Die brillante Unternehmerin Lillian Cutting ist so erfolgreich und unabhängig, wie es eine Frau um 1880 nur sein kann. Auf ihrem eigensinnigen Weg nach oben hat sie gegen alle gesellschaftlichen Konventionen verstoßen und ganz New York gegen sich aufgebracht. Dort ist man sich Diese Frau muss verschwinden. Ein für alle Mal. Koste es, was es wolle. Dabei hätten alle damit rechnen können, dass Lil ihre Freiheit, ihre Würde und ihr Vermögen niemals opfern würde. Und als es so weit kommt, dass es um ihr nacktes Überleben geht, dreht "Lil the Kill" den Spieß um. Sie ist eine Ausnahmeerscheinung im New York um 1880, nicht nur unter den herrschenden Familien der Stadt, den Belmorals und Lange Zeit hat die Eisenbahnmagnatin Lillian Cutting, an der Seite ihres loyalen Mannes Chev, mit ihrem exzentrischen Führungsstil noch die kühnsten Spekulanten überflügelt. Und sich mächtige Feinde gemacht. So scheint es ihrem Sohn Robert nach Chevs Tod ein Leichtes, Lillian mit Hilfe eines sendungsbewussten Psychiaters zu entmündigen und in eine geschlossene Anstalt wegsperren zu lassen. Aber Lil nimmt den Kampf auf - gegen eine Gesellschaft, die Eigensinn als Krankheit denunziert. Rasant, komisch und unerschrocken schildert Markus Gasser, wie eine furchtlose Frau an ihren hochmütigen Peinigern fantasievoll Rache nimmt. «Lil» ist eine universelle Geschichte voller Zorn und Trost über die Jagd nach dem großen Geld, listige Söhne und unversöhnliche Töchter, das Recht auf den eigenen Lebensentwurf und über Machtkämpfe, wie wir sie heute noch führen - erzählt von Lils Nachfahrin Sarah, die mit den verfänglichen Methoden der Psychiatrie noch eine ganz persönliche Rechnung offen hat.
Markus Gasser, geboren 1967 in Österreich, ist Romancier, Essayist, Universitätsdozent und Schöpfer des beliebten YouTube-Kanals "Literatur Ist Alles". Zuletzt erschienen von ihm u. a. "Das Königreich im Meer", "Die Launen der Liebe", "Das Buch der Bücher für die Insel" und "Eine Weltgeschichte in 33 Romanen". Der Autor lebt mit seiner Frau und einer labyrinthischen Bibliothek in Zürich.
Markus Gassers „Lil“ ist ein Roman über Intrigen, Machtspiele und das New Yorker Leben um 1880. Sarah, eine New Yorkerin der Jetzt-Zeit, erzählt die Geschichte ihrer Urahnin Lil. Die Hauptfigur, Lillian Cutting, eine exzentrische Eisenbahn-Millionärin, wird nach dem Tod ihres Mannes durch einen Trick ihres Sohnes Robert gegen ihren Willen in einer Nervenklinik aufgenommen. Doch anstatt sich ihrem Schicksal zu ergeben, kommt sie durch ihre Intelligenz und Freunde, die ihre Hinweise richtig zu deuten wissen, frei und beschließt Rache an ihren mächtigen Feinden zu nehmen. Gasser erzählt die Geschichte mit erstaunlich großer Spannung, unerwarteten Wendungen und cleverer Komik. Einzelheiten um das New York der 1880er sowie die Darstellung der Diagnostik- und Behandlungsmethoden psychischer Krankheiten, insbesondere bei Frauen, sind genau recherchiert und zeichnen ein authentisches Bild der Zeit. Dazu gehört auch immer wieder Gewalt gegen Frauen, sowohl psychisch als auch physisch, hier wird nichts beschönigt oder ausgelassen. Die schonungslose Darstellung hatte ich so aus der Ankündigung allerdings nicht erwartet.
Schon im ersten Kapitel wird deutlich, wie packend der Roman erzählt wird. Obwohl der Plot der ersten beiden Kapitel aus der Ankündigung des Romans bekannt ist, gelingt es Gasser, durch spannende Wendungen die Spannung hochzuhalten. Fast alle Kapitel enden mit Cliffhangern. Eine weitere positive Überraschung ist die faszinierende Darstellung der New Yorker Upperclass. Gasser zeichnet ein lebendiges Bild dieser Gesellschaftsschicht, das sowohl unterhaltsam als auch zugespitzt ist. Die Darstellung erinnert an andere literarische Werke, die sich mit der New Yorker Upperclass beschäftigen, und zeigt Gassers Talent, sich nahtlos in das Genre einzufügen.
Obwohl im Roman eine Vielzahl an Figuren vorkommen, die entweder Antagonisten von Lil sind oder sie unterstützen, bieten sich oft kleine, genauere Einblicke in die Vorgeschichte der verschiedenen Figuren, die dadurch größtenteils authentisch wirken und nur manchmal klischeehaft erscheinen. Besonders auffällig ist dabei, dass es oft kontrastierende Figuren gibt, deren unterschiedliche Wertvorstellungen und Persönlichkeiten sich plakativ voneinander abheben. Dadurch wird es aber einfacher, die vielen Figuren einordnen zu können. Unklar blieb für mich die Figur der Erzählerin Sarah, deren Schicksal mit einem zunächst nicht behandelten Krebsleiden an die Haupthandlung anknüpft, aber deren Darstellung trotzdem nicht an die schillernden anderen Figuren heranreicht.
Insgesamt ist „Lil“ von Markus Gasser ein fesselnder Roman, der durch seine packende Erzählweise, überraschende Wendungen und facettenreiche Charaktere überzeugt. Ein absolutes Muss für Fans von spannender Literatur und intelligent erzählter Kulturgeschichte.
«Bist du hier, gehörst du hierher und kommst nur raus, wenn du nicht mehr rauswillst» sagte eine, «Kannst jede Behandlung brauchen, weil du alle Krankheiten hast, die sie dir anbieten» eine andere. - Buchzitat (S. 71)
Markus Gasser entführt uns mit seinem Roman "Lil" in das New York des 19. Jahrhunderts, wo die Protagonistin Lillian Cutting sich mit unerschütterlichem Willen gegen die rigiden gesellschaftlichen Konventionen auflehnt. Der Autor, Essayist und Universitätsdozent präsentiert nicht nur eine mitreißende Geschichte, sondern auch eine eindringliche Gesellschaftskritik, die die Leser:innen tief in die düsteren Abgründe einer misogynen Epoche führt. Er selbst ist bekennender Feminist.
Die Geschichte folgt der erfolgreichen Unternehmerin Lillian Cutting, die sich gegen alle Widerstände behauptet und dabei New York gegen sich aufbringt. Nach dem Tod ihres Mannes Chev versucht ihr Sohn Robert, sie mit Hilfe eines Psychiaters zu entmündigen. Doch Lil kämpft gegen eine Gesellschaft an, die Eigenständigkeit (der Frau) als Krankheit betrachtet. Markus Gasser entfaltet eine universelle Erzählung über den Kampf um Freiheit, Würde und das Recht auf den eigenen Lebensentwurf.
Gassers Erzählstil ist von Anfang an packend und einzigartig. Sein direkter, humorvoller Schreibstil hat mich sofort begeistert, während die Charaktere mit einer Mischung aus Überzeichnung und Realismus lebendig werden. Das Cover, geheimnisvoll und ansprechend, spiegelt die Atmosphäre des Romans wider. Die Geschichte von Lil ist nicht nur eine individuelle Rachegeschichte, sondern ein eindringliches Porträt der damaligen Frauenrolle. Gasser konfrontiert die Leser:innen mit dem toxischen Frauenbild des 19. Jahrhunderts, das leider bis heute seine Schatten wirft. Lil ist eine Ausnahmeerscheinung, die sich in einer männerdominierten Welt behauptet, was sowohl bewundernswert als auch erschreckend realitätsnah dargestellt wird. Die Misogynie, der Lil und andere Frauen begegnen ist schwer zu ertragen, aber genau darin liegt die Stärke des Romans. Gasser schafft es, die Empörung der Leser:innen zu wecken und gleichzeitig eine Botschaft der Ermächtigung zu vermitteln. Die Racheakte von Lil und ihren Verbündeten gegen die frauenverachtende High Society sind gleichermaßen erhebend wie verstörend. Die Struktur des Romans, die zwischen dem 19. Jahrhundert und der Gegenwart wechselt, verleiht der Geschichte eine zusätzliche Tiefe. Die Verbindung zwischen Lil und ihrer Nachfahrin Sarah, die durch einen wiederentdeckten Brief hergestellt wird, fügt dem Roman eine zeitlose Dimension hinzu. Ein besonderes Highlight ist der sarkastische Ton, mit dem die Erzählerin Sarah ihre Familiengeschichte präsentiert. Gassers Humor ist beißend und klug, was dem Buch eine einzigartige Atmosphäre verleiht. Die Dinnerparty-Szene, in der Gäste als Tiere metaphorisiert werden, ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch eine subtile Kritik an der Dekadenz der High Society - eine meiner Highlight Szenen des Buches. "Lil" ist nicht nur ein Roman über Rache, sondern auch über Gier, Frauenrechte, und den Kampf gegen gesellschaftliche Normen. Die detaillierten Beschreibungen von Lil's Erfahrungen in der Nervenklinik und während des Gerichtsprozesses sind erschütternd. Die Darstellung von Fairwell als Quacksalber und Frauenfeind ist beängstigend realistisch. Die Offenlegung der Frauenfeindlichkeit durch angeblich wissenschaftliche Erkenntnisse ist verstörend, aber notwendig, um die Absurdität dieser Überzeugungen zu entlarven. Markus Gasser gelingt es, mit "Lil" eine universelle Geschichte zu erzählen, die auch heute noch relevante Themen wie Rassismus, Frauenrechte und den Kampf gegen toxische Männlichkeit anspricht. Der Roman ist literarisch anspruchsvoll, fesselnd und regt zum Nachdenken an.
Insgesamt verdient "Lil" ohne Zweifel eine Bewertung von 5 von 5 Sternen. Der Roman überzeugt nicht nur durch seine packende Handlung und den außergewöhnlichen Schreibstil, sondern auch durch die tiefgreifende Auseinandersetzung mit zeitlosen gesellschaftlichen Problemen auf seine ganz eigene Art.
«Ist es ein Mann, meine Damen und Herren, oder eine Frau oder beides oder keines von beidem oder etwas dazwischen? Oder etwas Drittes oder Viertes? Gibt es das über- haupt? Oder ist das die falsche Frage? Das entscheiden Sie, meine Damen und Herren, Sie und nur Sie allein!» - Buchzitat (S. 237)
Bei dem Buch handelt es sich um ein Rezensionsexemplar. Dies hat die Bewertung jedoch nicht beeinflusst.
2017 stößt Sarah Cutting auf einen bis dahin verschollenen Brief ihrer Vorfahrin aus dem Jahr 1880. Dieser Brief ist ein Hilferuf der millionenschweren Eisenbahnmagnatin Lillian Cutting, genannt Lil, aus der geschlossenen psychiatrischen Klinik, in die sie nach dem Tod ihres geliebten Gatten Chev von ihrem Sohn Robert abgeschoben wurde. Ziel dieser Abschiebung ist die Entmündigung der äußerst klugen und geschäftlich enorm erfolgreichen Lil, denn Chev, wie seine Gattin steinreich, hatte den charakterlich verkommenen, verlogenen und intriganten Sohn Robert enterbt.
Der Aufenthalt Lils in der Hops Island genannten Luxusklinik ist ein einziges Martyrium. Der leitende Psychiater diagnostiziert bei Lil eine schwere psychische Störung, sie wird sediert, ihrer Freiheit beraubt und schweren, entwürdigenden Mißhandlungen ausgesetzt.
Soviel zur ernsten Thematik des Romans. Lils Geschichte wird anhand des wiedergefundenen Briefs durch Sarah aufgerollt. Und das auf sehr vergnügliche Weise, indem Sarah ihrer Dobermannhündin Miss Bronte davon berichtet und Miss Bronte dies teils humorvoll, teils sarkastisch kommentiert. Mir hat dieses Zwiegespräch zwischen Sarah und ihrer Hündin sehr gefallen. Welcher Tierfreund wünscht sich nicht, dass sein Gefährte, sei es Hund, Katze oder sonstiges Getier, ihm in menschlicher Sprache antwortet ? Zudem ist auch Sarah u. a. durch beruflichen Unbill psychisch angeschlagen und an einem Tumor erkrankt und erfährt durch die Gesellschaft ihrer Hündin seelische Linderung.
Deutlich wird, dass die zu Lils Zeiten männerdominierte Gesellschaft die Intelligenz und Furchtlosigkeit und den daraus resultierenden geschäftlichen Erfolg von Frauen als Bedrohung wahrgenommen hat. Der Autor entlarvt zudem am Beispiel der "erlauchten oberen vierhundert" der New Yorker Gesellschaft der Jahre 1880 ff. die Dekadenz, Exaltiertheit, Arroganz und Heuchelei dieser unvorstellbar reichen, im Luxus schwelgenden Clique. Diese Gesellschaftskritik hat deutliche Bezüge zur heutigen Zeit, unwillkürlich zieht der Leser Parallelen zur Welt der Reichen und Schönen, der Finanzspekulanten, des Hochadels unserer Tage.
Die Handlung des Romans entwickelt sich schließlich zu einem Rachefeldzug der befreiten, aufgrund eines gerechten Richterspruchs doch nicht entmündigten Lil. Lils Rache ist grausam. Sie richtet sich mit ganzer Härte gegen ihren eigenen Sohn Robert und seine willfährige Entourage und ich habe Genugtuung für das Lil angetane Unrecht empfunden. Geradezu märchenhaft mutet das endgültige Schicksal des missratenen Sohnes und des Peinigers Lils in der Gestalt des Leiters der psychiatrischen Klinik an, so grausam, wie eben auch Märchen sind.
Das alles wird in einer teils altertümlich gediegenen, teils sehr poetischen und teils humorvoll anmutenden Sprache erzählt. Sehr gefallen haben mir trotz aller damit assoziierten Dekadenz die Beschreibungen der erlesenen Speisen und Getränke. "Frikadelle vom Seehecht mit Petersilie, Kreuzkümmel und Koriander in blubbernder Tomatensauce" war noch eines der einfacheren Gerichte ! Genauso genossen habe ich Sätze wie den folgenden, der den Wendepunkt in Lils Geschichte nach dem Richterspruch und den Beginn ihres Rachefeldzugs markiert: "...und ein Bussard schnitt bei seinem letzten Flug den glücklich aufgehenden Vollmond jenes dritten Mai 1880 mitten entzwei."
Ich vergebe 5 Sterne für diesen sehr lesenswerten Roman.
„Lil the Kill“ oder die Geschichte einer emanzipierten Frau
Lillian Cutting ist eine erfolgreiche Frau, die schon als Siebenjährige von ihrem Vater gefördert wird. Er hat ihr Potenzial erkannt - so auch Chev, ihr späterer Ehemann. Nach seinem Tod führte sie, die Eisenbahnmagnatin, das Finanzgenie, mit Geschick und Spürsinn für alles Geschäftliche das Unternehmen weiter.
Wir sind in New York und schreiben das Jahr 1880. Lillians Erfolg weckt Neider und nicht nur für ihre Konkurrenten ist sie ein rotes Tuch, auch ihr Sohn Robert kann es nicht fassen, dass nicht er als „natürlicher“ Nachfolger seines Vaters an der Firmenspitze steht. Denn dieser hat vorausschauend Lillians Position testamentarisch gesichert. Ein durchaus nachvollziehbarer Schritt, denn Robert ist eher einer, der sich und die Bank, in die ihn einst sein Vater eingekauft hat, nur durch die ständigen Finanzspritzen seines Vaters ganz oben halten kann. Und so ersinnt er mit seinem Freund Doktor Matthew Fairwell, der das Sanatorium Hops Island führt, einen teuflischen Plan. Hops Island ist im landläufigen Sinne eine Nervenheilanstalt, Lillian bezeichnet sie als Irrenkolonie und genau dahin lockt Robert seine Mutter.
Markus Gasser ist eine gar furiose Geschichte um eine emanzipierte Frau gelungen. Eigentlich sind es zwei Frauenfiguren, die unerschrocken ihren Weg gehen, damals ganz unüblich und von der feinen Gesellschaft so gar nicht toleriert. Eine Frau hatte in erster Linie Ehefrau und Mutter zu sein, sie hatte repräsentative Aufgaben, die „Erlauchten Vierhundert“ gaben den Ton an. Gasser versteht es aufs trefflichste, die Empfindlichkeiten der New Yorker Upper Class zu skizzieren. Die Unterdrückung der Frau, einhergehend mit der Emporhebung des Patriarchats, scheint die einzig wahre Gesellschaftsordnung zu sein. Und Fairwell seinerseits sieht sich als einen Chirurgen des Geistes, er gibt eine verstörende Beschreibung seines Frauenbildes wieder.
Alles beginnt mit Sarah, die mit Miss Brontë, ihrer Dobermann-Hündin, Lillians Geschichte erzählt. Ihr Dialog mutet zunächst ein wenig befremdlich an, was sich aber alsbald ins Gegenteil verkehrt. Lillian, kurz Lil genannt, ist Sarahs Großmutter - mit einem vierfachen „Ur“ vorneweg. Auslöser für diese spannende Erzählung ist ein Brief vom April 1880, der nie abgeschickt und jetzt beim Ausräumen der einstigen Nervenklinik gefunden wird. Und so kommt die Geschichte ins Rollen, die tragisch ist, aber nicht nur. Die die höhere Gesellschaft Manhattans nicht gut aussehen lässt, die jedoch nicht mit der Stärke einer unerschrockenen Frau rechnet. Ein außergewöhnlicher, ein lesenswerter Roman, der fesselt von der ersten bis zur letzten Seite.
In seinem Buch „Lil“ erzählt der Autor Markus Gasser die Geschichte einer fiktiven Frau, die es so jedoch um 1880 gegeben haben könnte. Lillian Cutting, welche in der Regel jedoch Lil genannt wird, stammt aus der New Yorker Upper Class. Doch statt sich ihres Wohlstands zu erfreuen, wie es sich für ihren Stand und vor allem ihrer Rolle als Frau entspricht, führt sie eins der größten Unternehmen ihrer Zeit. Sie ist der Inbegriff dessen, was man zu dieser Zeit als „unbequeme Frau“ bezeichnet. Ihr Sohn Robert und dessen Umfeld sorgen dafür, dass Lil in einer psychiatrischen Einrichtung landet, obwohl sie lediglich etwas überarbeitet ist und um ihren verstorbenen Mann Chev trauert. Das Prinzip, unbequeme weibliche Verwandte auf diesem Wege aus dem Weg zu räumen, war zu dieser Zeit das übliche Vorgehen. Doch Lil wird nicht umsonst von der Presse als „Lil the Kill“ bezeichnet … Ihre Nachfahrin Sarah schreibt die Geschichte von Lil in der Jetztzeit nieder, was ihr nach einer Krebserkrankung wieder Sinn in ihrem Leben gab. Unterstützt wird sie dabei von ihrer Dobermannhündin Miss Brontë, welcher sie die Geschichte erzählt. Wer findet sprechende Tiere haben nichts in Romanen mit ernsten Themen zu suchen, für den ist dieses Buch vermutlich eher nichts. Für mich war dies jedoch ein gelungenes Stilmittel, um die Geschichte, die zum Teil wirklich schwer zu verdauen ist, etwas aufzulockern.
Die Geschichte ist eine Gesellschaftskritik, nicht nur der Gesellschaft von damals, sondern auch der heutigen Gesellschaft. Hierbei werden unter anderem Themen wie Misogynie, Rassismus und Antisemitismus behandelt. Sowie das Phänomen, mit dem viele Frauen bereits sehr lange zu kämpfen haben. Wenn Frauen mit körperlichen Symptomen zum Arzt gehen, heißt es heute, noch fast genau so oft wie damals, das sei bestimmt nur die Psyche.
Mir persönlich hat das Buch sehr gut gefallen, da es starke Emotionen in mir hervorgerufen hat. Es hat mich stellenweise wütend, stellenweise traurig gemacht, und mich dennoch auch zum Schmunzeln gebracht. Einerseits finde ich die in der Geschichte eingebetteten Themen sehr wichtig, andererseits erschreckt es mich, wie wenig sich seit den 1880er Jahren zumindest meinem Gefühl nach getan hat. Könnte ich halbe Sterne vergeben, hätte ich dem ganzen viereinhalb Sterne gegeben. Kleine Trigger Warnung, wer mit körperlicher Gewalt Probleme hat, sollte dieses Buch vielleicht nicht lesen.
Marin Gasser kenne ich von seinem beeindruckenden YouTube -Kanal „Literatur ist alles“ und ich war sehr gespannt auf seinen neuen Roman „Lil“, der Anfang des Jahres im C.H.Beck Verlag erschienen ist. Der schmale Band mit 238 Seiten hat ein schönes schwarz-weiß Cover mit einer eleganten Frau in einem seidigen Overall mit feinem Plüsch abgesetzt. Ein großer schmaler Hund nimmt zweidrittel des Bildes ein und sein Kopf liegt vertrauensvoll in ihren Händen. Und die Geschichte? Jaaa, auch beeindruckend, obwohl mir der Einstieg schwergefallen ist. Aber der gute alte Bleistift hat mich gerettet und schon bald war ich in den 1880er Jahren in New York bei Lilian Cutting, einer Eisenbahn-Millionärin, die sich in der Männerriege der Wirtschaftsleute durchsetzen musste und die von ihrem eigenen Sohn in eine psychiatrische Anstalt abgeschoben wurde. Markus Gasser erschafft in seinem Roman ein bitter-böses Sittengemälde und ich möchte gar nicht wissen, wie viele Frauen damals auf diese Weise entmündigt und entsorgt wurden. Aber Lil kann dem System entfliehen und nimmt Rache an der rassistischen, sexistischen und kriminellen Männerwelt. Auf einer zweiten Zeitebene wird die Geschichte einer Nachfahrin Lils erzählt. Sarah Cutting ist an Krebs erkrankt und bespricht ihr Leid mit der Dobermann-Hündin Miss Brontë. Die Ebenen vermischen sich und die Vergangenheit wird gegenwärtig. „Nach der Bestrahlung im Sommer 2017, als Donald Trump Lils Universitätsklinik umzubauen begann und ein Arbeiter im Schutt der Keller Lils Brief entdeckte, ermutigte mich Miss Brontë, die Lügen und Gerüchte um Lil und meine Familie endgültig aus der Welt zu schaffen.“ (S. 227) Der Schreibstil ist voller Andeutungen, Metaphern, Ironie und Humor. Mich haben die sprachlichen Finessen begeistert und der Rachefeldzug steckt voller Überraschungen. Meine Leseempfehlung für einen anspruchsvollen, gesellschaftskritischen und humorvollen Roman mit erschreckenden Szenen aus einer zutiefst frauenfeindlichen Gesellschaft. (Vielen Dank für das Rezensionsexemplar aus dem C.H.Beck Verlag)
Ich kann es nicht anders sagen - es ist durch und durch ein tolles Buch. Salopp und zackig geschrieben, entfaltet sich ‚Lil the Kill‘ s Welt Seite um Seite vor dem Leser. Erzählt aus der Sicht der krebskranken Ururenkelin und ihrer Dobermann Hündin Miss Brontë (ja, sie spricht mit ihrem Hund oder ihr Hund kann sprechen, genau weiß ich das nicht) wird man mitgenommen in die Welt eines Manhattans, welches kurz vor Glühbirne und nach der Eisenbahn noch fest in den Händen einiger weniger reicher, weißer Männer liegt. Brutal und doch mit viel Witz führt einem dieses geistreiche Buch vor Augen, wie hart das Los sein kann, als Frau zur Welt zu kommen. Und dann auch noch um 1880 und mit viel Intelligenz, Trotz und Eigensinn wie Lil und ihre Enkelin Libby, die wir auch kennen lernen. Die Verbrecher im Gewand schicker Geschäftsmänner, triefend vor Selbstherrlichkeit, haben mich beim Lesen abwechselnd wütend und fassungslos gemacht und der Ausgang dieser Erzählung dann mit Genugtuung erfüllt. Aber auch dass es gute Männer in Lils Leben gab, die ihrer Zeit weit voraus waren (wie ihr verstorbener Mann Chev) war stimmig in die Geschehenisse verflochten. Insgesamt hat dieses Buch alles mit mir gemacht, was es vermutlich auch sollte: es hat mich unheimlich unterhalten, mich moralisch einiges gelehrt und mich zum Nachdenken angeregt. Unbedingte Leseempfehlung mit wundervollen starken Frauenfiguren, feministisch und unkonventionell und einfach gut!
Lil Cutting ist eine überaus erfolgreiche Unternehmerin in New York um 1880, die sich großer Missgunst gegenübersieht, besonders von ihrem eigenen Sohn Robert. Er versucht mithilfe seiner Freunde aus der Oberschicht sie zu entmündigen um an ihr Geld und ihren Besitz zu kommen.
Eine Frau die sich ein solches Verhalten anmaßt, geschäftstüchtig zu sein wie es nach gesellschaftlicher Meinung nur einem Mann zusteht, muss ja geisteskrank sein. Solchen Frauen muss man klarmachen wo ihr Platz ist. So denken Robert und seine Komplizen. Da läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Aber Lil lässt sich nicht so leicht kleinkriegen und sie sinnt nach Rache...und die habe ich ihr von Herzen gegönnt. Erzählt wird das Ganze, mit einer guten Prise Humor, von Lils Ururururenkelin Sarah (ihre Hündin Miss Brontë feiere ich, aber lest selbst).
Angesichts des überschaubaren Umfangs des Buches, hat es am Anfang ein bisschen gedauert bis die Geschichte Fahrt aufgenommen hat, dann aber richtig. Es ist eine Geschichte über eine starke und eigensinnige Frau, die Ihrer Zeit schon weit voraus war und sich furchtlos gegen alle gesellschaftlichen Konventionen stemmt. Sehr mutmachend und mitreißend und eine klare Lesempfehlung!
Dieses Buch liest man nicht oberflächlich schnell weg, nein, hier genießt man jeden einzelnen Satz. Inhaltlich ist es ein Satirefeuerwerk ohne jeglichen Schenkelklopfer - eine Breitseite auf die bessere Gesellschaft Amerikas im Ausgehenden 19. Jahrhundert. Misogynie, Ableismus, Rassismus, Arroganz, Dekadenz, das alles finden wir in den Charakteren bei "Lil" wieder. Die Protagonisten teils real, teils fiktiv aber allesamt herrlich herausgearbeitet von liebenswert bis skurril und hassenswert ist alles dabei. Lil eine starke Frau, die nach dem Tod ihres Mannes kleingemacht sogar ausgelöscht werden soll - weil es nicht sein kann, dass eine Frau so erfolgreich wie ein Mann ist. Die Stellung der Frau in der damaligen Gesellschaft, das ist ein nie enden wollendes Thema und Markus Gasser hat es zu einem Meisterstück in Buchform verarbeitet. Sein Schreibstil ist scharfzüngig, pointiert und wunderbar sarkastisch. Das Setting und die Figuren wirken absolut real und man kann kaum aufhören zu lesen. Dieses Buch ist, auch wenn die Themen manchmal enorm schwer zu verdauen sind, absolut vergnüglich zu lesen. Ich gebe eine hundert prozentige Leseempfehlung!
Ach Lil, wärst du nur nicht so eine starke und selbstbewusste Frau gewesen. Wärst du nicht so schlau und hättest mit Wertpapieren und Geldgeschäften so gut umgehen können wie ein Mann, ja dann, dann wäre dir vielleicht nicht widerfahren, was du erleiden musstest. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, Lil, wenn du Hundert Jahre später geboren worden wärst. Oder wenn du von Anfang an, deinem Sohn beigebracht hättest auf eigenen Füßen zu stehen, sinnvoll zu handeln und nicht zu einem verwöhnten Söhnchen zu werden. Oder liegt es daran, dass in deiner Zeit, 1880, Frauen nur hübsch anzusehen waren, als Gebärmaschinen möglichst reich verheiratet wurden und immer still neben ihrem Mann zu stehen hatten? Was auch immer der Fehler war, du hast einen Weg gefunden dich zu rächen!
Ja, Lilian ist eine starke Frau. Doch zu ihrer Zeit war das nicht gewollt und so schaffte es ihr Sohn Robert, sie in einem Sanatorium, einer psychischen Klinik unterzubringen, um sich dann ihr gesamtes Vermögen unter den Nagel zu reißen. Am liebsten wäre es Lil's Sohn auch gewesen, seine Mutter wäre einfach verschwunden. Nachdem Lilians Ehemann und Roberts Vater verstorben war, trauerte Lil sehr. Sie ließ sich nicht überreden, ihre schwarze Kleidung gegen bunte, überteuerte einzutauschen. Für Robert ein weiteres Zeichen dafür, dass seine Mutter verrückt sein muss. Und so wurde sie in der Klinik eingesperrt. Der angebliche Psychologe Fairwell fand in allen Äußerungen Lilians Symptome, die zu behandeln wären. So wurde sie, weil sie sich gegen die Behandlung sträubte, mit Morphium gefügig gemacht. Zum Glück gab es da aber noch Roberts Tochter, Lilians Enkelin, die ebenfalls eine mutige junge Frau war. Sie befreite ihre Großmutter, damit diese zu einem Gegenschlag ausholen konnte. Es ist kompliziert
Lil ist wieder mal ein Buch, das mich an meine Grenzen gebracht hat. Es ist toll geschrieben und zum Glück ist es auch nur ein kleines Buch mit 238 Seiten. Die Grundgeschichte fand ich schon beim Klappentext richtig gut. Frau macht nicht, was Mann will und muss sich unterwerfen, um sich dann zu befreien und zum Gegenschlag auszuholen. Und auch die meisten Sätze des Autors Markus Grasser sind richtig ausgefeilt und schwarzhumorig geschrieben. (Ich mag schwarzen Humor!) Zwischen all den Sätzen sind auch versteckte Hinweise auf andere literarische Kostbarkeiten versteckt, wer sich mit Literatur auskennt, der stolpert immer wieder darüber. Ich habe nur wenige dieser Hinweise gefunden. Und damit nicht genug, es geht um Emanzipation, Anerkennung, Toleranz und alles, was in einer Gesellschaft wichtig sein sollte.
Sarah, die Urururenkelin Lilians, erzählt die Geschichte von ihrer Ahnin ihrer Dobermannhündin, die immer wieder Zwischenfragen stellt und was manchmal den sehr (bedrückende) Roman auflockert. Ja, der Hund kann sprechen! Und manchmal liefert es auch ein paar Erklärungen zur Geschichte, wenn Sarah antwortet oder mit der Hündin herumalbert. Diese Zwischenrufe sind am Anfang des Romans noch etwas anstrengend, aber zum Schluss hin wird es besser.
Ob mir der Roman gefallen hat? Um ehrlich zu sein, ich habe ihn verschlungen! Schwer fällt es mir eine Rezension zu schreiben, weil ich nicht die Vielfältigkeit treffen kann, in der dieses Buch geschrieben ist. Ich werde es noch einmal lesen müssen, damit ich die Feinheiten sehe und genießen kann. Ja, dieser Roman bekommt von mir 🐭🐭🐭🐭🐭
Lil ist eine sprachgewaltige Erzählung, in der der Autor Markus Gasser Lillians Nachfahrin Sarah zu Wort kommen lässt. Im Gespräch mit ihrer Dobermann-Hündin Miss Brontë berichtet Sarah von Lils Leben. Und ja, ich schreibe Gespräch, weil sich Miss Brontë immer wieder zu den Geschehnissen einmischt. Was es mit diesem Dialog auf sich hat, erfahren wir erst auf den letzten Seiten – und auch, warum Sarah sich so stark in diese Geschichte involviert.
Lillian Cuttings Fall ist in dem Moment beschlossen, indem ihr um einiges älterer Mann Chev stirbt und sie mit ihrem gemeinsamen Sohn Robert zurücklässt. Chev war sich zeitlebens sehr darüber bewusst, was für eine Art Mann sein Sohn ist, weshalb er sein Vermögen komplett seiner Frau vermacht hat. Robert will das nicht hinnehmen und bringt seine Mutter mit einer List in einer Nervenklinik unter. Zu Robert gibt es nicht mehr zu sagen, als dass er absolut widerwärtig ist. Den Verlauf, den seine Geschichte nimmt, habe ich mit großer Genugtuung gelesen.
Doch bis Robert seine Strafe bekommt, wird Lil sehr viel Unrecht angetan. Einiges ist wirklich schwer verdaulich, gerade die Behandlung in der sogenannten „Nervenklinik“. Natürlich alles nur zu ihrem besten genauso wie die abstoßende, sehr intime Untersuchung. Nach dieser Szene musste ich das Buch erstmal zur Seite legen. Es ist doch immer wieder erstaunlich, was Menschen anderen Menschen antun. Zum Glück hat Lil gute Freunde, und es kommt zu einem Prozess. Der Richter hat dabei meine große Sympathie.
Die meiste Sympathie bekommt allerdings Lil, die sich nicht unterkriegen lässt, obwohl fast alles und jeder gegen sie arbeitet. Wie sie danach mit Finesse und auch Witz Rache nimmt, ist großartig. Es muss eben nicht immer die Faust ins Gesicht sein. Bravo, Lil. Sprachlich schöpft Markus Gasser aus dem Vollen. Angesichts des Verlaufs der Geschichte aber besonders auch was den Stil angeht hatte Lil fast schon märchenhafte Züge. Minimalisten werden hier sicherlich keine Freude haben, denn der Autor spielt mit den Worten, lässt die Sätze oft über viele Zeilen wandern und das auch recht verschachtelt. Es ist definitiv ein Buch, das man aufmerksam lesen muss, da einem die Sätze sonst davonlaufen.
Fazit Lil ist ein sprachlich besonderes Buch, das die Abgründe der menschlichen Existenz aufzeigt, um dann zu einem Rundumschlag auszuholen. Lesenswert!
Sehr humorvollund auch sarkastisch beschreibt Markus Gasser die Geschichte der Eisenbahnbaronin Lil Cutting. Diese wird nach dem Tod ihres Mannes 1880 vom eigenen Sohn in die Psychiatrie gelockt und soll entmündigt werden Erzählt wird das von ihrer Urururrenkelin, die mit ihrem Hund spricht. Das Thema ist spannend, Viel Zeitgeschehen und allzu Menschliches wird lebendig, aber mir war es manchmal zu überspitzt und zu sehr ins Lächerliche gezogen