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Die geprügelte Generation: Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen

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Erst nachdem bekannt wurde, dass in Heimen und Privatschulen Misshandlungen an der Tagesordnung waren, dass Geistliche Kinder mit Stöcken schlugen - erst seitdem wird offen über die damals an Kindern verübte alltägliche Gewalt geredet. Fragen nach dem WARUM kommen auf: War es der Zeitgeist, der zu Watsch�n und einer Tracht Prügel verleitete? Hing es damit zusammen, dass die Väter traumatisiert aus dem Krieg zurückkehrten? Geschah dies alles in einer unsäglich brutalen Erziehungstradition? Mit einem Blick auf Gegenwart und Vergangenheit beschreibt dieses Buch, wie sich der Vertrauensbruch der Eltern auf die Biografie der Kinder ausgewirkt hat. Wie die demütigenden Schläge die Gefühle, den Alltag und die Beziehungen einer ganzen Generation bis heute beeinflussen. Und ob die einst geprügelten Kinder als spätere Erwachsene diesen Eltern verziehen oder mit ihnen brachen.

263 pages, Kindle Edition

First published February 22, 2012

23 people want to read

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Displaying 1 - 2 of 2 reviews
Profile Image for Susanne.
196 reviews6 followers
September 25, 2017
Seit dem Erscheinungsjahr 2012 schleiche ich um dieses Buch herum. Gefühlt fassst genauso lange hat das Lesen gedauert. Denn es ist starker Tobak, was  Ingrid Müller-Münch hier beschreibt.

Kinder prügeln? Ach Quatsch. Macht doch keiner.
Doch. Täglich. Bis heute. Immer noch. Von der verbalen und psychischen Gewalt abgesehen.

In meiner Jugend war es normal - die Ohrfeige, den Klatscher auf den Mund, der Teppichklopfer oder den Holzstock auf dem Hintern im Elternhaus.

In der Schule die Lehrer, die einem vor der Klasse lächerlich machten - Prügel waren damals verboten, was sie aber nicht daran hinderte uns psychisch fertig zu machen.
Lehrer, die sich regelrecht daran labten, wenn man in Tränen ausbrach oder vor Wut fast platzte.

Oder der Pastor, der uns im Religionsunterricht vor allen anderen zur Sau machte, der Kopfnüsse verteilte und einem so fest zwickte, bis man blaue Flecken hatte.

Über all das wurde hinweg gesehen. Es waren ja unerzogene Kinder, die man "in die Spur" bringen musste. Da folgten dann solche Sprüche wie:

Aus Dir wird eh nix.
Da bist Du wohl zu blöde dazu.
Weiterführende Schule? Willst Du nicht heiraten?
Wozu braucht ein Mädchen das denn?
Ein Freund? Jetzt ist es rum mit ihr.
Du bist ein Versager. Aus Dir wird eh nix.

Ich war nicht die Einzige, die an sich und ihrem Leben zweifelte. Ein Kind, alleingelassen, mit Selbstmordgedanken, weil es "fehlerhaft"war.
Eine Freundin stürzte sich von einem Mast hinter der Kirche zu Tode - mit 14. Sie hatte zu Drogen gegriffen, weil im Elternhaus alles schief lief. Man konnte monatelang die Beule in der Wiese sehen, weil es uns als Mahnmal dienen sollte, dass der Fehler doch an ihr lag. Wohlgemerkt - wir befanden uns mitten in den 70ern...

Ein weiterer Schulkollege lebt heute unter den Brücken hier in SB. Er hat den Halt verloren, weil ihm alle gesagt haben, dass er nichts wert ist - und er war ein guter Schüler.

Seit kurzem weiß ich zum Bsp. auch, dass meine Abneigung Kindern gegenüber, auf dieser Art der Erziehung beruht. 

**********CUT***********

Genau diese Erlebnisse beschreibt  Ingrid Müller-Münch in ihrem Buch. Die Mutter, die sich überfordert fühlt und bei den Prügelaktionen des Vaters wegsieht, im Alter aber Respekt von ihrer Tochter verlangt.

Der Vater, der seine Tochter zu "Ihrem Wohle" züchtigt, weil sie den Teller nicht leer ißt. Ein Kriegstrauma steckt dahinter, denn er hatte nichts zu essen und wollte seiner Tochter mit der Prügel etwas Gutes tun.

Der Pfarrer, der seinen Frust über sein eigenes Leben an seinen Schutzbefohlenen auslässt...

Ich könnte stundenlang weiter schreiben und beschreiben. Aber nein. Es ist gut, dass das Buch ein Ende gefunden hat. Es hat viele Dinge in mir wieder aufgewühlt wurden. Die mir in Gesprächen mit ehemaligen Schulkollegen klar machten, wie ausgeliefert wir doch waren. Eine ehemalige Schulkollegin ist Schulpsychologin geworden um solchen Lehrern und Eltern den Garaus zu machen.

Alles in allem wird bei diesem Buch klar, dass es immer noch viel zu tun gibt. Es wird vielleicht nicht mehr in diesem Maße geprügelt oder verbal gequält - aber immer noch genug.

Ein Kind ist wie ein unfertiger Diamant. Man muss ihn schleifen und ihm Raum geben, damit er zu einem glänzenden Schmuckstück wird.

Ob unsere Eltern, Lehrer etc. vieles aus Unwissenheit oder Angst getan haben, das bleibt eine Frage, die noch zu beantworten wäre.
Profile Image for WarmerSommerregen.
144 reviews
August 8, 2015
Ein bemerkenswertes Buch, das ich absolut weiterempfehlen kann!

Die Verwendung von Kochlöffel und Rohrstock zum Zweck der Züchtigung war in den 1950ern und 1960ern weit verbreitet. Beinahe jedes Kind der Nachkriegsgeneration wusste entweder aufgrund eigener Erfahrungen, oder weil es davon in seinem Umfeld etwas mitbekommen hatte, um diese furchtbaren Praktiken. Diese Art der Erziehung zog sich durch alle Schichten und auch wenn viele Kinder dieses Schicksal teilten, wurde es gemeinhin totgeschwiegen.
Erst mit der Publikmachung der Misshandlungen durch Geistliche oder an Privatschulen und in Heimen ist dieses Thema ins Auge der Öffentlichkeit gerückt. Doch noch immer ist es kaum begreifbar, weswegen Eltern ihren Kindern mit Teppichklopfer und Kochlöffel begegneten. Liegt der Grund in den im Krieg erlittenen Traumata der Eltern oder an einfacher Überforderung, fragt man sich. Auch weswegen niemand eingriff, wenn die Kinder wieder “gezähmt werden mussten” und ihre Schreie in der Nachbarschaft nicht zu überhören gewesen sein mussten, lässt sich nicht einfach beantworten.
Was wurde aus den geprügelten Kindern und wie denken sie über ihre Eltern und die von diesen praktizierte Schwarze Pädagogik? Und welchen geschichtlichen Verlauf nimmt die Erziehung; in wie weit prägten zum Beispiel Erziehungsratgeber oder die hochangesehenen Eigenschaften wie Ordnung und Fleiß aus NS-Zeiten? Aber auch die Frage, wie es heute mit der Misshandlung der Kinder aussieht, stellt sich, denn dieses Kapitel ist leider noch nicht gänzlich abgeschlossen..
Auf diese und viele weitere Fragen geht die Autorin Ingrid Müller-Münch in ihrem Buch “Die geprügelte Generation- Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen” ein. Zusammen mit anderen, die diese Erziehung erlitten haben, Traumatherapeuten, Psychologen, Bindungsforschern, Psychotherapeuten und Erziehungwissenschaftlern zeigt sie Antworten auf und zeichnet auf 284 Seiten ein unglaublich dichtes und berührendes Bild einer ganzen geprügelten Generation.

Jedes mal, wenn Interviewte über die erlittenen Strafen berichten und beschreiben, was sie dabei fühlten und versuchen eine Erklärung für das Verhalten ihrer Eltern zu finden, war das für mich schockierend. Mit welcher Selbstverständlichkeit diese doch eigentlich Liebe und Vertrauen schenken sollenden Menschen zur Züchtigung körperliche oder auch seelische Gewalt anwanden, ist haarsträubend.
Ich finde es bewundernswert, wie sachlich und fair die Autorin bei einer so aufwühlenden Thematik bleibt und wie es ihr gelingt, so viel Inhalt auf so wenig Seiten zu bringen, ohne dass das Buch erdrückend wirken würde. Auch sehr beeindruckend ist, dass das vermittelte Wissen durch so viele Statistiken, Gespräche mit Fachleuten, Bücher, Studien und so weiter untermauert wird. Die Autorin malt nicht nur schwarz, sondern gibt beiden Seiten eine Stimme, auch wenn sie selbstverständlich stets gegen die Misshandlung von Kindern ist.
Es werden die verschiedensten Seiten beleuchtet und sehr verständlich und nachvollziehbar ausgeführt. Ob die Spuren der Nazis und des Krieges oder der den Eltern zuspieldenen Justiz- ein facettenreiches und kompaktes Bild wird gezeichnet.
Ich konnte dieses Buch beim Lesen kaum aus der Hand legen, da es so spannend war- und wenn ich es doch tat, dann nur um Zeit zu haben, über das Gelesene nachzudenken und es zu verarbeiten. Aber auch nach dem Lesen beschäftigte mich das Buch noch lange- und das tut es noch immer- denn ich habe durch das Lesen dieses Buches sehr viel dazulernen und aufgezeigte Zusammenhänge verstehen können.

Ich kann wirklich jedem empfehlen, dieses Buch zu lesen, da es sehr verständlich ausgesprochen viel Wissen vermittelt. Außerdem denke ich, dass sich mit der im Buch behandelten Thematik wirklich jeder auseinandersetzen sollte! Nicht nur selber Betroffene, sondern auch junge Menschen, um zu verstehen, was die älteren Generationen -Eltern und Großeltern- prägte und um zu verinnerlichen wie wichtig eine gewaltfreie und liebevolle Erziehung ist

Ein sehr ergreifendes, schockierendes aber auch aufklärendes Buch, dessen Thematik mehr in der Öffentlichkeit behandelt werden sollte!
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