Ein Meisterstück aus der Feder der gläubigen Heimatdichterin: Das gemütvolle Porträt einer wunderbaren Großmutter, die mit Glaubenszuversicht und Lebensweisheit ihre Familie durch´s Auf und Ab Lebens begleiten darf.
Es war ein liebliches Familienbild, das sich dem Beschauer darbot, in dem großen, behaglichen Wohnzimmer des Pfarrhauses zu Dornburg. Die in den besten Jahren stehenden Eltern, umgeben von einem Kranz blühender Kinder und als geliebtes Oberhaupt die noch rüstige Großmutter, die seit Jahresfrist ihre Heimat im Pfarrhaus aufgeschlagen hatte...
Helene Hübener entstammt einem frommen mecklenburgischen Pfarrhaus. Sie war das zweite von sieben Kindern und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Als sie neun Jahre alt war, starb ihr Vater, und die Mutter zog mit den Kindern nach Rostock. In Rostock besuchte Helene Hübener eine Höhere Töchterschule. Anschließend lebte sie 26 Jahre als Stütze ihrer Tante in Sachsen, mit nur einer kurzen Unterbrechung, als sie als Erzieherin in einem adeligen Gutshaus in Mecklenburg arbeitete. Sie verließ ihre Tante und zog nach Rostock, um ihre Schwester Marie zu pflegen, die durch einen Unfall gelähmt war. So war Helene Hübener wieder in der Nähe ihrer Mutter, die kurz vor ihrem Tod zu ihr zog und von dieser bis zu ihrem Tode gepflegt wurde. Sie wohnte mit ihrer Schwester in Gehlsdorf in der Gehlsheimer Straße 3.
Helene Hübener heiratete nie und begann erst mit etwa 40 Jahren mit ihrer schriftstellerischen Arbeit. Sie schrieb ihre religiös geprägten Bücher in jeder freien Stunde, die ihr zur Verfügung stand und auch neben der anfallenden Hausarbeit. In den ersten Büchern wie Es muss doch Frühling werden und Drei Freundinnen verarbeitete sie ihre eigenen Erfahrungen als Gouvernante und als Stütze ihrer Tante. In ihren späteren Büchern griff sie oft auf die Erlebnisse und Erfahrungen ihrer Geschwister zurück, die Lehrer (Marie und Theodor) oder Pfarrer (Wilhelm und Friedrich) waren.
Helene Hübeners Bücher werden auch heute noch verlegt und waren seit ihrem ersten Erscheinen fast durchgehend erhältlich. Bis 1958 erschienen ihre Bücher im D. Gundert Verlag (Stuttgart), heute werden sie in leicht bearbeiteter Form im Verlag der Francke-Buchhandlung in Marburg im Rahmen der Reihe Heimatlicht veröffentlicht.
An einem 16. Dezember, 8 Tage vor Weihnachten, rettet Frau Elsner auf der Rückfahrt von Weihachtseinkäufen eine junge Frau mit 2 kleinen Kindern aus dem Schnee. Der Schlitten der kleinen Familie ist kaputt und an ein Weiterkommen nicht zu denken. Frau Elsner nimmt die Frau und deren Kinder über die Nacht im Pfarrhaus bei ihrer Familie auf.
8 Jahre später ist die 17 jährige Therese in Pension bei Frau Hochberg und schließt Freundschaft mit Meta von Wrede, Josepha von Langen und Thea Immenhoff. Als sie nach Hause zurückkehrt beschließt sie auch Lehrerin zu werden und wird von den Eltern im Lehrerinnenseminar angemeldet. Das Schicksal hat jedoch andere Pläne, denn kurz darauf stirbt ihre Mutter und sie muss zusammen mit ihrer Großmutter den Haushalt und die Pflege der kleinen Geschwister übernehmen. Als Herr Burg, der Vikar des Vaters, ihr einen Heiratsantrag macht lehnt sie ab, weil sie ihn (noch) nicht liebt und ihre Großmutter mit dem Haushalt nicht allein lassen will.
Metas Schicksal ist noch härter als das von Röschen. Ihr geiziger Großvater will nicht weiter für sie sorgen und hat ihr schon eine Stelle als Hauslehrerin organisiert für die sie eigentlich nicht qualifiziert ist. Sein Geiz ist so groß, dass er den alten Familiensitz, eine große Villa, verlassen hat und mit seiner Familie im Gärtnerhaus wohnt und sein Geld in einem Schrank hortet.
Meta hat eine schwere Zeit bis sie sich das Vertrauen der Familie von Uhden durch stetes Bemühen und Treue erringt. In dieser schweren Zeit ist Röschens Großmutter ihr eine große Stütze, da sie schon bald in Metas Mutter, die Frau die sie vor 8 Jahren aus dem Schnee rettete, die Tochter ihre Halbbruders, erkennt. Ihr Halbbruder hatte sie damals um ihr Erbe betrogen und ist seitdem noch geiziger geworden und macht seiner Familie das Leben zur Hölle.
Josepha von Langen ist trotz ihres Reichtums nicht oberflächlich. Sie setzt sich für die Armen und bedürftigen ein und kümmert sich während der Erntezeit um die Kinder der Bauern. Um eine bessere Betreuung der Kleinen zu gewährleisten eröffnet sie eine Kleinkinderschule (=Kindergarten?) für die Kinder des Dorfes.
Thea Immenhoff ist heimlich mit Josephas Bruder Alexander verlobt. Trotz Röschens Warnung, dass so etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann steht sie zu ihrem Verlobten, bis dieser sich mit Einverständnis der Eltern mit Elsbeth von Falter verlobt. Thea bekommt ein starkes Nervenfieber und Josepha und Röschen pflegen sie so oft sie können. Josepha versucht so viel von dem Schaden den ihr Bruder angerichtet hat wieder gut zu machen. Als Thea sich erholt hat tritt sie eine Stelle als Pflegemutter und Haushaltshilfe bei einem Fabrikbesitzer an, den sie einige Jahre später auch heiratet.
Als Philipp, Röschens Bruder, ein so schlechtes Zeugnis nach Hause bringt, dass er sich nicht traut seinem Vater unter die Augen zu treten und fortläuft findet er durch Zufall bei Frau von Wrede für die Nacht Unterschlupf. Sie bringt ihn auf ihre sanfte Art wieder auf den Rechten Weg und lässt sich von Philipp versprechen, dass er von nun an fleißig lernen will. Als Beispiel hält sie ihm ihren Sohn Martin vor, der so gerne lernen möchte, aber der Großvater ist zu geizig, das Gymnasium zu zahlen.
Da Herr Burg, der ehemalige Vikar des Hauses Ries mittlerweile der Pastor von Beckedorf ist, wo Frau Wrede mit ihrer Familie wohnt, organisiert Frau Elsner für Martin Lateinstunden bei Herrn Burg. Die Familien Ries und von Wrede verkehren nun oft miteinander und auch Herr Burg ist ein ständiges Mitglied dieser Runde.
Als Konrad Goldewein, der Halbbruder Frau Elsners stirbt teilen Frau Elsner und Frau von Wrede das Erbe untere ihren beiden Familien gerecht auf.
Als das große Haus, in dem Frau Elsner und ihr Bruder ihre Kindheit verlebten zum erstem Mal besichtig wird, macht Herr Burg Röschen einen erneuten Heiratsantrag und diesmal nimmt sie diesen an.
5 Jahre später feiert Frau Elsner im Kreise ihrer Familie ihren 70. Geburtstag. Im Erdgeschoss des großen Haus der Familie Elsner/Wrede wohnen nun Meta und ihr Mann, der Rest dient der großen Familie abwechselnd zu Erholung
Auch in diesem Buch findet man wieder einige klassische romantische Motive wie
Röschen umringt von ihren kleinen Geschwistern im Wald, wie sie gemeinsam singen oder wie Herr Burg eine Rose, die Röschen im einmal schenkte heimlich über Jahre in Ehren hält. […] sie (Röschen) hatte ihm (Herr Burg) einmal eine Rose gegeben, ohne sich das Geringste dabei zu denken, und er hielt die Blume so hoch, daß er sie sich getrocknet aufbewahrte (S. 157). Röschen und die Rose ein Wortspiel und wieder eine Blume die die Eheleute wie in „Es muss doch Frühling werden“ miteinander verbindet.
Bei Helene Hübener gibt es normalerweise keine unwichtigen Personen. Wenn jemand mit Namen erwähnt wird und eingeführt ist, so spielt er auch eine Rolle so klein sie auch sein mag Das jemand erwähnt wird ohne selber in der Handlung aufzutauchen gibt es nicht. Nicht so in diesem Buch. Josepha von Langen fragt Familie Koch:
„Ist Albrecht – wollte sagen Herr Professor, schon auf der Reise?“ „Ja, gestern ist unser Sohn abgereist nach Italien in Begleitung zweier Freunde […]“ „Kommt er noch zu Ihnen in diesem Jahr?“ „Vor Weihnachten wohl nicht, aber dann gewiß.“
„Dann gewiß,“ wiederholte Josepha, als sie langsam nach Hause ging. Warum kann er nie mehr im Sommer, wenn sie auf dem Gut waren. Sie hatten sich immer so gut verstanden, sie hatte hoch aufgesehen zu dem klugen geistreichen Mann, der noch so jung war und schon so bedeutend. (S. 215)
Albrecht und Josephas Beziehung zu ihm werden weder noch einmal aufgegriffen noch erklärt. Diese Szene wirkt verloren und deplaziert und war wohl vorbereitend für einen weiteren Nebenstrang der Erzählung gedacht. Ob diese Handlung vergessen oder entfernt wurde kann man nur spekulieren.
1. Pflichterfüllung und treues dienen:
Obwohl Meta für die von ihrem Großvater ausgesuchte Stelle nicht qualifiziert ist gehorcht sie und tritt diese an. „Gottes Segen wird dich begleiten, mein Kind, denn du übst Gehorsam gegen Mutter und Großvater, und Gehorsam ist besser denn Opfer (S. 66).“ Durch ständiges Bemühen, guten Willen und treue Pflege ihre kleinen Schützlings erringt sie sich dennoch das Vertrauen und Zuneigung ihrer Arbeitgeber
„Es kommt alles auf die Treue an, […]. Was wir sind, müssen wir ganz sein. (S. 135)“
2. Reichtum macht nicht glücklich:
Auch in diesem Buch ist wie der der Geschichte „In den Bergen“ aus „Nur Treu“ ein Geizhals nicht bereit seinen Fehler einzusehen und Buße zu tun. Obwohl seine Enkeling Meta ihm gerade heraus sagt „[…] das eine weiß ich doch, daß Geld nicht glücklich macht“ (S.65) ist er nicht bereit sich zu ändern oder auch nur darüber nachzudenken, was er seinen Tochter und seinen Enkeln durch seinen Geiz antut.
Er stirbt ohne Buße zu tun und keiner trauert ihm nach, nicht einmal oder besonders seine kleinen Enkel. Als Frau Elsner Mariechen die Nachricht von Tode ihres Großvater bringt sagt diese nur „O, dann braucht Mutti nicht mehr so viel zu weinen, nun kann er nicht mehr schelten.“ (S.239). Konrad Goldewein stirbt ohne daß jemand um ihn weint und sein Reichtum, der ihn nicht glücklich machte, bringt nun anderen Freude.
3. Kindererziehung:
Auch in der Lehrer-Schüler-Beziehung von Herr Burg und Philipp finden wir in diesem Buch die Mahnung, dass durch Strenge ohne Liebe kein Erfolg erwachsen kann. Er [Herr Burg] wollte es durch Strenge erzielen, handhabte zu viel mit Ohrenkneipen und bösen Worten, so daß Philipp immer mehr Abscheu gegen das Lernen bekam (S.54)
4. Bildung und der weiblichen Jugend:
Das eigentliche Hauptthema des Buches ist die Berufswahl der jungen Mädchen.
Einerseits die alte Schule verkörpert durch Frau Elsner und Herrn Burg. Frau Elsner ist der Meinung „Ein kleines Mädchen muß sanft und gesittet einhergehen, nicht wie ein wilder Junge umhertoben und Dummheiten machen (S.29)“ und „Früher war das anders. Wenn eine Tochter erwachsen war, mußte sie in die Küche, ins Waschhaus, in den Garten. Jetzt muß jedes Mädchen sich seinen eigenen Beruf wählen und für die Familie ist sie verloren. Kind, Kind, wer hat dich auf diese unglückliche Idee gebracht? (S. 50)“
Besonders interessant ist die Szene am Abendbottisch als Frau Elsner und Herr Burg es verurteilen, dass Frauen Bildung erlangen wollen und der starke Kontrast zu Reaktion von Röschens Vater, dieser schert sich nicht darum, isst sein Schinkenbrot und sieht alles nicht so eng:
Sie [Frau Elsner] und Herr Burg wurden sehr eifrig im Verurteilen der Frauen, die es den Männern gleichtun, sich auf dieselbe Stufe der Bildung und Gelehrsamkeit mit ihnen stellen wollen. Herr Burger erging sich darin, das Weib der Zukunft schonungslos zu schildern, während der Oberpfarrer ruhig seinen Tee trank und das ihm von seiner Frau bereitete Schinkenbrötchen mit sichtlichem Behagen dazu verzehrte (S. 52).
Die Beschreibung des absichtlichen nicht reagierens von Pfarrer Rieß auf die Ansichten von Herr Burg und Frau Elsner zieht diese Diskussion ins lächerliche und macht deutlich, dass Helene Hübener nicht der Meinung dieser beiden ist. Herr Rieß fühlt sie irgendwann doch genötigt darauf zu reagieren und antwortet:
„Es geht alles eine Zeit lang so fort, die Bewegung wird noch mächtiger werden, die Frauen werden sich immer mehr den Männern gleichberechtigt fühlen, je mehr sie zum Studium zugelassen und ihnen alle Wege geöffnet werden (S.52)
Das kann Herr Burgs Meinung jedoch nicht ändern er ist immer noch der Meinung, dass eine Frau an den Herd gehört.
[…] ich kann mich nicht dafür begeistern, daß eine junge Dame sich der Gelehrsamkeit widmet und nicht ahnt, wie man eine Suppe kocht oder einen Braten macht. (S.79)“
In starken Kontrast zu Herr Burgs Meinung ist jene der Mütter wie Frau Ries und Frau Immenhoff. Diese haben Töchter, die ihren Weg machen müssen und nicht sicher sein können einen Mann zu bekommen. Die Frauen sind weitsichtig genug, daß sie wissen, dass diese Mädchen auch eine Zukunft haben müssen und bestehen daher darauf, dass sich ihre Töchter eine Arbeit suchen.
Frau Immenhoff „Ich will nicht, daß sechs Töchter morgens aufwachen mit der Frage. „Was sollen wir heute tun […].
So wählen auch alle 5 Töchter von Frau Immenhoff einige von Frau Pastor Ries einen Beruf.
Besonders auffällig ist eine Bemerkung, welche Röschen zu Thea macht, nachdem sich diese von ihrem Nervenfieber erholt hat:
„Der Betreffende ist es nicht wert, daß du um ihn trauerst, richte deine Gedanken auf deinen zukünftigen Beruf […] (S. 189)
Dieses Kommentar gleich stark einigen die man später in den Mädchenbüchern der Frauenrechtlerin Magda Trott findet: " [...] nicht die Blicke sehnsüchtig nur auf dieses eine Ziel richten, […]. Arbeit half über alles hinweg, Arbeit heilte jede Wunde (Brigitte schafft Arbeit, S.81).“
In diesem Buch werden einige Berufsfelder genannt in welchen Frauen schon 1902 ein Auskommen finden konnten, wie in Krankenhäusern, Hospitzen, Kliniken, Diakonissenhäusern, als Kinderlehrerin, als Verkäuferin und überraschenderweise als Buchhalterin. Frieda Immenhoff wird tatsächlich Buchhalterin, weil sie das Rechnen liebt; dass Buchhalterin in einer Bank schon 1902 für Frauen erreichbar war und auch in einem Mädchenbuch propagiert wird ist etwas Besonderes. Seitenangaben beziehen sich auf die Auflage 31.-35. Tausend