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Landgericht

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Richard Kornitzer wagt 1947 die Rückkehr aus dem Exil zurück nach Deutschland. Von Beruf Richter, ist die Nazizeit mit ihren absurden und tödlichen Regeln der Riss durch sein Leben. Nichts ist mehr wie vorher, die kleine Familie zwischen dem Bodensee, Mainz und England versprengt und die Heimat beinahe fremder als das in magisches Licht getauchte Exil in Havanna. In einer Zeit, die zwischen Depression und Aufbruch schwankt, gelingt Kornitzer das Ankommen nicht. Der Roman erzählt, indem er Dokumentarisches und Fiktives kombiniert, mit großer Wucht von den Gründungsjahren einer Republik.

494 pages, Hardcover

First published January 1, 2012

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About the author

Ursula Krechel

32 books16 followers
Krechel was born in Trier. From 1966 to 1972 she studied German studies, theatre, and art history at the University of Cologne. From 1969 to 1972, she worked as a drama advisor in Dortmund. After 1972, she lived in Frankfurt am Main for many years and now works in Berlin as a writer, focusing on Lyric poetry, but also writing prose, drama, and radio drama.

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5 (1%)
Displaying 1 - 30 of 31 reviews
Profile Image for Semjon.
763 reviews496 followers
March 6, 2021
Tut mir leid, Frau Krechel. Ich hab nicht verstanden, was sie mit ihrem Roman aussagen wollen. Die Geschichte der Familie Kornitzer ist es allemal wert, erzählt zu werden. Da sind wir uns einig. Aber warum nur dieser trockene, distanzierte Erzählstil? Warum die nicht chronologische Erzählweise? Warum der Versuch, wirklich alle Probleme (Judenverfolgung, Kindertransporte nach England, abwertende Stellung der Frau als Unternehmerin, Identitätssuche im Nachkriegsdeutschland, Exilleben im Kuba, Provinzialismus in der BRD, verkrustete Strukturen im Justizwesen, nicht enden wollender Antisemitismus, Kampf um Anerkennung und Gerechtigkeit etc.) mit der gleichen Gewichtung in den Roman zu thematisieren? Und warum überhaupt ein fiktionaler Roman, wo doch die zu Grunde liegende wahre Geschichte der Eheleute Michaelis nahezu identisch auf die fiktive Familie Kornitzer übertragen wurde? Hatten sie Bedenken vor eine Biografie? Und wenn sie es schon ins Fiktionale übertragen, warum dann so wenig Mut, die nicht recherchierbaren Teile, wie Emotionen und Gedanken, durch ihre Phantasie zu befüllen?

Der jüdische Richter Kornitzer flieht aus Nazideutschland ins kubanische Exil und läßt seine protestantische Frau in Berlin zurück. Die beiden Kinder hatten sie zuvor im Rahmen der Kindertransporte nach England in Pflegefamilien zur Sicherheit bringen lassen. Der Roman beginnt mit der Rückkehr Kornitzers paar Jahre nach Kriegsende ins zerstörte Deutschland. Er will wieder als Richter arbeiten und findet eine Anstellung im Landgericht Mainz. Es gelingt nicht mehr, eine innige Bindung zu den Kindern herzustellen, deren Herz mittlerweile an England hängt. Der Kampf um Wiedergutmachung und Entschädigung für das ertragende Leid zermürbt die Eheleute.

Wie gesagt, eine interessante Geschichte, die ich gerne von einen der bekannten Nachkriegsschriftstellern gelesen hätte. Die Zeit lobte den „kühlen, distanzierten, bisweilen analytischen und essayistischen Erzählstil", den der Autorin meisterhaft gelungen sei. Genau dieser kühle, distanzierte, bisweilen analytische und essayistische Erzählstil hat mir nicht gefallen. Die Figuren bleiben schablonenhaft und die Geschichte wirkt gegen Ende einfach nur noch wie von einer Chronistin herunter erzählt. Insgesamt kein schlechter Roman, der auf jeden Fall drei Sterne von mir verdient hat, aber auch nicht mehr.
Profile Image for Kathrin Passig.
Author 51 books475 followers
December 29, 2023
Es ist eine berührende Geschichte, in der mir vieles neu war, aber ich glaube, es lag nicht nur an mir, sondern auch ein bisschen am Buch, dass mir der Anfang straffer vorkam.

(Edit: Bin doch auf vier Sterne hochgegangen, weil es mich nach dem Lesen noch so beschäftigt hat. Meine Erinnerung kürzt das Buch auf eine gute Länge zusammen.)
Profile Image for Steffi.
1,121 reviews270 followers
September 24, 2016
Bewegender Roman über den Umgang der jungen Bundesrepublik mit einem Emigranten und seiner Familie. Nicht nur wird die Unmöglichkeit beschrieben, die Nähe zu den mehr als 10 Jahre in England untergebrachten Kindern (die nicht einmal mehr deutsch sprechen) wieder herzustellen, sondern auch die Demütigungen eines in die Länge gezogenen Wiedergutmachungsverfahrens und der schnellen Rehabilitation ehemaliger Nazis. Als exemplarisch wird der authentische Fall des Philipp Auerbachs geschildert, der sich für Entschädigungen einsetzte und zum Dank juristisch verfolgt, publizistisch verunglimpft wurde und der schließlich Selbstmord beging. Noch spannender aber fand ich die in Rückblenden beschriebenen Entwicklungen im Berlin der 20er Jahre (der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm, der von den Nazis genutzt wurde; das Wirken des Architekts Erich Mendelsohn) und die Erlebnisse im kubanischen Exil (Bekanntschaft mit den Widerständler Lisa und Hans Fittko; die Arbeit des Joint).
Profile Image for Friederike Knabe.
400 reviews188 followers
January 13, 2019
"LANDGERICHT" (Regional Court) is a hefty book, by number of pages (498) and by topic(s). It won the German Book Prize in 2012. While it is called a 'novel' it is more than a fictional account of a young jurist who, as a Jew, was forced to flee Berlin in the 1930s. The story begins with him returning from exile to reconnect with his non-Jewish wife and with her help rebuilt their lives. The two young children, who had been saved by the Kindertransport to England, are more than reluctant to return.

Much of the account of the couple's life in post-war Germany is based on facts and documents. Much of the book follows the experiences of the jurist, later judge. His story is vaguely based on a real person, other, well-known, personalities are referred to by their actual names. For that generation and probably the next one the concept and diagnosis of PTSD had not been defined or understood.

An important book, not translated into English I believe, and not an easy or fast read. It has been made into a film a couple of years back.
Profile Image for Gerhard.
357 reviews30 followers
February 28, 2023
Die Geschichte dreht sich hauptsächlich um die Rückkehr des Ehemannes aus dem Exil und dem vergeblichen Versuch, die Familie wieder zusammen zu führen, seine Wiedergutmachung in Bezug auf Vermögen und die Stellung als Richter. Es wird ein "Kampf gegen Windmühlen" und wird damit im letzten Teil des Buches mühsam zu lesen. Andere Fälle des Kampfes gegen die Justiz sind bekannt, siehe z.B. Auerbach: Eine jüdisch-deutsche Tragödie oder Wie der Antisemitismus den Krieg überlebte.
Profile Image for Gavin Armour.
612 reviews127 followers
August 18, 2021
Nachdem sie in ihrem Roman SHANGHAI FERN VON WO (2008) das Schicksal deutscher – meist jüdischer – Emigranten in der fernöstlichen Stadt beleuchtet hat, dabei auf eine akribische Recherche zurückgriff, wendet sich Ursula Krechel im Nachfolger LANDGERICHT (2012) einem Einzelschicksal zu. Sie erzählt die Geschichte des jüdischen Emigranten Dr. Richard Kornitzer, der mit einer als „arisch“ eingestuften Deutschen verheiratet ist und fast zu lange wartet, bis er das Land verlässt und nach Kuba entkommt. Die Figur des Richard Kornitzer basiert auf einer realen Person – das Vorbild war der Jurist Robert Bernd Michaelis, der seinerseits allerdings nach Shanghai geflohen war und auf den die Autorin möglicherweise bei den Recherchen zum Vorgänger gestoßen ist – , dennoch hat man es hier, nicht nur aufgrund der Tatsache, daß Kornitzer nach Kuba flieht, mit einer fiktiven Person zu tun. Krechel erzählt diesmal nicht vom Exil, obwohl auch dieses eine Rolle spielt und in einem längeren Kapitel beschrieben wird, sondern größtenteils von Kornitzers Heimkehr und den Erlebnissen und Erfahrungen, die er mit der Nachkriegsgesellschaft, dem wieder aufgebauten Staat und dessen Vertretern machen muß.

Die Kinder in England, mit einem der letzten Kindertransporte in Sicherheit gebracht – zehn Jahre haben die Kornitzers sie nicht gesehen – war dem Juristen die Flucht vor dem Zugriff der Nazis gelungen. In Kuba fasst er langsam Fuß, kann sogar eine Arbeit finden und die nahezu zehn Jahre, die er hier verbringt, halbwegs gut überstehen. Er lernt eine neue Liebe kennen, sie wird schwanger, er wird beide – Mutter und Tochter – auf der Karibikinsel zurücklassen, wenn er 1948 ins kalte Deutschland zurückkehrt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten in Süddeutschland, wohin seine Frau Claire in den Kriegswirren gekommen war, den ersten Auseinandersetzungen um Wiedergutmachung und dem Versuch, irgendwie in seinen alten Beruf, den Richterstand, zurückzukehren, verschlägt es Richard Kornitzer schließlich nach Mainz, wo ihm eine Stelle als Richter angeboten wird. Und hier begegnet Richard Kornitzer nicht nur jeder Menge alter Bekannter, die die zwölf Jahre des Nazi-Regimes offenbar alle mehr oder weniger gut überstanden haben, sondern er wird auch mit einer Gesellschaft konfrontiert, die sich ganz gut im Vergessen und sich-selbst-Vergeben eingerichtet hat. Es beginnt ein jahrelanger Kampf mit den Behörden, da Kornitzer eine angemessene Stelle haben will, er weist darauf hin, daß er, hätte er nicht fliehen müssen, längst weiter oben auf der Karriereleiter stünde, er bekommt es mit einer kalten Bürokratie zu tun, die sich schließlich gönnerisch dazu herablässt, ihm einen angemessenen Posten am Mainzer Landgericht zuzugestehen – und mehr oder weniger darum bittet, nun aber endlich Ruhe zu geben.

Man spürt in Ursula Krechels Schreiben eine Distanz, die nie eine gegenüber dem Sujet ihrer Erzählung ist, sondern immer eine, die sowohl dem Gegenstand der Erzählung als auch den Personen, die sie beschreibt, Respekt zollt. Krechel, geboren 1947, weiß um ihre Position als Nachgeborene und sie weiß, daß sie von einem Unrecht erzählt, von einer Gesellschaft berichtet, die sie selbst so, in dieser Art, nie hat kennenlernen müssen. Es war schon in SHANGHAI FERN VON WO ein Balanceakt, sich sprachlich angemessen einem Thema zu nähern, welches vom eigenen Erfahren weit entfernt ist. Krechel wird die Frage danach, wer spricht, welche Position der Erzähler innehat, einnimmt, sehr genau durchdacht haben. Beantwortet hat sie sie auf jeden Fall richtig.

So ist ihre Sprache manchmal geradezu spröde, sehr zurückhaltend, gelegentlich greift sie, bewußt, auf den Duktus amtlicher, offizieller Sprache zurück, dies auch, indem sie immer wieder offensichtlich historisch genaue Amtsschreiben einbaut, die den kalten Ton der Bürokratie gegenüber einem Opfer mehr als verdeutlicht. Und erklärt, weshalb dieser Mensch – stellvertretend für so viele – nie mehr heimisch werden konnte in seinem Heimatland. Der Leser kann dies spüren, kann empfinden, welche Ohnmacht ein Mann wie Richard Kornitzer empfunden haben muß. Die Sprache des Romans erinnert manchmal an die eines Heinrich Böll und anderer, die nach dem Krieg sehr bewußt eine Sachlichkeit propagierten, den Versuch unternahmen, dem Ungeheuerlichen mit einer willentlich entschlackten und von allem Zierrat befreiten Sprache zu begegnen. Wenn der Roman sich dann auf die persönliche Ebene begibt, wenn der Leser das Ehepaar Kornitzer als solches erlebt und seine Ängste und Sorgen spürt, dann wechselt der Ton ein wenig und erinnert an die späten Romane eines Hans Fallada und dessen oft ein wenig zutraulich ausfallenden, den Figuren zugewandten, manchmal voller Mitgefühl schwingenden Beschreibungen. So stellt sich Krechel auf eher subversive Weise durchaus auf die Seite ihres Protagonisten. Aber was sonst wäre auch der Sinn eines Romans wie diesem?

Es ist ungeheuer wichtig, daß gerade die Literatur Wege und Möglichkeiten findet – auch stilistisch – dem Vergessen entgegen zu arbeiten und die Geschichte des 3. Reichs und dessen, was damit auf allen möglichen Ebenen einherging, weiterhin wach zu halten und aufzuarbeiten. Man kann wahrscheinlich schlicht nicht vom Grauen der Lager, der Vernichtungskammern und Verbrennungsöfen erzählen, ohne diese Situationen auch nur annähernd zu kennen oder gar erlebt zu haben (und die, die es dennoch versuchen, scheitern regelmäßig). Umso wichtiger, von jenem Grauen zu erzählen, das vielleicht zumindest noch vorstellbar, erahnbar, ist. Der Druck, den der erzwungene soziale Tod bedeutet, wenn man aus seinem Beruf, vielleicht seiner Berufung, gedrängt, entrechtet und letztlich für vollkommen vogelfrei erklärt wird. Die Angst und zugleich die (irrationale) Hoffnung, daß die Dinge sich beruhigen, daß eine Zivilgesellschaft an irgendeinem Punkt nicht mehr mitgeht und sich wehrt. Die Panik, wenn man merkt, daß man womöglich bereits in einer tödlichen Falle sitzt und nun auf irgendeinem Wege aus dieser herausfinden muß, das Nadelöhr finden muß, das noch ein Entkommen zulässt. Und dann die Schmach, zurückzukehren und festzustellen, daß man eigentlich nicht mehr hierhergehört, daß man im Grunde eine Anomalie darstellt, schlicht, weil man überlebt hat. Die kalte, nie zu befriedigende, nie zu löschende Wut, wie die Dinge einfach weitergehen, wie jene, die gestern noch Todesurteile unterschrieben haben, heute am „Aufbau der Demokratie“ mitwirken.

All das ist in Krechels Roman angelegt, all das ist spürbar. Manches wird direkt thematisiert, anderes schwingt mit und lebt auch davon, daß die Autorin sich auf ihre Leser verlässt – und verlassen kann. Ihre Romane kamen wahrscheinlich zur rechten Zeit, auch, um die Beachtung zu finden, die ihnen zuteilwurde. Immerhin erhielt die Autorin für LANDGERICHT 2012 den Deutschen Buchpreis. Eine Zeit, in der das Interesse an einer weiteren Aufarbeitung, auch wissenschaftlicher Studien, über den Alltag im 3. Reich zunahm und durch allerhand gut lesbare Fachliteratur unterstützt wurde. Zugleich widmeten Historiker und Soziologen eben auch jenen Aspekten der Unterdrückung und des Terrors ihre Aufmerksamkeit, die nicht gleich an den Toren von Auschwitz endeten – wohlgemerkt endeten sie letztlich alle nicht an den Toren, sondern in den Öfen von Auschwitz – sondern jene Maßnahmen aufgriffen, die die späteren Radikalerlasse und -aktionen erst ermöglichten – durch Gewöhnung, Propaganda, Abstumpfung, Angst. Dies alles ist gut nachzuempfinden in Krechels Roman.

Daß der auch als Roman und nicht nur als ein umgeformtes Sachbuch (obwohl es einige Leser und Kritiker gab, die dem Buch genau dies dann doch vorwarfen) funktioniert; ist Krechels gelungener und sehr gekonnter Figurenzeichnung zu verdanken. Richard Kornitzer und seine Frau Claire sind greifbare Figuren, Menschen aus Fleisch und Blut. Nie nähert sich dieses Schreiben auch nur ansatzweise dem Kitsch oder auch nur dem Sentiment. Es gibt Momente, in denen der Leser schlucken muß, aber Krechel bedient dies nicht und sie erzielt ihren Effekt gerade in solchen Passagen durch ihre stilistische Distanz, die manchmal schon brachiale Sachlichkeit, die sie anschlagen kann. Im Gegenteil: Kornitzer ist kein uns unbedingt sympathischer Mensch. Er erscheint gelegentlich weinerlich, manchmal selbstmitleidig. Wir werden also auch immer wieder damit konfrontiert, daß wir uns dabei ertappen, ähnlich auf ihn zu reagieren, wie jene im Buch, die seine ununterbrochene Erinnerung daran, daß er ein Opfer ist, irgendwann eher mitleidig betrachten. Und immer wieder wird uns dabei vor Augen geführt, daß genau diese Haltung – die Opfer irgendwann als lästig zu empfinden – exakt das ist, wovon LANDGERICHT erzählt. So sehr wir Kornitzers Kampf für ein ganz wenig Gerechtigkeit und Ausgleich verstehen und seine Erschütterung begreifen, wenn er immer wieder auf Mauern des Schweigens oder der Ignoranz stößt, wir werden dennoch nicht warm mit diesem Menschen.

Wie einsam der Kampf des Ehepaars Kornitzer ist, untermauert auch ihre späte Wiederbegegnung mit den Kindern. Diese haben mittlerweile über zehn Jahre in England gelebt, fühlen sich wie Engländer und wollen beide – Sohn und Tochter – nicht mehr zurück. Natürlich auch, weil sie in ein noch längst nicht wieder aufgebautes Land zurückkehren müssten, das ihnen feindlich gesinnt war (und ist), in dem sie sich dann aber zu beteiligen hätten, um es wieder neu erstehen zu lassen. In einem kurzen Nachkapitel beschreibt Krechel stichwortartig die Lebensläufe der wesentlichen Protagonisten und so erfahren wir, daß Kornitzers Sohn in England geblieben ist und dort ein Leben aufgebaut hat. Totale Entfremdung. Die Trauer, wie Geschichte ein ganzes Leben für immer und in den Grundfesten erschüttern, verändern und zerstören kann, ist gerade an diesen privaten Verletzungen und Zerwürfnissen auf eine bittere Art zu spüren. Kornitzers nehmen die Abweisung durch die Kinder, die in späteren Jahren aufweicht, fast schon wie eine Strafe hin. Und man versteht es. Und das ist fürchterlich.

LANDGERICHT ist der große Roman, als der er seit seiner Veröffentlichung gilt. Obwohl Krechel sich im Vorgänger einer noch vorsichtigeren Sprache bediente – vielleicht der Tatsache geschuldet, über reale Personen zu schreiben, sich keiner Fiktionalisierung zu bedienen – und damit manchmal noch genauer in die Zwischenräume von Beziehungen und die Widersprüchlichkeiten der Figuren vordringen konnte, gelingt es ihr hier, vielleicht weil es eine Fiktionalisierung ist, den Leser auf eine ungemein sachliche Art sehr nah an die Figuren heranzuführen. Eine seltsame Doppelbewegung, die einen respektvollen Abstand zu wahren versteht und zugleich die Verletztheiten, Verletzungen, den Schmerz sehr unmittelbar erfahren lässt. Große Kunst.
Profile Image for Lese lust.
566 reviews36 followers
September 9, 2014
Landkreis wurde 2012 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Schon als es auf der Longlist auftauchte, hatte es mich gereizt - obwohl ich eine gewisse Übersättigung an mir feststelle, wenn es um die Aufarbeitung des Nazi-Regimes in der Literatur geht, hatte die ganz spezielle Konstruktion dieses Romans mich schon von Anfang an gereizt.

Auch nach dem Besuch einer Lesung, als die Autorin über den Entstehungsprozess des Romans erzählt hatte, war ich voll des guten Willens, das Buch so bald als möglich zu lesen. Dank Skoobe hatte ich auch schon früh die Gelegenheit dazu - und doch... habe ich bis eben gebraucht, es auch tatsächlich zu lesen. Und wenn nicht die zusätzliche Motivation in Form des "Gruppendrucks" meines Lesekreises gewesen wäre (dem ich das Buch selbst vorgeschlagen hatte...) hätte ich womöglich noch länger gezögert.

Warum eigentlich? Das hatte ich mich zumindest, als ich endlich wirklich begann, immer wieder gefragt. Richard Kornitzer, der bis 1933 in Berlin Richter war, kehrt nach seinem Exil in Kuba zurück zu seiner Frau Claire an den Bodensee. Die Wiederbegegnung des 10 Jahre getrennten Ehepaares mit zu erleben, auch dann die Veränderungen, die in beiden vorgegangen sind und vor allem der große Verlust, den sie beide erlitten haben, nachzuvollziehen - die Kinder, die sie nach England geschickt hatten, damit diese dort den Krieg überleben sollten - das alles waren Dinge, die mir auch aufgrund der Art, wie sie mir geschildert wurden, unheimlich nahe gingen.

Gleichzeitig hatte ich ein schon beinahe körperliches Unbehagen, weiterzulesen. Und das lag daran, dass mich die Art und Weise, wie mit den Remigranten umgegangen wurde, ja, wie überhaupt in dieser Zeit mit den Opfern umgegangen wurde, einfach nach wie vor fassungslos macht. Es ist eine Mischung aus Wut, Resignation, Schuldgefühlen und Angst, die sich in mir breit macht. Und genau aus diesem Grund würde ich das Buch gleichzeitig am liebsten allen in die Hand drücken und sie auffordern, es zu lesen, darüber nachzudenken. Es zur Schullektüre zu machen.

Dabei gehört Kornitzer noch zu denen, die vergleichsweise Glück hatten. Er ist körperlich unversehrt geblieben, seine Familie ist noch am Leben, er konnte auch in Kuba arbeiten. Das bekommt er auch zu spüren - denn natürlich ist es auch den Menschen, die nicht verfolgt wurden, hier oft nicht gut gegangen, mussten sie große Verluste durch Bombardierungen etc. hinnehmen. Ein großer Pluspunkt des Romans ist für mich, dass Krechel hier zeigt, wohin dieses Aufrechnen führt, wie es auch damals schon die Gegenwart für alle vergiftet hat. Sie urteilt nicht darüber, dass die Rückkehrer nicht gerade mit offenen Armen wieder empfangen wurden, sie zeigt auch auf, aus welcher Sitation heraus die Ablehnung erfolgte. Und gerade diese Ambivalenz macht es auch so schwer auszuhalten.

Dennoch war ich nicht immer glücklich mit diesem Buch. Auch wenn sich am Ende alles fügt und alles schon seine Berechtigung hat, hätte ich mir doch zumindest eine deutliche Straffung der Vorkriegs- und Kuba-Kapitel gewünscht. Vor allem die Ausflüge ins Lyrische (Kornitzers Liebesbeziehung zb) haben mir sprachlich so gar nicht zugesagt - sie passten auch nicht zum sonst recht nüchternen Rest.

Gegen Ende, als die eigentliche "Tat", die öffentliche Anklage Kornitzers beschrieben wird, war ich als Leserin auch durchaus etwas gelangweilt.

Doch dann wird der Bogen noch einmal gespannt, und das - traurige - Ende des Romans hat mir wieder einmal vor Augen gehalten, dass sich die Lektüre doch gelohnt hat.

Profile Image for Sabrina.
18 reviews1 follower
February 19, 2013
Ich hatte wirklich sehr hohe Erwartungen an den deutschen Buchpreisträger von 2012. Ungefähr auf Seite 25 wurde mir bereits klar, dass ich meine Erwartungen auf Null runterschrauben muss. Meiner Meinung nach ist der Text unreflektiert, pseudo-literarisch, brilliert in schwarz-weiß Malereien, Banalitäten und Plattitüden! Und das ganze Paket ist zu haben für den unglaublichen Preis von 29,90,-! Ich möchte jeden, der dieses Buch lesen möchte ans Herz legen es sich aus öffentlichen Büchereien auszuleihen bevor er diese Unsumme bezahlt, die der Text auf keinen Fall wert ist!!!
Profile Image for Maria.
306 reviews40 followers
October 13, 2017
Ein hervorragender Roman, der mir gleichzeitig auch sehr viele wertvolle neue Informationen und Eindrücke zur deutschen Geschichte gegeben hat. (ca. 1930-1975)
Ursula Krechel war mir in meiner Bibliothek zunächst als Lyrikerin aufgefallen und die Sprache dieses Buches ist feinfühlig und präzise. Auch ihre 10 Jahre währenden Recherchen zur realen Handlung, auf die der Roman sich stützt, sind spürbar. Ich konnte ihr vollständig vertrauen.
Profile Image for Thomas.
122 reviews
July 24, 2014
"Es war eine Bedrückung, die keinen Ort hatte, sie drückte nach allen Seiten, nicht wie ein Körper auf einem Kissen einen Abdruck hinterläßt, wie eine dunkle Erinnerung traurig macht."
Profile Image for Aglaia.
20 reviews
November 6, 2025
Geschichtlich sehr interessant, sprachlich war es leider nicht meins.
Profile Image for Kaltmamsell.
231 reviews55 followers
March 5, 2024
Im Mittelpunkt des 2012 erschienenen Romans steht Richard Kornitzer. Er kehrt 1947 aus dem Exil nach Deutschland zurück, war von den Nazis als Jude von seinem Beruf als Richter in Berlin ausgeschlossen worden. Am Bodensee trifft er sich nach zehn Jahren Trennung mit seiner Frau Claire, sucht nach einem neuen Leben, das ihn zu einem neuen Richteramt in Mainz bringt. Das Buch schildert, wie sehr nichts wiedergutzumachen ist.

Von Anfang an faszinierten mich die Sprache und der Duktus des Romans: Sie lesen sich aus der Zeit gefallen, aber in die Zeit, in der die Handlung spielt. Sehr heutige Perspektiven und Erkenntnisse in einer Sprache, die ich von Romanen der 1920er und 1930er kenne (z.B. von Grete Weil). Diese Mischung gefiel mir ganz ausgezeichnet.

Claire und Richard Kornitzer hatten Meinungen und Vorstellungen ausgetauscht, die sich entwickelt hatten in der Zeit ohne den Ehepartner, sie waren besorgt, wenn diese sich nicht miteinander in Übereeinstimmung bringen ließen. Sie hatten mit Empfindungen und Worten wie mit Schneckenfühlern aufeinander zu getastet, und wenn die Worte sich nicht erreichten, schwiegen sie, um den jeweils anderen nicht zu verletzen.


Als die Handlung sich nach Mainz verlagert, bildet in dieser Sprache der Alltag in einer von Bomben zerstörten deutschen Stadt den Hintergrund, auch der Aufbau der Folgejahre.

Gegen Ende der ersten Buchhälfte wechselt der Roman in eine Außenschilderung des Paares Anfang der 1930er, also vor der Machtergreifung, vor Richards Berufsverbot als Jurist. Und jetzt zieht die Erzählstimme explizite Vergleiche zu späteren Ereignissen, bis in die 1990er. Danach erfahren wir die Geschichte von Kornitzers Exil in Kuba, farbig und lebendig. Was Claire in dieser Zeit in Deutschland widerfahren ist, ergibt sich nur vage und indirekt aus Bruchstücken.

Im letzten Viertel wechselt Krechel dann das Genre: Aus dem Roman wird historisches Feuilleton. Ich ging einem Verdacht nach: Ja, die Geschichte des Buches basiert auf einer realen Akte eines realen Landgerichtsrats, die Krechel gefunden hat (Quelle) - soll sein, soll sein. Doch gegen Ende besteht die Handlung hauptsächlich aus recht anstrengend zu lesenden Zitaten schriftlicher Quellen, aus Briefen, Aktenvermerken, Amtsberichten. Diese werden verknüpft durch spekulatives Psychologisieren darüber, was im Protagonisten vorgegangen sein mag, was ihn wohl zu diesen Schriftwechseln motivierte.

Es bleibt das Bild eines Menschen, der sich als junger alles gefallen ließ und jetzt im Alter verbissen und unnachgiebig mit den Waffen der Bürokratie und des Gesetzes kämpft, eine erbärmliche Gestalt.

Insgesamt gefiel mir Krechels Mischung von imagnierter Handlung und staubiger Bürokratie: Sie macht eine bestimmte Zeit deutscher Geschichte auf eigenwillige Weise lebendig.
Profile Image for Barbara.
722 reviews27 followers
May 30, 2016
Auch wenn ich mich länger etwas gegen das Buch gesträubt hatte, so habe ich es nun (im Rahmen der Leserunde) mit gewissem Interesse gelesen. Dass eine Rückkehr nicht einfach ist - ob aus dem Exil in die Heimat, in den Beruf, zur Ehefrau oder wie Selma zu den Eltern -, ist ein Grundthema neben der Darstellung, wie schwer es Geschädigten des Nazi-Regimes gemacht wurde, ihre Ansprüche durchzusetzen; wie wenig "Wiedergutmachung" gut gemacht hat. Ganz nebenbei wurde auch gezeigt, dass jüdische Exilanten nicht nur später in der Heimat auf Unverständnis stießen (sie musste ja den Krieg nicht hautnah miterleben...), sondern teilweise im Ausland als "Deutsche" ebenfalls auf Ablehnung stießen. Überhaupt erfährt man als Leserin interessante Details aus der Zeit, z.B. den Industriegestank um Mainz, dass es für Claire als Frau vor dem Krieg leichter war, Unternehmerin zu sein als danach, Bauhaus und der ungerichtete Wiederaufbau in Mainz. Eine besondere Perle: Wie Claire die Freude am Romanlesen entdeckt.

Sprachlich fand ich die immer wieder auftauchenden Redundanzen überflüssig (z.B. als Claire mit dem Filmvorführer die Wochenschau ansieht) und fühlte mich inhaltlich dadurch als Leserin fast etwas entmüdigt. Zum Ende hin, ab dem Kapitel "Die Tat", schien Krechel zu einem Ende kommen zu wollen, die Erzählschritte wurden deutlich größer. Aus meiner Sicht hätte der Kohlhaas'sche Kornitzer nicht sein müssen, der Schluss () hätte auch so gepasst.
Profile Image for emoty_live.
120 reviews5 followers
March 6, 2021
Nun das Buch/Hörbuch habe ich seit einigen Tagen beendet und es sacken lassen.
Ich muss sagen: es war leider nicht mein Buch.
Von Anfang bis Ende hatte ich Schwierigkeiten mit dem Schreibstil und habe mich zu keinem (!!!!) Zeitpunkt irgendeinem Charakter nahe gefühlt. Es war meiner Meinung nach gut recherchiert, aber das wars dann auch: ein trockener Tatsachenbericht (mal von der blumigen Ausschweifung beim 1. Wiedersehen der Eheleute Kornitzer nach 10 Jahren abgesehen, deren Zueinander finden jedoch nicht allzu groß thematisiert wurde.) Das ist schade, denn die Rehabilitation einer vom Krieg misshandelten Familie finde ich ein wichtiges Thema. Mir ist bewusst, dass die deutsche Bürokratie damals schon trocken war, aber ich hätte mir gewünscht, dass dem Buch und der Geschichte mehr Leben eingehaucht würde. Dies geht auch mit Kriegs/Nach-Kriegsromanen: „Das Tagebuch der Anne Frank“, „der Junge mit dem gestreiften Pyjama“, „Aimée und Jaguar“ zeigen es zum Beispiel. 2 Sterne, da ich zumindest die Recherchearbeit der Autorin würdigen möchte.
Profile Image for Norman Weiss.
Author 19 books73 followers
March 14, 2021
Absolute Leseempfehlung, nicht nur für Juristen! Jüdischer Landgerichtsrat macht im modernen Berlin der späten 1920er Jahre Karriere und gründet eine Familie, dann kommt Hitler an die Macht. Zunächst werden die Kinder nach England verschickt, er muß dann ins Exil, landet in Kuba, die beruflich erfolgreiche Ehefrau bleibt zurück. Am Bodensee begegnen sie sich wieder, dann faßt er langsam, gegen Widerstände wieder Fuß in der Justiz, kommt nach Mainz. Bleibt fremd, verkämpft sich, begehrt auf gegen die Schlußstrichmentalität.
Profile Image for Inga.
1,592 reviews63 followers
March 11, 2021
In Landgericht erzählt Ursula Krechel die Geschichte des jüdischen Richters Richard Kornitzer. Sein beruflicher Erfolg und das Glück seiner Familie werden durch die Nazis zerstört, seine Kinder sind in England, er selbst im Exil in Kuba, seine nicht-jüdische Frau bleibt in ungesicherten Verhältnissen in Deutschland zurück. Der Roman beginnt mit dem Wiedersehen des Ehepaars 1947 - und auch wenn die beiden einigermaßen wieder zueinanderfinden, so ist ihre Familie zerrissen, die Kinder ihnen fremd, seine berufliche Zukunft (am Landgericht in Mainz) problematisch. Kornitzer ist getrieben vom Wunsch, die ihm zugestoßene Ungerechtigkeit auszugleichen und scheitert dabei immer wieder an persönlichen Hindernissen und den juristischen Unzulänglichkeit der neuen Bundesrepublik, die noch längst nicht in der Lage ist, sich der Nazi-Vergangenheit in allen Konsequenzen zu stellen.

Angelehnt hat Krechel ihren Roman an die Biographie des Richters Robert Michaelis, wodurch das erzählte Leid und Unrecht ein zusätzliches Gewicht erhält, weil es real geschehen ist. Dieses Gewicht ist es vermutlich auch, was zunächst beeindruckend erscheint. Die Autorin versucht einen Spagat, indem sie der historischem Figur einerseits gerecht werden, andererseits aber auch die tiefen Emotionen ihres Protagonisten literarisch umsetzen will.
Ich finde, dies gelingt leider nicht - auch wenn ich mich damit in die Opposition zur Jury des deutschen Buchpreises befinde, die den Roman 2012 zum Gewinner kürte. Betitelt als Roman, wirken viele Passagen zu sachlich, zu kalt und zu dokumentierend, um wirklich zu berühren. Andere sind wieder überbordend emotional. Parallel dazu versucht Krechel auch, die Atmosphäre der frühen Bundesrepublik mit all ihren Schwierigkeiten und Entgleisungen einzufangen, was zu langatmigen Schilderungen von städtebaulichen Entwicklungen und ähnlichem führt. Auch stellt sich die Frage nach dem zentralen Thema: Ist es nun Kornitzer Angegriffenheit, die Zerissenheit, die sein Exil und der Verlust von Status und Familie in jungen Jahren ausgelöst haben? Liegt der Kern in seinen Beziehungen zu seiner Frau, seinen Kindern? Oder doch vielmehr in der Frage nach Gerechtigkeit, die er trotz aller Expertise und Hartnäckigkeit nicht erreichen kann?
Man könnte dies als Facettenreichtum loben, als literarischen Schachzug zu werten, wie die stilistischen und erzählerischen Ebenen durchmischt werden - aber was anfänglich in der ersten Hälfte des Romans noch überraschend und abwechslungsreich wirkt, verkommt immer mehr zur bloßen Irritation. Was will diese Geschichte?
Und sie endet schließlich, ohne die Frage so recht zu beantworten.

Ohne die Leserunde der Mitlesezentrale wäre dies vermutlich ein Fall für einen Abbruch gewesen, da mich der Stil und die Ziellosigkeit des Erzählens geradezu genervt haben. Ich erkenne die Wichtigkeit des Themas und finde es gut, dass eine Exilbiographie erzählt wird, gerade in Zeiten, wo sich wieder viele Tausende Menschen auf der Flucht befinden. Die Form jedoch hat mich überhaupt nicht angesprochen und die Verleihung des deutschen Buchpreises erschließt sich mir nicht so recht.
Profile Image for Otto.
750 reviews49 followers
October 14, 2025
Großartiger Roman der Büchnerpreisgewinnerin 2025 über die unwillige Art der Deutschen (man könnte das auch über die Österreicher schreiben) den Naziopfern eine angemessene Wiedergutmachung zu geben, besonders dann, wenn sie der Vernichtung im Exil entgangen waren.
Vorbild der Hauptfigur ist die reale Figur des Richters Robert Bernd Michaelis.
Der Roman wurde 2012 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
Profile Image for Fruggielicious .
627 reviews4 followers
November 20, 2025
Landgericht von Ursula Krechel / Rezension

Dieses Buch ist tatsächlich gehypt 🤭, auch wenn es nicht so aussieht und vom Inhalt her nicht so rüberkommt. Das war mein erstes Buch von Ursula Krechel und darum geht es:

Richard Kornitzer ist Richter und muss vor den Nazis nach Havanna flüchten. Als er 1947 zurückkehrt, hat sich sein Leben komplett verändert und seine alte Heimat will ihn eigentlich gar nicht mehr haben.

Ich finde das Buch sehr lesenswert, auch wenn es einiges an Zeit in Anspruch nimmt. Das Thema ist wichtig und die Autorin hat einen zwar eher distanzierten, aber dennoch einnehmenden Schreibstil. Es gab keine Seite, auf der ich nicht weiterlesen wollte.

Die Geschichte entfaltet sich insgesamt aber anders als man evtl. erwartet. Die größte „Ungereimtheit“ in meiner Gefühlswelt (nicht im Buch) war, dass ich erwartet hatte, mit Richard mitzuleiden und dass er mir automatisch (als klares Opfer der Nationalsozialismus) sympathisch sein und ich mit ihm Mitgefühl haben würde. Dem war nur bedingt so, also Mitgefühl natürlich schon, aber Frau Krechel hat ihren Protagonisten schwer zugänglich gezeichnet und ihn Dinge tun lassen, die ihn nicht so toll dastehen lassen. Das klingt etwas komisch, weil ich nichts spoilern möchte. Findet es gern selbst heraus.

Etwas kritisch / übertrieben fand ich die Aussagen der Autorin selbst bzgl. dessen was sie mit dem Buch vorhatte. Das ist wohl nämlich die größte Frage, die am Ende offen bleibt. Für wen ist das Buch? Sie sagte wohl, es wäre eine Wiedergutmachung, was schon etwas hoch gegriffen ist. Eine einzelne Person kann das gar nicht leisten. Viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. Deshalb mag ich solche Bücher sehr gern.

Macht Euch gern ein eigenes Bild!

4/5⭐️⭐️⭐️⭐️
Profile Image for Dani.
195 reviews11 followers
September 30, 2025
Ich erkenne die enorme Rechercheleistung und Geduld von Ursula Krechel an, dieses Buch überhaupt zu schreiben.

Dennoch frage ich mich: Wozu soll es eigentlich gut sein? Möchte ich mehr über Geschichte erfahren, lese ich lieber ein historisches Sachbuch oder Geo Epoche. Möchte ich einen historischen Roman lesen, erwarte ich mehr emotionale Nähe zu den Figuren.

Darüber hinaus malt das Buch ein Weltbild, das ich absolut abstoßend finde - und ich möchte hier unbedingt betonen, dass ich null religiös bin. Aber es gibt in Ursula Krechels Welt nicht nur keinen Gott, es gibt keine Hoffnung, kein Licht, alles zerfällt - und das nicht einmal mit einem befreienden Knall, der so etwas wie Erlösung bringen könnte, sondern die Leser werden langsam und tödlich mit juristischer Sprache gefoltert.

Ohne den Lesekreis hätte ich es nicht bis zum Ende gelesen.
2 reviews1 follower
March 31, 2020
Das ist ein wichtiges Buch, dass anschaulich in Romanform das Leben, die Karriere und das Scheitern eines Richters und den nahtlosen Übergang der Nazijustiz in die Justiz der BRD beschreibt und belegt. Es zeigt daneben auch die Probleme und Ängste einer Flucht - wie eine Familie untergeht und den Versuch einer starken Frau zu überleben und zusammen zu halten, was auseinander gedriftet ist. Das Buch wurde zu Recht mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet.
85 reviews
May 14, 2025
Immer wieder denke ich, die Jahre des dritten Reichs sind auserzählt und immer wieder erfahre ich doch noch neues. Vielleicht mögen manche monieren, warum die Romanform anstatt eines Sachbuches. Mich hätte es sonst nicht gepackt, so erfährt man viel und hat doch Fakten. Ich bin selbst Juristin, die Sprache hat mich überzeugt und das Buch hat mir gut gefallen, obwohl die Hauptfigur mir nicht sehr sympathisch war.
263 reviews
May 29, 2018
A story that is seldom told of a Jewish exile returning to Germany after the war. The frustration of not finding much sympathy for his plight whilst former NS members have an easy path up the career ladder is told so well, that I was as angry and hurt as the protagonist himself.
Profile Image for Boziswelt.
39 reviews2 followers
November 7, 2012
Obwohl es wieder ein Juden-Buch war, hat mir die Vorführung der Geschichte gefallen. Dennoch hatte ich mehrere Probleme mit den Figuren und manchen Aspekten. Meiner Anschicht nach, könnte man das Buch um ca. 100 Seiten kürzen, das hätte ihm nicht geschadet. Trotzdem finde ich es lesenswert und interessant. An manchen Stellen, jedoch meist in banalen Sachen (wie das Übergewicht des Protagonisten, den ich mir als schlank vorgestellt habe), überraschend. In dem Roman gibt es ebenfalls viele Bespiegelungen. So geht Dr. Kornitzer als politischer Flüchtling nach Kuba und am Ende seines Romans kommt seine kubanische Tochter Amanda als politischer Flüchtling von Kuba nach Deutschland. Oder der Sohn Georg(e), der seine deutschen Vorfahren am besten vergessen möchte, kommt beruflich nach Deutschland um Brücken (sehr symbolisch, oder???) zu bauen. Das ist jedoch wiederum ein Widerspruch, denn an einer Brücke zwischen seinem Vater und ihm selbst, ist er nicht interessiert.
Also - interessant und empfehlenswert.
Profile Image for Sabine.
105 reviews31 followers
November 13, 2014
Sie hat sich gelohnt, die Sache Kornitzer. Ein erschütterndes Buch, das einen traurig, wütend und hilflos am Ende zurück lässt und das ich trotzdem auf keinen Fall missen möchte.

Auch wenn ich sicherlich schon so einiges über das Schicksal der jüdischen Menschen während der NS-Zeit gelesen habe, dieses hier hat Ecken beleuchtet und Seiten in mir berührt, wie wenige andere Bücher dieser Thematik.

Die komplette Review gibts hier: http://bingereader.org/2014/11/05/lan...
Profile Image for Stephan von Bismarck.
5 reviews1 follower
January 26, 2013
Very good story and point to make about this particular point in time in history - with lots of general application when thinking about guilt, respect and what is owed to whom. The beginning chapters though I thought were a lot stronger then the end which altogether fades away. Still a highly recommended read.
Profile Image for Christiane Alsop.
201 reviews19 followers
October 27, 2013
Dieser Roman hat mich zutiefst beeindruckt.
Die Charaktere bleiben. Nicht nur in dem, was sie sagen und tun, auch in dem was sie unterlassen.
Die Struktur des Romans ist meisterhaft komponiert. Der Spannungsaufbau ist genial und die Bitterkeit und Reue, die bleibt, wird dem Thema und den Charakteren gerecht.
Ich werde Landgericht ein zweites Mal lesen. Mindestens ein zweites Mal.
Profile Image for Hannes Spitz.
260 reviews4 followers
March 13, 2015
ungewöhnliche Perspektive auf die Nachkriegszeit, streckenweise sperrig, dann wieder mit Gefühl, die Hauptpersonen keine typischen Helden
Displaying 1 - 30 of 31 reviews

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