Diese staunenswerten, eleganten Tiere lehren uns, dass alles auch ganz anders sein kann: Dass Männchen schwanger werden können und es, anstatt Zielen hinterherzujagen, genauso lohnenswert wäre, sich treiben zu lassen. Ein Seepferdchen kann stundenlang im Seegras warten, bis Beute seines Weges kommt. Die saugt es dann mit seinem Mund wie mit einer Pipette ein. Trotzdem gelingt es den Paaren, die weitestgehend monogam leben, einander jeden Morgen wiederzufinden und zu begrüßen. Dann geht das Weibchen auf die Jagd, während das Männchen in seiner Bauchtasche die befruchteten Eier austrägt. Unter Wasser sind die Laute der farbenfroh leuchtenden Tiere, die knurrend bei Bedrohung oder Wohlgefallen klingen – oder klickend bei der Balz – für Menschen nur mit technischer Verstärkung wahrnehmbar. Aber was sind Seepferdchen nun eigentlich? »Pferdeähnliche Meereswesen«, meinte Carl von Linné, »Fische, Knochenfische, um genau zu sein«, präzisiert Andrea Grill. Die promovierte Biologin und Schriftstellerin macht sich in ihrem schillernden Portrait auf die Suche nach diesen wunderlichen Wesen des Wassers, denen trotz ihrer grammatikalischen Verkleinerungsform in unserer Sprache existenzielle Bedeutung zukommt: als mythische Gestalten, als Tiere mit utopischem Potenzial, als anmutige Überlebenskünstler – und nicht zuletzt als Gradmesser für den Zustand unserer Meere.
Obwohl die Autorin Schriftstellerin ist, hat sich das Buch mehr mit der biologischen Realität der Seepferdchen auseinandergesetzt, nicht so sehr mit der kulturellen oder kulturhistorischen Ebene wie manche andere Naturkunden. Eigentlich mag ich letzteres lieber, aber interessant war es trotzdem alles, sogar die kleinen Diskurse weg von den porträtierten Tieren.