gänzlich unbekannt, er hat das Hörbuch aber sehr gut eingesprochen und mit seiner noch jung klingenden Stimme sehr gut zum Erzähler gepasst. Er hat dem eher ruhigen Hörbuch trotz der schrecklichen Inhalte Leben einhauchen können.
"Keine deiner Geschichten ist ausgedacht. Darum sind sie so gut." Maxim Biller arbeitet sich an seiner eigenen Familiengeschichte ab. "Man kann sich nichts vorstellen, was man nicht selbst erlebt hat", sagt er in einem Fernsehinterview mit 3sat.
"Alles stimmt immer nur ein bißchen. Oder halb. Oder gar nicht." Was ist Realität, was ist Fiktion? – das sind die Fragen, die man sich immerzu stellt. In diesem nur etwa 230 Seiten kurzen Roman geht es um alles: Drei Generationen einer Familie. Die Emigration nach Deutschland. Die Ermordung der Juden von Odessa im Herbst 1941. Die Beziehung des Erzählers zu seiner Mutter. Die Liebe zum Schreiben. Den Literaturbetrieb.
"Erfinden konnte meine Mutter beim Schreiben nie – nur ab und zu dabei etwas verschweigen." Schreibende Mutter, schreibender Sohn. Auf sie blickt der Erzähler voller Wärme und Zärtlichkeit und man vergisst kurz, dass Biller einst durch seine virtuose Kolumne "Hundert Zeilen Hass" Berühmtheit erlangte.
Auf wenigen Seiten gelingt es dem Autor, so viel und so präzise zu erzählen. Die Sprache ist schön, weil sie so einfach ist. Ich lese das Buch jetzt ein zweites Mal.
Ein weiteres Buch in der Reihe meiner Versuche Identifikationsfiguren zu finden. Ich verstehe nur nicht, wieso der Klappentext sich darauf fokussiert, dass Aljona Grinbaum keine Mutter war. Das reduziert den Inhalt des Buches beträchtlich, wobei ich sogar in Frage stellen würde, ob sich das überhaupt in diesem Roman findet.
Erinnert an Dmitrij Kapitelmans „Eine Formalie in Kiew“
Die Dynamik und die Themen zwischen Mutter und Sohn sind grundsätzlich sehr interessant. Die vielen Aspekte und kurzen Anekdoten im Buch bieten spannende Einblicke. Auch das Streifen zahlreicher Orte im Hamburger Gridelviertel und Berlin-Charlottenburg, die mir sehr vertraut sind, fand ich interessant. Allerdings wirkt das Buch durch das Fehlen einer durchgehenden Handlung und die Häufung von Anekdoten, die sich teilweise wiederholen, etwas zu lang. Der Autor schreibt zwar so gut, dass man das fast vergisst, aber eben nur fast. Für das Lesen auf meinen täglichen Bahnfahrten war es dennoch ganz gut geeignet.
Nun zum großen (und bekannten) Manko: Der Autor ist ein Arschloch. Es ist fast schon erstaunlich, wie man sich so gnadenlos ehrlich unsympathisch darstellen kann, obwohl das Buch offiziell nicht ganz autobiografisch sein soll.
Das eigentlich Schlimmste jedoch: Man stößt immer wieder auf fast schon lüsterne Beschreibungen von Frauen im Buch. So wurden, glaube ich, bei jeder Frau, die vorkam, die Brüste beschrieben. Auch der Kommentar über die Intimbehaarung einer Liebschaft war völlig fehl am Platz.
Wegen der interessanten Einblicke in eine Familiengeschichte vergebe ich 2,5 Sterne. Andere Bücher von Biller werde ich aber sicher nicht lesen.
Das Buch lässt sich sehr gut lesen und es ist sprachlich schön geschrieben. Wenn ich es in der Hand hatte, konnte ich ewig weiterlesen aber wenn ich es zur Seite gelegt habe, hatte ich es und den Inhalt schnell vergessen, denn es fehlt an roten Faden und an Spannung. Wer Bücher mag, die Antworten geben, sollte dieses Buch meiden denn es werden vor allem Fragen gestellt und viel Raum für eigene Interpretation gelassen. Es geht um Mischa und das Verhältnis zu seinen Eltern v.a. zu seiner Mutter. Geschrieben wird v.a. aus der Perspektive von Mischa, die kursiven Passagen sind Geschichten der Mutter, die Mischa nach ihrem Tod findet. Die Charaktere sind alle unsympathisch weil keiner Verantwortung für sich und sein Handeln übernimmt. M. Biller scheint es ausserdem an Respekt vor Frauen zu mangeln.
Kitabın tam olarak kronolojik ilerlememesi, bölüm bölüm bir geçmiş anılara bir de şimdiye dönülmesi hoşuma gitti. Bu sayede kitabı daha aktif bir şekilde okuyup olayları bağdaştırmaya çalışıyorsunuz. Döneminde entelektüel olan bir ailenin geçmişiyle birlikte gündelik yaşamlarının nasıl etkilendiğini de açıkça görüyoruz ki yazarın amacı da buymuş bir nevi. Sürekli nostalji içerisinde olma, acı anıları hatırlama, belki de gerçekten mutlu olunan o tek anıda takılı kalma ve her boşluğunda dönüp dolaşıp kendini orada bulmak...
Ancak kitabı okurken emin olduğum bir şey var ki sanırım geçmiş ve geçmişe verdiğimiz tepkiler düşündüğümüzden çok daha önemli. Buradaki geçmiş ise kişisellikten ziyade tüm soyağacını kapsıyor.
Bazen sadece geçmişe tutunarak yaşamaya devam ettiğimizi zannediyoruz.
Bei der Auflösung der Hamburger Wohnung seiner verstorbenen Mutter findet der Berliner Schriftsteller Mischa Grinbaum im Sekretär etliche Briefe, die die Mutter vor Jahren an ihn geschrieben, aber nie abgesendet hat. Als er sie liest, kommen Erinnerungen zurück an die Kindheit und an die Familiengeschichte der Grinbaums.
Die ist an einigen Ecken verfremdet, aber sonst ziemlich deckungsgleich mit jener der Familie Biller, mit Mischa als Maxim und Aljona als Mutter Rada. Die Grinbaums kommen aus Odessa, sind nichtreligiöse Juden, der Großvater väterlicherseits Armenier. Durch pures Glück überstehen sie im Krieg die Massaker der Nazis und davor und danach die Verfolgungswellen Stalins. 1960 kommt Mischa zur Welt. Der stramm zionistische Vater erwirkt die Ausreise in den Westen, die 1971 erfolgt - doch statt nach Israel geht es nach Hamburg, wo der Vater, der die Familie ernähren muss, einen lukrativen Job erhalten hat. Mutter Aljona, die in der Sowjetunion Geografie studiert hat (das angestrebte Medizinstudium blieb ihr als Jüdin verwehrt), bekommt eine Stelle als Forschungsassistentin an der Hamburger Uni. So rein nebenbei schreibt sie - auf russisch - Erzählungen aus ihrem Leben, die ihr Sohn, der - erst in München und dann in Berlin - Journalist und Autor wird, irgendwann, als die Mutter schon alt und pensioniert ist, bei einem Verlag unterbringt. Das Buch der Mutter wird ein Erfolg, ein zweiter Band mit Erzählungen kommt aber nicht mehr zusammen, weil die Mutter vorher stirbt.
In unsortierten Fragmenten wird uns diese Geschichte erzählt, eine Geschichte von Heimat und Fremde, von Sprache und Literatur, von Verbundenheit und ihrem Fehlen. Während Mutter und Sohn ganz in der Welt der Kultur und des Schreibens zuhause sind, bleibt der Vater, der keine literarischen Ambitionen als Leser oder gar Schreiber hat, außen vor - er verlässt die Familie und heiratet eine nichtjüdische Deutsche, die er - ausgerechnet! - in Israel kennengelernt hat. Seine letzten Jahre verbringt er so unrussisch und unjüdisch, wie man es sich nur denken kann: In einem Klinkerhäuschen in Othmarschen. Die Mutter aber lebt im Hamburger Exil ganz in ihrer russischen Welt, in den Erinnerungen an Odessa, in der sentimentalen Hingabe an russische Dichterinnen und Chansonniers aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Ihre Texte sind russisch, ein unmodernes literarisches Russisch, wie der Icherzähler Mischa bemerkt.
Er selbst ist nirgendwo daheim. Er spricht mit der Mutter noch russisch, aber seine Erinnerungen an Odessa sind bruchstückhaft, russische Schreibschrift kann er schon nicht mehr lesen. Deutschland ist zwar Wohnort, und die deutsche Sprache die seiner Arbeit und Kunst, aber ihm bleibt immer der Blick von außen, des Fremden. Er kennt zwar Gott und die Welt, lauter Leute aus der Medien- und Verlagswelt, er ist Stammgast in den angesagten Bars, aber vertrauensvolle Freundschaften kann er offenkundig nicht machen, immer sagen sie alle irgendwann was Unpassendes oder Dummes - gern antisemitisch dazu - und dann ist es aus mit der Freundschaft. Auch aus dem Judentum zieht er keinen Halt, Mischa hat es einmal - heimlich - probiert, sich in Israel niederzulassen, aber das hat auch nicht funktioniert. So ist diese Familiengeschichte auch eine über das Fremdsein in verschiedenen Kulturen.
Mama Odessa dürfte nicht von Maxim Biller sein, wenn er nicht um sich treten und kräftig austeilen würde. Der Springerverlag kriegt sein Fett weg für seinen scheinheiligen Philosemitismus, und wir erfahren von der zerbrochenen Freundschaft mit einem Schriftsteller, in dem bis zur unzweifelhaften Kenntlichkeit verfremdet Jakob Arjouni abgebildet ist, der hier gar kein gutes Bild abgibt. So wenig wie die eigenartige Nachbarin Martha Neustadt mit ihrem Buch über den Wunderheiler Gröning (den gab es wirklich), das Mischa bei Suhrkamp lancieren soll. Auch hinter dieser garstig verzerrten Figur wird eine reale Person stecken - wer, konnte ich freilich nicht entschlüsseln.
Diese galligen Fiesheiten hätte es für meine Begriffe nicht gebraucht, sie trüben den Ton in diesem sonst so wehmütigen und sanften Buch, mit dem Maxim Biller ansonsten ein kleines Wunder gelungen ist: Eine epische Familiengeschichte über drei Generationen auf nicht einmal 250 Seiten; ein tiefsinniges Buch, das sich locker und leicht wegliest wie eine Zeitungskolumne; ein komisches, anrührendes, lustiges und doch tieftrauriges Buch. Alles Schwere gerät leicht und luftig in Billers eleganter Prosa und jenen witzig-bissigen Dialogen, in denen Mutter und Sohn allem Bösen spotten und ihre Probleme zu Pointen biegen. Nur ganz am Rande deutet Biller an, was im Innern mit all dem geschieht, was sich in dieser Weise nicht aufbereiten lässt - wenn all die ungesagten und unverarbeiteten Probleme zu einem nicht erklärbaren juckenden Ausschlag auf der Haut führen.
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hat Maxim Biller erklärt, dass er keine weiteren Romane mehr schreiben kann und will. Ich kann ihn verstehen, aber es wäre angesichts dieses gelungenen Buches überaus schade.
Leider kann ich diesen Buch nur 3 Sterne geben. Für die vielen Zeitzonen und Personen, fehlte mir die Konzentration, weil mich die Geschichte, von Mutter und Sohn nicht so gefesselt hat, dass ich das Buch nicht aus der Hand hätte legen können. Auch die fehlende Chronologie hat mich verwirrt. Ich habe es zu Ende gelesen, weil es auch viele Passagen gibt, die ich für sehr lesenswert halte und mich zum Nachdenken angeregt haben. Da ich aber in dieser Literatur, sowie Verlegerkreisen, Buchverlagen und auch Schriftstellern, deren Namen in diesem Buch immer wieder auftauchten, nicht bewandert bin, bin ich unter dem Strich nicht angetan.
Zatím za tři. Asi to bude chtít ještě jedno čtení. Je v tom něco, co na poprvé klouže na hraně vnímání a upozaděných pocitů. Ale kombinace Oděsy, Německa a židovské rodiny je děsně silná.
„Alles fing - für Lassik, meinen Vater und die anderen - am 21. Oktober 1941 an, als die Deutschen und Rumänen jeden Juden von Odessa, den sie finden konnten, in die verlassenen Baracken des alten Munitionslagers am Tolbuchinplatz hineintrieben, die Baracken mit Benzin übergossen und anzündeten.“
Elemente eines Lebens - eine intensive Auseinandersetzung mit dem Krieg, der Familie und dem Schriftstellerleben.