Puh, was für ein Buch. Eine Mischung aus der tatsächlichen Überquerung der Alpen, Mythologie, Fantasy und römischem Alltag.
Teilweise bin ich mit den beiden Städten, die gleich heißen durcheinander gekommen, teilweise hab ich nicht durchgeblickt, wer zu welchem Stamm gehört und wer wen jetzt unterstützt.
Gut fand ich die Idee, das der Platz von Hannibal durch seine Frau ersetzt wurde, die aber letztendlich sich selber eingestehen muss, dass für weibliche Anführerinnen kein Platz in einer männerdominierten Kriegswelt ist.
Eine tolle Mischung aus Kriegserzählung, Gesellschaftskritik (damals wie heute) und Monsterjagdten. Drei sehr verschiedene Figuren zeigen ihre ganz eigene (An)Sicht auf die Geschehnisse im Roman.
Feministisch, queer und vollgepackt mit kritischen Gedanken über Kriegsführung, Macht und gesellschaftliche Normen verschiedenster Art. Und das unterhaltsam und aus ganz verschiedenen Blickwinkeln.
Streckenweise war mir das Pacing etwas zu uneben (warum diese Szene nacherzählen und in diese andere eintauchen?) und emotional habe ich persönlich nur mit einer der drei POV-Figuren richtig ernsthaft mitgefiebert. Aber das ist wirklich "Meckern auf hohem Niveau" (siehe 4-Sterne Bewertung) und kommt vor allem von jemandem, für den die Eckpfeiler der Geschichte (Rom, Hannibal, Kriegsführung) erst mal eher nicht so von Interese sind. Am Ende spricht es nur für den Roman, dass er mir trotz den eher "schlechten Vorraussetzungen", so gut gefallen hat!!
Per se eine Empfehlung, aber besonders wenn man sich für Rom, Hannibal, antike Monster(jäger*innen), Geschichten über Kriegsführung und die Auswirkungen auf Kriegfsführende, Soldaten und Zivilbevölkerung interessiert!!
Mit "Ich, Hannibal" ist den Vögten Judith und Christian mal wieder ein Riesenwurf gelungen. Sie kombinieren sehr gelungen Phantastik mit einem historischen Roman und üben ... so ganz nebenbei ... naja ... eigentlich gar nicht mal soooo nebenbei ... Kritik an einer von Testosteron geprägten Männerwelt, die, trotz dem sie ständig in die Sackgasse rennt, seit Jahrtausenden keine grundlegende Veränderung erfahren hat.
Die Grundlage eines Umdenkens ist für die beiden Vögte das Gedankenexperiment, dass der Karthager Hannibal auf seinem Kriegszug gegen Rom einst eigentlich eine Frau gewesen ist.
So merkwürdig das der/dem Leser*in zuerst erscheinen mag, so plausibel und konsequent führen uns Judith und Christian Vogt durch eine historische Etappe des antiken Roms, in der die ewige Stadt nahe am Abgrund stand.
Dabei verweben die Vögte wie ganz selbstverständlich römische, keltische, griechische, iberische und karthagisch Rituale und Gepflogenheiten der Antike mit Mythen und ihren Wesen zu natürlich wirkenden fiktionalen Handlungssträngen, die im Grunde Ausgangsstoff für neue Mythen ist.
Die Geschichte wird aus der Sicht dreier Frauen erzählt: Hannibal (aka Himilke), Tamenzut und Fulvia. Alle kommen aus unterschiedlichen Verhältnissen und Kulturkreisen. Was sie eint sind ihre leidvollen Erfahrungen in einer patriarchalen Gesellschaft nicht zu ihrem Recht zu kommen. So unterschiedlich ihre Ausgangspunkte sind, so unabwendbar steuern sie gemeinsam auf ein sie verbindendes Schicksal zu, das das Potenzial hat, die Weltordnung ins Wanken zu bringen.
Nicht Männer und ihre gewohnt narzisstischen Entscheidungen dominieren die Handlung, sondern die von verschiedenen Motiven geprägte Frauen unterschiedlichen Alters und Herkunft, die sich immer wieder der allzu selbstverständlichen, uralt tradierten männlichen Gewalt und Dominanz entwinden müssen, um ihren eigenen, selbstbestimmten Weg gehen zu können. Dabei sind bei den Vögten die Männer aber nicht durchweg die mächtigen, aber tumben Idioten, sondern unterstützen auch in liebevoll ausgearbeiteten Nebencharakteren die drei weiblichen Hauptfiguren.
Der kreative Umgang mit historischen Fakten und mythischen Motiven regte beim Lesen immer wieder meine Phantasie an ... beizeiten in eine verwirrende Richtung und zwischenzeitlich flackerten merkwürdige Assoziationen bei mir auf. Wenn ich mir zum Beispiel den Trek im 3. Teil des Buches zu visualisieren versuchte, wie Tamenzut in Begleitung diverser mythischer Bestien auf dem Mantikor ritt, musste ich unwillkürlich an ein etwas aus den Fugen geratenes RPG denken, in dessen Kampagne ein Charakter wohl allzu eifrig Monster "gesammelt" hat.
Und ich hab' keine Ahnung warum, aber bei der Szene, als die Verschwörer sich das letzte Mal in Fulvias Haus trafen, poppte eine Szene aus "Das Leben des Brian" auf ... "Mal abgesehen von sanitären Einrichtungen, der Medizin, dem Schulwesen, Wein, der öffentlichen Ordnung, der Bewässerung, Straßen, der Wasseraufbereitung und der allgemeinen Krankenkassen. Was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?"
Aber das sind sicher wohl sehr individuelle Absonderlichkeiten meinerseits ;-)
Ohne es wirklich nachgeprüft zu haben, sind die Schilderungen des Kriegszugs Hannibals und der historischen Schlachten durchdrungen von einer akribischen Recherche der beiden Autor*innen, was sehr viel dazu beiträgt, sich völlig in der mythisch überprägten historischen Schilderung zu verlieren.
"Ich, Hannibal" ist mal wieder ein Beleg dafür, dass es viel spannender ist, abseits der Mainstream-Stoffe zu stromern und Genregrenzen eigentlich eine Illusion sind, die es aufzubrechen gilt. Die Vögte haben mit diesem Band eine spannende, unterhaltsame, gesellschaftskritische und vielleicht auch geschichtskritische Geschichte kreiert, die zu lesen sehr lohnt.
Nach dem Tode Hannibals, übernimmt seine Frau Himilke dessen Rolle und kämpft unter seinem Namen im Krieg. Rom soll erobert werden. Doch wird der Krieg nicht nur mit Waffengewalt ausgetragen. Hannibal schickt ihre beste Monsterjägerin in den Kampf und die größten Bestien des Mittelmeerraums sollen unterworfen werden. Sphinxen, Harpyien und weitere mythische Kreaturen sollen die Armee stärken und Rom unterwerfen.
Hannibal ist tot. Lang lebe Hannibal - so könnte die Geschichte beginnen. Denn gleich nach Hannibals Tod nimmt seine Frau Himilke dessen Namen an und kämpft fortan zusammen mit den Karthagern gegen Rom. Eine faszinierende Vorstellung. Und dies ist es auch, wenn man die Story liest.
Man wird quasi sofort in die Geschichte geworfen, denn Hannibal ist tot und seine Frau, fortan ebenfalls Hannibal genannt, reitet auf einem Elefanten vor, um ihre neue Macht zu demonstrieren. Die Autoren halten sich dabei an historische Fakten, die jedoch mit vielen mythischen Elementen gepaart sind.
Wir treffen auf diverse Kreaturen, die sich in den Kampf einbringen. Und dies macht aus der Story eine ebenso wort- wie bildgewandte Geschichte.
Aus drei verschiedenen Sichten wird uns der Punische Krieg nacherzählt. Zum einen darf der Chronist Sysolos die Handlung des Krieges erörtern. Er fungiert als Zeitzeuge und schildert die Erlebnisse des Kriegsgeschehens.
Als zweiter Strang kommt Tamenzut ins Spiel. Sie ist eine Jägerin und jagt Außergewöhnliches. Bestien, mythische Kreaturen, Monster. Sie ist die Beste und hilft mit ihrem Mut und ihrem Talent. Sie ist außerdem queer und hat mir mit ihrer Art sehr imponiert.
Die dritte Sichtweise ist die Römerin Fulvia, die früh ihren Ehemann verloren hat und nun mit nur 17 Jahren für einen Haushalt und drei, ihr doch noch etwas fremde Kinder (aus erster Ehe des Mannes) verantwortlich ist.
Mit eindringlichen Dialogen, einer neuen Sichtweise auf den Krieg, vielen tiefgründigen Themen, einem feministischen Einfluss und vor allem offener Denkweise ist das vorliegende Werk wieder eine Meisterleistung des Autorenduos. Bislang habe ich fast alle Romane der beiden gelesen und wurde nie enttäuscht, weshalb ich mit hohem Enthusiasmus an die Geschichte herangegangen bin.
Die alternative Denkweise hat mir sehr gut gefallen, der Schreibstil ist zwar Anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, aber schlägt einem bald in seinen Bann. Mit großem Interesse bin ich der Story gefolgt und kann letztendlich sagen, dass einem durch die Fantasy-Elemente, den historischen Fakten und dem guten Plot eine gute Mischung mit spannendem Ausgang bevorsteht.
Meggies Fussnote: Hannibal ist tot. Lang lebe Hannibal.
Ein Buch mit mehreren Kreativen herauszubringen ist kein Selbstläufer. Zu oft kollidieren die einzelnen Stile und Präferenzen der Beteiligten. Nicht so hier. Man merkt die führende Hand, quasi die Schachtel, die die Begrenzungen vorgibt. Man genießt den Plot, die Pizza, welche die Schachtel fast komplett ausfüllt. Restlos begeisternd ist weniger die schiere, ungebändigte Wortgewaltheit des Buches. Es ist vielmehr der vorausschauende, zukunftsverstehende Ansatz. Wie schafft man es nur, kontroverse Themen und Ereignisse in der Community so treffend zu erkennen und in das Buch einzuarbeiten? Ich denke da an die erschütternde Kontroverse der Studio Beratungsfirma Sweet Baby Inc. in Montreal. Oder an die äußerst aufwühlenden Anschuldigungen gegen das News Outlet Kotaku. Oder die Anfeindungen mancher an die Streamerin Queen Pwnzalot, die leider ihre sozialen Kanäle komplett löschen musste. Diese aktuellen Sachverhalte durch ein Buch zu erfahren, ist schon eine denkwürdige Leistung. Was ich aus dem Buch mitnehme, ist ein Denkansatz, eine Aufforderung zur Diskussion: "Kein Individuum soll sich dem Allgemeinen unterordnen müssen. Das Allgemeine hat die Pflicht, sich dem Individuum unterordnen".
Hmmm, die Geschichte des Feldherrn Hannibal finde ich sehr interessant. In dieser Geschichte findet der Feldherr bereits am Anfang sein Ende und wird durch Himilke, seine Frau, ersetzt und vorgibt Hannibal zu sein. Allein das hätte ausgereicht, ein interessantes Gedankenspiel zu sein. Die Welt ist aber um ein Aspekt reicher. Es gibt Bestien, die man einfangen kann und wenn man es schafft, sie im Kampf zu besiegen auch für seine Zwecke einsetzen kann. Hierzu gibt es speziell ausgebildete Monsterjäger, die für Karthago, als auch für Rom aktiv werden. Soweit, so interessant. Leider können sich die Autoren nicht entscheiden, was sie eigentlich erzählen wollen: Hannibals Geschichte (mit Himilke als Hannibal) oder eine Geschichte über sagenumwobene Monster. Am Anfang geht es fast ausschließlich um ersteres, am Ende fast nur noch um Letzteres. Beide Gedanken wären für jeweils eine Geschichte bestimmt spannend - zusammen wirkt es für mich oftmals nur verwirrend. Schade! Über die historische Genauigkeit braucht man sich keine Gedanken zu machen. Es ist nur in Teilen korrekt. Das Ende hatte ich so nicht erwartet. Fazit: Es ist für mich zu viel Neues in einem Fantasyroman verpackt. Weniger wäre mehr gewesen.