Giovanni di Lorenzos Interviews mit prominenten Zeitgenossen sind immer wieder ein Ereignis.
Wir erfahren, warum Daniel Cohn-Bendit kurz nach seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag erstmals seine jüdische Familiengeschichte erzählt. Staunen, dass Telekomchef Timotheus Höttges für das bedingungslose Grundeinkommen plädiert und Udo Jürgens sich nach umjubelten Konzerten manchmal wie ein Nichts fühlte. Nehmen Anteil an den Glaubenszweifeln von Papst Franziskus; spüren die Angst, die ein Despot wie Recep Erdoğan verbreitet. Durch die Intensität der Begegnungen entstehen spannungsreiche Portraits, die zugleich ein Spiegelbild der großen politischen und gesellschaftlichen Themen des vergangenen Jahrzehnts sind – Flüchtlingskrise, Pandemie, Krieg, Fremdenfeindlichkeit oder Cancel-Culture-Debatten.
Lesend tauchen wir ein in die Überzeugungen und Biografien von Menschen, die auf unterschiedliche Weise die Gegenwart geprägt haben. Giovanni di Lorenzo schafft dabei eine Atmosphäre seltener Nähe und Offenheit, scheut aber nie die Konfrontation. Und entlockt so auch ausgebufften Medienprofis Dinge, die sie vorher öffentlich nicht gesagt haben.
Wahrscheinlich hätte ich mich vor dem Kauf des Buches damit beschäftigen sollen, welche Zeitgenossen hierin Platz bekommen. Aber da ich Herrn di Lorenzo sehr gerne lese, ließ ich mich unvoreingenommen darauf ein. - Die Reduzierung auf drei Sterne rührt letztlich nur daher, dass mich die wenigsten Interviewpartner interessierten und ich insbesondere bei den Politiker*innen nach wenigen ihrer Ausführungen weiterblätterte.
Der Papst hat einen tollen Humor ( auf mehreren Ebenen), Bülent Ceylan eine ergreifende Kindheit, Udo Jürgens beobachtete einen Mord und die überpriveligierte Sabine Rückert gehört mit ihren Ansichten völlig zurecht in den Ruhestand (in den sie auch Gott sei Dank gehen wird).