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375 pages, Hardcover
First published January 1, 2021


Although it is true that the text rushes onward, uninterrupted by periods, it is not a “lava flow,” as one English poet tried to characterize it. No, lava is slow, and my text is more like a creature running headlong, breathless, bearing a certain destiny in its soul, away from something and at the same time toward something else. One doesn’t need periods but breath and rhythm, tempo and melody. And it is not true that I don’t use periods; I do use a period just once and only once – and the reason for that is that periods are so very important for me. I rush along with the text, the text rushes on, and all of a sudden, the end arrives, and Someone Far Mightier than I am, or we are, whispers in my ear, “Hey, this is where you will put that period.”


... die Angst war so groß, dass die Realität diese Angst nur gestört hätte, denn auf die Realität kann man leicht, aber auf die Angst kann man nur schwer verzichten, ...Lászlo Krasznahorkai hat mit Herscht 07769 ein neues Wunderwerk geschaffen. Nicht nur der Zustand Deutschlands, ja des ganzen Universums werden in einem einzigen, über 400 Seiten langen Satz so trefflich und so mitreißend beschrieben, dass ich nicht mehr aufhören konnte zu lesen - bis mir die Augen zufielen.
Falsche Welt, dir trau ich nichtDen ungewöhnlichen Erzählstil mochte ich schon bei den letzten beiden Romanen Krasznahorkais, und er hat ihn nochmals auf ein neues Level gehoben. Der Text fließt ganz natürlich und organisch dahin und hat außer Beistrichen keine weitere Strukturierung nötig, keine Punkte, keine Absätze, keine Kapitel. Der Fokus bewegt sich ganz dicht von Figur zu Figur, die Dialoge sind nahtlos eingebunden, und genauso nahtlos wechseln Schauplätze und Blickwinkel. Der Bogen spannt sich von kosmischen Dimensionen bis zum trivialsten Alltag, es geht um die Geheimnisse des Universums, die absolute Vollkommenheit der Musik J.S.Bachs und im nächsten Augenblick sinniert Frau Hopf über die Kaffeepreise bei Penny oder Lidl. Die zeitliche Perspektive oszilliert immer wieder zwischen Rückblende und Vorschau, was ganz wesentlich zur Spannung beiträgt. Das klingt jetzt geradezu unlesbar, aber ganz im Gegenteil, es liest sich unkompliziert und mühelos, und ist man ein Stück weit eingedrungen, zieht einen das Geschehen wie ein Strudel in die Tiefe und lässt einen nicht mehr los bis zur letzten Seite.
die vollkommene LeereTilakkhana werden im Buddhismus die drei Daseinsmerkmale genannt: Vergänglichkeit, Leiden und Substanzlosigkeit. Auf den Schauplätzen in und um Kana wird sattsam gelitten und gestorben, und die Quantentheorie sowie die Musik sind gute Beispiele dafür, dass es im Fluss der Zeit nichts Bleibendes und nichts Absolutes geben kann außer der vollkommenen Leere. Alles entsteht und vergeht in gegenseitiger Abhängigkeit. Krasznahorkai lebte lange in Asien und ist dem östlichen Denken verbunden. Vielleicht höre ich die Flöhe husten, aber ich habe den Verdacht, dass seine Motivation und Inspiration, wenn auch nicht explizit, in diesem Denken zu finden sind. Es ist ja auch seine Sprache, die immer mehr die Form des zeitlosen Fließens annimmt. In jedem Fall findet sich eine gewisse Universalität in seinen Romanen, nicht nur in diesem.