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الأرض المائعة

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"يموت والدا الباحثة الفيزيائية ""روت"" في حادث غامض، فتبحث في الأمر وتحاول معرفة حقيقة إذا ما كانا قد ماتا في حادث سيارة طبيعي أم هناك سر في وفاتهما. فتعود إلى مسقط رأسهم، البلدة الصغيرة، لتحاول تبيـُّن ما حدث في الماضي وكيف أثر ذلك على الحاضر.
تقابل هناك الكونتيسة، بشخصيتها الغريبة وسيطرتها على المجتمع كله، وتكتشف العديد من الأسرار حول وجود حفرة شاسعة في الأرض وكيف يهدد ذلك الحياة بأكملها ولا يريد أحد التحدث عن الأرض المائعة التي تتهاوى تحت أقدام الأفراد والبيوت."

296 pages, Paperback

First published August 24, 2019

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About the author

Raphaela Edelbauer

10 books58 followers

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Community Reviews

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2 stars
104 (11%)
1 star
26 (2%)
Displaying 1 - 30 of 134 reviews
Profile Image for Alexandra .
936 reviews363 followers
February 19, 2021
Ich durfte die sympathische Autorin Raphaela Edelbauer während einer Lesung in Langenlois kennenlernen und mit ihr auch noch anschließend bei einem Glas Wein in der Gartenbauschule über die Hintergründe zu diesem Buch ausführlich plaudern. Die im fast schon dystopischen Roman dargestellte, von jeglicher Umwelt abgeschottete Ortschaft, Groß Einland, weist nämlich sehr viel Bezug zur Hinterbrühl in der Gemeinde Mödling und der dort ansässigen Seegrotte auf, die ursprünglich ein Gipswerk war und ab 1944 als KZ-Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen geführt wurde. Während der Auflösung des Lagers 1945 verschwanden dort tatsächlich Häftlinge unter mysteriösen ungeklärten Umständen. Zweiundfünfzig Insassen wurden vor Ort ermordet und in einem Massengrab verscharrt. Details zu den historischen Ereignissen findet ihr hier.

Im Roman von Edelbauer, fusioniert das Dorf Hinterbrühl mit der Seegrotte, ein bisschen mit der Bezirkshauptstadt Mödling von der Größe des mittelalterlichen Stadtkerns her und bezüglich des Namens mit einer dort auch ansässigen Ortschaft, Einöd, die so wie sie in einem tiefen Tal liegt, von der Umwelt derart abgeschnitten ist, dass nicht einmal Mobiltelefone und Radios funktionieren, geschweige denn eine ordentliche Busverbindung existiert – also tatsächlich ein Ort, der heutzutage mehr als jedes Bergbauerndorf am Ende der Welt ist– zu Groß Einland.

Soviel zu den Hintergründen und der Entstehung des Romans und dem sensationellen Setting dieser Geschichte. Die Phyiskerin Ruth aus Wien, muss ihre Eltern beerdigen, die bei einem Autounfall gestorben sind und die in ihrem Heimatdorf Groß-Einland begraben werden wollten. Ruth hat die Heimat der Eltern nie kennengelernt und weiß nicht einmal, wo diese abgeschiedene Ortschaft, die auf keiner Karte verzeichnet ist, zu finden wäre. In einer längeren kreisförmigen Odyssee, in der sie aus Geschichten der Kindheit Hinweisen nachgeht, wo sich die Ortschaft befinden könnte, endet sie dann doch per Zufall, weil sie auf einer kleinen Tankstelle den Namen Groß-Einland aufgeschnappt hat und dem Autofahrer gefolgt ist, am Zielort ihrer Reise. In der Ortsgemeinschaft, die sich sehr von der Außenwelt separiert, wird sie trotzdem recht wohlwollend von den Bewohnern aufgenommen, bekommt sogar ein Jobangebot von der Gräfin, die dort alles zu bestimmen scheint und ein Haus zum Kauf auf Kredit angeboten, das sich sehr schnell als ihr Elternhaus herausstellt. Im Gegenzug dazu ist sie eine Verpflichtung gegenüber der Gräfin eingegangen, die vom Einsturz bedrohte Ortschaft, die schon seit langem mit dem LOCH kämpft, irgendwie durch ihre Kenntnisse als Physikerin zu retten.

Das mit dem Begräbnis der Eltern hat sich auch erledigt, denn als sich Ruth endlich dazu aufrafft, diese Angelegenheit zu erledigen, sind die Eltern bereits seit mehr als einer Woche in Wien begraben worden. Habe mich schon gewundert, dass Leichen so lange unbeerdigt sein dürfen.

„Die ganze Innenstadt war wie eine zerteilte Torte in vier Quadranten zerschlagen, die man durch Mauern voneinander abgetrennt hatte. Also gab es vier Viertel, die sich optisch teilweise gravierend voneinander unterschieden und die ich nun im Urzeigersinn erkundete. Groß-Einland war von unfassbarer Schönheit, ähnlich der Kulisse eines Mittelalterfilms, in dem die Hochphase des Handwerks an makellosen Fassaden entlang ausgewiesen wird. Überall saßen die Menschen fröhlich plaudernd auf den Pflasterstraßen und tranken ihre Spritzer, obwohl es herbstlich kühl war. Man konnte sich der Idylle nicht entziehen. Natürlich stieß mir das Konservative ungut auf, wie immer - vieles an den sozialen Zusammenstellungen glich einer Wahlwerbung.“

Das sogenannte Loch, das die fiktive Ortschaft zu verschlingen droht, ist ebenso ein ehemaliges Bergwerk in dem auch KZ-Häftlinge gearbeitet haben. Wie mit den historischen Ereignissen in der Hinterbrühl stimmen auch im Roman die Vermutungen überein, dass nicht nur die offiziell hingerichteten (im Buch sind es 34 in der Geschichtsschreibung sind es 52) Opfer existieren, sondern dass auch mehr als 800 Leute irgendwie verschwunden sind. Da es ja gar nicht so viele Wärter gab, die das Massaker anrichten hätten können, munkelt man im Roman, dass auch die Ortschaft an den Tötungen beteiligt sein könnte. So etwas hat man in der Realität auch in der Hinterbrühl in Edelbauers Jugend geraunt und selbstverständlich ständig vertuscht und das war auch einer der Anlässe der Autorin, genau diesen Roman zu schreiben.

Die historischen Ereignisse findet Ruth bei der Recherche ihrer Familiengeschichte und der Geschichte des Ortes heraus, inklusive dem Umstand, dass auch ihre Eltern diesbezüglich recherchiert haben und ihr Autounfall möglicherweise gar kein Unfall war. Die gesamte Ortsgemeinschaft scheint immer alles zu vertuschen und zuzudecken, die Geschichte und auch das Loch aus dem kollektiven Gedächtnis auszublenden. Zudem schwappen ja alle paar Jahre durch die massiven Bodenbewegungen Skelette unbekannter Opfer an die Oberfläche in die Gärten und in die Keller der Häuser, die mit dem Loch verbunden sind. Wie man mit diesen Leichen umgeht, ist unterschiedlich, manchmal werden sie totgeschwiegen – was für eine Analogie – oder manchmal auch als aktuelle Opfer bezeichnet und die Täter, die nur zufällig dort wohnen oder die Kinder der wahren Täter sind, werden dann ohne genauere Untersuchung zur Rechenschaft gezogen.

Die sogenannte Gräfin, die eigentlich nur eine Industriellentochter war, deren Familie das Bergwerk gehörte, ist überhaupt Dreh- und Angelpunkt aller Entscheidungen im Dorf und Mastermind aller Vertuschungen. Sobald irgendwo ein Skelett gefunden wird, kauft sie die Häuser auf und verhindert eine genauere Untersuchung des Vorfalls, sodass sich die Bevölkerung nicht mit der Vergangenheit des Ortes auseinandersetzen muss.

Nach einer gewissen Zeit, es dürfte sich um mehr als zwei Jahre handeln – so genau weiß man das als Leserschaft nicht, denn die Zeit scheint in Groß Einland zähflüssiger zu verlaufen – eskaliert die Situation mit dem Loch und die gesamte Ortschaft droht einzustürzen: zuerst einzelne Häuser dann einige Ortsteile und bald auch der Hauptplatz und die Kirche. Ergeben fügen sich die Bewohner in ihr Schicksal, versuchen das Loch zu ignorieren und ihr gewohntes Leben mit den Widrigkeiten und durch Vertuschung weiterzuleben. Inzwischen hat Ruth heimlich auch ein Mittel zur Stabilisierung gefunden, und ihr eigenes Haus damit abgesichert. Sie zögert aber, dies der Gräfin und dem Ort gemäß Auftrag aus zweierlei Gründen mitzuteilen: erstens würde das Füllmaterial die Opfer im Loch gänzlich verschwinden lassen und zweitens tötet die Füllung alle Pflanzen, was zu einer ökologischen Katastrophe führen würde. Trotz allem kommt die Wahrheit ans Licht, da Ruths Haus wie ein Fels in der sonst so zerstörten Ortschaft steht.

Im Finale des Romans ist eine große Aktion mit anschließender Füllung des Lochs mit Ruths Material und mit Beteiligung der gesamten Ortschaft geplant, die in ihrer Absurdität der Konzeption des Festaktes frappant an die große Parallelaktion von Musils Mann ohne Eigenschaften erinnert. Groß Einland will die Abschottung beenden und in einer PR-Offensive Journalisten und Touristen aus Wien zu einem gigantischen Fest einladen, um die sensationellen Errungenschaften des Ortes der ganzen Welt zu präsentieren.

Das Ende des Romans verpufft bedauerlicherweise sehr, ich hätte mir ein furioses Finale gewünscht. Zwischendurch als die Verwerfungen und Einstürze, die der sich bewegende Boden in der Ortschaft angerichtet hat, wirklich auch gar zu detailliert bis zum letzten Exzess beschrieben werden, hatte ich auch das Gefühl, dass die Geschichte einige Längen aufweist. Ansonsten war ich recht begeistert, weiß aber gar nicht, was ich da für einen schrägen Genre-Mix vor mir habe: Sektion eines Kleinstadtbiotops mit all seinen Verflechtungen, a bissal Krimi vielleicht sind die Eltern der Protagonistin ermordet worden, a bisserl Fantasy, der Ort ist abgeschieden und unerreichbar, das Loch unter dem Ort verschlingt vieles und letztendlich eine Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheitsaufarbeitung.

Wahrscheinlich hat die Autorin einige Anleihen bei Elfriede Jelineks Kinder der Toten genommen, was ich nicht beurteilen kann, da ich dieses Buch noch nicht gelesen habe und sich ein bisschen von Musil inspirieren lassen. Auf jeden Fall ist das Werk ein sehr innovativer Mix, der in der Mitte und am Ende einige Spannungsdefizite aufweist. Sprachlich hat mir der Roman sehr gut gefallen.

Fazit: Eine Leseempfehlung von mir, ein guter Roman mit ein paar plotmäßigen Schwächen.
Profile Image for Meike.
Author 1 book4,943 followers
August 14, 2021
Now available in English: The Liquid Land
Shortlisted for the German Book Prize 2019
Shortlisted for the Austrian Book Prize 2019

When the ground is literally shifting and about to collapse, what can a society do to survive on "the liquid land"? In her terrifying, kafkaesque tale, Raphaela Edelbauer tells the story of Ruth, a young physicist who, after the death of her parents, tries to find their home village where they wanted to be buried. When she arrives at the mysterious place, she learns that the whole village is about the vanish: Many years ago, a merciless entrepreneur tried to make a fortune in mining and had several tunnels and mine shafts built, which did not only cost many lives, but also destabilized the ground. And then there was a heinous war crime committed in 1945, the proof also hidden underground...

A dangerous hole threatening to swallow the whole population, sinking ground, crumbling buildings - the outside devastation and decay mirror the collective psyche of the village (hello, The Fall of the House of Usher) which is ruled by a culture of ignorance, denial, tradition and strict obedience to the enigmatic countess who owns the whole area. And it also reflects the psyche of Ruth, the unreliable narrator. She is constantly on prescription drugs, traumatized by the death of her parents, and struggling with her scientific studies - is the whole story really happening, or are we trapped inside Ruth's disintegrating mind?

Ruth's scientific area of interest is the nature of time, especially the block universe theory (which is a real thing) that describes space-time as an unchanging four-dimensional block, as opposed to the view of the world as a three-dimensional space modulated by the passage of time. In the context of the novel, this raises questions regarding the past and the future of the village and what is buried underground: The tunnel system is a place to hide unpleasant secrets, it stands for an attempt to exploit the earth, but it also erodes the foundation of village life. In the village, time is a shifting concept, and the inhabitants are trying to stop the erosion to survive - but to what end (hello, The Woman in the Dunes)?

The whole book is rendered in a detached, unemotional language, which contributes to the scary effect, but I have to admit that at times, it bothered me, because it tends to let the writing appear a little bloodless. Of course, the narrative impulse is interesting though: Much like the village, Ruth is crumbling, and she buries her emotions inside herself, where they rage under the composed words of the physicist. This is juxtaposed by some fairy tale-like vignettes that convey the past of the village, thus framing historic realities as myth (there are also other strategies to re-write the past employed by the villagers).

This novel offers numerous scenes, conversations and descriptions that scream for varied interpretations, and I recommend to read this book with friends, because I can report that trying to dissect this multi-layered narrative is great fun. Young Austrian novelists are currently dominating the game when it comes to innovative and daring texts written in German, and Edelbauer is one of them.
Profile Image for Great-O-Khan.
466 reviews126 followers
February 22, 2023
Raphaela Edelbauer hat mit "Das flüssige Land" einen großartigen Roman irgendwo zwischen Kafka und der Twilight Zone geschrieben. Die Geschichte ist ähnlich absurd wie unsere reale Welt. Große Themen wie der Umgang mit der dunklen Seite der Vergangenheit, die Globalisierung, der Klimawandel, der Raubbau an der Erde, die Staats- bzw. Regierungsform oder die Kunstszene werden direkt oder metaphorisch behandelt. Das passiert aber alles im Rahmen einer spannenden, in sich schlüssigen Handlung. Es wirkt nie aufgesetzt.

Die Sprache passt zur naturwissenschaftlichen Ich-Erzählerin. Sie ist nüchtern und sachlich. Es gibt keine "verbalen Wattebäuschen". Es gibt sicherlich Leser, die die Sprache als kalt und dadurch abweisend empfinden. Mir erging es anders. Diese Art der Sprache unterstützt die Geschichte perfekt. Eine zu emotionale Sprache hätte meines Erachtens die Wirkung reduziert.

Die Geschichte ist aus der Sicht der unzuverlässigen Ich-Erzählerin Ruth Schwarz geschrieben. Ruth ist eine medikamentenabhängige Physikerin, die in dem österreichischem Ort Groß-Einland landet. Der Ort droht in einem Loch zu versinken, da er von ehemaligen Bergwerkstollen unterhöhlt ist. Außerdem gibt es ein dunkles Geheimnis aus der Zeit des Nationalsozialismus. Was allerdings wirklich passiert und was nur Wahnvorstellungen von Ruth sind, ist nicht klar.

Das Buch lässt sowohl in den großen Handlungssträngen als auch in Einzelereignissen viel Raum für Interpretation und Spekulation. Es ist ein tolles Buch für einen Lesezirkel, da es fast endlose Diskussionsthemen auslösen kann. Man kann es aber auch einfach als einen absurd spannenden Roman lesen.
Profile Image for Hendrik.
440 reviews111 followers
October 25, 2020
Die Sünden der Vergangenheit endgültig begraben und vergessen zu können. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie wir alle wissen. Was einmal Geschehen ist, kann nicht wieder ungeschehen gemacht werden. Auch wenn man es darauf anlegt, alle Spuren auszulöschen. Auf diesem Gedanken baut der Roman von Raphaela Edelbauer auf. Eine aus Raum und Zeit gefallene Gemeinde in Österreich, deren Einwohner von den Schatten ihrer Vergangenheit eingeholt werden.

Die Idee vom großen Loch unter dem Ort, in dem die Zeugnisse der begangenen Verbrechen ruhen und auf ewig verborgen bleiben sollen, ist eigentlich ganz treffend und originell. Leider trägt die Idee den Roman in ganzer Länge ebenso wenig, wie die Gemeinde Groß-Einland von der bröckeligen Erdkruste getragen wird. Nach ein paar Seiten treten bereits die ersten Risse im Gefüge auf. Für jeden der eins und eins zusammenzählen kann, ist es ein Leichtes das Rätsel um die Ereignisse, die sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs im Ort abspielten, zu lösen. Damit fällt bereits ein Großteil der Spannung weg. Im weiteren Verlauf besteht die Handlung im Wesentlichen aus wiederholten Beschreibungen des kontinuierlichen Zerfalls der örtlichen Bausubstanz. Das ist genauso interessant, wie es sich anhört.

Selbst das Personal kann den Roman nicht aus dem Tal der Mittelmäßigkeit retten. Angesichts der erkennbaren Absicht, eine bitterböse Satire auf den österreichischen Umgang mit der eigenen Geschichte zu schreiben, wirken mir die Figuren viel zu zahm in ihren Äußerungen und in ihrem Gebaren. Kein Vergleich zu Thomas Bernhard oder Elfriede Jelinek. (Einen Debütroman an diesen Größen zu messen, mag nicht ganz fair sein. Auf der anderen Seite setzt sich ein Autor unweigerlich diesem Risiko aus, wenn er sich in dieser Art und Weise auf das Thema Vergangenheitsbewältigung einlässt.) Die Pointen zünden einfach nicht, sondern verpuffen ein ums andere Mal. Auch der erwartete Höhepunkt am Ende, auf den alles zusteuert, fällt eher mau aus.

Der Roman hat von der Kritik viel Zustimmung erhalten, außerdem hat die Autorin, mit einem Auszug daraus, im Wettbewerb von Klagenfurt 2018 den Publikumspreis gewonnen. Also muss schon etwas dran sein. Allerdings hat er für mich in der Form nicht funktioniert und war daher eine ziemlich mittelprächtige Unterhaltung.
Profile Image for Sarah Bookmarked.
84 reviews524 followers
October 6, 2019
Die Physikerin Ruth versucht den Heimatort ihrer kürzlich verstorbenen Eltern zu finden um sie dort zu beerdigen. Über Groß-Einland wurde in der Familie allerdings nie gesprochen und der Ort ist schwer zu finden. Niemand kann ihr sagen wo das Städtchen eigentlich liegt, es ist auf keiner Karte verzeichnet und selbst im österreichischen Gemeinderegister wird es nicht geführt. Nur durch einen eigenartigen Zufall findet Ruth das idyllische Städtchen und fühlt sich dort sofort zuhause. In Groß-Einland scheint die Welt noch in Ordnung, wäre da nicht das Problem mit dem klaffenden Loch, das die Stadt zu verschlingen droht…

Mein Eindruck:
Der Hohlraum unterhalb der Stadt hat, genau wie das Verhalten der Bewohner, großen symbolischen Charakter. Die Groß-Einländer wollen vom desolaten Zustand ihrer Stadt nämlich so gar nichts wissen und haben das Ignorieren und Verschleiern perfektioniert. Sobald Ruth etwas mehr über die Vergangenheit der Stadt erfährt und dabei auf schreckliche Geschehnisse während des Krieges stößt, bekommt dieses verdrängende Verhalten eine unangenehme Note. Denn nicht alles was gut versteckt (oder vergraben) wurde, bleibt für immer verborgen. Mir gefielen diese Interpretationsebenen, denn manches muss angesprochen und aufgearbeitet werden, damit es in Zukunft keinen Schaden anrichtet und ein Dorf das ganz idyllisch wirkt, verbirgt unter der dünnen Oberfläche vielleicht ganz furchtbare Dinge.

Gleichzeitig scheint Ruth durch ihren persönlichen Verlust in einer emotionalen Ausnahmesituation zu stecken, die ihre Verlässlichkeit als Erzählerin in Frage stellt. Sie nimmt starke Medikamente, ist vergesslich und auch ihre Zeitangaben ergeben keinerlei Sinn. Ist die Skurrilität von Groß-Einland also Realität oder nur Einbildung? Nichts ist verlässlich oder stabil, weder die Zeit, noch der Boden auf dem man steht. Alles ist in Bewegung, ein flüssiges Land.

Das Buch hat eine wortgewaltige, fast schon umständliche Sprache, die mir mit ihrem besonderen Witz und seltsamen Metaphern enorm gut gefiel. Sie unterstreicht die Skurrilität der Geschichte und hat mir großen Spaß bereitet.

Im letzten Drittel scheint die Geschichte nicht mehr recht voran zu kommen, die Zeit fließt nur noch zäh und obwohl mir das beim Lesen deutlich auffiel hat es meiner Lesefreude keinen Abbruch getan. Das Ende lässt vieles offen und die Protagonistin trifft eine höchst unbefriedigende Entscheidung, die dem Buch einen kleinen Dämpfer verpasst. Dennoch ist dieser Titel bisher mein persönliches Highlight von den Buchpreisnominierten und steht aus meiner Sicht zurecht auf der Shortlist!
Profile Image for Eric Anderson.
716 reviews3,919 followers
August 23, 2021
In recent years I've developed more of a curiosity about my family history and this naturally leads me to wonder how my ancestors were affected by larger global events. In trying to map out the story of my lineage I'm aware of how easy it is to construct fiction and fantasy out of traces of the past. This is an issue Maria Stepanova dynamically wrestles with in her poignant and meditative book “In Memory of Memory”. Austrian author Raphaela Edelbauer constructs a fascinating and richly imaginative story concerning this dilemma in her novel “The Liquid Land”. Ruth Schwarz is a physicist working towards completing her thesis for her PhD when she's informed that both her parents died in a car crash. Stunned and grieved by this news, she impulsively decides to travel to her parents' homeland of Greater Einland – only this is an area that doesn't appear on any map. Her search leads her to a place that is bizarrely antiquated in its customs and governance, that's owned and ruled by an imperious Countess and whose lands and buildings are rapidly sinking into a mysterious hole. It's a surreal and curious journey that creatively explores the collective trauma of a community, grief and the bizarre workings of physics.

There's something so moving about how Ruth constructs a loose map to this strange town. After she's informed by officials that there is no record of a Greater Einland, she hunkers down trying to recall any stories her parents once told her which might give clues as to landmarks or the geography that will lead her to this elusive place. In doing so, it also feels like she's desperately trying to piece together a past which she's now permanently severed from since losing her mother and father. The murkiness of memory means that she can't be certain of any facts. She's also heavily reliant on strong pain relieving drugs which seem to distort her perspective. Added to this is her knowledge of the bizarre nature of subatomic particles whose laws don't correlate with our normal understanding of time or space. Through Ruth's delightfully peculiar perspective, we frequently see objects without a fixed solidity and the clock moves at a different pace: “everything had proceeded so marvellously gooeyly.” All this leads her to follow a random guide on an “Alice in Wonderland” style trip where she arrives in Greater Einland. This is a place which seems to adhere to its own nature of reality. Not only does it have its own sense of time and space, but retains its own economic and political system that is more feudal.

The location she arrives at initially has a beautiful charm, but gradually it becomes more sinister as the local population stubbornly avoid certain topics and Ruth is drawn into the Countess von Weidenheim's elite circle.
Read my full review of The Liquid Land by Raphaela Edelbauer on LonesomeReader
Profile Image for Buchdoktor.
2,363 reviews188 followers
August 24, 2019
Ruth Schwarz ist Physikerin und habilitiert sich gerade. Die Nachricht vom Unfalltod ihrer Eltern konfrontiert sie – mitten in der Arbeit an ihrer Antrittsvorlesung - damit, dass sie deren Heimatort Groß-Einland nicht kennt und der Ort in Österreich nicht zu existieren scheint. Um die Beisetzung in der Heimat der Eltern zu organisieren, packt die junge Frau wie für eine Expedition in feindliches Terrain. Durch den plötzlichen Todesfall gerät ihr Leben förmlich ins Rutschen, als würde ein Schiff im Sturm hin- und hergeworfen. Ähnlich einer Mindmap entsteht allmählich vor Ruth ihre Familiengeschichte als an den Rändern weiterwucherndes Lebewesen. Bäume spielten eine wichtige Rolle darin. Der Großvater nahm als Holzfäller noch direkt wahr, ob ein Baum krank oder gesund ist, ihr Vater, der in diese Welt eingeführt wurde, kaum dass er laufen konnte, interessierte sich schon als Kind ganz wissenschaftlich dafür, was im Innern einer Pflanze passiert. In der Fantasie ihrer Mutter existierte eine Welt, in die man mit einer Leiter hinabsteigen und dort Dinge finden konnte. Wie Ruth in der dritten Generation als Physikerin die Dinge sieht, ist Thema des Romans. Groß-Einland schließlich, (der Ort, der angeblich nicht existiert) konfrontiert die Besucherin mit einem realen Berg, der offiziell und illegal jahrhundertelang ausgehöhlt, nach Bodenschätzen durchsucht, verfüllt und wieder bebaut wurde. In der Gegenwart senkt sich das Gelände in rasantem Tempo, Spalten bilden sich, Gebäude zerfallen, ein gewaltiges wirtschaftliches Problem. Es gibt in Groß-Einland kaum Beobachtungen, denen durch Erinnerungen der Einheimischen, Legenden oder Dokumente nicht weitere Facetten hinzugefügt werden können. So wurden die Bergwerksschächte im Nationalsozialismus genutzt und dienten anschließend dazu, Dinge und Spuren zu verbergen, derer man sich schämte. Man könnte sich fragen, ob dieses Loch ein Lebewesen ist, das die Menschen versklavt, was wiederum ein starkes Symbol sein könnte für reale Probleme außerhalb der Puppenstuben-Welt von Groß-Einheim. Auch wenn Ruth ein Arbeitsplatz angeboten wird, fühlt sie sich für die Probleme der Stadt nicht qualifiziert, schließlich ist sie keine Geologin.

Raphaela Edelbauer lässt ihre Leser stets spüren, dass zu Ruths Wahrnehmung als Icherzählerin weitere Facetten existieren, abweichende Erinnerungen, Erzählungen verschiedener Zeitzeugen, unterschiedliche Interpretationen. Ruth könnte sich in einem fantastisches Szenario befinden, das nur in ihrem Kopf existiert, sie könnte ebenso gut an Wahnvorstellungen leiden – und sie wird aus ihrer Welt immer wieder herausgeholt und in eine andere Realität gestellt. Aus Ruths Sicht ist die Landschaft ständig aktiv, verflüssigt sich, durchdringt Gegenstände. Wie jemandem Dinge entgleiten, Zeitabläufe sich verselbstständigen und Proportionen sich verschieben, das beschreibt die Autorin sprachlich originell wie beängstigend. Neben der Gratwanderung zwischen Ruths psychischer Angeschlagenheit und realen Ängsten um Heimat, die wohl jeder empfindet, bietet das ehemalige Bergwerk eine reiche Symbolik um Mythen, das Verbergen, sich Opfern, Versklaven und die Gier nach Reichtümern. Icherzähler im Roman sind ein Wagnis, das komplett scheitern kann. Edelbauers Icherzählerin Ruth, als Physikerin eher nüchtern im Urteil und mit einem Missmut gegenüber Perlenketten, erlebe ich als spröde Person, die mir die Augen für erstaunlich viele Facetten von Heimat, Landschaft und Zeit geöffnet hat. Ein grandioser Roman.
Profile Image for verbava.
1,143 reviews161 followers
August 24, 2021
не зовсім кафкіанська героїня потрапляє у страшенно кафкіанське містечко і спершу почувається там як удома. проте не для того створені кафкіанські містечка, щоб абикому в них так просто затишно жилося: є поступки, на які необхідно йти, звичаї, з якими треба без запитань змиритися, і фрагменти реальності, які належить витісняти, навіть коли вони падають тобі на голову.

«рідка земля» — це притча про травматичну пам’ять, захланну, як чорна діра. якщо порпатися в ній, земля може втекти з-під ніг; але якщо її не чіпати, земля теж утече з-під ніг, тільки в несподіваний момент і в непередбачуваних місцях. у європі про ці дві стратегії роботи (чи не-роботи) з минулим багато пишуть у зв’язку з тоталітарними режимами хх століття, і не треба бути генієм, щоб здогадатися, яка здається продуктивнішою всіляким гуманістам і гуманітаріям. але є ще третя, дієвість якої не може не приваблювати прихильників статусу-кво і до якої, власне, придивляється рафаела едельбауер: залити все нахрін бетоном, щоб і згадки про діри не лишилося. і байдуже, що забетонована територія перетвориться на вічну пустку, зате по ній можна буде ходити з гарненькими процесіями і ніщо ніде не тремтітиме. навіть усередині в мешканцях.
Profile Image for DrWarthrop.
207 reviews147 followers
October 21, 2019
Es ist der 21.09.2007, als Ruth Schwarz den Anruf bekommt, vor dem sich jedes Kind fürchtet: ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ruth, die seit Jahren an ihrer Habilitation schreibt (inklusive steigendem Medikamentenmissbrauch) fühlt sich durch diesen Umstand eher gestört, als emotional betroffen. Um dem letzten Wunsch der Eltern Genüge zu tun, in ihrem Heimatdorf beerdigt zu werden macht sie sich auf den Weg das auf keiner Karte verzeichnete Provinznest „Groß-Einland“ aufzusuchen. Nach mehr als einer Woche intensiver und ereignisloser Suche findet sie mit dem letzten Röcheln ihres Wagens den Ort und darf nur aus Kulanz eine Nacht im Gasthof übernachten; Fremde sind nicht gern gesehen. Geleitet wird diese verschworene Gemeinschaft von einer ominösen Person, die alle nur „die Gräfin“ nennen und die die volle finanzielle und politische Alleinherrschaft genießt - samt eigentümlicher Geheimniskrämerei. Schon bei der Ankunft bemerkt Ruth verzogene Gebäude, kaputte Fenster und einen alles andere als lotrechten Kirchturm. Der Eindruck täuscht nicht, denn die Groß-Einländer haben ein gigantisches Problem direkt unter ihren Schlafstätten: ein kolossales, durch illegalen Bergbau hervorgerufenes Loch das die ganze Stadt langsam, aber sicher, Stück für Stück in den Abgrund zieht...

Gekonnt hüllt das Werk seine Narrative in eine traumhafte, undurchdringliche Membran, dessen trügerische Geborgenheit faszinierende Wahrheiten hervorbringt, sowie charakterliche Feinheiten nuanciert zu präsentieren vermag. In flamboyanter Manier werden die Figuren farbenfroh-pittoresk im Kaleidoskop eines literarischen Schnappschusses gebannt und als kleine Fragmente in Fleißarbeit puzzleartig zusammengesetzt. Ruth agiert zumeist ergeben, lässt sich vom ominösen Treiben mitschwemmen, verliert dabei den festen Boden unter den Füßen und verirrt sich zusehends in den wirren Gefilden, Bräuchen und non-realen Devisen luzider Illusionslogiken, dessen Grenzen zur Realität gänzlich zu verschmelzen drohen. Zusehends entfaltet die Geschichte eine sublime Metaphorik exponentieller Dringlichkeit, die sich bodenlos durch jede Ebene frisst und dabei tiefe, blutende Wunden ins eigene Moralkorsett reißt: keine Gnade durch Verherrlichung.

"Immer wenn ein Überschwappen geschieht, wirft man über die Tischdecke eben einen Läufer, bevor die Gäste kommen - ein weiß gewaschenes Textil, auf das kleine Tiere gedruckt sind oder Skifahrer oder andere Muster, die von der Befleckung ablenken." (S.190)


Geprägt durch nüchterne, statische Diktion leitet die Autorin durch das märchenhafte, träumerische Gewand ihrer zeitlosen Erzählung und entfaltet dabei ein grandioses Schauspiel menschlicher Egozentrik im Angesicht unausweichlicher Eruption. Gekonnt werden die Grenzen sicherer, wohliger Logiken aufgebrochen - flimmern im Dickicht sinistren Panorama menschlichen Versagens. Einträglich vereint das Werk die stille Verbindung zwischen Leben und Materie, im modernen Nihilismus-Pyjama. Selten Unterbrochen durch reale Begebenheiten verliert auch der Leser schnell jedes Verhältnis zu Zeit, Raum und der eigenen Psyche. Die Autorin leitet mit kafkaesker Erzählstruktur brillant durch die feingemahlenen Gebilde menschlicher Arroganz und dem letzten verzweifelten Aufbäumen vor einem unausweichlichen und bitteren Ende. In flammendem Kontrast stehen dabei Narrative und Diktion - das eine märchenhaft und pittoresk, das andere kalt und grau, wodurch konventionelle Konturen verschwimmen, ohne jemals komplett in die Irrationalität abzuschweifen. Zudem injiziert das Werk eine nahezu unbedingte, wehmütige Begierde in dieser Welt aus kleinen, schiefen Häusern zu verschwinden - sich wie Ruth in den Problemen eines verzerrten Panoptikums zu verlieren, um vielleicht nie wieder zurückzukehren.

Eine mitreißende, lyrische und geniale Geschichte, die auf verspielte Art den ambivalenten Kern der aktuellen Zeit perfekt einfängt und damit herrlich parodiert. Gekonnt zeichnet Raphaela Edelbauer ein idyllisches, farbenfrohes Bild einer lächelnd untergehenden Gesellschaft, von bitteren Vorgeschichten und der aufgestauten Last, die alles zu verschlingen droht, was jahrelang unter der Oberfläche vor sich hin geköchelt hat.
Zurecht einer der Shortlist-Kandidaten für den deutschen Buchpreis 2019 und jetzt schon eins meiner Jahreshighlights: uneingeschränkte Empfehlung.

Auch als auditive Rezension mit anschließender Diskussion ist unter diesem Link verfügbar.
Profile Image for Maria.
306 reviews40 followers
November 28, 2019
Neues Lieblingsbuch!
Eine in den Feudalismus zurückgekehrte österreichische Kleinstadt und eine desorientierte Akademikerin. Landschaftlich, psychisch, gemeinschaftlich: organisches Gären und Wegbrechen im Untergrund.

Ich habe lange nichts gelesen was so durchgängig und ernstlich vergnüglich und anregend gewesen wäre.

Profile Image for Wandaviolett.
467 reviews68 followers
September 8, 2025
SURREAL und SYMBOLHAFT oder: Wenn ich Kafka will, lese ich das Original

Dass die Longlist des Deutschen Buchpreises auch einmal andere als immer dieselben Namen aufweist, tut dem Preis gut. Es macht ihn frisch. Klar, dass die Jury auch mal einen experimentellen Roman auf seiner Speisekarte hat. Die neuen, modernen Autoren schreiben tatsächlich anders. Sie verändern die Sprache. Ob ein neuer Sprachgebrauch den Romanen letztlich indes wirklich dienen wird, wird sich erst weisen müssen. Denn man könnte auch von Sprachvergewaltigung sprechen ... Diese Einschätzung liegt im Auge des Betrachters.

„Das flüssige Land“ ist mein erstes Buch, das ich von der Longlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises (2019) lese. Die Longlist hat uns alle überrascht. Sieben Debütromane! Da ist man gespannt. Bei der Besprechung dieses Buches werde ich nachhaltig auf seinen Inhalt eingehen. Es wäre ansonsten kaum möglich, es adäquat zu hinterfragen.

IM EINZELNEN:
Ruth, eine angehende Professorin für Physiktheorie, die gerade exzessiv an ihrer Habilitationsschrift über „Eternalismus“ schreibt, erhält die Nachricht, dass ihre Eltern beide bei einem Autounfall ums Leben kamen. Durch diese Nachricht erleidet sie einen Zusammenbruch. Alles Nachfolgende kann man sich als Delirium im Medikamentenrausch vorstellen. Das wäre noch die annehmbarste und gefälligste Interpretation.

Als Ruth sich vergegenwärtigt, welche Momente sie mit ihren Eltern, denen sie durch Gewohnheit und Erwachsenwerden entfremdet war, gelebt hat, erinnert sie sich an den Kindheitsort, von dem sie manchmal erzählt haben, Groß-Einland, den Ruth aber nicht persönlich kennt. Dort wollten sie begraben werden. So hat sie es in Erinnerung.

Gleich am nächsten Tag fährt Ruth los, versehen mit dem Allernotwendigsten, um die Beerdigung in Groß-Einland vorzubereiten. Sie hat zwar keine Ahnung, wo dieser Ort sich befindet, man kann ihn nicht im Internet aufspüren und auch ihr Navi kennt ihn nicht, aber irgendwie wird sie ihn schon finden.

So ist es auch, sie fährt über die Berge des sogenannten Wechsellandes, das ist ein Gebirge in Österreich, durch eigentlich unbefahrbare Waldwege, muss ihr Auto schieben, weiß nicht mehr, wo sie ist und irgendwie, es muss magisch oder gelenkt sein, ist sie plötzlich mittendrin. Groß-Einland. Ihr Auto ist Schrott, deshalb muss sie bleiben.

An was erinnert uns der Beginn einer solchen Geschichte? An Magie? Nein. An Franz Kafka. Die Überwindung von eigentlich Unüberwindlichem, an dem man verzweifelt. Und wenn die Verzweiflung am Tiefsten ist, hat man gefunden. Bleiben müssen durch seltsame, undurchschaubare Umstände – das Auto von Ruth, soll in 14 Tagen repariert sein, aber als sie nach zwei JAHREN nachschauen kommt, hat kein Mechaniker es angerührt – das ist Kafka pur. Wieso hat sie es zwei Jahre lang „vergessen?“

Auch im weiteren Verlauf des Romans verlässt uns der Vergleich zu dem geheimnisvollsten Schriftsteller des ausgehenden 19. und des angehenden 20. Jahrhunderts nicht. Das Kafkaeske an diesem Roman ist nicht das Loch, der Hohlraum, der sich unter Groß-Einland auftut und das immer größer wird, es sind die Anläufe des Romans gegen das widrige Schicksal, dem man mit Vernunft nicht beikommen kann.

Die normalen Gesetze des Umgangs und der Ökonomie sind verzerrt oder aufgehoben, so wie auch Raum und Zeit anders erlebt werden.

• Zeit und Raum verlaufen unnormal. Nach sechs Jahren Aufenthalt in Groß-Einland hat Ruth eine andere Zeitrechnung, sie ist nur drei Jahre dort gewesen, meint sie. Überhaupt verläuft die Zeit in Groß-Einland in Sprüngen oder (Fieber-)Schüben.
• Nach einem Jahr, bemerkt Ruth „zufällig“ das Altersheim, in dem ihre Großmutter wohnt, obwohl es jeden Tag direkt vor ihrer Nase stand.
• Die Autobahn liegt ringförmig um den Ort, die Ausfahrt ist auch die Einfahrt, d.h. die Straße führt nirgendwohin. Alle Menschen träumen vom Reisen. Aber niemand ist je weg gewesen oder macht sich je auf, um irgendwo hin zu gehen.
• Man verirrt sich plötzlich auf gut bekannten Wegen.
• Normale Zahlungsmittel gibt es nicht, jeder schuldet jedem, jeder aber ist bei der Gräfin verschuldet, die im Schloss wohnt und alle irgendwie beherrscht. Die Gräfin, das ist eine kaum fassbare Oberinstanz, vor der alle Angst haben. Dass sie im Schloss wohnt, kommt nicht von ungefähr.
• Es gibt keine Gütereinfuhr von außen, was aber verschleiert wird, alle Marken werden heimlich nachgemacht und mit falschen Etiketten versehen. Kleiner Gag: den Geschmack von Cola kriegen sie nicht hin.
• Die Heimlichkeiten der Instanzen, die aber vordergründig alles offenlegen, sind ganz typisch für Kafka.

Internet gibt es auch nicht. Von Zeitungen, die Nachrichten von außen nach Groß-Einland transportierten, habe ich nichts gelesen.

Mit der Zeit entdeckt Ruth, die inzwischen für die Gräfin arbeitet und einen Füllstoff für die Stabilisierung des gefährlichen Lochs erfinden soll, Unstimmigkeiten in den erhobenen Daten. Sie trägt alle Fakten zusammen. In der NS-Zeit müssen in diesem Loch Menschen verschwunden sein. Es wird aktenkundig zugegeben, dass es Gräueltaten gab. Doch Ruth vermutet, dass die Bewohner des Ortes beteiligt gewesen sind und dass die Ausmaße größer sind als vermutet. Wer war überhaupt unschuldig? Keiner?

Die Fragen, die im Laufe des Romans bei dem Leser auftauchen könnten, sind solche wie: Kennt man seine Eltern je wirklich? Gibt es ein gemeinschaftliches Vergessen? Und hat dieses Vergessen dieses Loch geschaffen, das alles Leben zu verschlingen droht.

"Das flüssige Land" ist unbedingt symbolhaft zu verstehen. Man kann viel hineininterpretieren in die Erzählung. Oder man kann es lassen. An seinem Ende wird nichts aufgeklärt. Ruth verlässt den Ort wie sie gekommen ist. Fast magisch.

DIE KRITIK:
Positiv zu vermerken ist die Detailfülle der Erzählung und ihre Komplexität. Es entsteht trotz der Surrealität des Stoffes ein Lesesog. Man möchte wissen, wie es weitergeht. Doch jeder Erzählstrang, jede neue Autorenerfindung führt nur wieder zu derselben Ergebnislosigkeit wie am Anfang und die Verzweiflung des Lesers mag die Verzweiflung der Protagonistin spiegeln.

Die Sprache ist selbstverständlich phrasenlos, aber oft künstlich intellektualisiert. Natürlich streift der Roman manche österreichische Eigentümlichkeit und macht sich ein wenig darüber lustig, eine 400köpfige Blaskappelle lässt den Leser auch einmal schmunzeln.

Die aufgeworfenen Fragen nach dem Vergessen der Geschichte des Nationalsozialismus, die dem Roman „seine Tiefe“, also eigentlich seine Berechtigung geben müssten, sind zu kurz und zu flüchtig eingewoben. Sie reichen aus, um den Leser bis zum letzten Blatt bei der Stange zu halten, bewirken aber letztlich nichts. Wie mit dem Vergessen und Vertuschen des einzelnen umzugehen ist und wie mit dem einer Gesellschaft, davon erfahren wir leider eben doch nichts.

Das Vergessen macht mir auch eher bei der jungen Generation Sorgen, nicht bei der Älteren, und seien sie noch so sehr um Vertuschung und Verharmlosung bemüht. Es ist die Urenkelgeneration, die sich nicht mehr identifizieren will mit der Geschichte ihrer Nation. Davon aber ist in diesem Roman nichts zu finden.

Fazit: Emotionsloser Kafkaverschnitt, der mir nichts gegeben hat, dessen Komplexität man aber anzuerkennen hat.

Kategorie: Anspruchsvoller Roman.
Auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2019
Verlag: Klett Cotta, 2019
Profile Image for Carina.
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March 6, 2020
Ein ganzes Dorf, dass die Scheuklappen aufsetzt, nicht nur vor der eigenen, teils dunklen Vergangenheit sondern auch vor der durchaus bedrohlichen Gegenwart. Hinzu kommt eine gebildete Naturwissenschaftlerin aus der großen Stadt die genauso in diesen Wahnsinn hinein gezogen wird. Und über allem thront die Gräfin, die gar keine ist, wie Sauron über Mittelerde. Das ganze hatte für mich etwas wunderbar Österreichisches. Der konstante Wandel zwischen Wahnsinn und Ignoranz war unglaublich unterhaltsam. Ich bin selbst ganz erstaunt wie sehr mir dieses Buch gefallen hat.
Profile Image for Andy Weston.
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September 16, 2021
This compelling novel, which won the book prizes in Austria and Germany in 2019, begins with a troubled physicist, Ruth Schwarz, is dealing with the death of her parents in a car accident, by setting out to their homeland, the remote village of Greater Einland, to arrange their funeral.
Only able to cope with a large pill intake, Ruth is working on a thesis on block universe theory, the idea that the past, present and future all exist simultaneously.
What she finds is a village stuck in its past, ruled impulsively by a mysterious Countess, and perched on some sort of giant sinkhole.
It’s symbolic aspect is hardly even concealed; formerly it was a Nazi concentration camp, it’s past buried. But that is only a small part of what is a riveting and adeptly told tale.
Edelbauer creates a disturbing, almost dystopian, dreamscape, a village with its docile inhabitants prepared to accept pretty much anything imposed on them. The Countess has plans to turn the ‘hole’ into a tourist attraction, based around an annual festival. The locals, with their alcohol problems and mental instability, are easily coerced.
It’s hugely entertaining, and manages to broach serious themes of failing to deal with guilt by intentionally ignoring the past.
Profile Image for Uralte  Morla.
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June 19, 2020
Was für ein Buch habe ich denn da gerade gelesen? Auf jeden Fall eines, das mich gleichzeitig verwirrt und fasziniert zurückgelassen hat. "Das flüssige Land" hat mein Gehirn ordentlich durcheinandergeschüttelt und mit meinem eigenen Zeitgefühl gespielt. Gleichzeitig thematisiert das Buch auf sehr originelle und kluge Art eine nicht vorhandene Vergangenheitsbewältigung eines Ortes, deren Bewohner von den Konsequenzen im wahrsten Sinne des Wortes aufgesogen werden.
Das offene Ende macht mich ganz wahnsinnig und gefällt mir gerade deswegen gut.
Ein kluges, sehr besonderes Buch, das mir an einigen Stellen vielleicht ein Mü zu lang war, mich aber insgesamt sehr begeistert hat.
Profile Image for Torsten.
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February 10, 2024
Zu Beginn bis zu etwa 2/3 ein eindeutiger 5 Sterne Kandidat, lässt der Text im letzten Drittel leider etwas nach und plätschert seinem unspektakulären Ende entgegen. Dabei stechen dann auch die leider nicht zu selten vorkommenden Fehler hervor, die ein Lektorat eigentlich hätte beheben können - zumal es sich hier um die TB Ausgabe handelt.

Insgesamt trotzdem ein anregende Lektüre, die Einschübe aus der theoretischen Physik haben mir auch sehr gut gefallen.
Profile Image for Johann Guenther.
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September 9, 2019
EDELBAUER, Raphaela: „Das flüssige Land“, Stuttgart 2019
Der erste Roman der Bachmann-Preisträgerin. Die Hauptfigur Ruth des vorliegenden Romans berichtet in der Ich-Form. Ihr wird mitgeteilt, dass ihre Eltern bei einem Unfall umgekommen sind. Sie begibt sich auf die Suche nach dem Geburtstort der Eltern. Sie fährt mit dem Auto los und nächtigt in verschiedenen Orten in einfachen Pensionen oder Gasthäusern. Einmal sogar auf einer öffentlichen Toilette. Systematisch schreibt sie auf, was ihre Eltern von dem Ort, aus dem sie kamen, erzählt hatten. Mit diesen Erinnerungen grenzt sie die Möglichkeiten ein und beginnt ihre Suche, die sie in verschiedenste Gebiete um Wien führt. In den Süden, Westen und Norden. Wobei die Orte selbst egal sind. Das interessante ist es, wie sie diese Suche beschreibt. Letztlich findet sie die kleine Stadt, die nur über einen Waldweg, bei dem ihr Auto kaputt geht erreichbar ist. Eine Stadt mit eigenen Regeln. Eine Baronin wohnt im Schloss über dem Ort und beherrscht alles. Fast alle Häuser gehören ihr. Die Stadt ist von Bergwerksgängen unterminiert und immer wieder bricht etwas ein. Die Gräfin nützt dies und erwirbt viele Bauten. Die Proponentin Ruth hat somit den Ort ihrer Eltern gefunden und muss feststellen, dass diese tief in die Ortgeschehnisse eingebunden waren. Sie bleibt drei Jahre und wird selbst eng mit allem vertraut. Sie forscht über ihre Vorfahren. Dabei stößt sie auf Ungereimtheiten aus der Zeit des Dritten Reichs und will diese aufklären. Viele Menschen sind in den Gängen des sich senkenden Bergwerks verschwunden. Heimlich sammelt sie Dokumente. Offiziell ist sie, die Forscherin von der Gräfin beauftragt ein Mittel zu erfinden, mit dem das Versinken der Stadt aufgehalten werden kann, was ihr auch gelingt. Sie wendet es bei ihrem eigenen Haus – jenem, in dem ihre Eltern und Großeltern gewohnt hatten – an, hält aber die Rezeptur lange geheim, weil auch die Natur damit abstirbt. Dadurch wird aber der Erfolg sichtbar und sie muss ihr Mittel freigeben. Der erste Einsatz dieses „Wundermittels“ soll im Rahmen eines großen touristischen Festes passieren. Ruth steht als Rednerin im Programm und will diese Gelegenheit nützen vor Medien und vielen Besuchern die Missetaten aufzuzeigen. Letztlich entscheidet sie sich aber anders und kehrt in ihr normales Leben an der Universität in die Hauptstadt zurück. Am Ende entsteht starke Dramatik, die dann abrupt mit Ruths Umzug abbricht.
Solange es solch gute Nachwuchsautorinnen in Österreich gibt, braucht dem Land nicht bange zu sein um die Literatur. Wobei „Nachwuchs“ bei Raphaela Edelbauer schon nicht mehr zutrifft, denn sie ist da und hat einen großen und klaren Akzent in Österreichs Literaturlandschaft gesetzt.
Profile Image for Markus.
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Read
October 20, 2024
Mit vergessenen Leichen gefüllte Keller, Gruben, Gstett'n und andere Löcher gehören in Österreich quasi zum Brauchtum, zahlreich sind die Romane, die von Vergangenheitsentsorgung und vom Nichtsgewussthaben handeln. "Verdrängungsliteratur" ist hierzulande ein eigenes Genre und wer dazu noch etwas erzählen will, muss sich an Hans Lebert, Elfriede Jelinek oder Eva Menasse messen lassen.

So gesehen fand ich Raphaela Edelbauers dystopisches Debut über die Kleinstadt Groß-Einland, die über ihren unterirdischen Hohlräumen einzubrechen droht, nicht ganz überzeugend. Was die Geschichte für mich einigermaßen gerettet hat, sind die Reflexionen der Protagonistin über die Unmöglichkeit der Zeit, der vielleicht rätselhaftesten Illusion unserer Wahrnehmung.
Profile Image for Britta.
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November 21, 2019
Oh, bin ich froh, dass ich das Buch nach einigen Seiten erst einmal zur Seite gelegt hatte, als der Funke nicht gleich übersprang. Umso mehr hat er gezündet beim zweiten Versuch und ich war entbrannt. In jeder freien Minute musste ich lesen und da war es nach Monaten endlich wieder, dieses absokute Verlieren in Büchern. Der Grund, weshalb wir sie so lieben. So absurd das Buch im ersten Moment klingt, so grandios ist es geschrieben. Da sitzt einfach jeder Satz. Und das bei einem Debüt. Chapeau.
Profile Image for Clarissa.
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July 27, 2024
Ich musste mich sehr durchkämpfen. Die gestochene Sprache hat sich künstlich und aufgesetzt angefühlt, wiederum mochte ich die unzuverlässige Erzählerin.
Für meinen Geschmack wurde in diesem Debüt zu viel vermischt, das ist aber eine persönliche Kritik.

Scheinbar gibt es ein paar echte Orte und Geschehnisse, die als Inspiration für den Roman gedient haben, aber ich finde es unpassend, unaufgearbeitete Verbrechen aus der NS-Zeit mit einem surrealen Plot und einem Hauch Naturwissenschaft in einen Topf zu werfen.

Wenn das Buch nur aus dem fliehen in ein Dorf, abgelegen vom Rest der Welt, wo die Zeit irgendwie anders verläuft und es ulkige Charaktere gibt bestanden hätte, hätte ich es als Allegorie auf Sucht und Trauer und das fliehen vor der zu schnellen Gegenwart interpretiert. Meiner Meinung nach wurden zwei Ansätze, die jeweils ein eigenes Buch verdient und gebraucht hätten, vermischt und das hat alles für mich verdorben.
Profile Image for linse.
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November 14, 2025
Ich bin so so so wütend und fassungslos. einfach weil ich soo dolle auf ein anderes ende gehofft habe, wahrscheinlich auch in einer übertragenen verzweiflung der momentanen politischen lage. und gleichzeitig wusste ich bereits, dass es so ausgehen MUSSTE.


Das Loch der Mitschuld, Verdrängung von Erinnerungsarbeit, von Straftaten, von unserem eigenen Bewusstsein eines Verbrechens, zu schrecklich um wahr zu sein und doch wahr.

hab so lange gebraucht in das buch und seine sprache hineinzukommen. aber es gab so gute elemente: ein wald das ein dorf in seinem geäst verschlingt. zeit die unaufhaltsam, unberechenbar und unlinear bleibt. flüssig. räumlich. ein schwarzes loch dass eine gemeinde verspeist. die gemeinde die sich selbst verspeist.

zeit gerät aus den fugen und den händen. ich hab es geliebt wie orientierungslos ich zusammen mit Ruth war, wie fremd zu beginn groß-einland wirkte, wie dann alles so natürlich bekannt erschien.


die verängstigte rettung des eigenen heimes, der eigenen familie und geschichte. die angst. die angst die wahrheit zu sagen und ein hass von bürgerinnen der sich verlagert auf unschuldige dinge.


es ist zu aktuell. immer aktueller. ich bin wütend.
Profile Image for Electric.
625 reviews1 follower
December 17, 2019
In einer anderen Welt hätte Edelbauer vielleicht das Hard Sci-Fi Genre revolutioniert, in dieser schreibt sie einen packenden, surrealen, allegorischen und insgesamt ziemlich witzigen Roman über das Land außerhalb Wiens mit einer - zumindest leicht - unzuverlässigen Erzählerin, Quantenphysik, Landadel und einem Tal das sich langsam aber sicher verflüssigt. Für Fans von Beruhigungsmitteln, für Österreich-Vernaderer und für alle die sich für das ziemliche brüchige Fundament der Geschichte interessieren. Über das Ende denk ich noch nach...aber das geht mir bei David Lynch auch so.
Profile Image for Andi.
274 reviews
April 26, 2020
Also...das hat ja jetzt mal nicht sehr viel Sinn ergeben.
Übrigens, das Zitat das mich am meisten aufgeregt hat: "Probleme verlangten nicht nach einer Lösung, sondern nach einer vollkommenen Verflüchtigung, einer Vernichtung."
Sowas kann man in einem schlechten Fantasy-Roman schreiben, wenn das "Problem" ein super böser Dämon ist, aber hier wo es um die Verdrängung von NS-Verbrechen geht? Bitte nein, danke!

Zwischendurch war es für mich echt nett zu lesen, aber stellenweise einfach nur seltsam. Und ich muss sagen: Das Ende hat mir viel verdorben.
Profile Image for Eva J..
49 reviews
October 26, 2024
Hab die Protagonistin - eine tablettenabhängige theoretische Physikerin, mit einer Lenz ähnlichen Art und nüchternen zwischenmenschlicher Kommunikationsweise - gerne auf ihrer Reise begleitet.

„Es gehört zu den rätselhaftesten Facetten der menschlichen Existenz, wie schnell wir in der Lage sind, uns zu adaptieren und das soeben noch Bizarre als gegeben hinzunehmen.“
Profile Image for Conny.
616 reviews86 followers
November 18, 2019
Der Roman beginnt damit, dass Ruth – theoretische Physikerin, sie arbeitet gerade an ihrer Habilitation – die Nachricht vom Unfalltod ihrer Eltern erhält. Sie erleidet daraufhin einen Nervenzusammenbruch. Da sie medikamentenabhängig ist, kann man als Leser im Folgenden niemals so genau zwischen Realität und Delirium unterscheiden.

Was folgt, ist das: Ruth sucht den Heimatort ihrer Eltern, Gross-Einland, auf, da diese dort beerdigt werden wollten. Alles ist hier seltsam. Der Ort ist nirgends verzeichnet. Die Stadt versinkt langsam, aber sicher in einem unterirdischen Loch: Strassen und Häuser werden entzweigerissen, die Bewohner kitten und stopfen Risse, so gut es geht. Man verirrt sich plötzlich auf bekannten Strassen. Die Zeit läuft irgendwie anders. Und keiner verlässt Gross-Einland jemals.

Ruth bleibt ebenfalls in Gross-Einland und forscht nach einem Füllstoff für das gefährliche Loch. Gleichzeitig versucht sie, der Geschichte dieses Lochs auf den Grund zu gehen, die offenbar mit grossem Aufwand vertuscht wird. «Das flüssige Land» wird damit zu einem Roman über Schuld – Schuld, die von der Zeit entkoppelt ist, die kollektiv verdrängt und vertuscht wird, der es sich aber nicht entrinnen lässt. Gerade die Offensichtlichkeit der Parabel lässt den Verlauf der Geschichte leider etwas träge und zu konstruiert erscheinen. Auch die (nicht besonders subtil eingeflochtene) Politsatire will nicht ganz glücken – zu viel Holzhammer. Genial ist dafür wiederum, wie die Absurdität normal und das Zeitverständnis bis zum Äussersten gedehnt wird. Als Ganzes finde ich den Roman gelungen, wenn auch mit einigen Schwächen. Auf jeden Fall handelt es sich um ein Werk, das wieder einmal zur gründlichen Beschäftigung mit Literatur anregt.
Profile Image for Lulufrances.
910 reviews87 followers
November 25, 2019
Reading the first few chapters I was very close to abandoning this book, but I wanted to see if I was missing out on anything great - after all this made it to the shortlist of the German Bookprize of 2019.
And while I admit that the writing was intelligent and somewhat sophisticated, the story itself was dreadfully boring. Just...no??!
I liked the kafkaesque elements and also the Gräfin, who reminded me of the queen in Alice in Wonderland, but I‘m just a bit baffled by the notion of...precisely nothing this gave me. Ha. Okay then.
Profile Image for Joy.
677 reviews34 followers
October 21, 2021
Doctor Ruth Schwarz, a theoretical quantum physics postdoc, receives the shocking news that her parents have perished in a car accident. Their will stipulates that they wish to be buried in Greater Einland, the rural Austrian town where they come from. The mystery and challenge is that Greater Einland cannot be located on any map and doesn't seem to have any roads that lead there. Ruth interrogates her own memories of what her parents told her growing up and goes on a road trip from Vienna to locate this mysterious place. Serendipity allows her to stop at the Thousand-Year-Old Oak Tavern mentioned by her father and engage in an intriguing metaphysical conversation with a mask dealer. [Being an avid fantasy reader, I expected to meet Raistlin, Caramon, Tika, Tas and gang (from Dragonlance) there, so similar was the description and vibe of the tavern with a tree growing in the middle.]

Ruth's specialization is in block universe theory, which postulates that past, present and future exist at the same time. This becomes important when she arrives at her parents' hometown which appears to be frozen in the past; dirndls are worn without irony or for tourist display, the monetary system is based on patronage, ruled over by a mercurial Countess like the Red Queen. The feeling of having gone down a rabbithole extends to figuring out the strange social conventions governing this insular community. Structurally, Greater Einland is built on top of another buried town and an enormous cavern runs underground from old mining operations. The gaping hole has an outsized metaphysical effect on the inhabitants' lives. There is a sinister odd jangly feeling that runs throughout, wilful amnesia or suppressed memories of chilling history afflicts this whole self-contained town. Ruth investigates this collective buried history as well as the intersection with her own personal family history. However, she herself is not impervious to the forces that grip the town, time and purpose become slippery, not helped by her chronic self-medication of psychotropics.

The writing is a delightful mix of intelligent scientific academia backed by evocative fable storytelling. The translation from German to English by Jen Calleja is seamless, I wouldn't have known this was a translated text and highlighted quite a few passages for the expressive writing. An allegorical story like The Liquid Land lends itself well to multiple analysis, perfect for book clubs. I lingered over each page, savouring slowly, already mourning that the experience of reading it for the first time could never be repeated.
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