»Nur wenn du dich genug mit deiner Psyche beschäftigst, kannst du glücklich sein!«, so eine weit verbreitete Annahme. Das stimmt nicht, widerspricht die renommierte Schematherapeutin Gitta Jacob. Es ist gut und wichtig, dass Menschen ihre Verhaltensmuster, Verletzungen und schwierigen Gefühle verstehen. Auf Dauer kann die Selbstbeschau jedoch daran hindern, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. In ihrem neuen Buch benennt Jacob die Grenzen der Psychotherapie und die Gefahren, die das permanente Kreisen um das innere Kind erzeugen können. Anschaulich mit vielen konkreten Challenges zeigt die Psychologin, was es wirklich braucht, um Entscheidungen, Stimmungsschwankungen und Probleme souverän zu meistern.
Gitta Jacob ist Verhaltenstherapeutin – und das merkt man sofort: Handeln, handeln, handeln, statt erst verstehen, akzeptieren und dann gezielt verändern. Wer hofft, dass innere Konflikte ernsthaft aufgearbeitet werden, wird enttäuscht. Verhalten ändern ohne Ursachenarbeit ist wie eine Prüfung bestehen wollen, ohne den Stoff zu verstehen: Das innere Kind bleibt im Regen stehen.
Früh zeigt sich eine problematische Verallgemeinerung psychischer Störungen: „Man spricht dann von einer psychischen Störung, wenn ein Mensch unter Symptomen leidet, die ihn quälen, es ihm also richtig schlecht geht.“ (S.19). Das greift zu kurz – nicht jeder Mensch beispielsweise mit Zwangsstörung leidet ständig, oft beginnt das Leiden erst, wenn sie Zwänge unterdrücken. Eine sauberere Unterscheidung, etwa zwischen Depressionen und anderen Erkrankungen, wäre nötig gewesen.
Auch die Tipps enttäuschen: mehr Sport, gesünder essen, soziale Kontakte pflegen, auf Alkohol und Rauchen verzichten – altbekannte Ratschläge, wie sie auch in jeder (Frauen-)Zeitschrift stehen. Dafür braucht man keine 20€ ausgeben.
Besonders schwach bleibt der Umgang mit Trauma: Dass traumatische Erfahrungen im Körper gespeichert werden, wird nur an der Oberfläche gestreift. Dabei beginnt das Buch eigentlich gut – klärt einige Missstände auf. Doch ab der Hälfte geht es mehr rückwärts als vorwärts. Immer wieder schleicht sich das Gefühl ein: „Tu nicht so, so schlimm ist das doch nicht.“
Es ist frustrierend zu lesen, dass ausgerechnet eine promovierte Psychologin Ansätze vorschlägt, die so oberflächlich bleiben und zentrale Themen nur ankratzen. Ich habe mir deutlich mehr erhofft. Statt echter Hilfe bekommt man eine lose Sammlung von Tipps, die längst auf Instagram kursieren. Wie jemand treffend schreibt: „Für 14-Jährige ohne Lebenserfahrung geeignet. Für volljährige Menschen ist es schade ums Papier“ – und um die eigene Zeit.
Ich frage mich, wer genau die Zielgruppe sein soll - die Tipps sind so grundlegend, dass man sich wohl noch nie mit sich selbst befasst haben muss. Grundbotschaft wichtig, das eigene Leben selbstverantwortlich zu gestalten und zu leben, nicht nur zu analysieren. Ich persönlich konnte nichts mitnehmen.
Ein meiner Meinung nach wichtiges Buch in unserer Zeit. Die wunderbare gesellschaftliche Entwicklung, dass psychische Gesundheit mehr Aufmerksamkeit bekommt und weniger tabuisiert wird, hat negative Nebenwirkungen. Und denen widmet sich die Autorin, geprägt durch viele Jahre Berufserfahrung, in diesem Buch.
Es wird heute vor allem in sozialen Medien, und damit auch zunehmend in der Alltagssprache, von Trauma, Trigger, Mustern etc. gesprochen. Vielen Personen wird damit auch suggeriert, dass ihre Erfahrungen nur mit professioneller Hilfe bearbeitet werden können und auch müssen. Das führt aber zunehmend dazu, dass die eh schon viel zu knappen Therapieplätze auch von Leuten beansprucht werden, die diese nicht brauchen, und die Personen, die wirklich traumatisiert sind oder eine ernsthafte psychische Erkrankung haben noch länger auf einen Platz warten müssen. (Auch wenn alle Therapeutinnen bemüht sind, die Plätze angemessen an hilfsbedürftige Personen zu vergeben, wird dir Triage, durch die Menge an Anfragen, erschwert und kostet wertvolle Ressourcen).
Es ist natürlich für viele spannend (und hoffentlich auch hilfreich) eigene Erfahrungen, und daraus entstandene Muster, zu erkennen und zu verstehen. Nur die Erkenntnis ist aber meistens erst der erste Schritt. Es wird häufig der nächste vergessen: daraus eine Veränderung des eigenen Verhaltens abzuleiten und umzusetzen. Wichtig ist hierbei sich nicht auf den Erkenntnissen "auszuruhen", sondern die Verantwortung für das eigene Handeln und die Gefühlswelt zu übernehmen Das versucht die Autorin in diesem Buch klar zu machen.
Viele der Ideen sind dabei nicht neu (Sport, gesunde Ernährung, genug Schlaf etc.) aber der positive Effekt auf die Psyche wird häufig unterschätzt. Gerade Sport wirkt beispielsweise gegen Depressionen wirksamer als Medikamente oder andere Therapieformen (bei milden bis mittelschweren Symptomen).
Die Autorin möchte nach meinen Verständnis die Selbstwirksamkeitserwartung der Leserinnen fördern: Ich kann mit (verhältnismäßig einfachen) Veränderungen einen positiven Einfluss auf mein Leben haben und bin meinen Mustern und Prägungen aus der Kindheit nicht hilflos ausgeliefert.
Da dieses Buch von Jacob eher den populärwissenschaftlichen Büchern zugeordnet werden kann, gehen die Themen in den einzelnen Kapiteln nicht in so tief in die einzelnen Theoriehintergründe ein, aber als selbst praktizierende Kognitive Verhaltenstherapeutin, der Gitta Jacob vor allem als Koryphäe der Schematherapie begegnet ist, kann ich viele der Erfahrungen, die sie beschreibt, teilen insbesondere im Bereich der Verhaftung der Opferrolle, die im heute verhindert Verantwortung übernehmen zu müssen und auch häufiger der Suche nach einer Diagnose, die erklärt warum ich bin wie ich bin und ich daran auch nichts ändern kann, besonders auch in Bezug auf die Interpretation von Misserfolgen. Das Buch ist keine große Theorie-Maschinerie, aber es erklärt doch auch nachvollziehbar, wie befreiend es sein kann, eine Handlung umzusetzen, ohne alles daran immer genau verstanden zu haben. :)
Basic info on how to move forward in life (Sport/ Food/ Getting Out of the comfort zone), nothing super new but needed for me at this point in time. Quick read. Available in library.