Ein berührendes, essentielles Buch über das Frausein und die Brüchigkeit der Emanzipation Wenn Freundinnen sie nach ihrem Befinden fragen, verstummt sie. Seit der Geburt ihres Sohnes fühlt sie sich verloren, radikal fremdbestimmt und abgeschnitten von der Welt und ihrem alten Leben. Das winzige Kind ein Fremder, den zu lieben ihr kaum gelingen will. Warum scheint plötzlich all das, wovon sie – als Wissenschaftlerin, als Feministin, als Frau – überzeugt war, nicht mehr gültig zu sein? Christina Wessely erzählt die berührende Geschichte einer Mutterwerdung und verbindet dabei eindrucksvoll persönliche und essayistische Erkundung. Mit Intelligenz und Zärtlichkeit umreißt sie ihr Selbstverständnis als emanzipierte Frau – in Kollision mit gängigen Vorstellungen von Mutterschaft, Weiblichkeit und Liebe.
Ich bin so froh, dass es dieses Buch gibt. Eine frischgebackene Mutter (um die vierzig) fällt in eine postpartale Depression; im Roman wird die gesamte Krankheit erzählt, in allen Facetten. Eindringlich, emotional ergreifend. Sehr, sehr offen und ehrlich. Für mich sehr empathisch und realistisch beschrieben. Ich finde es so wichtig, dass es Literatur wie diese gibt, die Mutterschaft (Vaterschaft) bzw. Elternschaft aus allen Perspektiven zeigt, besonders aber die negativen, weil das zu lange nicht besprochen wurde, zu lange tabuisiert wurde. So ein wichtiges Thema.
Ich habe so viele Zeilen, teilweise ganze Absätze, mit meinem Marker markiert. Mitgefühlt, mitgelitten und nachempfunden. Von Angst, Trauer, Taubheit zu Kontrollverlust und Druck. Eine sehr, sehr einnehmende Leseerfahrung für mich - am Ende hatte ich sogar ein paar Tränen in den Augen. So authentisch und intensiv. Kinder zu bekommen ist eine schwierige (und fundamentale) Entscheidung. Deshalb sollten Menschen, die überlegen, Kinder zu bekommen, die Möglichkeit haben (und nutzen), so viele Perspektiven und verschiedene Facetten wie möglich zum Lesen haben, um so fundiert und informiert wie möglich zu handeln - und sich damit für oder gegen ein Kind zu entscheiden. Das Buch hat mich emotional abgeholt und ich habe es geradezu verschlungen. Ich würde definitiv wieder von Christina Wessely lesen. Momentan ist Liebesmühe (toller Titel und tolles Cover!) eindeutig in meiner Top-Leseliste für dieses Jahr.
Ein Text, der so geschickt zwischen Roman und Sachbuch changiert, dass ich den allergrößten Respekt habe. Und gleichsam so viel gelernt habe, auch für mich als Frau und Mutter.
Auf dem Cover von Christina Wesselys neuem Buch „Liebesmühe“, erschienen 2024 im Carl Hanser Verlag, ist eine von der betrachtenden Person abgewandte schmale Frau zu sehen, die in einem Sessel sitzend ihren Schatten betrachtet – den Schatten ihrer Selbst. Es gibt wahrscheinlich kein besseres Bild für das Thema des Buches.
Wessely beschreibt in „Liebesmühe“ punktgenau und in schonungsloser Ehrlichkeit die Emotionen einer jungen Mutter, die nach der Geburt eines Kindes in eine postpartale Depression verfällt, ein Phänomen, das in unserer Gesellschaft noch immer radikal tabuisiert wird und zu dem mensch kaum Hilfestellung erlangt. Klar arbeitet sie heruas, dass diese Diagnose unter Umständen nur eine Pathologisierung von etwas ist, das im modernen Zeitalter in der westlichen Welt leider ganz normal ist. Damit sind nicht die Symptome gemeint, sondern die attestierte Krankhaftigkeit, die letztlich nur eine sehr logische, systemische Reaktion darstellt. Frauen im westlichen Europa, insbesondere privilegierte Frauen, haben ein reiches, selbstbestimmtes Leben vor einer Schwangerschaft und Geburt, und werden auf einmal komplett in eine Fremdbestimmung geworfen – größer kann die Lücke im Selbstbild nicht gespannt werden – so ergeht es auch Wessely, was sie sehr berührend und eindringlich beschreibt ab dem Punkt, wo sie Worte findet für all das, was nach der Geburt wie ein Tsunami über sie schwappt. Und mit all dem sind, so wie Wessely, die meisten Gebärenden allein. Der Partner verschwindet spätestens nach ein paar Wochen Elternzeit wieder in große Anteile seines vorherigen Lebens, die Freunde und Freundinnen leben ihr Leben weiter und schauen nur ab und zu auf einen Kaffee vorbei, die Eltern leben meist an einem anderen Ort und selbst wenn nicht: Wie können wir auf einmal wieder Kind sein, wo wir doch selbst nun Eltern sind? Die daraus entstehende Zerrissenheit zwischen altem und neuem Selbstbild macht Wessely leicht nachzuempfinden. Und zu wem also in diesem System sollte man einen Satz sagen können wie „Ich habe Angst vor dem Kind“ – ohne sofort als „krank“ angesehen zu werden? Doch Frauen, denen es so geht, gibt es viele und nein, sie sind nicht krank. Sie sind einfach nur entwurzelt und mit etwas Fremdem konfrontiert, für das sie Verantwortung tragen – das aber nicht mit ihnen kommuniziert. Und ja: Das kann furchtbare Angst machen. Wenn dieses Etwas dann auch noch pünktlich am Abend stundenlang schreit, egal was man tut, dann wird alles, was man über sich selbst weiß, in Frage gestellt. Und da helfen keine Sätze wie „Das wird wieder anders“ „Ist nur eine Phase“ usw. All das beschreibt die Autorin so schnörkellos und klar und schriftstellerisch in tollen Bildern, dass mich das Buch schon auf den ersten Seiten sehr begeistert hat, trotz des schweren Inhalts. Gut ist, dass Wessely dabei nicht aus einer Betroffenheit heraus emotional schreibt, sondern sich selbst in der dritten Person analysiert, was der lesenden Person durchweg ermöglicht, bei aller Empathie auch die Außenschau zu bewahren. Und neben dem Schmerz bekommen auch andere wichtige Emotionen Raum, „Zorn über die gesellschaftlichen Verhältnisse, die mütterliche Depression noch fördern. Über die vollkommen irrsinnigen, überzogenen gesellschaftlichen Erwartungen Mutterschaft betreffend, die strukturell in größter Spannung mit weiblichen Erfahrungen stehen. Denen man nie entsprechen kann. Die krank machen.“
Im zweiten Teil des Buches wird es nach der emotionalen Achterbahnfahrt des ersten Teils deutlich wissenschaftlicher – Wessely findet wieder mehr Zugang zu sich selbst und somit auch Zugang zu der kritischen Gesellschaftswissenschaftlerin, die sie ist. Analytisch nimmt sie deshalb auseinander, wie Mütter in der westlichen Gesellschaft zum einen in einen Berg von Theorien und Wissen geworfen werden, mit dem sie sich unbedingt auseinandersetzen sollen, zum anderen aber ständig zurück „zur Natur“ geführt werden sollen und so ein „das ewig Weibliche“-Mythos über sie gestülpt wird. Beides führt dazu, wie Wessely auch hervorragend herausarbeitet, dass frau sich eigentlich ständig defizitär und ungenügend fühlt und sich on top auch noch die damit einhergehenden Gefühle abspricht und verbietet. Und wie dieses Denken nicht durch Solidarität unter Frauen abgefedert, sondern oft noch dazu durch eine Art „Gute-Mutter-Wettbewerb“ verstärkt wird. Unser heutiges Mutterbild wird in seiner historischen Entwicklung aufgedröselt und viele ideologischen Aspekte werden hinterfragt. Dieser zweite, viel mehr theoretisch unterfütterte Teil mag für manche Leser:innen zu viel theoretischen Impact zum Weiterlesen haben, hier liegt definitiv ein Wechsel im Duktus vor. Das ist ein kleiner Kritikpunkt an diesem wichtigen Buch, dass Wessely hier etwas elitär aus ihrer eigenen Bubble heraus schreibt und unter Umständen dadurch minder privilegierte Leser:innen verliert.
Am Ende des Buches spricht Wessely ganz offen über die Scham und das im Nachhinein auf sich selbst schauen und manchmal nicht verstehen können, wie man als denkender Mensch in so einem Tunnel feststecken konnte. Da bleibt ein Gefühl von Schuld, das ganz schwer zu kanalisieren ist – und auch dort ist Gesellschaft wirklich keine Hilfe, manchmal ist dort sogar Therapie keine Hilfe, je nachdem, an wen man so gerät. Es ist noch so viel zu tun für die moderne Frau. Der erste Schritt ist ehrliches darüber Sprechen – weshalb es mehr als wichtig ist, dass Wessely so offen darlegt, wie sie mit sich gekämpft hat, sich doch zumindest ein bisschen besser darstellen zu wollen. Und die Sorge, was das bedeuten kann, wenn dieses Zeugnis in der Welt ist und irgendwann ja auch von ihrem Sohn gelesen werden kann – welche Veränderung wird das dann für ihr Verhältnis bedeuten? Insofern ein besonders mutiger Schritt, diesen Bericht nicht unter Pseudonym zu veröffentlichen, was ja auch möglich gewesen wäre.
Was definitiv fehlt: Triggerwarnungen und ein Anhang mit Verweisen auf Beratungsstellen und Hilfsangebote. Das ist leider ein großes Manko. Das Buch ist so super, schonungslos ehrlich und auch schriftstellerisch auf einem hohen Niveau, aber es gibt den lesenden Personen gar keine konkreten Hilfestellungen - und erzählt doch selbst so deutlich davon, wie schwierig es ist, die passende Hilfe zu finden / die Energie dafür aufzubringen. Das wäre ein klarer Wunsch an den Verlag von mir, hier nachzubessern. Und ja, die Angebote ändern sich, aber da reicht ja ein QR-Code, der auf Seiten verweist, wo solche Angebote gebündelt werden.
Auf jeden Fall ist „Liebesmühe“ aber ein extrem wichtiges Buch, dem ich viele Leser:innen wünsche, vor allem auch viele Leser.
Ein großes Dankeschön an lovelybooks.de und den Carl Hanser Verlag für das Rezensionsexemplar!
Eher eine Mischung aus Roman und Sachbuch, geht es um die Mutterwerdung in dieser Gesellschaft, die Erfindung des Mutterglücks und der Mutterliebe und um postpartale Depressionen. Das Buch hat sehr viele Gefühle ausgelöst. Ein wichtiges Thema, dem sehr viel mehr Aufmerksamkeit zukommen sollte.
Ein wichtiges Buch über das Mutterwerden und die kritische Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter. Es hinterfragt die sogenannte 'Natürlichkeit' der Mutterliebe und der Mutterrolle. Darüber hinaus behandelt es Themen wie postpartale Depressionen und erzählt die ergreifende (und wahre) Geschichte einer jungen Frau, die sich zwischen ihrer feministischer Identität und ihrer neuen Rolle als Mutter entscheiden muss.
Ich bin ehrlich hin- und hergerissen, was dieses Buch angeht. Auf der einen Seite war es nach circa 70 Seiten plötzlich so gar nicht mehr, was ich erwartet hatte. Auf der anderen hatte es mich aber schon so am Haken, dass ich die restlichen hundert Seiten trotzdem innerhalb eines Tages, wenn auch manchmal leicht Augen rollend, verschlungen hab.
Wesselys Prosa ist sehr einnehmend - ich habe mich der namenlosen Protagonistin unfassbar nah gefühlt; ihre obsessive Irrationalität, die aus der postpartalen Depression und der Sorge um ihr Kind rührt, schien mir in den Momenten des Lesens weder irrational noch obsessiv. Auch das Kapitel über die Freundin, die ihrem Kind Autismus bzw. das Rett-Syndrom unterstellt, hat einen ganz eigenen, plastischen Sog, der erst loslässt, als besagte Freundin ebenfalls in Behandlung geht, obwohl man von Anfang an weiß, dass das passieren wird, weil das Kapitel als langer Rückblick erzählt wird. Das letzte Kapitel, in dem die Scham über die eigenen Erfindungen, aber auch der Unglaube über das Rauskommen aus der Depression erzählt wird, fand ich besonders berührend - nicht, weil es eine „Heils-/Triumpherzählung“ ist, sondern weil es sich mit meinem eigenen Erleben von Depression so gedeckt hat, vor allem mit dieser seltsamen Entfremdung von sich selbst, die man empfindet, wenn man zurückblickt.
Auch die wissenschaftlichen Exkurse sind spannend und interessant erzählt, vor allem da, wo sie von der Protagonistin kommentiert und auf das eigene Leben zurück bezogen werden. Für mich ganz persönlich war gar nicht so viel Neues dabei, weshalb ich an manchen Stellen ehrlich gesagt gern weniger erfahren hätte, aber das ist glaub ich ein persönliches Ding. Der Blick auf andere Mütter, die bis auf die schon erwähnte Freundin alle gut klar kommen und/oder glücklich helikoptern, ist messerscharf und schlägt sich in satirischen Spitzen über Baby Led Weaning und Mütterforen nieder.
Und gleichzeitig zeigt sich aber in genau diesem Blick meiner Meinung nach eine der Schwächen des Buches, nämlich das Desinteresse am Innenleben fast aller anderen Frauen und die damiteinhergehende Empathielosigkeit ihnen gegenüber. Bei den anderen Müttern aus zB der Rückbildungsgruppe, die in ihrem Muttersein total aufgehen und die Fremd- und Falschheits-Gefühle der Protagonistin dadurch verstärken, kann ich das sogar verstehen. Gleichzeitig kann man vor dem Hintergrund der konstanten feministischen Auseinandersetzung mit dem Thema Mutterschaft schon auch hoffen, dass es ein wenig Verständnis dafür gibt, dass andere Mütter auf den Druck, der auf ihnen lastet, eben anders reagieren als man selbst, nämlich mit abstruser Selbstaufopferung und Perfektionismus. Dass das nie kam und anderen Müttern stattdessen vor allem ihr Hereinfallen auf die Mutterideologie zum Vorwurf gemacht wurde, fand ich schon enttäuschend. Besonders frustrierend fand ich diese Empathielosigkeit aber in der Interaktion mit einer Nachbarin. Die Protagonistin schiebt besagter Nachbarin einen Zettel unter die Fußmatte, auf dem sie die Nachbarin (die erst vor kurzem aus einer missbräuchlichen Beziehung entkommen ist, was bei der Protagonistin jedoch keinerlei Handlungsbedarf ausgelöst hat) anweist, die Anzahl und Lautstärke ihrer Sexkapaden auf ein nachbarschaftsverträgliches Maß zu reduzieren. Die Protagonistin erschrickt (zurecht!) vor sich selbst und ihrer Verwandlung in „eine der Mütter aus den >>Mama<<-Foren“ und meidet in der Folge besagte Nachbarin, aber das war’s dann auch. Thema beendet, es geht dann nur noch weiter mit einem Ausflug nach Grünheide, Dinosauriern und der Erfindung der Mutterliebe. Das Ganhe hat bei mir einen schalen Geschmack hinterlassen, als sollten wir die Protagonistin wegen ihrer Belastung durch Baby und postpartale Depression und der mit ihrem Verhalten einhergehenden Scham jetzt trotzdem weiter sympathisch finden. Tue ich aber nicht - vor allem wegen der schon erwähnten Gleichgültigkeit, mit der sie sonst so feministische Protagonistin im Halbsatz erwähnt und stehen lässt, dass ihre Nachbarin Opfer häuslicher Gewalt wurde. Von einem Buch, das sich sonst an so vielen Punkten positiv auf feministische Überlegungen und Analysen bezieht und das auch ein grundlegend feministisches Anliegen hat, habe ich diesbezüglich schlicht mehr erwartet. Dass das fehlt, kostet den fünften Stern, und dabei es hätte mir schon gereicht, wenn sich dieses mehr in einer stärkeren Reflektion des eigenen Blicks auf andere Frauen und Müttern gezeigt hätte.
Denn das ist etwas, was dieses Buch und seine Protagonistin an vielen Stellen sehr gut kann: mit sich selbst ehrlich und schonungslos und trotzdem gleichzeitig empathisch sein. Es ist eine der, vielleicht sogar die größte Stärke des Buches und in Bezug auf Mutterschaft bitter nötig. Schade, dass es das trotz aller feministischen Momente nur auf die Freundin und nicht auf andere Frauen ausdehnt.
großartig! habe das buch an einem tag gelesen und bin sehr (!) beeindruckt und berührt. so viel radikale ehrlichkeit, die mich sehr zum nachdenken anregt und mich meine eigenen vorstellungen von mutterschaft in frage stellen lässt. ganz ganz tolles und vor allem wichtiges buch!
Einerseits: wichtiges Thema mit interessanten gesellschaftshistorischen Exkursen Andererseits: widersprüchlich, Privilegien on fleek treffen auf leichten Social Porn mit großer Prise Selbstgefälligkeit und Urteil gegenüber anderen Müttern
Was für ein gutes Buch! Kurz hab ich gezweifelt, weil mir irgendwann nach einem Drittel die Metaebene gefehlt hat, aber dann kam sie und bot spannende neue Perspektiven auf Mutterschaft. Ein Roman und Kultur-wissenschaftliche Perspektiven in einem. Und nebenbei sehr berührend
Das Buch von Christina Wessely macht auf das wichtige Thema der Postpartalen Depression aufmerksam. Es verbindet wichtige Fakten mit einer distanzierten Erzählweise, was die Botschaft des Buches, Mütter nicht allein zu lassen, sehr gut rüberbringt.
Unsere Protagonistin wird Mutter eines Sohnes, doch über ihr „Glück“ kann sie sich nicht wirklich freuen. Sie macht sich sehr viele Sorgen und ist mit den Veränderungen in ihrem Leben überfordert. Sie bekommt Hilfe und Unterstützung von ihrer Familie, einer Beratungsstelle und Ärzt*innen und stellt eigene Recherchen an, sobald sie die Diagnose erhalten hat.
Ich fand es das Buch sehr informativ und es ist auf jeden Fall eine wichtige Lektüre! Leider tue ich mich mit distanzierten Erzählweisen ein wenig schwer, auch mit den Endlossätzen gerade am Anfang habe ich sehr gekämpft. Das ist aber eine sehr subjektive Einschätzung, die Erzählweise passt sehr gut zur Geschichte! Ich spreche gerne eine Leseempfehlung aus!
Es ist Anfang August und die namenlose Protagonistin hat gerade ihren Sohn zur Welt gebracht. Sie sollte glücklich sein, wie alle anderen Mütter auch (?), doch sie fühlt sich zunehmend überfordert. Von all den Menschen um sie herum, die ständig etwas von ihr wollen, von der riesigen Veränderung in ihrem Leben und vor allem von ihrem eigenen Kind. Eines Tages hält sie es nicht mehr aus und bricht zusammen. Diagnose: Postpartale Depression.
„Liebesmühe“ ist das neuste Werk aus der Feder der Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Christina Wessely. Die Handlung wird von der Protagonistin selbst in der dritten Person dokumentiert, denn ohne diese bewusste Distanzierung könnte sie nicht in Worte fassen, was sie denkt und fühlt. Empfindungen, die so gar nicht zu Konzepten wie „bedingungsloser Mutterliebe“ passen wollen. Auf der anderen Seite ist da aber auch die Wissenschaftlerin in ihr, die gnadenlos analysiert: die Erwartungen, die die Gesellschaft an Mütter stellt, die verschiedensten Erziehungsmethoden, die das Leben mit Kind nur noch zu erschweren scheinen und vieles mehr.
Der Blick, den die Protagonistin aus ihrer Depression heraus auf ihr neues Leben mit Kind wirft, ist ebenso beängstigend wie wichtig. In ihrem Unglück hat sie das Glück, dass sie schnell eine passende Therapeutin findet und Familie und Partner sie unterstützen, dennoch liegt ein langer und dunkler Weg vor ihr. Auf diesem findet sie irgendwann auch eine neue Freundin, die noch tiefer in die Depression versunken zu sein scheint, wie sie selbst und die Schuld dafür beim eigenen Kind sucht. Wer selbst gerade mit ähnlichen Gedanken zu kämpfen hat oder es in der Vergangenheit tat, sollte hier auf sich achten, denn die Beschreibungen sind schonungslos.
Christina Wessely hat einen bedrückenden, aber wichtigen Roman darüber geschrieben, mit welchen Erwartungen die Gesellschaft Müttern gegenübertritt. Dabei vermittelt sie auch die bedeutsame Botschaft, dass nach einer Geburt eben nicht immer alles eitel Sonnenschein ist und es völlig in Ordnung ist, sich Hilfe zu suchen. Ich hoffe, dass sie damit viele (werdende) Mütter erreicht.
Nach der Geburt ihres Kindes, ist nichts so wie sie es erwartet hatte: Die Erzählerin hat das Gefühl ihre Identität und ihre Selbstbestimmtheit für immer verloren zu haben, sie findet sich in den gängigen Vorstellungen von Mutterschaft einfach nicht wieder und die Zweifel und dunklen Gedanken scheinen sie zu erdrücken…
Christina Wessely nimmt uns, und sich selbst, mit durch ihre niedergeschriebenen Erinnerungen und Gedanken während ihrer Erkrankung. Sie erzählt eindrucksvoll und sehr persönlich, aber auch informativ, über die postpartale Depression und ihre Symptome und Behandlungsmöglichkeiten. Die ehrlichen und schonungslosen Beschreibungen und die Sprache der Autorin haben mich sehr beeindruckt Auch auf die gesellschaftlichen Erwartungen und strukturellen Bedingungen, die postpartale Depressionen weiterbefördern, geht die Autorin ein. Man lernt so einiges über teils abstruse Trends und zur Kindeserziehung sowie die historische Entwicklung der Mutterliebe und den einhergehenden gesellschaftlichen Normen. Neben all dem ist „Liebesmühe“ aber auch eine berührende Erzählung über Liebe und Freundschaft und über das Lesen und das Schreiben.
Ich bin dankbar für diese Erzählung, ihre Autorin und ihren Blick auf Mutterschaft. „Liebesmühe“ ist ein wichtiges Buch, mit einem wichtigen Thema und hat mich auf jeder Seite mitgenommen und bewegt!
Einfühlsam und schonungslos ehrlich erzählt die Protagonistin des Romans von ihren Erwartungen und Erfahrungen nach der Geburt des Kindes. Sie verwebt wissenschaftliche Erkenntnisse mit ihren persönlichen Erlebnissen und zeigt ihre Verzweiflung und Hilflosigkeit, als das erwartete Glücksgefühl ausbleibt.
Das Besondere an diesem Buch ist der tiefe und ungeschönte Einblick in die Gedankenwelt der Protagonistin, deren innere Weiterentwicklung man ganz nah verfolgt. Es folgt eine Auseinandersetzung mit den Themen postpartale Depression, körperliche Autonomie, die Rolle der Mutter in unserer Gesellschaft, verschiedenen Erziehungsansätze und -ideologien u.v.m. Der Fokus liegt dabei auf dem Empfinden der Mutter, eine eher untergeordnete Rolle spielen das Kind und der Partner. Für die Erzählweise ist das sehr stimmig, da die Gefühle der Protagonistin unabhängig vom Kind zu betrachten sind. Die vielschichtige Darstellung der Situation zeigt die Zerrissenheit zwischen der Erwartungshaltung der Gesellschaft und ihrem tatsächlichen Empfinden. Aufgrund ihres wissenschaftlichen Hintergrunds versucht die Erzählerin, ihr Erleben zu analysieren und zu kategorisieren, was sich in dem oft eher sachlichen Schreibstil wiederspiegelt. Auch durch ihr unterstützendes Umfeld kann sie schließlich den Heilungsprozess beginnen.
Für Personen, die selbst mit (postpartalen) Depressionen zu kämpfen haben, könnte das Buch triggernde Szenen enthalten. Es leistet jedoch einen wertvollen Beitrag zur Sichtbarkeit von Lebensrealitäten abseits des idealisierten Mutterdaseins und liefert Grundlagen für eine selbstbestimmte und informierte Entscheidung für oder gegen Kinder.
„Das Kind war nicht mit der unmöglichen Aufgabe auf die Welt gekommen, die Leere im Leben seiner Mutter füllen zu müssen.“
Sehr interessantes Buch über ein schweres Thema. Postpartale Depressionen haben circa 10-15% aller gebärenden Personen, trotzdem hab ich noch nie jemanden darüber reden gehört. Ein Thema, über dass ich mir selbst schon Gedanken gemacht habe und das unterschätzt wird.
Ich habe den größten Respekt vor jeder Mutter, die sowas durchlebt und denke, dieses Buch ist eine große Hilfe.
Der Schreibstil und der Aufbau des Buches, waren an machen Stellen nicht ganz schlüssig, trotzdem mochte ich es.
„Warum werden diese Lügen formuliert, fragt sie sich verzweifelt, warum spielen alle dieses schreckliche Spiel? Warum warnen die Menschen einander nicht, warum raten diejenigen, die den Fehler schon begangen haben, anderen nicht unbedingt davon ab, Kinder zu bekommen? Immer klarer wird ihr, dass nur sie sehen kann.“
Ein super wichtiges Thema mit dürftiger Ausführung. Es fühlt sich immer besonders grausam an, einem Roman mit aufklärerischem Potenzial eine mittelmäßige Bewertung zu geben, wenn er dazu noch autobiografische Züge hat. Das Buch zählt zu der Gattung zeitgenössischer Literatur, die ich lieber als Essay gelesen hätte; denn wenn auch die theoretischen Einschübe noch so interessant waren, fand ich ihren Inhalt unglaublich plump mit der Geschichte (die ich ohnehin sehr einfach, ihre Charaktere sehr oberflächlich fand) verwoben. Das Buch ist “all tell, no show”: uns wird ohne jedes Feingefühl um die Ohren geknallt, was die Autorin zu den Konzepten der Mütterlichkeit, Natürlichkeit, Modernität, usw zu sagen hat, anstatt ihre Kritik mit in eine ausgeklügelte Handlung einzuarbeiten.
Ich mochte sehr den Schreibstil, insbesondere der Wechsel zwischen Sie und Ich am Ende. Sehr beeindruckend ist auch die Ehrlichkeit und die Ausführungen und somit Nachvollziehbarkeit der Gedanken der Protagonistin. Trotz der Sachlichkeit des Buches habe ich tiefe Traurigkeit empfunden beim Lesen. An manchen Stellen ist mit zu viel Ethos bzgl. Dinosaurier und Gesellschaft, aber nie zu viel, dass es die Geschichte stört. Auch wenn ich damit nicht viel anfangen kann, es passt zur Persona der Protagonistin und lässt ihren Charakter authentisch erscheinen.
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keine leichte lektüre, hat schmerzhafte erfahrungen mit sich gebracht, dennoch eins der besten und wichtigsten bücher die ich je gelesen hab! danke dafür.
Ein Roman mit Sachtext im Bauch. Hat mir neue Erkenntnisse beschert und mich mitgenommen. Zum 5. Stern hat mir das Gefühl des In-eine-andere-Welt-Abtauchens gefehlt.
ein buch über ein so wichtiges und viel zu stigmatisiertes tabu-thema! dabei weniger roman und doch recht viele faktenbasierte seiten - mit diesem wissen aber extrem gut gelungen, bitte mehr davon🙏🏼
Das war echt so gut. Ein super kurzes aber dafür umso eindrücklicheres Buch. Das Thema Muttersein, insbesondere direkt nach der Geburt wurde wirklich gut aufgearbeitet und ich habe richtig mitgefühlt. Vor allem auch die Mischung aus sehr nah an der Figur und teilweise fast schon sachbuchähnlichen Aspekten hat mir richtig gut gefallen. Mehr möchte ich auch gar nicht verraten, die Geschichte wirkt am besten beim selbst Lesen. Also definitiv große Empfehlung!