Goethe kommt zurück aus der Schweiz und hat zu Hause in Weimar plötzlich eine Schreibblockade. Da kann sein kleiner Sohn August noch so still sein und seine Frau Christiane noch so liebevoll um sein Wohl besorgt. Ausgerechnet sein Schwager Christian August Vulpius, ebenfalls Schriftsteller und von Goethe verachteter Viel- und Lohnschreiber, kommt ihm in dieser Situation zu Hilfe. Zu einer Hilfe, die Goethe nicht will und doch dringend braucht.
Lewinsky studierte Germanistik und Theaterwissenschaft in Zürich und Berlin (ohne Abschluss). Danach arbeitete er als Regieassistent bei Fritz Kortner und anschliessend als Dramaturg und Regisseur an verschiedenen Bühnen sowie als Redakteur und Ressortleiter der Sendung Wort-Unterhaltung des Schweizer Fernsehens. 1984 veröffentlichte er zusammen mit Doris Morf sein erstes Buch Hitler auf dem Rütli. Es folgten weitere Bücher und Produktionen beim Schweizer Fernsehen, ARD und ZDF. In der Schweizer Öffentlichkeit wurde Lewinsky Mitte der 90er Jahre als Autor der Sitcom Fascht e Familie bekannt; später folgte Fertig Lustig. 2001 erhielt er den Schillerpreis der Zürcher Kantonalbank für seinen Roman Johannistag. Weitere Anerkennung als Schriftsteller erwarb er sich 2006 mit der jüdischen Familiensaga Melnitz. Lewinsky hat zudem über 700 Liedtexte für verschiedene Komponisten geschrieben, unter anderem für Maja Brunner, die mit dem Lied Das chunnt eus spanisch vor 1987 den Grand Prix der Volksmusik gewinnen konnte. 2011 wurde er mit seinem Roman Gerron für den Schweizer Buchpreis nominiert. Lewinsky wohnt in Zürich und im französischen Vereux.
Dieser Roman enthüllt im Rahmen der Fiktion sehr viel Privates aus dem Leben des großen Dichters und Universalgelehrten Johann Wolfgang von Goethe. Das ist vordergründig interessant, denn die historische Persönlichkeit auch ein bisschen intimer kennenzulernen, auch wenn alles basierend auf historischen Aufzeichnungen nur erfunden ist, ist durchaus nicht unspannend. So ein Konzept hat mir schon bei Tell von Joachim B. Schmidt oder auch bei Gauß und Humboldt in Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann sehr gut gefallen. Leider waren in diesem Roman die tiefen Einsichten in die Psyche des Dichters und der Plot nur über kurze Strecken begeisternd. Des Öfteren waren die Stories banal und ein bisschen langweilig.
Der Meister ist ob seiner vielen Verpflichtungen überarbeitet, oft sehr ungeduldig und grantelnd, lebt in einer sehr guten, liebevollen Beziehung zu seiner Frau Christiane, die er aber in der Gesellschaft nicht wirklich einführen kann, weil sie nicht ganz standesgemäß ist. Zudem plagen den alternden Gelehrten einige Zipperlein, wie beispielsweise Hämorrhoiden. Als er von einer Studienreise aus der Schweiz zurückkehrt, stellt sich heraus, dass er unter einer massiven Schreibblockade leidet. Als dieses Problem eskaliert und Goethe für einen Festakt ein Gedicht abliefern muss, hilft durch die kluge Intervention von Christiane sein unsympathischer Schwager Vulpius mit ein paar Reimen aus. Diese sind zwar nicht in der Qualität, wie der Meister normalerweise abliefert, aber sie reichen für solch ein banales Fest. Goethe zeigt sich aber nicht dankbar, sondern eher verärgert, da er nun in der Schuld des ungeliebten Schwagers steht. Der Einstieg in die Geschichte hat mir sehr gut gefallen und erinnerte mich irgendwie an Schtonk, als Adolfs Tagebuch gefälscht wurde.
Nach einer sehr lustigen Sexszene wird der Plot dann a bisserl langweilig, denn es geht noch immer um Aversion Goethes gegen Vulpius, um seine Schreibblockade, wie er sie vertuschen kann und um organisatorische Widrigkeiten in einigen seiner vielzähligen Jobs. Erst ab Seite 200 wird die Handlung wieder interessant, als sich Goethe dem verhassten Schwager endlich offenbart und dieser tatsächlich einen guten Psychotrick parat hat, wie der Meister die Angst vor dem weißen Blatt Papier überwinden kann. Nach ein paar weiteren Verwicklungen gibt es dann auch noch ein Happy End, das in einem großen Familienfest und in der Fertigstellung des Faust mündet.
Fazit: Der Roman ist privat, amüsant, aber nicht begeisternd, manchmal sogar ein bisschen langweilig. Für zwischendurch aber eine leichte, lustige Lektüre, die schnell weggelesen werden kann. Bedauerlicherweise messe ich den Autor mittlerweile an seinem Halbbart, der mich letztes Jahr sehr begeistert hat.
Nachtrag: Ich bin nach langen Diskussionen auf Lovelybooks draufgekommen, dass ich zu wenig deutsche Literaturgeschichte in Österreich mitbekommen habe, um die subtilen Anspielungen überhaupt zu checken, da fehlt mir offensichtlich einiges an Kontext. Als Österreicherin macht man die Situation in Weimar nicht durch, wir haben ja eine eigene Literaturgeschichte insofern kannte ich Vulpius gar nicht und bekam hier eben die Ironie nicht mit.
Originalzitat einer guten Buchfreundin: „In Deutschland ist Weimar ein beinahe heiliger Ort ( Goethe!! Schiller!!! Wieland! Herder!) und jeder pilgert dahin wie nach Bethlehem zu Weihnachten. Der Vulpius, der Fürst … alle unsterblich…😂… und hier herrlich respektlos dargestellt…“
Es menschelt gehörig in Weimar am Frauenplan: Goethe hat Furunkeln am Po, sehnt sich nach Schäferstündchen mit Christiane, was die klatschsüchtigen Lakaien nicht wissen sollen, außerdem ist er neidisch, wenn sein Schwager in spe literarischen Erfolg hat.
Zweitens gerät Lewinskys Goethe zur 1,60 großen Nordmanntanne, die mit den Schmuckkugeln aus zumeist griechischen Referenzen verziert wird: Sisyphos, Midas, Odysseus und dergleichen werden an die Figur des Goethe geheftet, ohne dass diese Referenzen in einem Aneignungs- oder Verarbeitungsprozess tatsächlich auf Goethe zugeschnitten werden.
Damit erleidet der Sakrosankte der deutschen Literatur das unrühmliche Schicksal, als heimeliger Weihnachtsbaum im Lesestübchen leuchten zu müssen. Freudig entdeckt der Leser, dass Goethe "ja auch nur ein Mensch war" und kann jede erkannte Referenz stolz ins Holz der Eroberung schnitzen. Man würde Lewinskys referenzgesättigtes Unterfangen gerne mit den eigenen Waffen parieren und mit dem Erdgeist aus Faust antworten: "Du beschreibst den Geist, den du begreifst, nicht ihn."
Aber selbstverständlich ist jenseits der konfrontativen Annäherung an Lewinskys Roman auch ein Feld: Sein Buch, das sich vor allem mit einer Schreibblockade Goethes im Jahr 1798 und dessen Lösung durch den Trivialautor und Bald-Schwager Vulpius beschäftigt, ist unterhaltsam, ergo gut geschrieben, wenngleich er seinem Protagonisten zumeist nur auf dem Weg allzu vieler Metaphern und Vergleiche nahekommt, die so üppig wachsen, dass man im Bildersalat oft den Tritt verliert.
Wenn Vulpius aus Goethes Perspektive etwa kein Löwe, sondern höchstens ein Hauskater ist, und gleich darauf ein junges Mädchen, das beim ersten Kompliment eines Verehrers errötet, passen beide Bilder denkbar schlecht dazu, dass Goethe dennoch auf Vulpius angewiesen sei wie ein Verdurstender, dem die Reinheit des Wassers im Brunnen egal ist. Freilich ergibt sich aus dem Bilderreigen keine Annäherung an Goethe, er erscheint vielmehr als Träger flamboyanter Emphasen, die aber über konventionelle Denk-Muster nicht hinausreichen. Auch hier: Ein leuchtender Weihnachtsbaum, der sich nie zu weit vom Leserverständnis entfernt.
Dennoch haben mich gerade die letzten hundert Seiten unterhalten. Goethe nimmt sich den Tipp von Vulpius zu Herzen und gänsefedert gegen seine Schreibblockade an: Ohne groß nachzudenken und im vollen Bewusstsein der literarischen Trivialität erschafft er so einen Roman: den "Rinaldo Rinaldini". Es gehört zu Lewinskys Kunstgriffen, dass er die Urheberschaft dieses Buches, das tatsächlich der größte Erfolg von Christian August Vulpius im Jahr 1799 sein sollte, Goethe zuschiebt.
Die Ausführungen zur Entstehung des Werkes haben mich durch ihre Doppelbödigkeit unterhalten. Natürlich ist sich Lewinsky bewusst, dass auch er einen letztlich trivialen Roman schreibt, ein Buch, das davon lebt, eine Atmosphäre des späten 18. Jahrhunderts abzubilden, das mit einer beliebigen Ansammlung an griechischen und römischen Verweisen einen Schein der kulturellen Dichte vorgaukelt, das sich in der zwischenmenschlichen Beziehung ganz auf Situationskomik oder Gemeinplätze beschränkt und gerade seinem sakrosankten Protagonisten keinen Zentimeter auf den Pelz rückt. Aber gerade im verhandelten Streit zwischen E- und U-Literatur (an dessen Ende Goethe die Unterhaltungsliteratur ins Recht setzt, weil er stolz ist, der Autor eines zwar schlechten, aber populären Buches zu sein) hält auch Lewinsky seine Aktien (oder Bergbau-Anleihen oder whatever Goethe neben dem Schreiben gemacht hat). Und das ist dann doch charmant.
5 von 10 Christbaumkugeln für die Unterhaltungsliteratur.
In diesem sehr gut geschriebenen, amüsanten Roman macht uns Charles Lewinsky mit den Sorgen und Nöten des Dichterfürsten Goethe bekannt. Ja, auch der Meister kennt trübe Stunden: Die Musen haben ihn verlassen! Nicht der einfachste Reim, nicht die kleinste Wendung will ihm einfallen, nur Rauch und Schall, jedenfalls nicht das, was man von ihm – mit Recht! – erwarten kann. Der herzogliche Hof hat ein Festgedicht bestellt, die Zeit wird knapp, was nun? Inspiration brachten sonst immer Reisen, doch auch das hat diesmal nichts genutzt. Hilfe kommt von ungeahnter Seite: Vulpius, Christianes Bruder, bemüht sich um Goethes Aufmerksamkeit: Im Schreiben sei er doch auch ganz gut – wie wär’s wenn nun er ein paar Stanzen schriebe …. Goethe ist empört, dieser Dilettant will ihm das Wasser reichen, zu schlicht, zu seicht wäre das Ergebnis. Das geht auf keinen Fall, nein!... absolut nicht …. oder doch?
Der Roman schillert (darf man das sagen?) nur so von Aperçus, seien sie nun von Goethe oder Lewinsky, gleichviel – sie sind köstlich! Überhaupt merkt man dem Autor den Spaß am Fabulieren und Formulieren an, die Gespräche Goethes mit Herzog Carl August und Vulpius sind ganz besonders gut gelungen und auch Christianes charmant-kluger Umgang mit ihrem Goethe ist ganz wunderbar zu lesen.
Ob Goethes Schreibblockade gelöst werden kann und was es mit Vulpius‘ Roman „Rinaldo Rinaldini, der Räuberhauptmann“ auf sich hat, das überlasse ich zur Entdeckung der geneigten Leserschaft.
„Rauch und Schall“ ist ein köstlicher Roman, der fulminant zu unterhalten versteht und charmant-respektlos zwischen Dichtung und Wahrheit changiert. Der berühmte Johann Wolfgang von Goethe leidet unter zunehmenden körperlichen Gebrechen und einer geistigen Blockade, die sein Schwager in spe Christian August Vulpius in bester Therapeutenmanier wieder aufzulösen versucht. Was nun folgt ist ein herrlich possierliches Lustspiel, voller kleiner Ränke, Verwechslungen und Situationskomik, das prächtigen Eskapismus bietet.
So ist neben der Tatsache, dass Goethe bereits mit dem ersten Satz des Romans vom Podest der ehrfürchtigen Anbetung geholt wird – eine Tendenz, die der weitere Text völlig unerschrocken weiterverfolgt – besonders der Schlagabtausch mit Vulpius eine Freude. In den niemals langweilig werdenden Gesprächen erhält der Leser so einigen Einblick in den Gegensatz von anspruchsvoller Hochliteratur und marktorientierter Unterhaltungsliteratur, wirft einen Blick hinter die Kulissen des Schreibprozesses und lernt Tricks und Kniffe bei der Produktion von Lesbarem (z.B. Kämpfe detailliert beschreiben und Philosophie, die keiner versteht, einbauen) kennen. All dies ist zwar nicht neu, aber es ist trotzdem überaus vergnüglich und kurzweilig.
Goethe selbst ist zu Beginn ein ziemlich aufgeblasener Unsympath, der aber dadurch, dass er in die Sphären des Trivialen hinabsteigt, immer weiter vermenschlicht und so zugänglicher und liebenswerter wird. Es ist ein großer Spaß den etwas aus der Form geratenen Dichterfürsten mit (trotz versiegender Musenquelle) unumstößlichem Genieverdacht gegen sich selbst bei seinen Bemühungen zu beobachten, wieder zu altem Anspruch zu finden. Hierzu trägt auch seine Beziehung zu Christiane Vulpius bei, die als sehr vernunftbegabte und bodenständige Person porträtiert wird, die die Schrullen des Genies geduldig und diplomatisch erträgt.
Der Text ist gespickt mit lateinischen Bonmots und Goethe-Referenzen, die mir diebische Freude bereiteten. Die leicht ironisch eingeflochtene höfische Ehrerbietung tat ihr Übriges dazu. Lewinsky verwendet leichtfüßig antiquierten Sprachgebrauch, lässt sich sprachlich völlig auf die Zeit und den Sprachduktus ein, die Wortwahl ist famos und unterstreicht so noch den komödiantischen Charakter des Textes, der perfekt zu seinem Thema und eben auch zu Goethe passt.
„Rauch und Schall“ erinnerte mich in seiner Fabulierlust und der Grundidee an den Erfolgsfilm „Shakespeare in Love“. Ich habe jede Seite genossen und kann diesen großen, intelligenten Lesespaß uneingeschränkt weiterempfehlen: ein auf jeder Ebene gelungenes, nicht ganz ernst gemeintes, Porträt des Dichters und seiner Zeit.
Goethe leidet nicht nur an Hämorrhoiden, sondern auch an einer Schreibblockade. Ob es wirklich so war? In jedem Fall ist es interessant zu lesen, wir immer bei Charles Lewinsky. Eine schöne Erinnerung an den letzten Weimarbesuch Note: 2
ch lese sehr gern Romane über historische Persönlichkeiten, und auch diesen fand ich insgesamt sehr unterhaltsam. Es ist eine leichte Lektüre, ideal für zwischendurch. Als Goethe-„Fan“ war es besonders interessant, mehr über diese Person zu erfahren, auch wenn natürlich nicht alles der historischen Wahrheit entspricht.
Zeitverschwendung bzw. um es mit Ernst Jandl zu sagen: ogottogott. Aus meiner Sicht zu klamaukhaft, so wird man Goethe nicht gerecht. Ein Roman auf dem Vulpiusniveau.
Welch Vergnügen, dieses Buch! Die Leiden des (nicht mehr genz so jungen) Goethe... an einer Schreibblockade! Ausgerechnet sein ungeliebter Schwager Christian August Vulpius - seines Zeichens Schreiber von Unterhaltungsromanen, doch mitnichten ein wahrer Dichter! - bietet ihm Rat und Hilfe an. Und Goethe bleibt in seiner Verzweiflung nichts anderes übrig, als anzunehmen. Ein Entschluss mit ungeahnten Folgen...
Charles Lewinsky schreibt über die Schreibblockade Goethes in einer sehr niveauvollen Sprache. Sehr unterhaltsam und auch immer mal wieder zum Schmunzeln anregend. Die Diskussionen mit seinem Schwager, der nur das leichte Schrifttum bedient, sind oft von Goethes Überheblichkeit bezüglich seiner eigenen sehr anspruchsvollen Literatur geprägt. Er steht ihm skeptisch und abweisend gegenüber. Doch in der Phase seiner eigenen Schreibblockade findet er ausgerechnet Unterstützung von seinem Schwager. Diese Tatsache lässt die Beiden am Ende auf sympathische Weise zueinander finden. Ich habe das Buch gerne gelesen.
Ein herrlicher und unterhaltsamer Spaß nicht nur für Goethe-Fans. Dabei geht es neben den geistigen und körperlichen Schwächen und Stärken, Empfindlichkeiten und blinden Flecken im Denken des Dichter-Genies in den Gesprächen mit seinem Fast-Schwager Vulpius auch um die Unterschiede zwischen E- und U-Literatur bzw. - Unterhaltung und die Herausforderungen eines Schreibens ohne stattliche staatliche Unterstützung.
ich liebbbb de lewinsky mega hochgstoche gschribe, gahts um de goethe, wo en schribstau het lol iwie heters gschafft, pseudointellektuell und sochli wie en klassiker usem 18. jahrhundert z schribe, aber trz flüssig z sii und immer wieder eifach ironisch lustigi nebesätz ihzbaue
Das erste Buch, das ich im neuen Jahr 2024 gelesen habe, war schon mal ein absoluter Volltreffer und zwar an Intellekt, Unterhaltung und Witz: “Rauch und Schall” - eine Anlehnung an einen Vers aus Goethes “Faust” (“Name ist Schall und Rauch”) - von Charles Lewinsky aus dem Diogenes Verlag.
Ein Mann in der Mitte des Lebens, der aufgrund seiner dichterischen Tätigkeit hohes Ansehen genießt und den die kulturbeflissene Öffentlichkeit gar ein Genie heißt. Was macht nun dieser Mann, wir nennen ihn Goethe, wenn ihn sowohl der geheimrätliche After (in Form von Hämorrhoiden) schmerzt, als auch eine Schreibblockade plagt? Leiden, aber still, denn beide Probleme sind nur allzu tabuisiert…
Wir schreiben das Jahr 1796 (erschlossen anhand der erwähnten, aus Goethes Leben bekannten Fakten, denn im Roman gibt es keine konkreten Zeitangaben). Goethe ist auf der Rückkehr nach Weimar. Er war mal wieder auf einer seiner Schweizer Reisen, auf denen er seltene Quarzite und Inspiration für neue dichterische Werke sammeln wollte. Zumindest ersteres ist ihm gelungen. Zuhause erwarten ihn also nun seine Lebensgefährtin Christiane Vulpius und das einzige überlebende Kind der beiden, der siebenjährige Sohn August sowie viele leere Blätter, die von ihm oder dem Secretarius Geist qua Diktat beschrieben werden wollen. Was Goethe in dieser Situation gar nicht gebrauchen kann: Zum einen, einen Auftrag des Weimarer Herzogs Carl August (mein bescheidener Vorschlag: Ein Trinkspiel jedes Mal wenn das lustige Wort “Serenissimus” im Text vorkommt) für ein Festgedicht anlässlich des baldigen Geburtstags seiner Gemahlin. Zum anderen, einen sehr selbstbewussten und redegewandten Schwager namens Christian August Vulpius, seines Zeichens schlecht bezahlter Bibliotheksregistrator und Schriftsteller von Trivialliteratur, aus dem die Einfälle und Ideen für seine in Goethes Augen minderwertigen Bücher nur so fließen.
Als eine Person, die Neuere deutsche Literatur im Hauptfach studiert, sich viel mit der Weimarer Klassik auseinandergesetzt hat und schon öfters im wunderschönen Weimar war, habe ich schon einen gewissen Wissensvorsprung gehabt, vor allem was Goethes Lebenssituation angeht. Mir war z.B. bewusst, dass Goethe einen Schwager hatte, der Trivialliteratur verfasste und dass er nur einen überlebenden Sohn hatte. Auch der “Rinaldini” verstaubt in der zweiten Reihe in einem meiner Klassiker-Regale. Aber auch wenn man all diese Vorabinformationen nicht hat, kann man wunderbar eintauchen in dieses Buch, denn alles, was man zum Verständnis wissen muss, wird einem erklärt - ob man “weimaraffin” ist oder auch nicht.
Die Figurenzeichnung in diesem Buch ist einfach hilarious - mir fällt kein passendes deutsches Wort ein, vielleicht ist Goethes Wortschöpfungskrise auf mich übergesprungen - und könnte nicht mehr auf den Punkt sein in einer Fiktion, die sich in die Realhistorie eingenistet hat. Nach der Lektüre will man einfach, dass es genau so gewesen ist und dass Goethe, Christiane und Christian August Vulpius sowie der “Serenissimus” Carl August genau so gesprochen und agiert haben wie in diesem Roman. Der Humor des Autors ist genau meiner, subtil und britisch und immer auf den Punkt. Ich habe die Lektüre einfach genossen, anders kann ich es nicht sagen. Schwere Themen werden gekonnt umschifft oder so verpackt, dass sie ihre Schwere verlieren. Ein wunderbar unterhaltsames Buch, nicht nur aber natürlich auch besonders für “Goethezeitliebhaber:innen”.
Die einzige Sache, die man an diesem Romam kritisieren darf und muss ist die Tatsache, dass er viel zu schnell vorbei ist. Nein, das darf nicht sein. Ich wünsche mir bitte eine oder mehrere Fortsetzungen mit anderen Situationen in Goethes Leben aus Ihrer Feder, Herr Lewsinky. Oder vielleicht mit Schiller als Hauptfigur, ich kann den Odeur der verfaulten Äpfel förmlich riechen. Wenn Sie das lesen, setzen Sie sich also bitte ins Gartenhaus und schreiben drauflos bzw. einfach weiter, in bester Vulpius’scher Manier: Nicht dichten, sondern schreiben - hoc est motto.
„Goethe kommt zurück aus der Schweiz und hat zu Hause in Weimar plötzlich eine Schreibblockade. Da kann sein kleiner Sohn August noch so still sein und seine Frau Christiane noch so liebevoll um sein Wohl besorgt. Ausgerechnet sein Schwager Christian August Vulpius, ebenfalls Schriftsteller und von Goethe verachteter Viel- und Lohnschreiber, kommt ihm in dieser Situation zu Hilfe. Zu einer Hilfe, die Goethe nicht will und doch dringend braucht.“
Goethe ist von einer Krankheit heimgesucht worden! Er hat eine Schreibblockade oder wie er es nennt „eingetrocknete Gedankentinte“. Man hat es kaum für möglich gehalten und er wohl am aller wenigsten aber so ist es nun. Und dann muss er auch noch Hilfe von einem Menschen annehmen, den er nicht sonderlich achtet: sein Schwager Vulpius, der Ehegatte seiner Schwester. Es scheint für Goethe wahrlich nicht leicht aber er springt über seinen Schatten. Autor Charles Lewinsky schaffte nicht nur wieder eine humorvollen Roman sondern auch einen recht scharfsinnigen. Er beleuchtet Goethe recht intensiv und zeigt eben auf, dass man auch Schwächen hat und diese auch zeigen darf und kann aber es muss auch bei einem selbst ankommen. Man muss es selbst akzeptieren und da gehört eine Menge Courage dazu. Wie gesagt, steckt hier auch eine gute Portion Humor im Text und es war ein Genuss a la Charles Lewinsky dieses Buch zu lesen. Hierfür vergebe ich 4 sehr gute Sterne!
„Ideen müssen einem zufliegen…“ Ja, wenn das nur immer so wäre - Goethe steckt in einer Schreibkrise, was an und für sich nicht so tragisch wäre, wäre da nicht das Festgedicht für die Herzogin - es will ihm nichts gelingen, als ob alle Inspirationsquellen versiegt wären. Die Zeit drängt. In seiner Not nimmt er Christianes Rat an, die Dienste ihres Bruders Christian August Vulpius – seines Zeichens Bibliotheksregistrator – in Anspruch zu nehmen.
Der Dichterfürst und der arme Schlucker, der sich mit Lohnschreiberei über Wasser hält - Charles Lewinsky hat eine durchaus originelle Konstellation ersonnen. Das Lesen dieser Seiten war ein gar amüsanter Zeitvertreib, die launige Erzählweise kam durchweg kurzweilig und äußerst beschwingt daher. Zu den beiden Akteuren Goethe und Vulpius gehören natürlich auch Christiane und August, ihr gemeinsamer Sohn und auch der Räuberhauptmann Rinaldo Rinaldini wird aufs Vergnüglichste dargeboten.
Lewinsky entführt seine Leser mit Leichtigkeit in die damalige Zeit. Historie trifft Fiktion - ein witzig-spritziges Lesevergnügen der Extraklasse.
Ich vermute, dass ich mein Jahreshighlight bereits im Januar gefunden habe. Lewinsky hat seine Idee, dem großen Dichter Goethe eine Schreibblockade anzudichten, prima ausgearbeitet. Sehr humorvoll wird die Beziehung des Dichterfürsten Goethe mit seinem Schwager beschrieben, dem am Fließband Groschenromane schreibenden Christian Vulpius, während Goethe an seiner Schreibblockade zu verzweifeln droht. Die patente Christiane versucht, zwischen beiden zu vermitteln. Da ich im letzten Sommer Bildungsurlaub in Weimar machte, konnte ich mir ein gutes Bild der beschriebenen Schauplätze machen. Der wunderschöne Garten am Frauenplan mit Blumen, Bienen und Vogelgezwitscher im letzten Juni war zu Christianes Zeit Gemüsegarten, in dem sie reihenweise Schnecken guillotinierte. Und Goethe, der vom Frauenplan zum Gartenhaus an der Ilm eilte, von Zeit zu Zeit fröhlich hüpfend, um an ‚seinem‘ Rinaldo Rinaldini zu arbeiten – ich musste oft lauthals lachen. Ich denke, ich muss nach dieser Lektüre jetzt auch mal in den ‚Rinaldo Rinaldini‘ reinhören, um mir ein eigenes Bild von der Geschichte zu machen.
Es hat so viel Spaß gemacht "Rauch und Schall" zu lesen! Es war locker geschrieben mit viel Unterhaltung und Lyrik. Goethe ist sicherlich fast allen bekannt, aber Goethe in dieser Konstellation und Situation zu sehen fand ich irgendwie lustig und herrlich. Auch das Ende hat mir sehr gefallen; ein Buch nicht nur für Goethe- und Klassik-Fans!
** Dieses Buch wurde mir über NetGalley als E-Book zur Verfügung gestellt **
Ein intimer, fiktionaler Blick hinter die Kulissen, wie ein berühmter Dichter lebt und arbeitet - bzw. eine Schreibblockade hat und sich mit Hämorrhoiden herumplagt. Im Mittelpunkt steht das Plagiieren von dichterischen Werken und die Motive dabei - eine nette kleine Geschichte um Eitelkeit, Arroganz und Status. Nebenbei lernt man auch neue, fantasievolle Umschreibungen für ehelichen Geschlechtsverkehr.
Ein leicht lesbares, humorvolles Buch für die lauen Sommerabende. Goethe hat ein Schreibblockade und gerade sein Schwager (Bruder von Frau) hilft ihm aus. Den kann Goethe aber garnicht leiden, sodass ihre Treffen nie harmonisch ablaufen. Aber da die Blockade nicht aufhört muss es weiterhin auch die Hilfe hoffen. Gutes Ende...