Eine literarische Wiederentdeckung von großer erzählerischer und emotionaler Kraft, ein mitreißendes Leseerlebnis. Ein Roman über Mutterschaft, über Möglichkeiten, über Lebensentwürfe von Frauen.
Oliva Nordeck lebt nach dem Kriegstod ihres Mannes nahezu mittellos und allein mit vier kleinen Kindern. Jahrelang schlägt sich die Familie mehr schlecht als recht in einer namenlos bleibenden mitteldeutschen Stadt durch, bevor sie schließlich ein kleines, baufälliges Häuschen am Stadtrand beziehen. Hier hat Oliva alle Hände voll zu tun mit den großen und kleinen Katastrophen des Alltags als alleinerziehende Mutter von vier äußerst lebhaften Teenagern, deren Eigenheiten und Bedürfnissen sie immer wieder mit großer Gelassenheit, Verständnis und Selbstaufopferung begegnet. Nur hier und da gelingt es ihr, ein paar Minuten Zeit für sich selbst zu stehlen, um auf ihrem geliebten Flügel zu spielen, Bücher zu lesen oder selbst kleine literarische Versuche zu unternehmen, die sie dann heimlich an Zeitungen verschickt. Und immer wieder gerät sie in Situationen, in denen sie die Möglichkeiten eigener Selbstverwirklichung gegen das Glück ihrer Kinder abwägen muss ...
Eigentlich kaum zu glauben: ein Roman, der 1943 erscheint, und der von den Leiden des Ersten Weltkrieges und vom Weg in die Leiden des Zweiten erzählt. Ich finde die These der Herausgeberin und Nachwort-Autorin Magda Birkmann sehr sinnvoll, dass diese Subversivität nur gelingen konnte, weil einem "Tagebuch einer Mutter" inhaltlich und thematisch so viel Trivialität unterstellt wurde, dass es unter dem Radar von Zensur und Strafe flog.
Der Ton der Ich-Erzählerin ist (mit Ausnahme der zeittypischen Rassismen und Antiziganismen) fast gegenwärtig, und die Autorin wechselt scheinbar mühelos vom alltäglich Heiteren ins abgrundtief Traurige.
Ich finde das Buch jedenfalls ein absolut faszinierendes und besonderes Dokument, und sehr spannend zu lesen ist es auch.
5 stars for the first two thirds, the last third suffered a little from being so apolitically set in nazi germany (which maybe should’ve been expected as that’s also when it was published…)