Yunus ist dreizehn Jahre alt, da erleidet sein Vater zwei Schlaganfälle und ist fortan nahezu vollständig gelähmt. Er kann nur noch über Augenbewegungen kommunizieren. Zehn Jahre wird er von Yunus’ Mutter gepflegt, erst in einem Heim, dann zu Hause, bevor er stirbt. Und Yunus, der zum Studium ausgezogen ist aus der elterlichen Wohnung, ruft sich immer wieder Bilder aus seiner Kindheit wach: Erlebnisse und Gespräche mit dem Vater, von denen er manchmal gar nicht mehr wusste, dass er sie noch in sich trägt. Sie fügen sich zu dem warmherzigen Porträt eines Mannes, der mit lauter Stimme lachte oder auf Arabisch fluchte, der häufig abwesend und leicht reizbar war und der einst aus Mardin nahe der türkisch-syrischen Grenze nach Istanbul ging, dort den Militärputsch miterlebte und schließlich mit einem Frachtschiff nach Deutschland kam.
"Vaters Meer" erzählt von einem Schicksalsschlag, der eine ganze Familie trifft, von einer Vater-Sohn-Beziehung, die abrupt endet, von Migration und Zugehörigkeit. Deniz Utlu zeichnet die unerwarteten Wege des Lebens wie der Erinnerung nach. Sein Roman zeugt von der Kraft des Erzählens – die dann am deutlichsten wird, wenn die Sprache das Letzte ist, was einem bleibt.
Man taucht ab in das Meer der Geschichten & Erinnerungen des Vaters, der nicht mehr die Fähigkeit besitzt, sich zu artikulieren - hier wird das Leben von Zeki erzählt, der zärtliche Vater, der aus der Türkei emigriert ist und trotz Höhen u. Tiefen eine zentrale Säule für seine Familie darstellt.
Sein dahinscheiden wird peu à peu mit Anekdoten, Geschehnisse und Zerwürfnissen begleitet, mit einer Wucht an Sprachgewalt, die Deniz Utlu zu beherrschen weiß..
Mein „Vaters Meer“ ist übersät von Dreiecken, Punkten, bunten Papierschnippchen und Herzchen, da ich mich so oft gesehen gefühlt hab‘, durch ähnliche Marotten, Situationen u Umstände.
Ultimativ hat mich diese Vater-Sohn-Geschichte sehr berührt, es ist definitiv ein Roman auf das ich wieder zurückgreifen werde, um mir paar Sachen wieder zu vergegenwärtigen.
Ein gaaaaanz kleiner negativer Punkt: ich fand die Vaterfigur stückweit zu glatt, zu künstlich mit Leben aufgeblasen... es ist eventuell zuletzt darauf zurückzuführen, dass man Reflexartig dazu tendiert Elternfiguren in Familienromane zu überhöhen und zu überzeichnen, tausendsassa halt. Auch hier, viel zu glatt und stückweit künstlich für meinen Jeschmack. Ansonsten top
Ich mochte es sehr. Die zärtliche Sprache. Die Geschichten in den Geschichten. Die Endlosigkeit.
Eine kurdische Freundin von mir, die das Buch auch sehr mochte, merkte an, dass von Atatürk positiv sprechen (was verständlich in dem Kontext ist) ohne von seiner Gewalt, den Massenmorden und der menschenverachtenden Unterdrückungspolitik zu sprechen, also all das explizit zu benennen, sehr schwierig ist.
Ich müsste es nochmal lesen um mir spezifisch dazu eine Meinung zu bilden, aber ich habe auch darüber nachgedacht beim lesen, deswegen habe ich es hier angebracht.
Ich habe es sehr gerne gelesen. Fand es inspirierend. Bin froh, dass es Utlu gibt.
Ich hätte gerne mehr Sterne gegeben, doch die unreflektierte Verherrlichung einer bestimmten politischen Figur finde ich einfach sehr kritisch. Schön geschrieben und bittersüß erzählt. 🌻
“das leben schmeckt nach meer”. dieses buch steckt voller zärtlichkeit, liebe, wut und trauer. dieses buch nimmt einen mit in die erinnerungen und erzählungen zwischen vater und sohn, es nimmt einen mit in die erinnerungen und erzählungen von martin und hannover, von jugend und kindheit, von ankommen und loslassen. dieses buch erzählt. es erinnert. es erinnert an eine kindheit und an eine jugend. an eine schwierige kindheit und an eine noch schwierigere jugend, weil der vater abrupt nicht mehr da ist, 10 jahre lang von der mutter in der eigenen wohnung gepflegt. es zeigt die momente, diese zeit in der man nur noch über erinnerungen kommunizieren kann- und muss. dieses buch schafft es zu verdeutlichen, dass erinnerungen die gegenwart sind und sich verändern und nicht die vergangenheit wahrheitsgetreu verbildlichen- dieses aber auch nicht tun sollen. dieses buch schreibt mir solcher zärtlichkeit über dieses schlimme schicksal, über die schwierigkeiten als der türkischsprachige mutter sich dazu zu entscheiden, den eigenen mann trotz vermeintlicher hoffnungslosigkeit in einem komplizierten deutschland zu pflegen, die heimat in ankara zu verlassen, um den eigenen mann zu pflegen. das buch beschreibt, wie sie vater-sohn-beziehung auf einmal nur durch erinnerung lebt, wie die eigene kindheit zusammenfällt, wenn der eigene vater vor den eigenen augen fällt. das buch macht deutlich, deutlicher geht es kaum, wie eine familie zerfällt, zusammenbricht und sich langsam, stückweise, über jahrzehnte mit einem kraftaufwand wieder zusammensetzt, mithilfe der erinnerungen, die noch bleiben.
die erzählungen von zeki, von seiner art, seinem aufwachsen, seiner härte als vater, seiner zärtlichkeit als vater, erinnerten mich immer wieder sehr an meinen großvater. es erinnerte mich an erzählungen über sein aufwachsen im dort im iran, über seine geschwister, seine schwestern und brüder, seinen vater, seine mutter. das buch erinnert mich an meinen großvater, machte mir aber auch klar, wie sich meine erinnerungen an ihn verändern und auch wie ich vergesse- genau wie yunus mit der seit stücke seines vaters vergisst. dass mann aber trotzdem nie aufhören soll zu erinnern. man muss steht’s weiterschwimmen, im meer der erinnerungen.
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Ein interessanter, „lehrreicher“ Roman, der Einblicke in das Leben (und Sterben) einer muslimischen Familie, die in Deutschland lebt, gibt. Allerdings finde ich, ist der Roman etwas zu lang geworden.