»Krummes Holz« entwickelt einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Unbedingte Leseempfehlung!« Florian Valerius
Es ist ein drückend schwüler Sommer, in dem Jirka an den Hof seiner Eltern im Krummen Holz zurückkehrt. Mehrfach hat er die Bitte seiner älteren Schwester Malene ignoriert, ihr gegen den Vater beizustehen. Als Jirka jetzt auf dem heruntergewirtschafteten Gutshof eintrifft, scheint keiner mehr auf ihn zu warten. Vom Vater findet sich keine Spur, und von seiner dementen Großmutter und seiner unversöhnlichen Schwester schlägt ihm eine Wand des Schweigens entgegen. Nur einer spricht mit ihm – Leander, der Sohn des letzten Verwalters. Doch obwohl die Feindseligkeit seiner Schwester kaum auszuhalten ist, lässt sich mit Leanders Nähe noch schwerer umgehen. Zu intensiv sind die Erinnerungen, die sich mit jedem neuen Tag in den Vordergrund drängen. »Krummes Holz« erzählt mit flirrender Intensität von der Kraft eines Geschwisterbandes in einer glücklosen Kindheit und darüber, wie zwischen all den enttäuschten Hoffnungen die Liebe zu finden ist.
Nach sechs Jahren im Internat kehrt der 19jährige Jirka auf den heimatlichen Hof zurück. Als Anlass nimmt er seinen Musterungsbescheid, allerdings hatte seine ältere Schwester Malene ihn vor einigen Wochen gebeten, zu kommen. Damals ist er einfach nicht gefahren. Kein Wunder, dass Malene ihm nicht vor Freude um den Hals fällt. Überhaupt hat sich auf dem Hof einiges verändert. Alles wirkt heruntergekommen und renovierungsbedürftig. Großmutter Agnes zeigt Anzeichen einer Demenzerkrankung und sein Vater ist nirgends zu sehen. Nur Leander, der in zufällig auf der Straße aufgabelt, redet mit ihm. Aber auch er erweckt nicht den Eindruck, als würde er sich besonders freuen.
Es ist Sommer, die neue deutsche Welle läuft im Radio und eigentlich könnte es wie Ferien sein, das alte Zimmer ist noch da, die Küche ist noch da, die Oma ist noch da, die Schwester ist noch da. Jedoch fühlt sich nichts richtig und einfach an. Erinnerungen kommen wieder hoch an Ereignisse, die Jirko überwunden glaubte. Und er kann es nicht anders sagen, er fühlt sich fremd. Nur Leander behandelt ihn halbwegs normal, auch wenn er ihm eindeutig klarmacht, dass er sich an den anfallenden Arbeiten beteiligen soll. Dass die einst resolute Großmutter Agnes sich sehr verändert hat, muss Jirka auch noch verdauen.
Schon nach den ersten paar Sätzen packt einen dieser Roman, weil er Erinnerungen weckt. Jirkas Familie ist nach dem Krieg ins Sauerland gekommen. Sie haben eine Fluchtgeschichte wie so viele Menschen nach dem zweiten Weltkrieg. Obwohl Jirko mit dem Krieg zum Glück nichts mehr zu tun hat, so ist seine Kindheit doch von der Geschichte der Eltern geprägt. Es herrscht eine gewisse stumme Härte, die sich auch bei den Kindern fortsetzt. Der sensible Jirko leidet unter der Situation und unter seinem Vater. Malena dagegen wehrt sich und wird selber härter und stummer. Beeindruckend zu lesen, wie sich in diesem heißen Sommer einiges verändert. Und das nicht auf die leichte Tour, eher ist es wie eine Tour de Force. Und doch gibt es für Jirka auch einige schöne dichte Momente. Und so erfühlt man diesen Roman und denkt auch an die eigene Vergangenheit, die vielleicht weniger turbulent war, aber der sich dennoch das Schicksal der Eltern im Leben der Kinder widerspiegelt. Ein sehr lesenswerter Roman, der schon mit seinem Cover einen Hingucker präsentiert.
"Krummes Holz" verwebt eine drückende und melancholische Stimmung, die den Leser emotional mitreißt und in ihren Sog zieht, mit der Geschichte von Jirka, der nach vielen Jahren zurück auf den Bauernhof seiner Familie kommt. Der schwüle Sommer wird nicht nur durch die Hitze der Umgebung spürbar, sondern durchtränkt auch die zwischenmenschlichen Beziehungen mit einer erdrückenden Atmosphäre. Die vernachlässigten Räume des heruntergewirtschafteten Gutshofs spiegeln die zerrütteten Beziehungen der Familie wider, durch Linhofs bildreiche, kraftvolle Sprache bekommt man Einblicke in Jirkas Gefühlswelt.
Als Jirka ankommt, ist sein Vater nicht da, seine Schwester lebt an ihm vorbei und seine Oma aufgrund von Demenz in ihrer eigenen Welt, die Mutter ist schon vor langer Zeit verstorben. Dies alles hinterlässt eine Leere, die Jirka nicht füllen kann und die sich durch das gesamte Werk zieht. Die Wand des Schweigens, die von der dementen Großmutter und der unversöhnlichen Schwester aufgebaut wird, verstärkt das Gefühl der Isolation und Verlassenheit. Jirkas Rückkehr in diese beklemmende Umgebung lässt die Erinnerungen an eine gewalttätige Kindheit und eine depressive Mutter aufleben. Dann ist da aber noch Leander, der Sohn des alten Gutsverwalters.
Die unterdrückte Liebe zu Leander und die damit verbundene Komplexität der Beziehungen vertiefen die Melancholie des Romans. Die Enttäuschungen und gebrochenen Hoffnungen werden nicht nur erzählt, sondern förmlich durch die Seiten getragen, sodass der Leser mit jedem Wort tiefer in den emotionalen Strudel gezogen wird. "Krummes Holz" ist somit nicht nur ein Buch, sondern eine intensive Gefühlserfahrung, die den Leser mitnimmt und auf die man emotional vorbereitet sein sollte.
Es ist Hochsommer auf dem Land. Jirka ist 19 und kehrt nach mehreren Jahren Abwesenheit zurück an den Hof seiner Familie. Diese Reise zu den Wurzeln fällt ihm schwer, denn in der Vergangenheit ist viel passiert, das nie aufgearbeitet wurde. Jirkas ältere Schwester Malene empfängt ihn noch dazu mit kühlem Schweigen, sein Vater Georg ist abwesend, seine Großmutter mittlerweile dement geworden. Und dann ist da noch Leander, Sohn des verstorbenen Hofverwalters, von dem eine gewisse Faszination ausgeht.
Zerrüttete Familie, Rückkehr aufs Land, Sprachlosigkeit, Coming of age, Queerness und eine Prise Mystery. Klingt nach einer interessanten Mischung, oder? Ist es auch. Noch dazu kann Julja Linhof ausgezeichnet schreiben. Sehr authentisch fühlt sich das alles an, die ländliche Atmosphäre, der trockene Hochsommer, die Anspannung und Sprachlosigkeit zwischen den Figuren. Besonders eindringlich sind die Beschreibungen der Natur und des alten Hofes.
Auch die Verflechtung von Gegenwart und Vergangenheit ist sehr gut gelungen. Während Jirka sich durch das Haus und die Landschaft bewegt, stoßen Erinnerungen an die Oberfläche, alte Konflikte und Traumata werden immer sichtbarer. Die Geschichte kommt zudem in sehr schöner Sprache daher. Viele Sätze habe ich zwei- oder dreimal gelesen, weil ich sie so schön und treffend fand. Trotzdem (oder gerade deshalb?) fiel es mir schwer, so richtig in den Leseflow zu kommen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich den Figuren nicht ganz nah kommen konnte. Da blieb ein gewisser Abstand, und irgendwie ist das auch wieder konsequent. Ein Buch, an das ich sicherlich noch länger denken werde.
Als Jirka Schilling zu Fuß in die Zufahrt zum elterlichen Hof einbog, lag eine Strecke vor ihm, für die er früher mit dem Rad eine halbe Stunde gebraucht hatte. Der 19Jährige kommt nach 5 Jahren im Internat zum ersten Mal wieder in den katholischen Hunsrück. Zum Glück wird er von Leander aufgelesen, mit dem er und seine ältere Schwester auf dem Hof aufgewachsen sind. Malene stellt sofort klar, dass sie Jirka nicht auf dem Hof haben will, den sie nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung führt. Jirka wurde zwar traditionell nach seinem Vater Georg getauft, jedoch „ Junge“ genannt, da es bereits einen Georg auf dem Hof gab. Erst der sudetendeutsche Verwalter, ohne den Georg senior längst bankrott gewesen wäre, gab ihm den tschechischen Namen Jirka (von Jiri = Bauer). Dass die Großmutter Agnes und der Vater Georg genannt werden, vermittelt eine befremdliche Distanz, ohne die die Kindheitserlebnisse der drei Bauernkinder vermutlich kaum zu ertragen wären. Sie wuchsen mutterlos auf, Leander zunächst im Verwalterhaus mit seinem Vater Vilém, nach dessen frühem Tod später im Gutshaus gemeinsam mit Jirka und Malene. Den Haushalt führte Großmutter Agnes und erzog ihre Enkel in brüskem Ton und dem regionalen Aberglauben.
In der Gegenwart wartet für Linhofs Leser:innen eine Reihe von Fragen auf Antwort: Wem gehört der Hof aktuell, wer führt ihn (Malene), wer hat ein Einkommen (Leander), wer hält alles zusammen, was hat Jirka vor – und wer liebt hier wen? Wie „einen zu klein gewordenen Pullover“, streift der Icherzähler seine Kindheit wieder über, die davon bestimmt war, dass Malene nicht die richtige Tochter und er nicht der richtige Sohn waren für einen Bauern, dessen geschäftliche Entscheidungen den Hof stets einen Schritt weiter in die Pleite zogen. Das Verhältnis zwischen der jungen Generation ist heute noch geprägt von Gewalt, Suche nach Anerkennung und der Unfähigkeit Wünsche und Kränkungen auszusprechen. Da Georg Schilling Kriegsteilnehmer war und nicht wie ein Landwirt aus Leidenschaft wirkt, könnte die Notgemeinschaft Vereinsamter als Parade-Beispiel für die Vererbung von Traumata stehen. Körperlich und seelisch versehrt, bewegen sich Linhofs Figuren wie in einer asiatischen Bewegungsform im Gespräch aufeinander zu, weichen aus, berühren Verschwiegenes, weisen einander ab. Der Erzähler Jirka wirkt früh gereift, zugleich unvorbereitet, den Lebenslauf seiner Eltern einordnen zu können. Sein Zeichentalent lässt ihn sich schließlich in Bildern ausdrücken.
Julja Linhof erzählt in ihrem raffiniert komponierten Plot von drei jungen Erwachsenen, die in einem brüllend heißen Sommer gemeinsam die Weichen für ihre Zukunft stellen und lange verborgene Verletzungen verarbeiten müssen. In der Begegnung dreier vereinsamter Bauernkinder mit Nachbarn und Saisonarbeitern in weiteren Rollen – nicht zu vergessen die Rolle des imposanten bröckelnden Gemäuers – entsteht hier ein glaubwürdiges Bild von Landwirtschaft in der Krise. Ein großartiger Roman, der sich der Einordnung in Untergenres und Schlagwörter entzieht – Lassen Sie sich darauf ein.
Es ist ein Schreibstil, an den man sich gewöhnen muss, aber Julja Linhof hat es geschafft, mich mit Krummes Holz komplett einzunehmen und zu begeistern. Die Zeitsprünge in der Erzählung sind allerdings oft nur schwer zu greifen und nicht auf Anhieb zu verstehen. Der Chronologie der Geschichte folgen zu können, hat das etwas geschadet.
Der melancholisch Unterton der Geschichte hat mich sofort - wie auf dem Buchrücken versprochen - in seinen Sog gezogen. Hab es sehr gerne gelesen und würde am liebsten gerade noch so viel mehr über die Protagonisten und deren Leben erfahren…
Neulich habe ich in einem Feuilleton-Artikel gelesen, dass Romane, deren Handlung in einer ländlichen Gegend bzw. der Provinz angesiedelt ist, derzeit einen Boom erfahren würden. Erzähler:innen hätten die Natur und die rurale Umgebung als Schauplatz wiederentdeckt. Das Stichwort Heimatroman ist seit jeher eher negativ behaftet, erlebt aber im Bereich der Belletristik eine intellektuelle Umwidmung. Die Probleme und Traumata, die ein Aufwachsen auf dem Land neben der räumlichen Weite, die es bietet, auch bedeuten können, sind dann oft Gegenstand solcher Romane. Auch Julja Linhof hat sich in ihrem Debütroman "Krummes Holz (benannt nach einem Zitat von Kant, das sie ihrem Buch voranstellt), an das Thema Land herangewagt.
Die Handlung spielt völlig im ländlichen Nordrhein-Westfalen. Zum erzählten Zeitraum später mehr. Es geht um den 19-jährigen Jirka (eigentlich Georg). Der Internatsschüler war seit fünf Jahren nicht auf dem elterlichen Hof, auf dem sein Vater Georg, die demente Großmutter Agnes und die Schwester Malene leben. Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Jirkas Familie wird vor allem Getreide angebaut, das Anbauen von Obst im großen Stil ist allerdings gescheitert. Neben Georg, Malene und - zumindest früher- wechselnden Saisonarbeitern, arbeitet auch der knapp zehn Jahre ältere Leander auf dem Hof, der Sohn des ehemaligen Verwalters. Was zwischen Jirka und Leander in der Vergangenheit vorgefallen ist, erfahren wir stückchenweise. Auch die jeweils mit großen Problemen und gegenseitigen Verletzungen behaftete Beziehung Jirkas zu seinen Familienmitgliedern wird nach und nach deutlich. Erzählt wird die Geschichte einzig aus der Perspektive Jirkas. Die Gegenwartshandlung wird unterbrochen von Flashbacks, in denen der Protagonist gedanklich die Vergangenheit heraufbeschwört. Es sind Dinge, Orte, Räume und die Umgebung rund um das elterliche Haus, die diese Erinnerungen jeweils triggern und zum Vorschein bringen. Zeit wird fluide und was gestern oder heute ist und war wird immer mehr zu einem Ganzen: “Ich starre in den offenen Kühlschrank, während Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen und eins werden.” (S. 203)
Was mich etwas stört, sind die nicht vorhandenen Zeitangaben bzw. der kryptische Umgang damit. Ich bin kein großer Fan davon, wenn man sich in Romanen als Leser*in mühsam erarbeiten muss, in welchem Jahr oder gar Jahrzehnt man sich befindet. Natürlich gibt es versteckte Hinweise im Setting, die auf die 1980er Jahre hindeuten: Walkman, Wählscheibentelefone, Neue Deutsche Welle im Radio, Zwanzigmarkscheine im Geldbeutel. Aber es wird nicht eine Jahreszahl direkt genannt. Die demente Großmutter wird einmal von Jirka gefragt, welches Jahr wir haben, aber sie antwortet nicht. Warum solche Infos, die den Lesenden zur Orientierung dienen würden, ausgelassen werden, verstehe ich nicht. Warum um den Zeitpunkt der Handlung so ein Geheimnis machen? Thematisiert wird, dass Jirkas Vater im Krieg war und damit die Generation der Kriegsheimkehrer, die ihre Traumata nicht aufarbeiten konnten oder durften und stattdessen ihre Familie tyrannisierten. Gegessen darf nur, solange der Hausherr isst. Solche Sachen, die heute jeder als Psychoterror erkennt.
Dass mit Jirka ein queerer Protagonist erzählt wird, ist ein großes Plus dieses Romans. Auch hier wäre es interessant gewesen, etwas näher auf die gesamtgesellschaftliche Situation der Zeit einzugehen, schließlich wurden homosexuelle Beziehungen auf dem Land vor 30,40 Jahren noch anders gelebt als heute.
Bildgewaltig ist dieser Roman, auch wenn die Metaphorik manchmal etwas über das Ziel hinausschießt, was bei einem Debütroman nicht unüblich ist. Die Atmosphäre auf dem Land zur Erntezeit im Sommer wird sehr schön wiedergegeben, auch die Spannungen unter den Charakteren werden anschaulich ausgearbeitet.
Das Buch hat einen spröden Charme, der sich für mich erst im letzten Drittel vollends entfalten konnte. Vor allem die Beziehung zwischen Jirka und Leander hat mir sehr gut gefallen, leider endet der Roman genau an dem Punkt, wo es interessant geworden wäre. Das Ende in Bezug auf Georg hat dem ganzen Roman einen leicht grotesk-unrealistischen Anstrich verliehen, den ich nicht unbedingt gebraucht hätte.
Im Ganzen hat mir die Geschichte aber etwas gegeben und ich kann sie allen empfehlen, denen die Themen queere Liebe, Heimkehr und Provinzsetting am Herzen liegen.
„Es ist ein drückend schwüler Sommer, in dem Jirka an den Hof seiner Eltern im Krummen Holz zurückkehrt. Mehrfach hat er die Bitte seiner älteren Schwester Malene ignoriert, ihr gegen den Vater beizustehen. Als Jirka jetzt auf dem heruntergewirtschafteten Gutshof eintrifft, scheint keiner mehr auf ihn zu warten. Vom Vater findet sich keine Spur, und von seiner dementen Großmutter und seiner unversöhnlichen Schwester schlägt ihm eine Wand des Schweigens entgegen. Nur einer spricht mit ihm – Leander, der Sohn des letzten Verwalters. Doch obwohl die Feindseligkeit seiner Schwester kaum auszuhalten ist, lässt sich mit Leanders Nähe noch schwerer umgehen. Zu intensiv sind die Erinnerungen, die sich mit jedem neuen Tag in den Vordergrund drängen. »Krummes Holz« erzählt mit flirrender Intensität von der Kraft eines Geschwisterbandes in einer glücklosen Kindheit und darüber, wie zwischen all den enttäuschten Hoffnungen die Liebe zu finden ist.“
„Krummes Holz“ ist der Debüt-Roman von Autorin Julja Linhof. Das Cover suggeriert es bereits ein wenig und in den Buchzeilen können wir es fast spüren: die Hitze und Schwüle eines Sommers weht einem hier entgegen. Aber nicht nur das. Hauptprotagonist Jirka nimmt uns mit in seine Heimatwelt. Der alte Gutshof ist nicht mehr das was er mal war. Die Jahre haben ihn mürbe gemacht. Oder lag es doch an den Menschen die dort leben und gelebt haben? Linhof zeichnet eine wirklich bildhafte Gestaltung diesbezüglich und ihre Schilderungen sind eindringlich. Man hat fast das Gefühl mit Jirka zusammen auf dem Hof zu stehen und die Grasballen rollen wie in einem alten Western durch die verlassene Geisterstadt. Das Aufeinandertreffen mit den deren Bewohnern bleibt ebenfalls geisterhaft. Durch Zeitenwechsel erfährt der Leser das Gestern und Heute des Hofs. Ich muss zugeben, diese waren nicht immer gleich erkennbar und einzuordnen und so fiel jeder Wechsel schwer. Zudem war es mühsam die Erkenntnisse zu sammeln und in die richtigen Bahnen zu bringen. Linhofs Schreibstil war einfach zu eckig und nicht unbedingt stimmig. Dafür ist ihr die Wortwahl recht treffend gelungen: ihre Beschreibungen, und wenn man dann die Zeit erkannt hat, waren bildhaft, realistisch, emotional und auf gewisse Weise fesselnd. Sie zeigt auf vielseitige Weise wie die Liebe aussehen kann. Sie hat unterschiedliche Farben und Formen und diese aber dann dabei zu erkennen, dass ist hier die Kunst.
Ich vergebe hierfür 3 gute Sterne da nicht alles rund und formvollendet war für meine Begriffe. Dennoch hat der Roman jede Menge Potential und ich bin neugierig was Julja Linhof als nächstes schreiben wird!
Vor fünf Jahren hatte man Jirka auf ein Internat abgeschoben. Er schwor sich, nie wieder auf den Hof zurückzukehren, ins krumme Holz - Vaters Hof in Südwestfalen. Diverse Male hatte ihn seine Schwester Malene um Unterstützung gebeten, ihn ermutigt, endlich nach Hause zu kommen, denn Vater Georg wollte den Hof verkaufen. Malene hätte zu gerne den Hof geerbt. Sie hatte eine landwirtschaftliche Lehre absolviert, doch das bedeutete noch lange nicht, dass der Vater ihr den Hof vermachen würde.
Dann fährt Jirka doch nach Hause - zu seiner Familie. Familie. Das Wort steht für emotionale Kälte. Für Unausgesprochenes. Für Gewalt. Kurz vor Mutters Tod zog die Großmutter ein. Kalt und hart war sie. Liebe konnte sie keine schenken. Arbeiten musste man - jeden Tag. Von dem Vater gab es mehr Schläge als Worte.
„Ich weiß sofort, dass es der Anruf gewesen sein muss. […] Ich springe vom Stuhl. Doch Georg packt mich im Genick, bevor ich loslaufen kann. Die Wucht, mit der er nach mir greift, wirft mich mit der Brust gegen den Tisch. […] Er hatte unrecht. Ich will schwimmen lernen. Ich hätte liebend gerne schwimmen gelernt, aber auch mit neun Jahren weiß ich schon, was Scham ist. Während die anderen Jungen sich in der Umkleidekabine ohne Umschweife die Kleider abstreifen, fühle ich mich wie gelähmt. In einer Badehose kann ich vor niemanden verstecken, was zu Hause passiert. Und nichts will ich lieber, als mich verstecken. Unsichtbar sein vor den Augen meiner Mitschüler". (S. 116)
Als Jirka dann auch noch feststellt, dass er sich zu seinem eigenen Geschlecht hingezogen fühlt, kann er mit der Scham kaum noch leben.
Es ist die Geschichte eines Geschwisterpaares, das ohne Liebe und Zuwendung aufwächst. Julja Linhof hat für ihr Debüt eine wunderschöne poetische Sprache gewählt, die fast im Widerspruch zu dieser bitteren, melancholischen Atmosphäre steht. Die Charaktere und die Landschaftsbeschreibungen sind so wunderschön und zart herausgearbeitet, dass ich fast das Gefühl hatte, mitten im Geschehen zu sein. Auch der Erzählstil ist besonders und gefiel mir sehr.
Fazit: Ein feines Debüt, das beim Lesen ein wenig schmerzt, aber absolut beeindruckend ist. Ich wünsche Julja Linhof eine große Leserschaft und hoffe, dass wir noch viel von ihr lesen werden. 4½/ 5
Auf dem Buchrücken spricht eine Rezension von Florian Valerius von einem „Sog, dem man sich nicht entziehen kann.“ - eine Eigenschaft des Romanes, die ich nur unterschreiben kann. Das Buch weckt schnell eine Neugierde im Lesenden, die er zu stillen sucht. Doch bis zuletzt wird diese nie erloschen. Das führt einem auch gleichzeitig zur Verzweiflung. Auch nach dem Beenden des Buches bleiben viele Fragen offen. „Krummes Holz“ kreiert einen Sog, dem mich sich auch lange nach dem Zuklappen des Buches nicht entziehen kann.
„Wenn man als Erwachsener an einen Ort zurückkehrt, an dem man zuletzt als Kind war, ist plötzlich alles zusammengeschrumpft und eng.“
Es ist Jirka, der nach über 5 Jahren zurück auf den Hof seiner Familie im „Krummen Holz“ kommt. Doch das Wiedersehen ist nicht herzlich, vielmehr bleibt die Stimmung zwischen ihm und seiner Schwester kühl und distanziert. Und dann gibt es noch Leander, den Sohn des ehemaligen Gutsverwalters, zu dem Jirka ebenfalls ein kompliziertes Verhältnis hat.
Schreiben kann Julja Linhof definitiv! Sie schafft mit ihren Worten ein kleines Kunstwerk, allerdings zu Leiden der Lesbarkeit. Die unzähligen Zeitsprünge sind nicht gekennzeichnet, von einem auf den nächsten Satz springt die Handlung auch schon mal um Jahrzehnte. Da sie vieles nur recht kryptisch erzählt, bleibt es oft nur beim Raten der Handlung.
Überhaupt konnte ich die Handlungen der Protagonisten, allen voran die des Ich-Erzählers selten nachvollziehen. Obwohl er uns an vielen Gedankengängen teilhaben lässt, bleiben sie dennoch diffus. So bleibt von der Geschichte mit viel Potential und der sprachlichen Finesse leider nicht viel übrig. Enttäuschend.
Fünf Jahre ist es her, dass er gegangen ist. Dass er den alten Gutshof hinter sich gelassen hat und mit ihm einen Teil von sich. Das Scheppern des Bestecks, wenn Georg wütend war; den Hall des Schusses, als er den Hund - hör auf, atme. Vor fünf Jahren ist Jirka aufs Internat gegangen, geflüchtet an einen Ort, an dem sein Inneres wieder zusammengewachsen konnte. Papa nannte er Georg damals schon nicht mehr, das Wort hatte für ihn jegliche Emotion verloren. Es tat weh, es auszusprechen; eh war er nie der richtige Sohn gewesen, wie seine Schwester Malene nicht die richtige Tochter war für dieses Erbe.
Die Hitze liegt schwer über den Feldern, als Jirka sein Elternhaus betritt. Die Stille ist ohrenbetäubend, seine Mutter schon lange tot. Niemand wartet auf ihn, niemand ist da, nur die Erinnerungen an seine Kindheit warten an jeder Ecke: die Gewalt seines Vaters, die Erniedrigungen seiner Schwester, die Bewegungslosigkeit seiner Mutter. Und: der Geruch von Zuhause, auch wenn es das schon lange nicht mehr war. Er war zurückgekommen wegen des Musterungsbescheids, über Wochen und Monate hatte er es aufgeschoben, hatte angerufen, doch das Klingeln ging ins Leere. Leer auch der Blick seiner Schwester, als er sie nach all den Jahren das erste Mal wiedersieht, wirsch und traurig; leer der Blick seiner Großmutter, gefangen in der Demenz. Vom Vater keine Spur, kein Wort. Nur Leander redet mit ihm. Leanders Vater Vilém war der letzte Verwalter des Gutshofs gewesen, da war Jirka noch klein, ein stolzer Mann, jedes seiner Worte warm wie ein Karamellbonbon. Bei ihnen fühlte er sich sicher und geliebt, all das, was er von seiner Familie nicht erfuhr. Aber mit Leander verbindet auch noch andere, intensivere Momente, die er lange verdrängte, aber nun mit jedem neuen Tag immer mehr zutage treten.
„Weißt du, Jirka, über den Tod sollte man nicht allzu lange weinen. Er ist das Einzige, was uns allen sicher ist, und daran ist nichts Schlimmes. Daran bemisst sich das Leben.“ (S. 67)
Es liegt eine eigentümliche Schwere auf den ersten Seiten des Debütromans von Julja Linhof, in Erwartung eines warmen Sommergewitters, das über das Krumme Holz hinwegbrechen soll. Und wärmend ist sie allemal, die Atmosphäre, die sie mit poetischen, betäubt-verträumten Bildern, durchbrochen nur von lakonischen Dialogen, erzeugt, und doch ist da eine gewisse Beklemmung, die von den Protagonist:innen ausgeht. Vom Körper erinnerte Angst, Schattenspiele dessen, was einst war: Erinnerungen an seine Kindheit diffundieren in Jirkas Gegenwart, ein Augenschlag, und sie verflüchtigen sich im Knarren des Gebälks. Schon früh bekommt man einen Eindruck davon, unter welchen Bedingungen die Familie auf dem Gutshof wohnte, welche Schmerzen sie einander zufügten, die Narben noch immer da. Alles fühlt sich seltsam nah an, jeder abschätzige Blick trifft auch mich, kühles Holz unter meinen Füßen, die Angst vor Gefühlen, vor dem jugendlichen Körper. Mitreißend beschreibt Linhof, wie sich die Dynamik zwischen den Geschwistern allmählich verändert, sie, um die Gunst der:s jeweils anderen buhlend, auseinanderbrachen, sich aber nun zaghaft anzunähern versuchen, und auch, einander wieder Familie zu sein, und diese Abschnitte haben mir wirklich gut gefallen. Doch ab dem letzten Drittel verlor mich die Geschichte. Vage Ahnungen manifestierten sich allmählich, überdrehten und brachen an der bis dahin so elektrischen Atmosphäre träge ab. Die Handlung verlief sich in eine etwas absurde, unglaubwürdige Richtung, was arg schade ist, waren die ersten zwei Drittel wirklich toll. Dennoch: ein starkes Debüt und große Freude auf mehr von Julja Linhof!
Der 19jährige Jirka (eigentlich Georg Schilling, wie sein Vater) kommt nach 5 Jahren Abwesenheit wieder auf den heruntergewirtschafteten Hof seiner Kindheit im Krummen Holz zurück, nachdem er mehrere Hilferufe seiner Schwester Malene ignoriert hat. Denn der Vater war nie gut zu den Kindern, zu ihr jetzt schon gar nicht, denn er ist der Meinung, dass sie nicht fähig ist, den Hof zu bewirtschaften, und ihn eher verkaufen will. Dann noch die griesgrämige Großmutter Agnes. Nur Leander, der nach dem Tod seines Vaters, des ehemaligen Verwalters, auf dem Hof geblieben ist, ist Malene eine Stütze.
Der Schreibstil ist in kurzen Sätzen verfasst, manchmal abgehakt. Das soll wohl den Charakter von Jirka rüberbringen, der seine Geschichte in ich-Form erzählt. Die Infos darüber, wann die Geschichte spielt und wie alt die Protagonisten sind, muss man sich während des Lesens hart erarbeiten. Die schwüle Hitze des Sommers und die Schwermut der Bewohner kommt sehr gut rüber. Jirka ist eine unerwünschter Gast, seit der die Bitten um Hilfe ignoriert hat, seine Schwester schweigt ihn feindselig an. Agnes ist mittlerweile dement, und Georg ist gar nicht da. Nur Leander spricht mit ihm. Es ist eine Geschichte über eine schwere arte Kindheit, über Familie, über das Erwachsenwerden, über die erste Liebe, die in den damaligen Zeiten noch nicht tolerant ist und über eine raue, aber schöne Natur, die den Bewohnern viel harte Arbeit abverlangt.
Ich bin nicht ganz zufrieden, es gibt keinen "Anfang" und kein "Ende", es ist nur ein kurzer Abschnitt aus dem Leben von Jirka, als er auf den Hof zurückkehrt, mit Rückblicken in die Vergangenheit und Kindheit, woraus sich sein Verhalten und sein Charakter erschließt, ebenso der seiner Schwester. Allerdings gab es von sooo vielen Dingen immer nur kurze Anspielungen, vieles wurde nicht offensichtlich gesagt, oder erst viel später, und das ist der Grundtenor des ganzen Buches. Passend zu den Charakteren der Familie Schilling; alle sind verschlossen und nicht einmal die Geschwister reden miteinander.
Leander konnte ich überhaupt nicht richtig greifen, er blieb für mich immer eher grau und ich konnte daher nicht nachvollziehen, was Jirka an ihm gefunden hat. Die Enthüllungen am Schluss waren für mich schon das ganze Buch über offensichtlich; und es gibt keinen für mich richtigen und befriedigenden Abschluss. Es hängt offen in der Luft sozusagen. Ich hätte gern noch gewusst, wie es mit den Dreien weitergeht; vor allem auch mit den Geschehnissen vom Schluss. Sowas kann im echten Leben nicht ohne Auswirkungen bleiben.
Fazit: Ein schwermütiger Coming-of-Age-Roman über's Erwachsenwerden und die ersten Liebesgefühle.
"Das ist das Internat, der Ort, an dem mein Inneres wieder zusammengewachsen ist. Krumm, und mittendrin ein riesiger Spalt. Aber lebensfähig."
Warum genau Georg, genannt Jilka, auf den Hof zurückkehrt, den er mit vierzehn Jahren verlassen hat? Vermutlich kann er selbst das nicht so genau sagen. Denn alles dort ist abweisend. Die Schwester, die ihm vorwirft, nicht rechtzeitig gekommen zu sein und ihn nicht durchfüttern will. Der Sohn des ehemaligen Gutsverwalters, der kühl und unnahbar ist - abgesehen von kurzen Augenblicken. Die an Demenz erkrankte Großmutter. Sogar die Erinnerungen, die sich immer wieder wie eine zweite Schicht über das Jetzt legen und Jilka an Tage voller Schmerz und Misshandlung erinnern. In flirrender Sommerhitze bleibt er dann aber doch Tag um Tag im "Krummen Holz", einem Ort, der außerhalb der Zeit zu liegen scheint. Langsam, ganz langsam, beginnt er sich mit dem auseinandersetzen, was ihn vom Hof hat fliehen lassen. Ob er heilen wird? Vermutlich nicht ganz. Aber möglicherweise kann Jilka sich am Ende zumindest weiterhin als lebensfähig bezeichnen.
Schon im Titel von Julja Linhofs Debüt "Krummes Holz" steckt viel Künstlerisches und Doppeldeutiges: Das Land, das Georgs Eltern gehört, trägt den Namen Krummes Holz. Im Interview geht die Autorin aber auch darauf ein, dass krummes Holz gebeutelt ist von Wind, Sturm und Regen, aber dennoch weiterleben kann. So ähnlich geht es auch den Figuren, die von ihrer Vergangenheit geprägt sind und dennoch weiterleben können. Der Titel ist ein gekonnter Vorgeschmack auf das, was den Leser im Roman erwartet. Ein großes Talent besitzt Julja Linhof für atmosphärische Beschreibungen. Die drückende Hitze der Julitage drängt zwischen den Seiten hindurch. Am liebsten möchte man sich mit Jilka auf die kalten Fließen vor der geöffneten Kühlschranktür legen. Gleichzeitig steckt in all dem Unausgesprochenem auf dem Hof etwas Bedrohliches, Lauerndes. Damit das funktioniert, bleiben viele Episoden im Dunkeln. Bis zum Schluss sind einige von Jilkas Kindheitserinnerungen eher vage. Lücken tun sich auf, die auch der Protagonist bemerkt: "Und ich denke an die Lücken. Die vielen Lücken, die sich nicht füllen lassen, egal wie sehr ich mich anstrenge." Julja Linhof gelingt es damit, ihre neunzehnjährige Hauptfigur in die Rolle eines Kindes zurückschlüpfen zu lassen. Jemand, der Dinge sieht, aber nicht versteht und sich bis heute keine Reim darauf machen kann, während alle anderen mehr zu wissen scheinen. Diese Lücken, das Unbehagen, das Rätseln und Raten machen den Sog von "Krummes Holz" aus. Ein Roman, der zurecht schon lange vor seinem Erscheinen als Leseempfehlung gehandelt worden ist.
Vor fünf Jahren hat Jirka den Hof im Krummen Holz verlassen, das Drängen seiner älteren Schwester Malene und vor Monaten die Bitte ihr gegen den Vater beizustehen ignoriert. Doch ausgerechnet jetzt, wo alles zu spät scheint, der Hof sehr heruntergekommen ist und seinen ehemaligen Glanz verloren hat, nur noch Leander, Malene und die demente Großmutter vor Ort sind, der Vater seit Tagen verschwunden... ausgerechnet jetzt kehrt Jirka zurück. Den 19-Jährigen erwartet eine Wand aus Schweigen, Enttäuschung, Feindseligkeit und Wut. Er fühlt sich als Fremdkörper in der einstigen Heimat und sieht erneut mit den Erinnerungen an seine Kindheit konfrontiert. Mit der Zeit gelangt viel Unausgesprochenes an die Oberfläche, doch ob es zwischen ihnen jemals so wie früher wird, er wieder geht oder bleibt und wie es mit ihnen und dem Hof weitergehen wird, steht noch lange in den Sternen...
"Malenes größte Angst war es, den Hof zu verlieren. Ich verstehe das erst jetzt. In der Rückschau. Und ich kann meine Angst darüberlegen und sie vergleichen. Ich hab richtig Muffe. Wenn ich gehe, dann werde ich für immer gehen. Der Hof ist mir dabei fast egal. Aber Malene, die ist so verwachsen mit diesem Ort, dass es auch zu ihr kein Zurück geben wird."
Was zunächst nach einer sehr intensiven Auseinandersetzung, einem etwas ländlich-karg-geprägten Roman klingt, der zwischen rauen Momenten, Szenen vom Leben auf einem Gutshof, Gedanken über die mit der Zeit/Abwesenheit entwickelte Veränderung und des Heimkommens tangiert, entwickelte sich für mich leider zu einer sehr fraglichen Geschichte. Ich möchte nun nicht zu viel verraten, aber hätte ich vorher gewusst, dass es hier nicht nur um das Durchbrechen des Schweigens und die erneute Annäherung zwischen den beiden Geschwistern geht und "Krummes Holz" von Julja Linhof teilweise eher in die Richtung Gayfantasy abdriftet, hätte ich wahrscheinlich nicht zu diesem Buch gegriffen. Auch das Schweigen und die Suche nach dem Vater haben es mir im weiteren Verlauf sehr schwer gemacht überhaupt eine Freude an diesem Roman zu entwickeln... vieles war mir zu bemüht, zu abwegig, zu viel angerissen und nicht wirklich ausgeführt. So konnte ich dann leider auch keinem der Protagonist*innen wirklich nahe gekommen oder begeisternd davon berichten. Es ist ein netter Roman zur Berieselung und Unterhaltung, aber sobald man selbst Fragen stellt, unter atmosphärisch mehr erwartet als Bäume im Wind, deren Brandung durchs geöffnete Autofenster schlägt oder der/die, wie ich, in Büchern nicht auf Eifersuchtsdramen steht, dem würde ich eher davon abraten.
" Krummes Holz" ist kein Wohlfühlbuch, darauf sollte man vorbereitet sein. Seine emotionale Wucht macht was mit dem Leser und es sind nicht viele positive Gefühle, die man beim Lesen bei sich entdeckt.
Georg, genannt Jirka, kommt nach 5 Jahren Abwesenheit, die er in einem Internat verbracht hat, auf den elterlichen Hof zurück. Dem Neunzehnjährigen begegnen Zerfall und Trostlosigkeit, als er sein Zuhause" wiedersieht. Der Hof ist verkommen, sein Vater abwesend. seine Großmutter dement und seine Schwester begegnet ihm mit Ignoranz und Ablehnung.
In Rückblicken erfährt der Leser nun von der Kindheit der Geschwister. die geprägt war von Lieblosigkeit und körperlicher Züchtigung. Die Mutter, depressiv, verstarb sehr früh, der Vater vom Krieg gezeichnet, ist zu keinen liebevollen Gefühlen fähig.Einzig an Leander, den Sohn des Verwalters und Spielkameraden, erinnert Jirka sich gern, doch auch Leander begegnet ihm distanziert. Das Verhältnis der Geschwister ist gezeichnet von Sprachlosigkeit, weil jeder in seiner Trauer und Ausweglosigkeit verharrt. Marlene fühlt sich von ihrem Bruder im Stich gelassen, hat sie doch dafür gesorgt, dass das Gut nicht vollends " vor die Hunde" gegangen ist, obwohl nicht sie, sondern Jirka als Hoferbe vorgesehen ist. Jirka hatte aber nie Interesse an dem Hof, da seine Ambitionen eher künstlerischer Natur sind. Er sieht für sich auch keinen Platz auf dem Hof.
Der Grundtenor des Buches ist mehr als melancholisch, ich würde ihn schon eher als depressiv bezeichnen. Die Autorin, die dieses Debüt geschrieben hat, gewährt dm Leser sehr tiefe Einb licke in die Gefühlswelt der Protagonisten, vor allem auch in Jirkas, der zudem mit seiner sexuellen Orientierung zu kämpfen hat. Ich habe in dem Buch wenig Entwicklung zum Positiven hin ausmachen können, es wurde kein Ausweg aufgezeigt, außer dass sich die Geschwister ein wenig angenähert haben und das hat mich schon ein wenig gestört. Verharren in Depression bedeutet Stillstand, ich hätte mir mehr das Aufzeigen von Zukunftsperspektiven gewünscht, so hat dieses Buch viel Traurigkeit und Trostlosigkeit transportiert. Auch die Auflösung um den Vater war mir zu kurz abgehandelt und auch etwas unrealstisch. Interessant war die psychologische Betrachtung bestimmter Themen, die mich dann bei der Stange gehalten haben und die sehr bildhafte Sprache dieses Romans.
Es ist ein drückend schwüler Sommer, in dem Jirka an den Hof seiner Eltern im Krummen Holz zurückkehrt. Mehrfach hat er die Bitte seiner älteren Schwester Malene ignoriert, ihr gegen den Vater beizustehen. Als Jirka jetzt auf dem heruntergewirtschafteten Gutshof eintrifft, scheint keiner mehr auf ihn zu warten. Vom Vater findet sich keine Spur, und von seiner dementen Großmutter und seiner unversöhnlichen Schwester schlägt ihm eine Wand des Schweigens entgegen. Nur einer spricht mit ihm – Leander, der Sohn des letzten Verwalters. Doch obwohl die Feindseligkeit seiner Schwester kaum auszuhalten ist, lässt sich mit Leanders Nähe noch schwerer umgehen. Zu intensiv sind die Erinnerungen, die sich mit jedem neuen Tag in den Vordergrund drängen. »Krummes Holz« erzählt mit flirrender Intensität von der Kraft eines Geschwisterbandes in einer glücklosen Kindheit und darüber, wie zwischen all den enttäuschten Hoffnungen die Liebe zu finden ist.
Die ganze Geschichte hat etwas sehr düsteres, schweres und melancholisches an sich was es dem Leser nicht leicht macht zugang zur Geschichte oder den Charakteren zu finden. Der Stil ist mit vielen kurzen Sätzen versehen aber teils auch bildgewaltig. Es gibt weder einen richtigen Anfang noch ein Ende der Geschichte, man bekommt als Leser eine kurze Zeitspanne mit und verschwindet dann wieder. So wurden die Charaktere nicht in die Geschichte eingeführt sondern man muss sich als Leser vieles selbst zusammen reimen. Dies machte es mir sehr schwer einen Zugang zu den Personen zu finden und sie blieben mir fremd und unnahbar.
Die Grundstimmung ist über das ganze Buch sehr düster und bedrückend es fällt schwer weiter zu lesen und einen Zugang zur Geschichte zu entwickeln auch weil es irgendwie wenig Handlung in der ganzen Geschichte gibt. Es geht um die raue aber schöne natur, um Demenz und schwere Arbeit, um Jugend und Liebe und um die schwere Kindheit. Alles Themen die einen als Leser fast etwas niederdrücken und vorallem weil es kein richtiges Ende gibt auch etwas unbefriedigt zurück lassen.
Fazit: Ein Buch das mir den Zugang sehr schwer gemacht hat und das sehr düster und bedrückend daher kommt.
Nach Jahren kehrt der mittlerweile 19jährige Jirka zurück auf den elterlichen Hof. Bald nach seiner Ankunft beobachtet er, wie aus einer Unterhaltung zwischen Malene, seiner Schwester und Leander, dem Sohn des ehemaligen Verwalters, Streit entbrennt. „Vielleicht ist das der Moment, in dem meine Schwester erfährt, dass Leander mich wenige Stunden zuvor auf der Straße aufgelesen hat.“ Denn keiner erwartet ihn, keiner heißt ihn willkommen. Im Gegenteil, ihm begegnen Kälte und Schweigen seitens seiner Schwester und seine demente Großmutter erkennt ihn nicht mehr. Lediglich Leander redet mit ihm. Hätte er nicht herkommen sollen?
Er liegt in seinem ehemaligen Zimmer auf einer schäbigen Matratze, starrt den brauen Wasserfleck an der Decke an und denkt an früher. Wie Georg, sein Vater, ihn nicht nur einmal im Hundezwinger eingesperrt und Vilém, der Verwalter, ihn immer wieder befreit hat. Er denkt auch an seine früh verstorbene Mutter. Es war eine lieblose Kindheit, eine trostlose Zeit und wie es aussieht, hat sich in dieser Familie nichts verändert.
Julja Linhof hat mit „Krummes Holz“ ihren Debütroman vorgelegt und wie sie selbst ausführt, muss aus einem krummen Holz nicht zwangsläufig ein krummes Leben werden. Die Kindheit prägt, das steht außer Frage und auch hier finden sich in den Figuren prägende Eigenheiten, die das weitere Leben beeinflussen, die tief im Inneren verborgen sind.
Nachdem ich mich an das Buch herangetastet und Seite um Seite gelesen habe, mochte sich kein Sog einstellen. Die Tristesse und Düsternis zieht sich durch Jirkas Geschichte, ich hab sie eher als eine episodische Aneinanderreihung empfunden, der Funke mochte nicht überspringen. Es ist wie ein Aufarbeiten der lieblosen Kindheit und ein sich jetzt Hineindrängen in das Leben der Schwester, die nichts von ihm wissen will, denn der Hof ist ihr Zuhause. Man könnte es durchaus als Familiendrama bezeichnen, das von der Gegenwart immer wieder in die Vergangenheit führt mit einem Ende, das sich schon früh ankündigt, das mich aber dennoch nicht gerade versöhnlich zurücklässt.
Zum Inhalt: Jirka kehrt nach fünf Jahren zurück auf den Hof seines Vaters. Die Erinnerungen an seine Kindheit sind alles andere als liebevoll. Kaum eingetroffen, entdeckt er seine Großmutter Agnes, die an Demenz erkrankt ist. Seine Schwester Malene ist unterwegs und von seinem Vater fehlt jede Spur… nur der Sohn vom verstorbenen Verwalter Leander kann Jirka Auskunft geben. Kurze Zeit später taucht Malene auf und sie schweigt, hat Jirka schon vor Monaten gebeten nach Hause zu kommen, ihn nach Hilfe gefragt, denn Malene möchte den Hof übernehmen, doch der Vater möchte das nicht. Und somit herrscht zwischen den beiden Stille. Jirka verbringt seine Tage mit Nichtstun, bis Leander ihm klar macht, dass er entweder anpacken, oder gehen muss. Doch als die beiden mehr und mehr Zeit miteinander verbringen kommen Erinnerungen wieder hoch, die Jirka am liebsten vergessen hätte.
Mein Fazit: Furchtbar muss die Kindheit von Jirka und Malene gewesen sein. Der Vater ist aggressiv, löst Probleme nicht mit Worten, sondern mit Gewalt. Die Mutter verlieren die beiden Kinder früh. Nun ist Jirka zurück, aber warum? Ja, warum eigentlich? Reden hilft! Würde ich sagen. Dass es sich in diesem Buch nicht nur um eine tragische Familiengeschichte handelt, war mir zu Beginn nicht klar. Es handelt zum Großteil von einer Dreiecksbeziehung und Missbrauch, was die Kurzbeschreibung überhaupt nicht andeutet. Das Buch spielt sehr wahrscheinlich in den 60ern, die Nachkriegszeit ist noch sehr präsent. Es ist ein drückender Sommer, das Schweigen, die Hitze, die ganze Atmosphäre kam sehr gut rüber. Der Anfang des Buches ist ziemlich stark und hat geradezu eine Sogwirkung bei mir ausgelöst, doch ab circa der Hälfte hat es mich verloren. Die Stille und die wenige Aufklärung der Situationen sind mir zu langatmig gewesen. Bis kurz vorm Ende, da wurde es nochmal spannend. Das Buch springt zwischen Gegenwart und Vergangenheit ohne Absätze, ohne neue Kapitel, das hat mich total verwirrt. Atmosphärisch gut, aber langatmig. Von mir gibt es 🧑🌾🧑🌾🧑🌾 von fünf 🧑🌾!
Jirka kehrt auf den Hof zurück, wo er die ersten 14 Jahre seines Lebens verbracht hat. Der Ort, der eigentlich Heimat bedeutet, hält für ihn nur schlechte Erinnerung und Schmerz bereit. Diese hat er tief in sich vergraben, doch jetzt drücken sie sich an die Oberfläche. Während er versuch, die Beziehung zu seiner Schwester Malene zu kitten; herauszufinden, wo sein verschwundener Vater ist und wie er zu Familienfreund Leander steht, muss er immer wieder mit der Vergangenheit kämpfen, die hier übermächtig ist. Auf „Krummes Holz“ von Julja Linhof freute ich mich schon lange. Ich habe verfolgt, wie die ersten Stimmen es gelobt haben und immer öfter das wunderschöne Cover aufgetaucht ist. Ich habe diesem Roman entgegengefiebert und wurde nicht enttäuscht. Der Ich-Erzähler Jirka ist so nah, erzählt so ungefiltert, dass man sich seinen Emotionen nicht entziehen kann. Mit wenigen, gezielten Worten lässt Julja Linhof Szenarien entstehen, deutet manchmal auch nur an und doch gingen es mir so nah, dass ich das Buch öfter mal zur Seite legen musste. Der Hof, der eine eigene Welt ist, abgeschottet vom Außen, zeigt Jirka immer wieder Grenzen auf, die er glaubte, überwunden zu haben. Hinter jeder Ecke, in jedem Schatten lauert die Vergangenheit, um ihn umzuwerfen und unter sich zu begraben. „Krummes Holz“ ist ein beeindruckendes Debüt. Sprachlich ist es gewaltig. Würde ich in meinen Büchern Anstreichungen machen, wäre jeder zweite Satz markiert und gerade die Sprache, die gefüllt ist mit Bildern, macht diesen Roman so schmerzhaft und herausfordernd. Ich konnte mich dem nicht entziehen. Nach jedem Zuklappen hallte es noch nach. Wer einen Feelgoodroman erwartet, ist hier falsch. „Krummes Holz“ ist keine leichte Kost, kein Roman für zwischendurch. Man muss sich darauf einlassen und ich werde es definitiv ein zweites Mal lesen. Julja Linhofs Debüt zählt bereits jetzt zu meinen Jahreshighlights.
Bei "Krummes Holz" hatte mich irgendwie alles gereizt - vom Cover, dem Titel als auch dem Klappentext. Eine erste Leseprobe hatte mich dann restlos überzeugt, dass ich dieses Buch einfach lesen muss.
Zum Inhalt: Jirka ist 14 Jahre alt, als er weggeschickt wird. Nun ist er 5 Jahre älter und kehrt zurück auf den elterlichen Hof, den seine Schwester inzwischen übernommen hat. Eine Woge der Erinnerungen übermannt ihn schon auf den ersten Metern zu seinem ehemaligen Zuhause und im Grunde weiß er nicht, warum er überhaupt zurück kehrt.
Fazit: Jetzt, nachdem ich die letzten Kapitel in einem Atemzug gelesen habe, bestätigt sich der erste Eindruck: Es ist kein Buch, das ich einfach so lesen konnte, während ich frühstücke, während ich in der S-Bahn fahre oder während neben mir noch irgendeine andere Ablenkung um Aufmerksamkeit buhlt. Oft hatte ich das Gefühl, dass ich vor allem zwischen den Zeilen lesen musste und dass das Ungesagte mehr Gewicht hatte als das Gesagte. Die Welt, in die Jirka nach fünfjähriger Abwesenheit zurückkehrt scheint vor allem dadurch geprägt zu sein, dass niemand über Gefühle reden kann. Mein Buch ist voller Post-its, da ich die wortgewaltige Sprache, das Spiel zwischen bloßen Andeutungen und brachialen Gefühlsausbrüchen einfach großartig fand. Generell hat mir vor allem die Sprache sehr gut gefallen. Anbei zwei Zitate, die mir im Kopf geblieben sind:
"Die Zeichnungen an den Wänden entblößen einmal mehr, was ich versuche, vor ihm zu verbergen. Ein Teil von mir wünscht sich, dass er es erkennt. Dass ich nichts mehr sagen muss. "(S. 233)
"Ich suche Auswege. Irre in Gedanken durch ein Geflecht aus Möglichkeiten, die keine sind." (S. 162) Auf alle Fälle wird dieses Buch zu meinen Jahreshighlights gehören und der Name der Autorin Julja Linhof auf meine Liste der Schreibenden, die ich im Auge behalten werde.
Als Jirka auf den elterlichen Hof zurückkehrt, hat sich viel verändert: der brutale Vater ist nicht da, die große Schwester, die den Hof über Wasser hält, reagiert abweisend und die einst strenge Großmutter ist dement. Mit jedem Schritt, den Jirka auf dem Hof macht, erinnert er sich an die Vergangenheit - wie es war, von seinem Vater drangsaliert zu werden, ohne Mutter aufzuwachsen, mit einer Schwester die es nicht schaffte ihm beizustehen. Einziger Lichtblick war und ist Leander, zu dem es Jirka seit jeher hingezogen hat. Obwohl die verschwommenen und oft nur angerissenen Details die dramatische Geschichte einer zerrütteten Familie erzählen, konnte mich das Buch überhaupt nicht packen. Das lag vor allem an der Erzählweise, die ohne Vorwarnung von der Gegenwart in die Vergangenheit rutschte und die Grenzen verschwimmen liess. Was war und was ist? Über viele kleine Dinge und Erinnerungsfetzen hangelt sich die Handlung von einem Moment zum anderen, und obwohl sich nach und nach das ganze Elend enthüllt hatte ich das Gefühl das Geschehen stagniert genauso wie die flirrende Hitze, die über dem Hof liegt. Wo ich hätte mitfiebern sollen, wie die Geschichte ausgeht, wo der Vater geblieben ist, was aus Jirka, Malene und dem Hof werden soll, konnte ich letztlich nur Gleichgültigkeit aufbringen, die immerhin zu Jirkas Lethargie passte. Das vorhersehbare Ende konnte dann auch lediglich den naiven und ahnungslosen Jirka überraschen - mir selbst erschien es geradezu harmlos, fast schon enttäuschend. Fazit: hinter der schleppenden Erzählung verbirgt sich zwar ein geballtes Familiendrama, dessen langatmige Enthüllung konnte mich jedoch nicht abholen. Für mich entpuppte sich das Buch daher leider als Fehlgriff.
Baumkronenschüchternheit In einem drückend schwülen Sommer kehrt Jirka nach einigen Jahren Abwesenheit auf den heruntergewirtschafteten Gutshof seines Vaters zurück. Der Vater scheint unauffindbar, die demente Großmutter und Jirkas unversöhnliche Schwester schweigen. Nur Leander, der Sohn des letzten Verwalters, spricht mit ihm. Das Geschwisterband ist nach der glücklosen Kindheit aber noch vorhanden und täglich kommen Jirka neue Erinnerungen ins Bewusstsein. Schon am Cover ist die flirrende Sommerhitze über einem Feld spürbar. Die Kapitel sind kurz, die Sprache bildhaft. Ich-Erzähler Jirka berichtet im Präsens vom Heimkommen auf den heruntergekommenen Hof. Diese Gegenwartserzählung bildet aber nur den Rahmen für die Geschichte dahinter. Der Hauptteil des Buchs besteht aus der Gedankenwelt des Protagonisten, vieles wird nur angedeutet und bleibt über weite Strecken geheimnisvoll; immer wieder denkt er an Szenen seiner Kindheit, die er zusammen mit seinem einstigen Zuhause aus seinem Leben ausgesperrt zu haben scheint. Dadurch entstehen laufend Zeitsprünge, denen man aber erstaunlich gut folgen kann. Sprachlich ist das Buch dadurch herausragend. Die Autorin vermittelt in ihrem Debütroman auf beklemmende Weise nicht nur die drückende Atmosphäre des trockenen Sommers, sondern vor allem die Erlebnisse der trostlosen Kindheit des Protagonisten, mit einem brutalen Vater und einer gefühlskalten Großmutter. Durch die einseitige Sicht des Ich-Erzählers fehlen aber Einblicke in die anderen Charaktere und die Personen sind schwer greifbar; vieles bleibt in der Schwebe und etliche Etappen wiederholen sich unnötigerweise, was vor allem ab der Mitte des Buchs recht spürbar wird.
Jirka kehrt nach 5 Jahren im Internat wieder zurück in seine Heimat und trifft dort auf seine ältere Schwester Malene, seine inzwischen demente Großmutter Agnes und Leander, den Sohn des verstorbenen Verwalters des Guts der Familie Jirkas. Seine Mutter ist schon lange tot, von seinem Vater fehlt jedoch jede Spur seit seiner Rückkehr und die Familie hüllt sich in Schweigen. Was ist passiert?
Die Antwort kommt, aber sie kommt spät und gefiel mir persönlich nicht so als Lösung. Im Chaos des 2. Weltkriegs hätte ich das noch für realistisch und akzeptabel gefunden, aber nicht mehr in der Nachkriegszeit, wo ich schätze, der Roman stattfindet. Einen exakten Rahmen gibt der Roman nicht an, aber durch die Erzählungen kann man das gut in die 70er einordnen. Abgesehen von der Kritik hätte Linhof auch die beiden Erzählstränge etwas deutlicher kennzeichnen können, sodass man sich besser in der Chronologie hätte einfinden können.
Im Roman durchweg passiert ansonsten recht wenig außer, dass Jirka stets von seinen Handlungen im Haus erzählt, in denen sein Innerstes durchkommt. Das wirkt ständig von Flashbacks durchbrochen, sodass wir auch einen guten Einblick in seine Kindheit und Jugend bekommen, die vollgepackt mit Wut und Tragik ist. Die Familie ist kaputt, von Liebe hat sie noch nie gehört. Sie lässt einen nicht zu Wort kommen. Angst ist ein ständiger Gast im Haus. Die Hand spricht öfter als der Mund. Durch die Sprachlosigkeit der Familienmitglieder wird man als Leser selbst sprachlos. Ein sehr schwer zu verdauendes Thema. Der Roman ist sehr aufwühlend zu lesen, aber gleichzeitig bedeutend, um die Lage der Kriegsüberlebenden nachvollziehen und verstehen zu können.
„Krummes Holz“ ist ein sehr trauriger und melancholischer Roman, der mich durch seine klare Erzählweise in den Bann gezogen hat. Jirka ist 14 Jahre alt, als ihn sein Vater auf ein Internat verbannt. Ihm zieht es den Boden unter den Füßen weg und er fühlt, dass er keine Familie mehr hat. Mit 19 Jahren kommt er auf den elterlichen Hof zurück, weil seine Schwester Malene schon vor Monaten um Unterstützung gebeten hat. Der ehemals größte Gutshof der Gegend ist abgewirtschaftet, die Gespräche mit seiner Schwester sind schwierig, sein Vater ist irgendwie verschwunden, die Mutter ist schon vor langer Zeit verstorben, seine Großmutter ist dement, nur der Nachbar Leander ist hilfsbereit. Jirka ist traurig. „Erst jetzt merke ich, dass ich gehofft hatte, hier etwas zu finden. Einen Sinn vielleicht. Vielleicht nur Trost. Oder ein Zuhause.“ (S. 83) Nach und nach kommen immer mehr traurige Bilder, Gewaltakte, Flüchtlingsseelen und Traumata zutage. Jirkas Familie ist nach dem Krieg ins Sauerland geflüchtet und es wird wenig geredet. Dafür herrscht eine stumme Härte. Seine Schwester Malena wehrt sich und wird selber härter und stummer. Jirka hingegen wird immer sensibler. Das Schicksal der Eltern spiegelt sich im Leben der Kinder wider. Durch die bildhafte und kraftvolle Sprache bekommt man Einblicke in Jirkas Gefühlswelt und wird in einen emotionalen Strudel gezogen. Ein sehr lesenswerter Roman und eine intensive Gefühlserfahrung. ⭐⭐⭐⭐⭐
(Danke an den Klett-Cotta Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.)
Ein intensiver, einfühlsamer Schreibstil Das Cover zeigt eine sommerliche, leicht verdorrte Graslandschaft mit Weitblick und farbig bewölktem Himmel – insgesamt deutet kein Hinweis auf diesen Buchtitel hin. Wie in einem Interview mit der Autorin erwähnt, hilft hier vielleicht das Zitat von Immanuel Kant: »Aus so krummem Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades gezimmert werden.« Deuten könnte man diese Worte mit Schwarzer Pädagogik, mit lieblosen Erziehungsmethoden verbunden mit Strafen, Kontrolle, Gewalt, Demütigungen oder Einschüchterungen während einer verwundbaren Kindheit wie hier bei Jirka, seiner 4 Jahre älteren Schwester Malene und Leander, dem Sohn des letzten Verwalters. Thematisiert werden Traumata besonders bei Jirka, die sich allmählich gegenüber Leander verwandeln in zaghafte Zuneigung – empfindsam und nachvollziehbar beschrieben. Gefühle von Angst und Begehren, aber auch Leere und Ziellosigkeit in immer noch lieblos geprägter Umgebung herrschen vor. Harkemei, ein Erntedank-Brauch stellenweise noch z.B. in Westfalen gefeiert, lassen auf den traditionellen, bäuerlichen Hintergrund schließen. Mit der erwähnten Psychiatrie-Enquete, fertiggestellt im September 1975, werden den Buchfiguren der Mutter und der von Lottchen nur kurz beleuchtet. Während die Rolle der jetzt dementen Agnes breit beschrieben ist, wird der hartgesottene Vater aus dem Leben aller mehr als verdrängt. Die Hoffnung auf Verständnis, Gehör oder Hilfe bereits lange aufgegeben, vereint die Geschwister in ihrer Not und Einsamkeit – sehr gut heraus gearbeitet.
"Es ist wirklich so, wie ich mal gelesen habe: Wenn man als Erwachsener an einen Ort zurückkehrt, an dem man zuletzt als Kind war, ist plötzlich alles zusammengeschrumpft und eng. Nur die Bäume, denke ich und lehne die Stirn gegen die Autoscheibe, die sind gewachsen."
"Krummes Holz" von Julja Linhof ist die Geschichte eines jungen Mannes, der vor seiner Vergangenheit flüchtet und gleichzeitig spürt, dass er sich ihr stellen muss, um erwachsen zu werden. Nach vier Jahren, die er in einem Internat verbracht hat, nimmt Georg einen Brief vom Bund zum Anlass, auf den elterlichen Hof zurückzukehren. Niemand scheint jedoch glücklich über seine Rückkehr. Nicht seine Schwester, nicht seine Oma und sein Vater scheint verreist zu sein. Nur Leander, der Sohn des ehemaligen Verwalters verhält sich ihm gegenüber nicht nur abweisend.
"Am Himmel über dem Hof räkeln sich schiefergraue Quellwolken, die die Sonne abschirmen."
Mit einer weichen, einfühlsamen Sprache gelingt es Julja Linhof beim Gelesen-Werden Bilder zu erzeugen. Sanft und unaufdringlich schreibt sie von Liebe und Sehnsucht, von Scham und der Unfähigkeit, den eigenen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, bin ich schließlich doch in die Geschichte eingetaucht und wollte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen. Es hat Stärken und Schwächen – manchmal wirkt die Geschichte ein wenig konstruiert – aber besonders die Beschreibung und Entwicklung der Gefühlswelten der einzelnen Figuren, macht den Debütroman "Krummes Holz" zu einem Lesehighlight.
Der 19jährige Georg, den alle nur Jirka nennen, kehrt nach 5 Jahren im Internat zurück auf den Hof seiner Kindheit. Diese ist für ihn nicht mit besten Erinnerungen verbunden, das Verhältnis zu seiner Schwester ist angespannt seitdem sie ihn um Hilfe gebeten hat und er ihr diese verwehrt hat. Auch von der dementen Großmutter schlägt ihm nur Schweigen entgegen. Das Verhältnis zu seinem Vater war immer schwierig, vor allem seitdem Jirka klargemacht hat dass er nicht vorhat den Hof weiter zu führen.
Und dann ist da noch Leander, den Jirka vielleicht etwas mehr mag als er sich selbst eingestehen möchte und weshalb er sich schlecht und schuldig fühlt.
Julja Linhof erzählt in Krummes Holz von der Suche dreier Menschen nach ihrem Platz im Leben und davon, wie sehr eine wenig liebevolle, kalte Kindheit sie geprägt hat und bis in die Gegenwart beeinflusst. All das tut sie mit zarter, poetischer Sprache, kreiert Bilder im Kopf die mir das Gefühl gaben mit auf dem Hof dabei zu sein. Der weiche Schreibstil steht dabei fast im Gegensatz zum Inhalt des Buches, zur harten und unschönen Vergangenheit der Protagonist*innen und zur rauen Stimmung am Hof.
Was mich beim Lesen verwirrt hat waren die unterschiedlichen Zeitebenen deren Wechsel nicht gekennzeichnet waren und was mich mehr als einmal aus dem Lesefluss gebracht hat.
Trotzdem mochte ich das langsame Voranschreiten der Handlung und wie immer mehr Geschehnisse der Vergangenheit offen gelegt wurden.
Ein starkes Debüt das vor allem sprachlich überzeugt.