Wir müssen zuhören, um zu begreifen. Und wir müssen uns die richtigen Fragen stellen und verstehen, was uns Angst macht. Dabei klar und sachlich aufklären und argumentieren. Das alles tut dieses Buch, das mit Dagmar Pauli eine Psychiaterin verfasst hat, an deren Klinik bereits vor 15 Jahren eine regelmäßige trans-Sprechstunde eingeführt wurde.
Die aktuelle und von den Medien aufgeputschte Debatte über die Rechte von trans Menschen wird polemisch geführt und geht an den eigentlichen Fragen vorbei: Wie können wir Menschen mit diversen Geschlechtern und Geschlechtsidentitäten ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen? Wie können wir junge Menschen sorgfältig auf dem Weg begleiten, ihre eigene Identität zu finden und zu leben? Was ist überhaupt das Geschlecht und wie wird es definiert? Und was ist Nicht-Binarität – gibt es das nur in einer binären Welt? Können Menschen und wenn ja ab welchem Alter selbst über ihr Geschlecht entscheiden? Das Buch greift diese Fragen auf und sucht zusammen mit jungen und diversen Menschen nach Antworten. Es ist ein Buch, das der jungen Generation eine Stimme geben und der älteren Generation helfen soll, diese anzuhören – ein Beispiel für den notwendigen Dialog, der Veränderungen möglich macht.
Dagmar Pauli ist Kinder- & Jugendpsychiaterin in der Schweiz und behandelt u.a. trans* und nicht binäre Menschen im Kindes-/Jugendalter. In ihrem sehr zugänglichen und leicht verständlichen Buch setzt sie sich mit der aktuellen Debatte um geschlechtliche Selbstbestimmung auseinander, erklärt aus (natur)wissenschaftlicher Sicht Geschlecht, Geschlechtsidentität, -empfinden, -inkongruenz, Körperdisphorie usw. Sie lässt außerdem zahlreiche trans* Personen selbst zu Wort kommen und auch Menschen, die detransitioniert sind. Dagmar Pauli räumt mit den ganzen Mythen (und transfeindlichen Lügen) auf, die den öffentlichen Diskurs dominieren und schafft Verständnis bei denen, die bislang keinen oder nur wenig Zugang zu dem Thema gefunden haben. Ich würde mich freuen, wenn insbesondere Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben (in welcher Form auch immer) das Buch lesen. Aber ich empfehle es darüber hinaus überhaupt allen, die sich für geschlechtliche Vielfalt interessieren und über Own-Voices-Literatur hinaus in den Diskurs einsteigen wollen.
Besonders gut gefallen hat mir der grundlegend interessierte und aufgeschlossene Ton des Buchs, ich habe die Autorin als eine empathische und neugierige Suchende empfunden, die nicht so tut, als hätte sie die Wahrheit gepachtet. Es wird immer wieder deutlich, dass trans* Realitäten vielfältig sind und dass unser Wissen heute nicht das Ende aller Erkenntnis bildet. Ich habe nicht an jedem Punkt enthusiastisch zugestimmt beim Lesen und die ein oder andere Wortwahl fand ich nicht gut (wenige Stellen, u.a. zu Marsha P. Johnson, wo an einer Stelle rassistische Sprache reproduziert wird), aber alles in allem hatte ich durchgehend das Gefühl, dass Dagmar Pauli eine engagierte Streiterin für die Rechte und die Würde aller Menschen einsteht, unabhängig von deren Geschlecht.
Das Buch ist zugänglich geschrieben, wissenschaftlich fundiert und unglaublich wichtig. Dagmar Pauli ist eine wichtige Stimme für trans* Kinder und Jugendliche und widerlegt in diesem Buch gekonnt und faktenbasiert Panikmache zum raschen Anstieg der Fallzahlen in Gender-Sprechstunden, etc. Sie bezieht strukturelle Gegebenheiten und Diskriminierungen ein und zeigt gleichzeitig sehr individuelle Positionen auf, indem sie trans* Jugendliche selbst zu Wort kommen lässt. Das Buch ist vor allem für Menschen, die sich noch nicht so intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben und sollte Pflichtlektüre sein für all diejenigen, die potentiell mit trans* Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen. Da ich schon recht gut zu dem Thema informiert bin, war für mich nicht so vieles neu, aber es hat mir doch an einigen Stellen nochmal mit Daten und Argumenten weitergeholfen. An einigen Stellen hätte ich mir dennoch kritischere Haltung und einen differenzierteren Ausdruck gewünscht - ein Sensitivity Reading wär super gewesen. Das sind aber eher Kleinigkeiten, die mich stören. Insgesamt ist Dagmar Paulis Haltung affirmierend und einfach stabil!
Dagmar Pauli ist Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Dort betreut sie seit vielen Jahren trans* und nicht-binäre Kinder und Jugendliche. Sie bietet mit diesem Buch einen unaufgeregt sachlichen und gleichzeitig offenen und verständigenden Beitrag für die gesellschaftlich viel zu aufgeheizte und ideologisch geführte Debatte um die Rechte von trans* Menschen. Sie beschreibt in dem Buch wie sie durch ihre Arbeit und die Geschichten ihrer Patient*innen zu einem affirmativen Ansatz in der trans* Beratung gekommen ist und legt dar warum dieser so wichtig ist. Sachlich entlarvt sie dabei ideologisch aufgeladene Scheindebatten welche insbesondere von konservativen Kräften geführt werden und die zwar vom Wohl der Kinder- und Jugendlichen sprechen, aber das genaue Gegenteil bezwecken.
Mir gefällt der naturwissenschaftliche und evidenzbasierte Ansatz ihrer Argumentationen, bei dem sie es schafft stets in einem respektvollen Ton zu erzählen. Darüber hinaus lässt sie an vielen Stellen einige ihrer Patient*innen zu Wort kommen und bereichert somit dieses Buch ungemein. Ebenfalls gefallen hat mir der (recht kurze) Exkurs in die Geschichte von trans* Menschen in verschiedenen Kulturen, welcher aufzeigt, dass unsere „moderne“ westliche Sicht auf trans* Menschen und Geschlechter im allgemeinen alles andere als modern ist.
Ich bin unendlich dankbar, dass Dagmar Pauli eine Einordnung für die angebliche Häufung von trans* männlichen Jugendlichen liefert und diese Argumentation als das entlarvt was sie ist: ein transfeindliches Narrativ. Insgesamt widmet Sie ein ganzes Kapitel im Buch der Auseinandersetzung mit den Positionen von transfeindlichen Kräften in unserer Gesellschaft und bemüht sich um eine sachliche Einordnung von berechtigten Bedenken und grenzt sich dabei gleichzeitig eindeutig gegenüber z.B. transfeindlichen Radikalfeminist*innen wie Alice Schwarzer ab.
An einigen Stellen hätte ich mir einen etwas sensibleren Umgang mit der Sprache oder gewählten Formulierungen gewünscht. Hier mag der naturwissenschaftliche Background von Pauli sichtbar werden. Trotz kleinerer sprachlicher Mängel transportiert sie aber jederzeit ihr uneingeschränktes Verständnis und ihre Unterstützung für die Situation von trans* Menschen. Weiterhin hätte ich mir persönlich einen tieferen Einstieg in das Thema der nicht-binären Geschlechtsidentitäten gewünscht. Dagmar Pauli betont zwar immer wieder, dass Geschlecht als dimensional zu begreifen ist und benennt auch teilweise die spezifischen Herausforderungen von nicht-binären Menschen, bleibt dabei aber eher oberflächlich.
Zuletzt möchte ich erwähnen, dass sich das Buch für ein Sachbuch überaus gut lesen lässt und sehr verständlich geschrieben ist.
Hat mir sehr gut gefallen. Bei Sachbüchern tue ich mich manchmal etwas schwer, Motivation zum weiterlesen zu finden aber bei diesem hat es sich definitv gelohnt. Sehr informativ und umfasst viele verschiedene Aspekte des trans*seins.
ich bin immer auf der suche nach guten einführungsbüchern, um beispielsweise meinen eltern queere themen näherzubringen. ich suche seit längerem nach einem buch, welches einen guten einstieg im das thema non-binärität/nicht-binarität bietet. dieses kann ich leider absolut nicht empfehlen. die schreibende person bietet therapie für unter anderem non-binäre personen an. mir scheint es so als wenn es aber kein proof-/sensitivity reading durch betroffene personen gab. ein auszug an themen, die mir negativ aufgefallen sind:
.umgang mit dem thema geschlecht ungewöhnlich finde ich, dass eine unterteilung gemacht wird in körperliches und psychologisches geschlecht.
was genau körperliches geschlecht ausmacht, bleibt schwammig.
dass aber auch körperliche merkmale über eine zuweisung ein identitätsstiftendes merkmal erhalten, wird hier nicht tiefergehend durchleuchtet (es wird gesagt: xx sind weibliche chromosomen und xy sind männliche chromosomen, anstelle zu sagen: es gibt personen mit chromosomensatz xx oder xy).
genauso werden im text penis und vulva klar zugeordnet als männliches und weibliches genital. eine dekonstruktion, dass es sich zunächst um marterie handelt, der dann im nächsten schritt eine geschlechtliche logik aufgesetzt wird, erfolgt leider nicht.
von non-binären personen wird oft gesprochen, als personen, die ‘zwischen den geschlechtern’ stehen; es mag sein, dass es personen gibt, die das so für sich formulieren. aber es gibt auch personen, die sich außerhalb eines binärs definieren, außerhalb geschlechtlicher logiken,…
.entgendern (es wird der : auf grund angeblicher barrierearmut genutzt, ein zeichen, das explizit nicht aus der community entstanden ist und auch von verbänden aus barrieregrúnden nicht empfohlen wird).
.vielerlei formulierungen, die othernde denkmuster reproduzieren. ein beispiel, es geht um pronomen: “[…] cis identität (in der alle begriffe und pronomen passen).” -> dies suggeriert, dass bei trans personen pronomen und begriffe (welche sollen das sein?) nicht passen. die frage ist hier für wen? für betroffene personen? oder für fremde personen?
weiterer auszug: anstelle zu empfehlen, generell personen nach pronomen und anrede zu fragen, wird vorgeschlagen, dies bei trans und/oder nicht-binären personen zu tun. ich frage mich, woher menschen denn wissen soll, dass eine person trans und/oder nicht-binär ist; ansehen kann ich es der person ja nicht.
recherchen sind mitunter nicht vollständig. in deutschland wird auf den geschlechtseintrag divers verwiesen, dass es aber bereits eine option ‘keine angabe’ gab davor, wird nicht mitgeteilt.
Mit Genuss gelesen und viel Neues gelernt. Ein wichtiges Buch, das fundiert und vor dem Hintergrund langjähriger Erfahrung gut und offen und verständnissuchend informiert. Ein superspannendes, ehrliches und insgesamt doch ansprechend geschriebenes Sachbuch; auch wenn die Sprache auf mich manches Mal holprig wirkte. Die Autorin ist keine Lyrikerin, sondern kommt direkt aus Forschung, Beratung und Therapie.
Es ist auch nicht selbstverständlich, dass eine schreibende Person offen über Dinge spricht, die sie selbst - und oft auch wir alle - bisher nicht weiss/wissen (e.g. noch verlässlichere Statistik). Oder die wir auch nie abschliessend wissen können, sondern einfach den Umgang miteinander anschauen und klären müssen. Ein "ruhiges" Buch ausserdem, das in der heutigen, sehr anstrengenden und aufgeladenen Diskussion alle Fragen ernst nimmt.
Vielleicht noch: Die Grenzen werden meines Erachtens am richtigen Ort gezogen – hier kommt eine informierte und humanistische Grundhaltung gut zur Geltung. Die ignoranten und mehr als ein Mal faktisch falschen Äusserungen von z.B. Alice Schwarzer und anderen werden richtiggehend zerpflückt. Die Autorin bleibt fair in der Auseinandersetzung, aber die Grenzen sind klar. So etwas zu lesen, tut sehr gut. Ich denke, so ähnlich wie Leute, die nicht ins cis-heteronormative Leitbild der Gesellschaft passen und eine Mehrleistung an Verständnisarbeit, innerer Arbeit und Kommunikation zu leisten haben, so sollten umgekehrt Menschen, die Mühe haben, mit trans* (und allgemein queer) umzugehen und/oder an ihrer inneren Homofeindlichkeit nicht vorbeikommen, unbedingt mal in dieses Buch schauen. Ich meine, diese Menschen müssen danach weniger Angst haben und verstehen gleichzeitig sehr viel mehr. Die Welt kann doch für alle schön sein. ;-)
Das Buch ist dennoch in erster Linie einfach eine fundierte, sehr reiche und Erfahrungswerte berücksichtigende Aufklärung über die heutige (Forschungs-)Lage. 4 Sterne, weil sehr lesenswert. Den fünften Stern gibt es, weil das Buch in der heutigen Situation tatsächlich ein essenzielles Buch ist.
Bestes Buch über trans* und nonbinary, das ich bisher gelesen habe. Ich würde es jedem empfehlen, der mehr über die Thematik lesen möchte. Ich habe viel markiert und Post-Its verwendet.
Behold, common sense! Thorough yet concise, offering explanations, definitions and experiences as well as dispelling erroneous beliefs. Much needed and simply excellent.
Für nh Bildungslektüre echt schön geschrieben. Vor allem mit sehr verständlichem Vokabular bei dem man nicht jedes zweite Wort googeln muss(und falls doch etwas unklar sein sollte gibt es hinten im Buch ein Glossar zum nachschlagen). Wenn man sich für das Topic interessiert und vielleicht anfangen möchte sich in das Thema einzulesen ist das Buch nh gute erste Wahl.
Dagmar Pauli schafft es, sowohl sachlich-fundiert als auch verständnisvoll-emphatisch über das Thema Gender aufzuklären. Perfektes Einsteigerbuch für alle, die sich von den vielen „neuen“ Begrifflichkeiten überfordert fühlen und Orientierung suchen.