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Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht

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Es ist das Jahr 1994. In einem Kärntner Dorf am Fuß der Karawanken sitzt die Erzählerin unter einem Lkw und beobachtet die Welt und die Menschen knieabwärts. Sie ist elf Jahre alt und spielt Verstecken mit ihrer Freundin Luca aus Bosnien. Zum letzten Mal, denn die Familie zieht um. Der Hof ist zu klein geworden für den Ehrgeiz der Mutter, die ausschließlich eines im Kopf hat – bürgerlich werden! Nach und nach treffen immer mehr Nachbarsleute ein, um beim Umzug zu helfen, und das Kind in seinem Versteck beginnt zu erzählen: von seiner Angst, im Katzlteich ertränkt zu werden, weil es kurze Haare hat. Weil es Bubenjeans trägt. Weil es heimlich in Luca verliebt ist. Dabei ist sie nicht die Einzige, die etwas verbergen muss. Sie kennt Geschichten über die Ankommenden, die in tiefe Abgründe blicken lassen und doch auch Mitgefühl wecken.
Julia Jost schildert in ihrem Debütroman das Aufwachsen in einer archaischen Bergwelt zwischen Stammtisch und Beichtstuhl – und wie man hier als querstehendes Kind überlebt und sich der vorgegebenen Ordnung widersetzt: dank einer zärtlichen Freundschaft und durch ein wildes, überbordendes Erzählen, das die Wirklichkeit besser macht, als sie ist.

231 pages, Hardcover

Published February 12, 2024

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Julia Jost

3 books4 followers

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234 (40%)
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2 stars
38 (6%)
1 star
6 (1%)
Displaying 1 - 30 of 59 reviews
Profile Image for Alexander Carmele.
475 reviews441 followers
April 9, 2024
Subversives Schreiben gegen das ländliche Kärntner Idyll. Eine poetische Aufruhr aus der Sicht seines kindlichen Wildfangs.

Inhalt: 4/5 Sterne (Kindheitserinnerung und Trauma)
Form: 5/5 Sterne (Verve und Eindringlichkeit)
Komposition: 4/5 Sterne (kreisende, sich bestärkende Symbolik)
Leseerlebnis: 5/5 Sterne (ein überzeugendes Ich-Erwachen)

Wer, was ich erst durch den Kauf des Hardcover-Exemplars von Julia Josts Roman erfuhr, Geleitworte von Elfriede Jelinek auf dem Umschlagtext erhält und dieser sogar expliziert am Ende ihres Buches dankt, muss zumindest irgendetwas Textliches gewagt haben. Julia Jost wagt indes viel. Sie beschreibt aus der Sicht einer Heranwachsenden, das Alter der 1982 geborenen Ich-Erzählerin schwankt zwischen sieben und dreizehn Jahren, das Leben und Aufwachsen in Kärnten unter, so ließe sich mit Ingeborg Bachmann zusammenfassen, Mördern und Irren:

Obwohl der vulgo Focknhocker keine drei Kilometer vom Gratschbacher Hof entfernt wohnt, er dieselben Bäume anschaut wie ich und Schwalben, derselbe Geruch in ihn eindringt, er vom gleichen Speck isst und die gleiche Milch trinkt, obwohl er, wie ich, erst nach und nach den zweibeinigen Gang und die Artikulation mit der Zunge gelernt hat, obwohl sein Dialekt dem meinen gleicht, kam er mir in jenem Augenblick unüberbrückbar fremd vor.

Fremd sind der Ich-Erzählerin so ziemlich alle, vielleicht vom vier Jahre älteren Bruder Johan und ihrer Jugendliebe Luca, der Nachbarstochter, einmal abgesehen. Die Mutter, Lehrerin, der Vater, Autoverkäufer, der älteste Bruder Motorradverrückter gehen sehr eigenwillige Wege. Sie schmettern nationalsozialistische Lieder, gehen jagen, saufen, bauen die Häuser auf und beteiligen sich an der Schmierenoperette, die sich aller Ortens Politik nennt, nicht ohne selbst mächtig Federn zu lassen. Ihre Intensität und Vehemenz, mit denen Jost alle Figuren durch die Welt schreiten lässt, zwingen das junge Mädchen oft zum Rückzug:

Das Fahrrad ist ein Erbstück meines Bruders Johan, und ich durchbreche damit kaum einmal die Grenzen unserer umliegenden Wälder, um ins nächste Dorf zu fahren. Die Wälder genügen mir als Gegenüber. Manchmal liege ich stundenlang auf einem Moosbett, mit schwarzbeergefärbten Lippen, die eine Eichel-Pfeife halten. Ich liege auf der Lichtung, die auch Blöße genannt werden könnte oder Fratn, wie die Älteren sagen, ein unbedeutender, kleiner Wald-Parasit bin ich und phantasiere unter den Baumwipfeln.

Zentrales Erzählereignis stellt das traumatisierende Verunglücken eines gleichaltrigen Jungen namens Franzi dar, der beim Spielen und Versuch, ein Messer aus einem Brunnen zu holen, ums Leben kommt. Die Ich-Erzählerin kämpft mit ihrem schlechten Gewissen, denn sie hat Franzi zum Waldhaus mitgenommen; und sie kämpft auch gegen die Gleichgültigkeit ihrer Mitmenschen, ihrer Familie, dem Leiden andere, der Natur, Mensch wie Tier gegenüber. Ihr Kämpfen erhält, im erzählerischen Schwung, eine Distanzierung, die ohne Urteil und Denunziation vonstattengeht. Sie rüttelt mächtig am symbolischen Gewebe, bis die Fetzen fliegen und die goldenen Äpfel ihr in den Schoß fallen. Die Allegorie schlechthin gibt sie in ihrem Text selbst:

Die Mutter murmelte [wegen der vorsätzlichen Beschmutzung der Chaiselongue] hochtemperiert in der Küche vor sich hin, während der Vater im Wohnzimmer meine Brüder schlug. Aber diesmal mischte sich in das Gürtelschnalzen schon bald Hanis Lachen, und zuerst dachte Thomas, sein kleiner Bruder sei übergeschnappt, aber dann musste er selbst auch lachen, und so lachten die Buben und lachten und lachten. So dass auch ich, die ins Kinderzimmer Verbannte, mitlachen musste. Es war das letzte Mal, dass der Vater meine Brüder schlug.

Dem Irrsinn mit humoristischer Verve die Stirn bieten, hierhin gleicht Julia Jost der italienischen Autorin Claudia Durastanti aus „Die Fremde“. Jost wendet den Jelinekschen Bierernst ins Leichte und Verspielte, ohne an Schärfe einzubüßen. Der gesellige Blick der Ich-Erzählerin auf die Mit- und Umwelt erlaubt einen Rundumschlag, der sich gewaschen hat. Mit einem Rauschen bläst sie den Staub aus der Sprache und gleicht in vielerlei Hinsicht sogar, nur weniger stilistisch verschwurbelt, Jean Paul aus bspw. „Siebenkäs“. Lachen, so vielleicht die Lektion, und zwar ungerichtetes Lachen öffnet unerwartete Wege.

Ärgerlich: ein paar stilistische Ungereimtheiten, und eine störende, langatmige Anekdote ihres Bruder Thomas, die den Erzählfluss empfindlich stört und sogar unterbricht; sowie eine psychoanalytisch erzwungen erscheinende Metaphorisierung.

Erfreulich: gekonnte Wiederaufnahme der gewählten Symboliken durch den ganzen Text hindurch, so dass das Schreiben einen Klang, eine Stimmigkeit, einen Zug und Richtung erhält; Sprachwitz und großer, teilweise mundartlicher Wortschatz.
Profile Image for Literatursprechstunde .
196 reviews93 followers
May 29, 2024
Der Roman „Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“ ist 2024 bei Suhrkamp erschienen und stellt Julia Josts Debütroman dar. Die Österreicherin studierte Philosophie, Bildhauerei und Theaterregie. Sie wurde für ihr Buch mit dem KELAG Preis ausgezeichnet.

Wir begleiten ein Mädchen, das irgendwo hinter Feldkirchen auf dem Gratschbacher Hof aufgewachsen ist.

„Die Gratschbacher Gegend ist ein Wald ohne Augen. Ohne Sträucher und Äste, die sich hinter deinem Rücken raschelnd zusammenbiegen, um die Todesangst vorzubereiten, die sie gleich in dir auslösen werden. Einen sprechenden Wolf gibt es auch nicht. Der dir geifernd zusieht, wie du Tellereisen jagst. Hinterlist und Bosheit sind, auf diese Fauna wie Flora bezogen, Kokolores. Mit einem Wort meiner Mutter ausgedrückt. Der Gratschbacher Wald und die Felder, die Wiesen, der Teich sind eine ganz übliche Summe aus Pflanzen, Wasser und Tieren, die darin wohnen. Sonst nichts. Das ist alles, was es mit der Gratschbacher Gegend auf sich hat.“

Gefährlich sind nur die Menschen. Die Ich-Erzählerin beschreibt den Tag, an dem eine Gruppe von Kindern den Franz Ruck, ein gerade erst zugezogenes Kind, in einen Brunnen abseilte. Das Kind kam dabei ums Leben. Auf diese Tragödie kommt das sich erinnernde Mädchen immer wieder zurück. Alle im Dorf sind danach auf je unterschiedliche Weise traumatisiert.

Die Familie des Mädchens wird den Gratschbacher Hof verkaufen und wegziehen. Beide Elternteile kommen aus ärmlichen Verhältnissen, aber der Vater hat es durch den Handel mit Lastwagen zu einem kleinen Vermögen gebracht, und vor allem die Mutter möchte in die bürgerliche Oberschicht aufsteigen. Dazu gehört unter anderem Klavierunterricht für die Tochter. Der Lehrer - davon ist das Kind überzeugt - hasst sie, seine schlechteste Schülerin:

„Wenn meine Mutter einmal nicht beim Unterricht dabei sein konnte, wurde er grob und klopfte mir auf die Finger. Wegen meiner geschicklosen Fingerhaltung, es meiner verhuscht angeschlagenen Töne bei ausnahmslos jeder Etüde.“

Ihr nicht vorhandenes Talent beim Klavierspiel ist noch das geringste Problem, mit dem das Kind zu kämpfen hat. Das Mädchen wäre lieber ein Junge und es liebt ein anderes Mädchen.

Es gibt in diesem Roman heftige Szenen, die das oft unfassbare raue Miteinander in dem dörflichen Umfeld großartig einfangen. Die Liebe der Ich-Erzählerin zu Luca, die aus Bosnien stammt, bildet das Gegengewicht.

„Dann flüsterte sie mir ins Ohr, dass sie es in ihrem Leben nicht so weit gebracht hätte, wäre sie immer vernünftig gewesen und küsste mich. Durch den Kuss waren meine Wunden unmittelbar geheilt.“

Der Roman von Julia Jost ist sprachlich brillant, unbestechlich in seiner Wahrhaftigkeit und eine literarische Sensation. Allerdings handelt es sich um eine harte Nuss, etwas zum Knacken.
Profile Image for Ernst.
646 reviews29 followers
July 25, 2025
Wie so oft stehe ich vor der Frage 3 oder 4 Sterne. Bei 4 Sternen würde ich aussagen, dass es mir fast uneingeschränkt gut gefallen hat und ich ggf. gerne zu weiteren Werken dieser Autorin greifen werde. Das ist allerdings beides nicht der Fall.

Mit 3 Sternen bringe ich zum Ausdruck dass es so mittelprächtige Unterhaltung war, mich aber nicht besonders beeindruckt hat. Das stimmt schon eher wenn auch nicht ganz.

Also der Reihe nach: was mir wirklich sehr gut gefallen hat ist die starke Authentizität. Es ist durch und durch ein Kärnten-Roman, wobei die Kumpaneien und Niedertraechtigkeiten, die in der ländlichen Provinz stattfinden, so ziemlich auf jedes “Landidyll” übertragbar sind, das mir bekannt ist.
Das Kärntnerische wird besonders durch zahlreiche Dialekteinschuebe (auf jeder Seite mindestens ein kursiv geschrieber Satz oder Vokabeln wie Spompanadeln, trenzen oder tschopfatzen) vermittelt und durch die Thematik der Kärntner Slowenen, die speziell durch die Person des Bauern Focknhocker Ausdruck findet. Das ist allerdings nicht das Hauptthema sondern nur ein Randbereich der Kindheitserinnerungen (zwischen 7 und ca. 12 Jahren) der Protagonistin J. (vermutlich Julia Jost selbst), die kein Mädchen sein will und sich sehr zu Luca, der gleichaltrigen Tochter des bosnischen Arbeiters am Hof der Eltern hingezogen fühlt. Da werden dann auch mal gegenseitig Finger in die Scheide gesteckt um “die anatomischen Voraussetzungen zu erkunden”, ob es wirklich machbar ist alles mögliche in sich reinzustecken, wie heimlich in einem Pornoheft gesehen.
Was mir auch sehr gut gefallen hat ist die Sprache an sich und der leichte unbeschwerte Sound. Da werden dann auch Bestrafungsriten wie das „Hose runterlassen - auf die Knie - Schläge mit dem Gürtel“ nicht als traumatische Erfahrung geschildert, sondern arten fast in eine Slapstickszene aus, als die vom Vater bestraften Brüder während der Misshandlung einen Lachkrampf bekommen und es dann lapidar heißt “Es war das letzte Mal, dass der Vater meine Brüder schlug.” Und manchmal nimmt der Humor fast Formen an wie Szenen aus einem Wes Anderson Film. Etwa die Episode als Franzis Mutter ihren Jungen in der Sakristei abholen will und dabei den Jungen splitterfasernackt ertappt, mit seinem Schritt über dem Pfarrerskopf stehend und diesem in den Mund pinkelt. „Daneben liegen 3 geleerte Flaschen Römerquelle.“

Ja, der Humor und das Kärntner Lokalkolorit gefallen mir gut bzw. finde ich sehr gut getroffen. Und bis hierhin wäre das mindestens ein 4🌟 Roman.

Freilich kommen auch alle (leider wahren) Klischees zu ihrem Auftritt, die Rohheit der Landjugend, die schmissigen Burschenschaften, die Seilschaften von Altnazis, die Ablehnung von Außenseitern, die Küngeleien im politischen und wirtschaftlichen Sektor, Rangeleien zwischen verschiedenen Jugendgruppen, Wirtshausprügeleien, usw. bis hin zum Aufstieg des Rechtspopulismus in Person des Mitglieds der Freiwilligen Feuerwehr Gernot Pfandl, der fast einstimmig zum Bürgermeister gewählt wird.
Alles ok soweit, aber es bleiben letztlich einfach nur Phänomene die verpackt in kurze Prosa-Episoden vorgeführt werden, manchmal hart an der Grenze zur seichten, humorigen Unterhaltung.
Ich glaube der Autorin zwar jedes Wort, aber mir ist das insgesamt zu wenig.

Das größte Problem sehe ich in der Perspektive. Das Ganze ist aus der Sicht der 12 jährigen erzählt und natürlich ist von einem Mädchen, das noch lange die eigene Identität (auch ihre Geschlechtsidentität) erforschen wird, nicht die ganz große Reflektiertheit über ihre (Klein)Kindheit zu erwarten. Etwas tiefergehende Durchdringung der Themen hätte ich mir allerdings sehr gewünscht. Denn so wie es hier erzählt ist, findet bei der Protagonistin keine erkennbare innere
Entwicklung statt und auch die komplexen Vorgänge in ihrer Umwelt werden eigentlich nur als oberflächliche Episoden/Anekdoten gezeigt, wie sie eben von einem jungen Teenager wahrgenommen oder über Hörensagen weitergegeben werden. Und das kann man wenn dann nur der Autorin vorwerfen, dass sie bewusst diese Perspektive gewählt hat, von der man sich zurecht nicht viel mehr Tiefgang erwarten darf. Aber das ist trotzdem alles völlig ok, das ist das, was die Autorin erzählen wollte und als ebensolches sehr gelungen. Nichtsdestotrotz darf ich mir als Leser etwas anderes wünschen, tiefgründiger, differenzierter, reflektierter und auch mehr zum Nachdenken anregend.

Hinzu kommen ein paar leichte Empathiemängel, oder handwerkliche Fehler, wie etwa in einer Szene im Wirtshaus: Eine Frau benimmt sich herrisch und wird verspottet „Wie ein Mann!“ darauf reagiert die Protagonistin gedanklich, was soll so schlimm sein ein Mann zu sein. Das passt aber hier nicht, weil diese kluge 12jährige sehr wohl ausreichend Gespür dafür hat, dass hier nicht das Mannsein per se kritisiert wird.
Das sind aber wenige Einzelfälle, meistens hält die Autorin die Perspektive einfühlsam durch.

Fazit: kann man lesen, muss man aber nicht, ich habe nichts Neues erfahren, was ich nicht schon x-fach anderswo kennengelernt habe. Wenn jemand wenig Zeit für Bücher hat, empfehle ich lieber Peter Handke oder Thomas Bernhard zu lesen.
Profile Image for Christina Dongowski.
255 reviews71 followers
May 5, 2024
Mich hat der Blurb von Elfriede Jelinek erst einmal abgeschreckt: Ich schätze zwar die Art Literatur, wie Jelinek sie schreibt und das Literaturkonzept, das sie vertritt, in der Theorie, praktisch lese aber seit der Uni nichts mehr aus diesem "Genre". Ich finde diese Art Literatur in ihrer Fixierung auf Sprache und Gemachtsein eigentlich langweilig, und der Erfahrungsraum, der dem dann doch irgendwie zugrunde liegt, ist für mich auch uninteressant. Gut, dass ich den Titel des Romans von Juli Jost dann doch so strange und witzig fand, dass mich der Jelinek-Blurb nicht abgeschreckt hat. Jost hat für diesen Roman, der aus der Perspektive eines 7 bis 12-jährigen queeren Kindes erzählt ist, dem die Eltern und die ganze Umwelt eine weibliche Geschlechterrolle aufzuzwingen versuchen, eine ganz eigene Sprache entwickelt, die zwar offensichtlich artifiziell ist, aber so gekonnt gemacht ist, dass sie tatsächlich als erzählende Stimme funktioniert. Denn hier muss und hier soll etwas erzählt werden: eine Kindheit in einem Dorf in Kärnten um 1990, in der so viele offiziell nicht (mehr) existente Sozialfiguren, gesellschaftliche Formationen und Verhaltensweisen fröhliche Urständ feiern, dass das glaubwürdig nur als surrealistische makabre Slapstick-Szenerie und als Märchen von Kindern, die im Wald verloren gehen oder dort nur die Erwachsenen überleben können, erzählt werden kann. Dem Kind, das hier spricht, ist man nach ein paar Sätzen ganz nah und emotional verbunden. Jost führt den Text so, dass man nie in die Erwachsenenperspektive rutscht, auch nicht die einer wohlwollenden Erwachsenen, sondern immer auf der Höhe des Kindes bleibt. (Jost erlaubt sich mit der Metapher des "auf der Höhe des Erzählenden Bleibens" auch einen Scherz: Zu Anfang sitzt das Kind unter einem Lastwagen und hat einen entsprechend eingeschränkten Blick auf die Szenerie um es herum, die große Umzugsaktion vom Hof in die Stadt.) In den drei Jahren, die ungefähr von der Erzählung umfasst werde, passiert viel, und das Schlimmste gleich am Anfang, aber auch sehr schöne und zarte Sachen. Josts Umgang mit Natur bzw. mit den Naturerlebnissen des Kindes (sie ist Schutzraum, aber selbst auch bedroht und manchmal auch selbst bedrohlich) hat mir gut gefallen, auch wie sie mit dem großen Berg an literarischen Vorbildern für Kind in Natur (Stifter!) umgeht. Ich finde auch, dass sie den trickiesten Aspekt so einer queeren Coming-of-Age-Story (oder eben des Versuchs, dieses Coming-of-Age so lange es irgend geht zu verweigern) sehr gut behandelt: die Mütter-Figuren und wie sie ihre Aufgabe, das Kind weiblich zu gendern, annehmen. Diese Rolle hat immer das Potenzial, in der Beschreibung oder als Figur sehr misogyn zu werden, aber bei Jost ist dieses Spagat zwischen eigener Agency, der aktiven Annahme der Privilegien, die man im Patriarchat dadurch erhält, und individuelle Widerständigkeit wirklich gut dargestellt.
Manchmal war es mir ein bissle zu viel mit der österreichischen Nazi-Folklore, deswegen einen Stern Abzug, aber eigentlich ist das ein Vorwurf an Österreich.
CN für Gewalt gegen Kinder und Frauen, gegen Tiere und Tod.
Profile Image for Otto.
750 reviews49 followers
June 19, 2024
Ein Landroman, ein Kärntenoman - gespickt mit allen Kärntenbildern - Altnazis, FPÖ Sumpf, Widerstand, …., ein Roman des Aufbegehrens der Jugend gegen die Alten, der „Revoluzzer“ gegen die Landjugend, ein Roman der erwachenden Sexualität und der Angst vor Homophobie und dem, was da an unklaren sexuellen Wallungen passiert.
Alles aufgebaut an der kleinen Ich-Erzählerin, ihrer Familie, ihrer Freundin aus Bosnien.
Dichte, teilweise traumwirre 220 Seiten.
Profile Image for Hens Books.
146 reviews28 followers
July 8, 2025

Zugegeben, der erzählerische Rahmen, der den Roman umspannt, ist schon gut gewählt. Die 11jährige J (vermutlich Julia Jost selbst) liegt unter einem Umzugswagen. Sie und ihre Familie werden an diesem Tag aus dem Familienhof in Kärnten ausziehen. Nach und nach kommen die Bewohner des Dorfes, um mit anzupacken und sich zu verabschieden. Dies nutzt die Erzählerin, um ihre Familie und ihr Dorf in anekdotischen Erzählungen vorzustellen.
Das Bild, das Julia Jost vom Bergdorf und seiner Umgebung zeichnet, ist alles andere als idyllisch. Ein Kind stirbt beim Spiel, was ein tiefes Trauma bei den Menschen hinterlässt. Die Erwachsenen saufen und betrügen sich gegenseitig. Widerliches Nazi-Gedankengut schafft es bis in die 90er Jahre hinein. Die Männer leben ihr ekelhaftes Patriarchat aus. Die Familien sind völlig dysfunktional. Und zwischen all dem Grauen entdeckt die 11-jährige J ihre Queerness.
Julia Jost bringt also wichtige Themen aufs Tableau und dies tut sie sicherlich auch recht authentisch und aus eigener Anschauung.
Der Stil und der Erzählton hat mir allerdings durchgehend ganz und gar nicht gefallen. Julia Jost schreibt durchweg kalt, zynisch und sarkastisch. Besonders unerträglich ist dieser Ton, wenn sie ganz lapidar nebenbei den Missbrauch von Pfarrern an Kindern abhandelt, als wäre das zum Lachen (mir ist klar, dass sie das nicht so meint). Und hier sind wir im Bereich von Geschmackssache: Wer relevante, zeitgenössische, teils regionale Themen in einem zynischen, schwarz-humorigen, kalten Ton ertragen kann, sollte das Buch lesen. Ich mochte es gar nicht. Ich fand es weird und anstrengend und habe es nur beendet, weil ich es geschenkt bekommen habe.
Profile Image for LeserinLu.
323 reviews38 followers
February 18, 2024
"Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht" von Julia Jost zieht von der ersten Seite an in den Bann mit seiner ehrlichen und entlarvenden Erzählweise aus Sicht der elfjährigen Erzählerin J., die mit scharfem Blick und entwaffnender Ehrlichkeit ihr Umfeld und deren Probleme betrachtet. J.s Familie wird umziehen, weshalb sie Beobachtungen und Erinnerungen aus ihrer dörflichen Umgebung schildert, in der sie bis dahin aufgewachsen ist.

Auf diese Weise wirft die Erzählerin einen schonungslosen Blick auf die dunklen Seiten der Erwachsenenwelt, in der Affären, grausame Erziehungsmethoden und rechtes Gedankengut die Norm sind. Durch einen anekdotischen Erzählstil werden Leser:innen tief in die Abgründe der menschlichen Natur gezogen, während gleichzeitig, immer wieder auch mit Spott und Ironie, die Heuchelei hinter den konservativen und rechtsextremen Werten der Erwachsenen entlarvt wird.

Der Roman hat mich dennoch nicht hoffnungslos zurückgelassen - schließlich zeigt er auch Kinder, die keine Lust haben, beim Leben der Erwachsenen mitzumachen. Auch wenn sich die Ich-Erzählerin von ihrer Freundin und Verbündeten Luca wegen des Umzugs verabschieden muss, zeigt die Beziehung zu Luca die Möglichkeit, Freundschaft zu finden und sogar Verliebtheit zu empfinden. So zeigt J., dass es Raum für persönliches Wachstum und Empfindungen jenseits der engen Normen der Erwachsenen gibt, auch wenn sie dafür von der Welt der Erwachsenen immer wieder Bestrafungen ausgesetzt ist.

Der Roman ist eine definitive Empfehlung für Leser:innen von "Krummes Holz", "Kosakenberg" und allen, die gerne Romane zu Identitätsfindung und Sozialisationsprozessen in schwierigen Umgebungen lesen.
Profile Image for Lea.
91 reviews
March 5, 2024
das war hart und irgendwie bin ich froh, dass es vorbei ist. Das ist so ein buch, was ich nicht zu einer jahreszeit zuordnen kann. Zu glauben, es gehöre in den sommer oder frühling, wäre falsch, weil das ist nicht das buch, was man sich genüsslich und mit lachen im mund auf einer sonnigen wiese reinzieht. Aber genauso wenig ist es eines, was in den kalten zeiten herunterzieht und traurig macht. Es macht genau beides, immer, in jedem satz. Du glaubst zu lachen, boom, trauma. Du glaubst zu verzweifeln, boom, die erzählperson verwandelt es in eine lustige, surrealistische szene. Dieser roman fühlt sich so alt an, so unglaublich schwer in mir. Weil eigentlich alles weh tut darin, auch die schönen sachen, es tut so weh weil es genau unsere welt ist und das ist scheisse. Manche dinge sind gleich, egal in welchem land du aufwächst. Familien scheinen auf jeden fall häufig gleich zu funktionieren. Naja. Ein grossartiges buch, ein sehr schweres buch, ein trauriges buch, ein verschmitztes buch.
Profile Image for Agnieszka Hofmann.
Author 24 books56 followers
July 7, 2024
Znakomity debiut. Cała akcja tej powieści to zaledwie kilka chwil, które narratorka, jedenastoletnia dziewczynka, spędza pod przeprowadzkową ciężarówką, obserwując nogi krzątających się przy przeprowadzce członków rodziny i sąsiadów. I w tych kilku chwilach Julia Jost zawiera kilka żyć, wiele wydarzeń z życia położonej w pasmie Karawanków wioski i mnóstwo epizodów, składających się na obraz tej specyficznej "Heimat". Znajdziemy tu dość żywe nazistowskie tradycje, pedofilskie ciągoty księdza, homofobię, jeden tragiczny i śmiertelny w skutkach wypadek i mnóstwo podbarwionej ironią krytyki austriackiej społeczności. Znawcy odnajdują tu klimaty Jelinek. Mnie zachwycił język, tylko chwilami kiksujący, kiedy autorka, bez wątpienia wyposażona w potężny talent, trochę przedobrzyła i przestrzeliła. No i jednak męcząca jest ta epizodyczność, która szczególnie pod koniec sprawiała, że całość zaczęła się rozłazić i w opowieść wkradła się nuda.
Profile Image for Bücherwolf.
164 reviews10 followers
July 9, 2024
Jetzt wollte ich doch nochmal einen weiteren Coming-of-Age Roman lesen, um mich zu vergewissern, ob ich dem Genre etwas abgewinnen kann oder nicht. Aber dieses Buch hat mich leider auch nicht weiter gebracht.
Denn ich denke nicht, dass dieses Buch ein klassischer Coming-of-Age Roman ist.
Es geht um ein 11 jähriges Mädchen, das sich versteckt, während ihre Eltern den Umzug aus ihrem Heimatdorf vorbereiten und während die Nachbarn nach und nach zu ihnen nach Hause kommen, um zu helfen, blickt sie auf ihre gesamte Kindheit zurück und lässt alles Revue passieren.
Grundsätzlich eine gute Idee, ich mag Bücher mit einer solchen Basis. Hier wurde es jedoch langweilig und träge umgesetzt. Nicht nur ist der Schreibstil gewöhnungsbedürftig eintönig, sondern auch die Handlung ist nicht das Wahre. Die Protagonistin geht jeden einzelnen Nachbarn in ihrem Kopf durch und denkt an die Lebensgeschichten dieser und ihre Erlebnisse mit diesen. Dadurch wird natürlich ein stereotypisches Dorfleben szeneriert, in dem jeder jeden kennt, jeder über jeden Gerüchte verbreitet, du nicht aus dee Reihe tanzen sollst und auch eine Brise Patriotismus notwendig ist, um von den anderen anerkannt zu werden. Zu Beginn haben die Nachbarn noch interessante Geschichten. So geht es zum Beispiel um eine Familie, die neu hinzugezogen ist und dessen Sohn durch einen Unfall in den Brunnen gefallen und gestorben ist. Doch je länger das Buch ist, desto langweiliger wurde die Handlung leider und letztendlich ist sie für mich auch ganz im Sande verlaufen.
Im Klappentext wird erwähnt, dass die Protagonistin queer sei und dies irgendwie in Einklang mit dem Dorfleben bringen muss. Ein durchaus interessantes Thema, das aber leider nur in Teilen eine Rolle spielt. Ich hätte es gern noch genauer gesehen, wie die Protagonistin und Luca sich untereinander verhalten wie es mit ihnen weiter geht und wie sie mit ihren Gefühlen untereinander umgehen. Man erfährt zwar den Anfang ihrer Beziehung aber dann rückt diese in den Hintergrund. Thematisiert wird jedoch oft, dass sich die Protagonistin nicht wie ein stereotypisches Mädchen kleiden oder verhalten möchte und deshalb oft an alle möglichen Personen aneckt. Vorallem an ihre Mutter, die unbedingt möchte, dass ihr Kind Kleider trägt.
Der Grundbaustein der Geschichte war ganz interessant und die Themen, die hätten aufgegriffen werden können, auch, jedoch verlief sich die Geschichte immer mehr und die Themen wurden nicht ausreichend behandelt, weshalb ich das Buch insgesamt nicht empfehlen würde.
Profile Image for Hanna.
646 reviews86 followers
April 1, 2024
Julia Josts Debütroman hat mir sehr gefallen! Auch wenn einem viele der im Buch erzählten Szenen und Protagonist*innen in ihrer typisch österreichischen bzw. kärtnerischen Universalität bekannt vorkamen, so kratzten sie nie am Klischee, was dem Kniff der Autorin zu verdanken ist, ihre Erzählung durch die Augen einer elfjährigen Filtern zu lassen. So entsteht eine sehr spannende Perspektive, die nicht unbedingt wertfrei, aber zumindest nicht nach dem Wertekatalog Erwachsener ausgerichtet ist.
J., die Erzählerin sitzt am Tag des Auszugs aus dem Haus in dem sie seit ihrer Geburt lebt, unter dem Umzugs-LKW und kommentiert einerseits das aktuelle Geschehen, aber durchwebt es mit Rückblenden und Erinnerungen, wodurch eine dichte und komplexe Geschichte entsteht, die eine ganze Bandbreite an Tragik und Humor bereit hält. Sprachlich wunderbar, mit von der Autorin großartig eingesetzten Kärnter-Mundart Passagen. Toll!
Profile Image for Julie J..
608 reviews36 followers
January 26, 2025
4.5

ENGLISH VERSION BELOW

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Julia Josts Roman überzeugt mit sprachlicher Brillanz und einer eindringlichen Erzählweise, die tief in die Abgründe einer scheinbar idyllischen Kärntner Kindheit eintaucht. Der Stil ist kunstvoll, teils poetisch und schafft es, sowohl die Härte als auch die Schönheit des Lebens in einer ländlichen Gemeinschaft greifbar zu machen.
Besonders beeindruckend ist die einzigartige Stimme der Ich-Erzählerin, die das Geschehen konsequent aus der Perspektive eines Kindes schildert, ohne jemals in eine erwachsene Reflexion zu rutschen. Der Dialekt und die Symbolik durchziehen den Text gekonnt und geben ihm eine zusätzliche Tiefe. Das erste Buch seit langen, bei welchem mich Dialektbegriffe nicht gestört haben – immerhin ist es mein Dialekt ;)
Das Buch ist keine leichte Kost – Themen wie Gewalt und Trauma sind präsent –, doch gerade diese schonungslose Ehrlichkeit macht es so kraftvoll. Es ist ein intensives, literarisch anspruchsvolles Werk, das fordert, aber auch nachhaltig beeindruckt.
Empfehlenswert für Leser:innen, die Lust auf sprachlich dichte, subversive Literatur haben, die weit über das Offensichtliche hinausgeht.


Ich freu mich schon auf weitere Romane von Julia Jost!

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Julia Jost's novel impresses with linguistic brilliance and a compelling narrative style that delves deep into the darker sides of a seemingly idyllic childhood in Carinthia. The writing is artful, at times poetic, and skillfully captures both the harshness and beauty of life in a rural community.
Particularly striking is the unique voice of the first-person narrator, who portrays events consistently from a child's perspective, without ever slipping into adult reflection. The use of dialect and symbolism runs seamlessly throughout the text, adding an extra layer of depth. This is the first book in a long time where dialect terms didn’t bother me—after all, it’s my own dialect!

The book is not an easy read—themes such as violence and trauma are present—but it is this unflinching honesty that makes it so powerful. It is an intense, literarily ambitious work that challenges the reader while leaving a lasting impression.

Highly recommended for readers who appreciate linguistically rich, subversive literature that ventures far beyond the surface.

I’m already looking forward to more novels by Julia Jost!
Profile Image for Tarian.
336 reviews18 followers
February 13, 2024
Porträt eines Kindes, das "sich querstellt" bzw. quersteht zu dem ruralen Karawankendorf, in dem es aufwächst. Vom Ausgangspunkt des Auszugs der Familie aus dem Gasthof und in die Stadt erzählt es beim Versteckenspielen mit seiner Freundin Luca von den Dorfbewohnern, die zum Helfen gekommen sind, aber auch von den Eltern und Geschwistern. Atmosphärisch eingefangen ist insbesondere der Dialekt, den die Figuren sprechen. Nach und nach entsteht das Bild einer durch und durch rechten Volksgemeinschaft, in der man Stolz ist, wenn der Vater in der SS war oder man noch Abzeichen/Reliquien aus der Zeit des 3.Reichs besitzt. Leutselig wird gemeinsam gezecht, man hilft sich, immer grundiert mit einem gewissen Misstrauen, und für die Frauen ist es schwer, aus dem vorgezeichnet scheinenden Weg auszubrechen. Ausbruchsversuche werden mindestens kritisch beäugt, manchmal auch sanktioniert. Die Erzählstimme ist ein Mädchen, dass sich nicht mädchenhaft kleiden, benehmen, fühlen möchte und dagegen ankämpft, in Kleider gepresst zu werden oder lange Haare zu tragen.
Untergewoben in diesem, wie an meiner Zusammenfassung ersichtlich ist, konfusen Geflecht, ist die zart erzählte Geschichte der Annäherung zwischen Luca und der Erzählerin*dem Erzähler (eine Festlegung ist aufgrund weitgehend ausgesparter Selbstbezeichnung schwierig), die wunderbar die gegensätzlichen Gefühle einfängt - das eigene Verlangen vs. die Normen der Gemeinschaft.
Es ließen sich noch viele weitere Einzelheiten anführen, doch wird hier einer der beiden Aspekte deutlich, an denen das Buch krankt. Denn zum einen wird soviel Stoff verarbeitet, nebeneinander gestellt, verbunden, dass die Handlung kaum erkennbar ist; für ein zielloses Mäandern allerdings isnd die einzelnen Vignetten nicht eindrücklich genug und verlangen nach Verbindung.
Zum anderen ist die Erzählstimme eine seltsame Melange zwischen Kind und erwachsenem Ich, was grotesk wirkt, wenn die kindliche Naivität nur da einsetzt, wo es um die politischen Verstrickungen des korrupten FPÖ-Bürgermeisters geht, mit dessen Hilfe der Vater des Kindes LKWs an die serbischen Kriegsverbrecher liefert (gleichzeitig ist Luca die Tochter bosnischer Eltern, die als Personal am Hof beschäftigt sind, eine nirgends aufgegriffene Absurdität); diese Naivität aber bei der Analyse der Psychen der Erwachsenen einer abgeklärten Stimme weicht.
Durch diese Kontruktionsfehler wird die eigentlich wunderbar gearbeitete Szenerie ihrer Immersion beraubt, verliert an Literarizität.
45 reviews3 followers
February 27, 2024
Ein bisschen Angst meinerseits vor einem abgenudelten Thema war vorhanden. Schon im Vorfeld wurde in der Literaturszene sehr viel Wirbel um das Buch gemacht (laut Falter-Rezension "Mehrere tausend Gratis-Leseexemplare wurden zuletzt an Redaktionen, Literatur-Influencer und Buchhandlungen verschickt."). Und mittlerweile gibt es gefühlt kein Medium mehr in dem das Buch nicht vorgekommen ist (ich erinnere mich an Buchkultur, SZ, FAZ, Standard, Falter, Ö1 (Ex libris, Intermezzo, Passagen), Podcasts (Dichtung & Wahrheit, Literaturclub: Zwei mit Buch, Lesart)), und ich kann mich dabei an keine einzige schlechte Rezension erinnern.

Nach nur wenigen Seiten hab ich mich aber schon auf die Sprache eingegroovt, die kursiv gesetzten umgangssprachlichen Ausdrücke finde ich besonders gelungen. Viele Schauplätze sind mir bekannt und das Buch hatte dann eine interessante Sog-Wirkung.
Profile Image for katharina.
92 reviews14 followers
July 21, 2024
wenn mi wer frogt warum i kärnten hoss
Profile Image for Tabitha Anna Teufel.
40 reviews1 follower
August 10, 2024
„Die Zukunft ist ein Berg, der durch jemandes Finger rieselt.“
Hab die Analogien bzw. das Spannungsfeld zwischen Natur- und menschengemachten Gesetzen sehr gemocht, und wie sich die Erzählerin dort draußen, mitten im dörflichen Wahnsinn, ihren eigenen Schutzraum erdichtet hat.🌿🏔️
Profile Image for Malu von Marschall.
38 reviews3 followers
February 16, 2025
Ein krasses Buch, bei dem mir erst der rote Faden gefehlt hat, das mich dann aber total abgeholt hat 💕
Profile Image for Christoph.
51 reviews1 follower
June 7, 2025
Ein Coming-of-Age-Roman aus dem Kärnten der frühen 1990er Jahre, der für meinen Geschmack ein wenig zu vollgepackt ist. Es geht ums Aufwachsen in der tiefsten Provinz, Queerness, dunkle Familiengeheimnisse, sozialen Aufstieg und das hemmungslose Zurschaustellen des damit einhergehenden materiellen Wohlstands, Migration, alte Nazis, neue Rechte und den Versuch, der tristen Außenseiter-Wirklichkeit durch Fantasie zu entgehen.

Sprachlich gelungen dank des unbedarft-sarkastischen Tonfalls der Hauptfigur (dass diese erst elf Jahre alt sein soll, ist natürlich zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd glaubwürdig) , aber leider auch mit einem ständigen Wechsel von vergnüglich zu lesenden und - vor allem im zweiten Drittel des Romans - sehr zähen Passagen.
Profile Image for Raoul Duke.
23 reviews
October 13, 2024
Die bildlichen Beschreibungen sind so schön. Das Buch hat jedoch auch sehr viel melancholische Anteile, viel bitterböses der Zeit und der vergangenen Zeit.
Profile Image for Aloj.
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March 11, 2024
Großartige Sprache, beeindruckende Szenerie, ein sehr lesenwertes Buch!
Profile Image for Finn.
10 reviews
February 17, 2024
Julia Jost spricht hier auf 230 Seiten enorm viel an und alles Angesprochene hat eine Gemeinsamkeit: eine brutale und ehrliche Sprache, mit der alles erzählt wird.

Hier vermischen kindlicher Leichtsinn, erwachsene
Erinnerungen und jugendliche Überheblichkeiten und erzählen: In den späten 80ern in einem Körper aufzuwachsen, in dem man sich nicht wohlfühlt; der wahnhafte Konsum und Kaufrausch der Mutter, um bei anderen Frauen als bürgerlich zu erscheinen; ein tief verankerter Sexismus und Rassismus, gepaart mit Stolz auf die SS-Mitgliedschaft der eigenen Großeltern und letztlich auch der Tod eines kleinen Jungen, mit dem alle verschieden umzugehen versuchen.

Vieles muss hier verarbeitet werden, bildet letztlich dann aber auch ein stimmiges Bild vom Aufwachsen in einem zutiefst konservativen und bäuerlichen Dorf, von dem man sich wünscht, dass es heute der Vergangenheit angehört.
Profile Image for Tobias.
27 reviews8 followers
April 30, 2024
Als wäre schon immer alles dagewesen. Alles was uns heute politisch heimzusuchen droht. Aber war sie jemals im Untergrund verschwunden, die Verachtung all dessen, was als fremd markiert wurde und begleitet von struktureller Glorifizierung grobschlächtriger Männlichkeit?
Damals in den 1990ern. Im Kärntner Land. Im ländlichen Raum. Ein Roman, den ich als Anklage lesen muss gegen patriachale Gewalt, gegen Bigottiren, kleinbürgerlichen Lebenslügen und gegen kultivierte Verachtung, auch weil ich im Ländchen Raum im bayerischen Allgäu nicht unähnliche Strukturen erlebt habe und wie die Romanfigur selbst ein Elder Millennial bin, inkl. queerer Biografie.
Sprache und die Erzählung und der Humor haben mich sehr gefreut, insbesondere dann wenn sich in der Erzählung Abgründe auftun, die zumindest in meiner Lesart, der Roman den Leser:innen zeigen (seht hin) möchte. Liest sich nicht immer einfach. Ist aber lesenswert.
Profile Image for Sven.
64 reviews8 followers
October 6, 2024
This is not a love song. Es ist ein bissig makabrer Anti-Heimatroman.

Erzählt wird retrospektiv. Die Hauptfigur blickt auf einen Schlüsselmoment zurück, von dem aus sie ihre Kindheit in Kärnten rekonstruiert. Es ist der Tag, an dem die Familie aus Kärnten wegzieht. Als elfjähriges Kind liegt sie unter dem Umzugslastwagen, lugt hervor auf die vorbeiziehenden Erwachsenen und berichtet. Neben einem queeren Coming of Age sind es vor allem die makabren Dorfgeschichten, die sie ausbreitet. Es ist die Geschichte einer Dorfgemeinschaft, in der die Dorfbewohner sich auf eine Art zusammenrotten, die aus jedem nur das Schlechteste herausholt, eine Gemeinschaft gegen die Anderen, in der Nazi-Devotionalien gesammelt werden, Kinder bei Mutproben mit SS-Dolchen umkommen, Erwachsene so weit drangsaliert werden, bis sie sich den Strick nehmen und neurechte Strukturen die Strippen ziehen. Mit der Art, wie die Erzählerin Lebensschicksale ins Bild setzt, macht sie zwei Sachen deutlich. Zum einen gibt sie mit ihrer bissigen Erzählweise diese ganzen Szenen so konsequent der Lächerlichkeit preis, dass sie ein Stück von ihrem Schrecken verlieren. Gleichzeitig zeigt sie anhand der unterschiedlichsten Lebensschicksale, dass kaum jemand vor Ort mit dieser Schwerkraft der Verhältnisse wirklich glücklich wird. Als ob das nicht schon genug wäre...

Schlussendlich wird sich herausstellen, dass die Gewinne, die der Familie den Umzug und den wirtschaftlichen Aufstieg ermöglichen, aus einer besonders widerlichen Angelegenheit stammen. Das in Belgrad abgeschlossene Geschäft bildet gewissermaßen einen Kontrapunkt zur Liebe zum bosnischen Mädchen. Leider wird genau das dann weder aufgelöst noch weiter ausgearbeitet. Ich hatte den Eindruck, dass das Buch hier hinten raus etwas schwächelt. Einige Sachen kommen auch sehr plakativ daher. Insgesamt ist es eine unterhaltsame literarische Österreichgeisterbahn, aber kein Text, den ich unbedingt nochmal lesen muss. Das dürfte vermutlich aber einfach mit persönlichen literarischen Vorlieben zusammenhängen.
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35 reviews
August 12, 2024
Konnte nicht alles greifen, Dialekt und überbordende, spezifische Begriffe aus der Pflanzenwelt zb.

Aber hier wird so viel und intelligent mit Sprache gespielt, dass es Spaß macht und ein bisschen anstrengend ist

Daneben die Geschichte des Dorfes aus Kärnten, Nazirelikte, Volksgesänge, Brutalität im Privaten

Verstehe die Elfriede Jelinek connection komplett.

Sehr gehaltvolles, sprachlich anspruchsvolles Buch
Profile Image for Marlene.
3 reviews
September 19, 2024
ein wirklich fantastisches Buch.
Sprachlich ist es ein kleines Meisterwerk und die Story ist schwer, herzzerreißend und trotzdem schafft Julia Jost es immer wieder leicht und amüsant die Situationen aufzulockern - denn die 11 jährige schaut immer wieder unter dem LKW hervor.

ich habe eine Weile gebraucht, um die Dialoge im Dialekt zu durchblicken, aber es ist keine unmögliche Aufgabe.

definitiv lesenswert!
Profile Image for thrays.
48 reviews20 followers
March 18, 2024
ich bin zwiegespalten! einerseits spannende thematiken, andererseits sehr verwirrender schreibstil. hat mich trotzdem somehow gecatched
Profile Image for Rahel.
294 reviews29 followers
May 22, 2025
Kleiner Disclaimer vorab: ich glaube, ich habe drei Wochen für dieses Buch gebraucht. Das ist weder der Story, noch dem Schreibstil, noch irgendwas was anderem am Buch geschuldet, sonst ganz allein meiner Arbeitswoche und irgendwelchen Stressoren, die ich jetzt auch schon wieder verdrängt und vergessen habe...

Ich habe in der letzten Zeit mehrere Bücher aus dieser Welle der jungen (Anti-)Heimatromane gelesen. Ich lande dabei immer bei Orten, die ich selber kenne und schätze, deren "Durchleuchtung" daher für mich umso interessanter ist. Dies ist auch bei diesem Buch der Fall; ich bin seit ich Kind bin regelmäßig in Kärnten und schätze diese Region Österreichs sehr - als deutsche Touris haben wir schon immer die politische Lage als Außenstehende mitgekriegt; selten bis gar nicht von unseren Bergnachbar*innen. Die Vermutung liegt nahe, dass die mir bekannten Leute, die mich seit klein auf an kennen, auch in Julia Jost's Geschichte auftauchen könnten, auch wenn sie von 1-2 Tälern weiter rüber anreisen müssten.

Die Struktur des Buches, die letztendlich zu etwas forcierten, aber inhaltlich spannenden Vignetten innerhalb eines Umzuges, geführt hat, ist... zäh. Anfangs funktioniert das ganze recht gut, so als würde die namenlose Stimme unserer Geschichte immer wieder reinzoomen mit einer Kamera, die uns Gesamtbilder des sozialen Umfeldes der Familie liefert. Später, als die Kernthemen des Buches (die Nähe zur faschistischen Vergangenheit und die mangelnde geschlechtliche und soziale Konformität der Hauptfigur) mehr und mehr in den Vordergrund rücken, wirkt es aufeinmal nicht mehr so flüssig. Es kann sein, dass dies meinem oben genannten Leserhythmus geschuldet ist - wie man anhand meiner verschachtelten Sätze merkt, bin ich nach langen Arbeitstagen kognitiv auch nicht mehr so wirklich aufnahme- und schreibfähig - aber vielleicht liegt es auch echt einfach an diesem Rahmen. Dorfgeschichten a la Lenz hätten hier vielleicht besser getaugt; oder ein stärkerer Fokus auf die Hauptfigur und ihr tägliches Leben, in dem diese Vignetten dann "natürlicher" unterkommen.

Es fühlt sich irgendwie komisch an, zu sagen, dass ich diesem Buch allen voran drei Sterne geben (anstatt zwei), weil ich mich gefreut habe, literarisch nach Kärnten reisen und so viele bekannte Orte wiedererkennen zu können. Der Blick hinter die Kulissen, der mir als Kind zwar nicht verwehrt wurde, aber sich nicht an diesem Ort verankert hat, hat nur bedingt gewirkt. Ich glaube, wenn ich nicht zuletzt Thielemanns Von Norden Rollt Ein Donner gelesen hätte, stünde ich diesem Buch vielleicht etwas nachsichtiger gegenüber - aber leider blieb es nicht nur bei charakterlichen, sondern auch thematischen Vignetten. Ich hätte mir ein klarer fokussiertes Gesamtbild, fast schon ein Wimmelbild gewünscht.
Profile Image for Johanna Berger.
123 reviews5 followers
June 17, 2024
„Wo der spitzeste Zahn der Karawanken in den Himmel hinauf fletscht“, da ist es alles andere als beschaulich. Erzählt wird über eine Kindheit, aus der ein Mädchen zwar selbstbewusst, aber nicht unbeschadet herauswächst. Es ist auch eine Geschichte über das erwachende Bewusstsein des Andersseins und die lesbische Liebe.

Die Geschichte spielt vor allem in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Eltern der Ich-Erzählerin ziehen um, Kisten und Möbel stehen schon vor dem Wirtshaus, das die Familie verlässt. Das Mädchen sitzt unter einem LKW und versteckt sich. Ihre bosnische Freundin soll sie suchen. Das ist die Situation, von der aus erzählt wird. Die Erzählerin kommt darauf auch immer wieder zurück. Aber eigentlich steht etwas anderes im Mittelpunkt der Geschichte. Es ist der schreckliche Unfall eines Klassenkameraden, für den sich nicht nur das Mädchen die Schuld gibt. Und es sind die Leute, die alle irgendwie damit zu tun haben, denn „Hinterlist und Bosheit sind hier Menschenerfindungen. Der Gratschbacher Wald und die Felder, die Wiesen, der Teich sind eine ganz übliche Summe aus Pflanzen, Wasser und Tieren, die darin wohnen. Sonst nichts.“ Diese Leute sind Nachbarn und Verwandte des Mädchens. Sie haben Vergangenheiten, über die man spekuliert, anrüchige Bekanntschaften mit Parteigenossen, die zu lukrativen Aufträgen und Wohlstand verhelfen. Besonders herausgehoben wird die Karriere des Feuerwehrmanns und späteren Bürgermeisters, das Abbild eines Karrieristen der „Freiheitlichen Partei“. Frauen haben wenig zu sagen. Kinder imitieren die Gemeinheiten ihrer Eltern. Viel Leid, aber auch viele Abenteuer gibt es im Tal, das die Kinder irgendwann Schakaltal nennen.

Julia Jost erzählt die bewegende Geschichte mit einer bildgewaltigen, sehr eigenwilligen Sprache. Immer wieder auch mit authentischen Einsprengseln von Kärntner Dialekt. Archaisch. Magisch. Keine leichte Kost!

Eine Lesung mit Julia Jost ist ein Erlebnis. Ihre Stimme trägt die Geschichte.
Displaying 1 - 30 of 59 reviews

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