Alex schreibt an einem Essay. Und kommt nicht voran. Das Worüber meine Mutter und ich nicht sprechen. Ein Besuch in der glamourös kaputten Provinzvilla der überreizten Mutter soll weiterhelfen, doch er zeigt Sie sprechen gar nicht miteinander. Nicht über Alex’ Queerness, nicht über die Antidepressiva, die sie offensichtlich beide nehmen, nicht über die Traumata der Familie. Als die Mutter Alex beim Schützenfest (versehentlich!) anschießt, ist klar, dass nicht nur die Arbeit am Essay gescheitert ist. Ein grandios lakonischer Roman darüber, was Familien trennt und zusammenhält – das Unausgesprochene.
Hart und verletzlich, kühl und komisch – ein knallgegenwärtiger Roman über familiäre Leerstellen
Evan Hugo Tepest lebt als Autor in Berlin. Im August 2025 erscheint sein Essay Sind Penisse real? im Piper Verlag. 2024 erschien sein erster Roman Schreib den Namen deiner Mutter und 2023 sein Essayband Power Bottom. Seine Texte sind außerdem in Anthologien und Zeitschriften erschienen, zuletzt in ER: Erotic Review (London) und DANKE - Das Fan-Fiction-Magazin (Basel/Berlin).
Gut zu lesender, kurzweiliger Plot. Allerdings wirkt das Ende eher abrupt und die "Auflösung" des eigentlich zentralen Konflikts wirkt etwas sehr flach.
Wie das Buch selber sagt liest man hier: “Der alltägliche Kampf gegen den Tod ist Plot genug” und “Ich wollte nie über meine Mutter schreiben, sondern über das, was mich wirklich interessiert. Über die Textur des Lebens, die Dinge, mit denen ich effektiv meine Zeit verbringe, Cornflakes zum Beispiel oder Fußball. Aber wer interessiert sich schon für Cornflakes?”
Alex keht zurück in die Stadt der Kindheit, zur Mutter für Zwei Wochen. Während diesem Roman wo fast nichts passiert und doch unendlich viel, folgen wir Alex die von Frau zu Nicht-Frau zu Nicht-Binär lebt. Der Roman folgt immer die Perspektive von Alex doch anfangs ist sie und später dey. Gleichzeitig folgt die Geschichte auch die Äusseren Geschehnisse, die Reise von Alex zur Mutter, zur Beerdigung vom Grossvater, durch die Familiengeschichte mit Sxhwester und vergessenem Bruder und all die nicht angesprochenen Familiengeheimnisse. Durch dringend durch die ganze Handlung sind geschriebene Abschnitte über die Mutter, den der Verlag von Alex möchte ein Zweites Buch oder wenigstens einen Aufsatz für eine demnächst erscheinende Sammelung zum Thema “Schreib den Namen deiner Mutter”, in diesen Passagen versucht Alex die Mutter und sich selber zu verstehen. Begleitet wird diese Geschichte auch von vielen Kunstreferenzen wie zum Beispiel Joseph Beuys, Barnett Newman und sogar meinen Lieblingskünstler Franic Bacon.
Alex ist nicht sehr sympatisch, aber in diesen Seiten kommt man dey sehr nah und versteht dey tief, so dass es eine unheimlich lesenswert und tolle Lektüre ist die vom alltäglichem und gleichzeitig zu riesigen Themen wie Freundschaft, Familie, Liebe, Entscheidungsfindung, Erbe und Selbst erzählt.
-
Zitate:
“Ich möchte wirklich keine Aussage darüber treffen, ob sexuelle Identität in der Familie liegt, aber die meisten queeren Personen, die ich kenne, haben keine offen queeren Vorfahren.”
“Bis heute war Alex sich unsicher, ob sie selbst ihre Pronomen ändern wollte. Sie fürchtete, die Checkliste selbst nicht zu bestehen. Doch von Petra als »Frau« bezeichnet werden fühlte sich an, als würde sie träumen, wieder Alkohol zu trinken, beschämt und angewidert von dem beißenden Geschmack.”
“Die Mutter, Petra und Oma Kriemhild nutzten Geheimnisse als Zahlungsmittel, um sich zu verbünden oder einander auszuschließen.”
“Sie wünschte sich, dass er und sie einmal so offen kommunizieren könnten, als wären sie Figuren in einem Roman. Stattdessen spielten sie die abgeklärten Erwachsenen, die sie schon gespielt hatten, als sie sich mit vierzehn Die Brüder Karamasow vorlasen und sich darin über-boten, Schnaps aus dem Getränkemarkt zu klauen.”
“Ich glaube, ich bin keine Frau.«
Der Satz war komplett neu und so vertraut, als wäre er schon immer wahr gewesen.
Meine Mutter sagt mir immer „ich steh dir am nächsten!“ und dann will ich lachen, schreien, weinen, davonlaufen, mich von ihr in den arm nehmen lassen. Stattdessen sitze ich nur da und sage gar nichts.Meine Mutter steht mir schon lange nicht mehr am nächsten, wichtige Sachen in meinem Leben erzähl ich ihr nicht, weil ich diese Dinge vor ihrem kritischen Blick beschützen will. Fast jede Therapiesitzung ist meine Mutter das Thema oder meine Therapeutin findet einen Weg, meine gegenwärtigen Probleme auf sie zurückzuführen. Meine Mutter ist manchmal meine grösste Feindin und trotzdem habe ich so grosse Sehnsucht nach ihr. Das wird sich in diesem Leben nicht mehr ändern. Das kann sich manchmal sehr schwer anfühlen. Dementsprechend tut dieses Buch sehr gut. Ich weiss ganz genau was Alex fühlt, ich weiss auch ganz genau, dass sich solche Familienvergangenheiten nicht auflösen lassen, wenn die andere Person nichts zurückgibt. Die Ambiguitäten werden nie verschwinden, wann bin ich alt genug um sie endlich zu akzeptieren? Wie viel Distanz braucht es noch?
Thought-provoking, but didn’t quite deliver on its emotional potential.
This is a short, introspective novel that follows the main character’s journey through gender identity, family ties, and memory. The writing is poetic and at times quite moving, and I appreciated the way it explored queerness.
But while the book gave me a few things to reflect on, it ultimately didn’t give me what I was hoping for. The central relationship - between the protagonist and their mother - felt underexplored, especially considering how pivotal it is. There’s so much unresolved trauma, guilt, and silence between them, and I was waiting for that emotional confrontation that never really came. Even the ending, while shocking, felt emotionally distant because that groundwork wasn’t fully laid.
It’s a quiet, lyrical read that some readers will definitely connect with more than I did. I just wish it had gone deeper, especially where it mattered most.
ich verehre hugo tepest als klugen essayisten, aber das hier war absolut nix für mich. das ganze buch ist voll mit tell-don’t-show-sätzen wie »der sex war enttäuschend.« nichts, absolut gar nichts, keine stimmung, keine interpretation, NICHTS wird hier der imagination der leserin überlassen. auch die hauptfigur macht (trotz pronomenwechsel im letzten drittel des romans) nicht wirklich eine entwicklung durch. wie der zitierte sex: leider enttäuschend.
Der Schreibstil hat mir aber nicht wirklich gefallen, die Charaktere fand ich irgendwie unsympathisch, es wurden zwar Themen aufgegriffen aber jetzt auch nicht wirklich super doll behandelt.
Ein kurzweiliger, einfühlsamer Band, der sich in Zyklen um zuerst stilles, zusehend zaghaft sprechendes Leiden aneinander und an sich selbst dreht. Ein Buch darüber was Familie, Entfremdung und das Anknüpfen an gemeinsame Vergangenheit möglich oder unmöglich macht. Leseempfehlung, am besten am Stück.
Am Anfang von "Schreib Den Namen Deiner Mutter" steht eine Rückkehr: Für die Beisetzung des Großvaters kehrt Alex von Berlin in das deutsch-niederländische Grenzgebiet und damit auch in komplizierte Familiengefüge zurück. Im Gepäck auch noch: der Auftrag ein Essay über die Mutter zu schreiben. Doch was kann man schreiben, wenn es eigentlich doch irgendwie nur Schweigen gibt?
Ich muss zugeben, dass ich etwas gebraucht habe in den Roman reinzukommen. Der Schreibstil von Evan Tepest, den ich bei seinen Essays sehr gern mag, hat hier nicht immer so gut für mich funktioniert. Aber nachdem ich mich etwas reingelesen hatte, war ich trotzdem gefesselt.
In diesem Roman steckt so vieles drin. Hier finden sich unter anderem Motive wieder, die bereits in dem formidablen Essay-Band Power Bottom von Tepest betrachtet wurden, ergänzt aber um eine ganze Reihe weiterer Themen. Es geht um Begehren und Queerness, Provinz und Katholizismus, Herkunftsfamilie und Erinnerung, mentale Gesundheit und Umgänge. Erzählt wird mit viel Humor und einem Netz voller expliziter Bezüge und Anspielungen, von Ocean Vuong über Tomte zu Freud.
Spannend fand ich, wie Tepest anhand der Freundschaft zwischen Alex und dem ehemaligen Geschichtslehrer von intergenerationellen queeren Bezügen schreibt mit all ihren Potential für Solidarität aber auch Fallstricken. Auch geschickt gemacht, ist der Pronomenwechsel in der Erzählstimme nach einem wichtigen Wendepunkt. Hier wird queer nicht nur auf einer Inhaltsebene sondern eben auch in der Sprache erzählt.
Auf nicht einmal 190 Seiten gibt es somit vieles zu besprechen und analysieren. Am Ende habe ich das sehr gern gelesen und ich freue mich auf was auch immer Evan Tepest als nächstes macht.