Entweder man glaubt daran oder eben nicht. Das ist ja mit vielen Dingen Gott, Demokratie, die große Liebe, das Gute im Menschen oder das Leben nach dem Tod. Die Icherzählerin in Geld oder Leben glaubte als Kind als Erstes an Schokolade. Die geliebte Großmutter dagegen "glaubte an Hüte und Handschuhe. Im Herbst auch an Pfifferlinge". Und während die Großmutter immerfort Pfifferlinge in Gläser einweckt, ziehen Papa, Mama, Tochter und Sohn in den Westen und glauben ab sofort an die Freiheit, an das Geld und Autos mit viel PS. Das heiß Die Tochter rebelliert -- vor allem innerlich -- gegen das, woran um sie herum so geglaubt wird. Um diesen kritischen Blick des Mädchens und später der jungen Frau geht es in Birgit Vanderbekes neuestem Werk. Schon bald nach ihren ersten Veröffentlichungen sprachen die Kritiker vom Vanderbeke-Sound und seiner Unverwechselbarkeit, von einer Art Pseudoinfantilität, mit der sie lakonisch und nur scheinbar naiv auf die Welt blickt. In Das Muschelessen sezierte sie mit diesem Blick die Kleinfamilie, in Alberta empfängt einen Liebhaber den Traum von der Liebe. In Geld oder Leben geht es jetzt gleich um Politik, Kapitalismus, Wertewandel und Weltuntergang, Westdeutschland in den 70er- und 80er-Jahren, Kabelfernsehen und die immer währende Frage, wie man leben und an was man glauben soll. Klingt thematisch eher nach Soziologieseminar, aber eben nicht bei "Eine Menge Leute gingen nach Indien, lernten seelisches Gleichgewicht und zogen orangefarbene Kleider an, aber im wesentlichen passierte gar nichts, außer daß viele von den zu Hause gebliebenen Leuten gelegentlich an einer Atomkraft-Stelle zusammenkamen und Nein-Danke sagten, und weil sie an irgend etwas außer dem Nein-Danke glauben wollten, zündeten sie auch noch Kerzen an, als wäre die Sache mit dem lieben Gott nicht schon lange aus der Welt." Auch an die Literatur und ihre Wunder muss man im Grunde glauben. Genauso, wie man Birgit Vanderbekes Prosa einfach mag oder eben nicht. Nach dem etwas schwächeren Abgehängt ist sie diesmal wieder sehr gut in Form und präsentiert zwar nicht den großen Roman, den sich mancher von ihr wünschen mag, aber auf 140 Seiten eine amüsant-nachdenkliche Zeitreise durch zwei Jahrzehnte Bundesrepublik. Nicht nur der Golf-Generation zu empfehlen! --Christian Stahl
Birgit Vanderbeke was a German writer. Vanderbeke grew up in Frankfurt am Main after her family moved to West Germany in 1961. She studied Law, Germanic and Romance languages. The English translation of her debut novel, Das Muschelessen, by Jamie Bulloch was published in 2013 by Peirene Press as The Mussel Feast. Since 1993 she has been living in southern France.
Ich musste das Buch lesen, fur meine Matura in Deutsch. Als ich es gekauft habe, da waren Zweifel da. Es hat keine Kapitel und keine direkte Rede. Da es hier keine langen reviews gibt, hab ich zwei Amazon reviews gelesen. Die haben viel Gutes gesagt und ich begann es zu lesen. Es ist wirklich toll, es beschreibt Kapitalismus - so, dass man nicht Langeweile bekommt. Die Autorin erzahlt alles als eine Geschichte, die wir durch die Augen eines jungen Madchens sehen. Die Protagonistin ist am Anfang noch ein Kind und am Ende hat sie selber Kinder. Als sie noch ein Kind war, ist sie zusammen mit ihrer Familie von Osten nach Westen gezogen, und da sehen wir wie sie aufwachst und zuseht wie alle, die ihr nah sind, an Geld glauben. Es ist sehr leicht zu lesen und ich wurde es wirklich jedem empfehlen. (Ich entschuldige mich noch, dass ich keine Umlaute benutzt habe.)
Es ist wie mit allen Büchern von Birgit Vanderbeke: „Geld oder Leben“ liest sich leicht, ist stellenweise ein wenig traurig, an anderen Stellen amüsant – fast wie sommerliche Urlaubslektüre. Es geht um die Lebensgeschichte der nicht näher benannten Ich-Erzählerin, deren Familie aus dem Osten „rübergemacht“ hat. Das Mädchen wächst irgendwo in Westdeutschland in einer Firmensiedlung auf, geht aufs Gymnasium, später dann an die Uni, zieht irgendwann mit ihrem Freund zusammen, bekommt mit ihm ein Kind. Ein Lebenslauf wie viele andere also, inklusive Scheidung der Eltern und Problemen mit dem etwas verkorksten Bruder, eingebettet in den historischen Kontext: Wirtschaftswunder in den 60ern, Hippie-Bewegung mit Hare Krishna und Drogenexperimenten in den 70ern, Chernobyl in den 80ern...
Liest man nur an der Oberfläche des Buches entlang, ist man also schnell durch mit den knapp 140 Seiten. Doch will man der diesem Buch zugrundeliegenden Fragestellung nachgehen, wird es schnell komplex, und man wird als Leser ein ums andere Mal innehalten müssen, um nachzudenken. Es geht nämlich um nicht mehr und nicht weniger als die Frage, woran es sich im Leben zu glauben lohnt.
Die Ich-Erzählern selbst zum Beispiel „glaubte als erstes an Schokolade" (S. 7). Ihre Großmutter hingegen „glaubte an Hüte und Handschuhe. Im Herbst auch an Pfifferlinge“ (S. 8). Da ist der Klassenkamerad Siggi, der Rechtsanwalt werden möchte, weil er an die Gerechtigkeit glaubt. Oder die Freundin Lu, die an die Emanzipation der Frau glaubt. Der Vater der Erzählerin hatte anfangs an die Freiheit im Westen Deutschlands geglaubt, die Mutter hingegen an die große Liebe. Doch es geht ihnen wie so vielen anderen auch: Ihr Glaube hält der harten Realität nicht stand, Enttäuschung und Frustration machen sich breit.
Was übrig bleibt, ist die Ersatzreligion des Kapitalismus, der Glaube an das Geld, „weil Geld das einzige war, was einen Ausweg aus der Glaubenskrise versprach“ (S. 134). Kreditkarten werden zum Must-Have, TV-Werbung gibt vor, was man sich zu kaufen hat, und gesellschaftlich akzeptiert ist nur noch derjenige, der die richtige Markenkleidung trägt.
Die Ich-Erzählerin will sich dem Diktat des Geldes jedoch nicht beugen, wohnt weiterhin mit Mann und Kind in einer winzigen Wohnung, in der die Möbel selbstgebaut oder vom Sperrmüll sind und wo der Esstisch aus Platzmangel an die Zimmerdecke gezogen werden muss, wenn er gerade nicht benötigt wird. Man sammelt Pilze im Wald, züchtet Kräuter in der Wohnung, das Kind trägt selbstgestrickte Pullover. Geld scheint keine allzu große Rolle zu spielen, man schlägt sich eben so durch. Doch trotz des Geldmangels scheint die kleine Familie ein zufriedenes Leben zu führen. Vielleicht sind es eben doch die kleinen Dinge, die im Leben zählen?
An ironical book about capitalism and the problems it brings: consumerism, pollution, loss of family values and of tradition, about feminism and drug use, West versus East, recycling and money. The problem I faced when I read the book was that I read it in German, while I was still learning the language. Since the book does not have any dialogue, but only indirect speech, it was difficult to follow the meaning of some paragraphs, which, by the way, are pretty long. I liked the main character, from whose point of view is the story told from childhood, till adolescence and adulthood.
Sehr interessante Biografie von Birgit Vanderbeke. Sie hat mich mit ihren Erzählungen aus ihren jungen Jahren in ein Zeitalter mitgenommen, das ich persönlich mit meinen 22 Jahren nicht erlebt habe aber äußerst spannend finde. Sehr interessantes, rührende und zugleich lustiges Buch über das Ende des 19ten Jahrhunderts.
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Geiles Buch!! Es gefiel mir total, wie die Einstellung der Authorin zum Geld ist und wie sie mit der Tatsache, dass der Geldmangel immer weh tut umgeht. Ich identifizierte mich auch mit dem Groll gegenüber allem, was mit der Uni zu tun hat, für immer und immer. Obwohl das Buch ein bissi älter ist, ist es trotzdem sehr angenehm.