"Schon okay, Papa. Irgendwer versaut einem immer das Leben. Besser Du als jemand anders."Herr Kiyak dachte, nun beginnt der schöne Teil des Lebens. Und wurde krank. Nicht eine Sekunde seines Lebens war er glücklich – meint er. "Quatsch", sagt seine Tochter. "Du warst glücklich, Du hast es nur vergessen. Fang an zu erzählen!"Im Krankenbett, während der Chemotherapie - jede Gelegenheit nutzt Herr Kiyak, sich zu an den Ofen des Propheten, der nicht wärmte, an seinen Bruder "den schrecklichen Ismo", der nicht nur eine Mücke zum Krüppel schoss, und daran, dass alles verrückt blieb, obwohl er nach Deutschland zog.Während Mely Kiyak sich mit dem Tod auseinandersetzt, blüht ihr Vater auf und macht, was bei Kiyaks seit Generationen getan Geschichten sammeln.
Ihr Vater hatte bereits die Flugtickets für seine Heimreise zu seiner Liebsten in die Türkei gebucht, er dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an, als er aufgrund von zunehmendem Husten und Luftnot in ein Krankenhaus bei Berlin muss. Herr Kiyak hat Lungenkrebs, zunächst soll er operiert werden, doch der Tumor wächst so schnell, dass doch erst eine Chemotherapie gemacht werden muss. Seine Tochter begleitet ihn durch seinen Alltag im Krankenhaus, sie spricht mit Ärzt*innen und Pflegepersonen, sie kümmert sich – und hat Angst. Angst um ihren lieben Vater, diesen Gefühlsmenschen, der so viel lacht und weint, und der als Gastarbeiter jahrelang in Deutschland in Schicht gearbeitet hat.
Mely Kiyaks Roman "Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an" erschien bereits 2013 im S. Fischer Verlag und wurde nun, von der Autorin überarbeitet, im Hanser Literaturverlag neu herausgegeben. Mir ging dieses Buch unglaublich nahe, mein Herz wurde schwer bei den Schilderungen des Wesens von Mely Kiyaks Vater; die Liebe, die aus jeder Zeile für den Vater spricht, hat mich sehr bewegt. Es ist ein Abschied in Buchform und dabei etwas, das überdauert, denn es sind die Geschichten, die bleiben. So auch die, die Herr Kiyak seiner Tochter immer wieder von seiner Heimat Bingöl erzählt, von seiner Familie, die er dort zurücklassen musste, als er als Gastarbeiter nach Deutschland kam. Neben den Geschichten aus der Vergangenheit des Vaters ist die Gegenwart auch geprägt von einem Krankenhaussystem, das kühl und steril wirkt, das nicht auf Einzelne eingeht und organisatorischen Aufgaben wie die Wohnungssuche für den Vater, die an bürokratischen Hindernissen scheitern. "Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an" ist ein wunderschöner und tieftrauriger, aber nie seinen Witz verlierender Roman über Krankheit, Verlust und die tiefe Liebe zwischen Kindern und ihren Eltern, den ich von Herzen empfehle.
Ich habe damit angefangen, weil ich "Frausein" von Mely Kiyak so gut fand. Hätte man mir ohne diese Vorkenntnisse gesagt "lies doch mal was, wo der Vater Krebs bekommt", ich wäre nicht leicht zu überreden gewesen. Es geht um den Umgang mit dem Vater (nicht durchgehend traurig, offenbar ein sehr netter Vater), um Geschichten aus der anatolischen Familie (überhaupt nicht traurig), und nebenbei lernt man noch was über Deutschland (nicht so erfreulich). Vor allem finde ich den Erzählstil sehr angenehm, es steht nicht zu viel drin und nicht zu wenig, und in genau den richtigen Worten. Das ist jetzt eine sehr unkonkrete Beschreibung, aber es ist ja auch nur eine idiosynkratische Begeisterung, wem nutzt es da, wenn ich sie genauer zu erklären versuche. Es lohnt sich jedenfalls, die Leseprobe anzuschauen, auch wenn man sich kein bisschen nach Büchern über Krebs sehnt.
Mir wurde das Buch empfohlen, als im Freundeskreis das Gespräch kürzlich auf unsere Väter kam und auf deren Leben als Rentner. Die Journalistin und Autorin Kyiak beschreibt, wie sie ihren Vater ins Krankenhaus begleitet, wie Diagnose und Behandlung verlaufen, wie sie ihren beruflichen Alltag parallel organisiert. Meine Freude an der Lektüre speiste sich zum einen aus der Liebe Kyiaks zu ihrem Vater, zum anderen aus dem endlich gewachsenen Genre Immigrationsliteratur. Anlässlich von Pia Ziefles Suna hatte ich mich vor zehn Jahren noch gefragt, wie lange es zu einer vielfältigen solchen in deutschen Sprache brauchen würde; seit einigen Jahren gibt es sie. Und dieses Buch ist davon eine aus dem deutschen Alltag. Die Herkunft des titelgebenden Herrn Kyiak ist durchaus Thema, immer wieder tauchen kursiv gesetzt seine Geschichten aus der Familien-Mythologie auf (Blutsfehde! Wildes Kurdistan! Bruder im Gefängnis! einvernehmlicher Brautraub!). Vor allem aber sehen wir einer Einwandererfamilie beim Leben zu, in einem bestimmten Abschnitt dieses Lebens, als bei Mely Kyiaks Vater Krebs diagnostiziert wird. In einem deutschen Krankenhaus mit Rosenrabatten davor und mit aus Überarbeitung herzlosem Personal. In einem Umfeld aus angereisten Verwandten aus der Türkei, aus deutscher Bürokratie, aus verständnisvollen Zeitungsredaktionen.
Mir gefiel auch sehr gut, wie die temperamentvolle und unkonventionelle Kyiak ihre Gefühlsstürme in Sprache fasst, wie sie auf ihr eigenes Großwerden zurückschaut, das in nur wenigen Details zum Klischee der türkischen Gastarbeiterfamilie passen mag, aus der sie aber eindeutig stammt. Kyiak setzt ihrem lieben, leisen, eigenwilligen Vater ein Denkmal, gleichzeitig ihrer Tocherliebe - da wurde selbst mir Struktur-Suchtlerin egal, ob das nun ins Genre fiction oder non-fiction gehört:Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an ist eine wundervolle, lesenwerte Geschichte.
Ich mochte „Frausein“ sehr und ich mag die Kolumnen von Mely Kiyak, mit der Vatergeschichte hingegen konnte ich nicht so viel anfangen. Sie ist schön erzählt, schön gebaut, fast zu schön, dafür dass es an sich keine besonders schöne Geschichte ist. Vielleicht habe ich aber auch einfach keine Lust, Geschichten über kranke Väter zu lesen.
»Wie geht es Herrn Kiyak, will der Psychologe wissen. Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an, umschreibe ich vorsichtig Papas Lage. So eine Nachricht platzt immer überraschend rein, erklärt er mir. Ist das so?, frage ich. Krankheit kommt in den Plänen der meisten Menschen nicht vor, meint der Psychologe, wenn es eintritt, wirft es alle aus der Bahn. Bei uns, fange ich zögerlich an, legt man sich einfach hin, richtet letzte Grüße aus und stirbt.« (S. 88)
In ihrem neusten Buch »Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an« nimmt die Autorin & Journalistin Mely Kiyak die Krebserkrankung ihres Vaters zum Anlass, um über die gemeinsame Vater-Tochter-Beziehung zu schreiben. Dabei erzählt sie Anekdoten & Berichte aus dem Leben ihres Vaters, der als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kam; kritisiert das deutsche Gesundheitssystem und den Umgang mit Gastarbeiter*innen; und zeigt, dass einfach Krankheiten elendig ungerecht sind und, wie sehr Krankheit Betroffene und Angehörige treffen kann. Der Roman ist sehr vielschichtig und facettenreich, aber dabei keineswegs überfrachtet. Die abwechselnden Erzählungen und insbesondere der Schreibstil machen dieses Buch so besonders.
»Der Gastarbeiter hat die Dämpfe tief in seine Lunge eingeatmet und sich über die Jahre einen schönen Krebs als Gastgeschenk erarbeitet.« (S. 123)
Doch trotz all dieser ernsten, schweren und wichtigen Themen gelingt es der Autorin mit einer scheinbaren Leichtigkeit, dies alles in Worte zu fassen und so zu formulieren, dass mensch abwechselnd weinen und lachen möchte. Ein unglaublich berührender Roman, der direkt ins Herz geht. ❤️🩹
Der Roman hat mich an das Buch »Das Leben ist ein vorübergehender Zustand« von Gabriele von Arnim erinnert und diese Thematik aus der Perspektive einer Tochter widergespiegelt.
Ganz ganz große Leseempfehlung — ebenso für ihr biografisches Buch »FRAUSEIN«. 🖤
Mein Herz ist gebrochen und gleichzeitig voller Zufriedenheit. Mely Kiyak schreibt unfassbar schön und schafft es schweren Themen mit Humor zu begegnen. Ich kann das Buch jedem ans Herz legen, wer sich bereit fühlt über Krankheit und Tot zu lesen und zugleich eine wunderschöne Geschichte von Tochter und Vater hören möchte.
Dieses Buch ist bereits 2013 erschienen und ich bin sehr froh, dass es jetzt wieder - erweitert – auf den Markt kommt. Bei manchen Büchern versteht man absolut nicht, warum sie nicht immer lieferbar waren. Umso schöner, dass es jetzt wieder erhältlich ist!
Herr Kiyak, Melys Vater, war als Jugendlicher nach Deutschland gegangen, sein Vater ermunterte ihn dazu mit den Worten „dann kannst du berichten, was sich die Deutschen unter ihren Pflaumenbäumen erzählen“. Herr Kiyak arbeitete hart in einer Fabrik und viel Zeit unter Pflaumenbäumen blieb ihm nicht. Als er endlich in Rente ging und es zudem gewagt hatte, sich scheiden zu lassen, denkt er, jetzt beginne das schöne Leben.
Doch sein hartnäckiger Husten stellt sich als Lungenkrebs heraus. Mely Kiyak beschreibt die letzten Monate mit ihrem Vater, den Aufenthalt in einer Lungenklinik in Brandenburg, das Auf und Ab der ärztlichen Vorschläge und Behandlungsmöglichkeiten, den Widerwillen ihres Vaters, sich auf das alles einzulassen und ihr eigenes Drängen, er müsse doch alles versuchen, sie habe ja nur einen Vater.
Zwischen den Kapiteln der Gegenwart fügt Kiyak immer wieder höchst unterhaltsame Geschichten aus der Familie ihres Vaters ein, die in Ostanatolien spielen.
Die Art und Weise wie die Autorin diese Monate beschreibt, diese Liebe, das hat mich überwältigt. Ein menschliches und intensives Buch, eines das uns Einblick sowohl in das Leben von Gastarbeitern gibt wie auch in den Alltag in Krankenhäusern.
Vor allem aber ist es eine wunderbare, sehr berührende Hommage einer Tochter an ihren Vater.
Ich musste die 221 Seiten dieses Buchs in langsamen Häppchen zu mir nehmen, der Inhalt war dann doch etwas “too close to home”, wie es so schön heißt. Mir war natürlich bewusst worauf ich mich einlasse, dennoch habe ich nicht damit gerechnet, dass ich, über ein Jahr nach dem Tod meines Vaters, dann doch so enorm in die Gefühlszustände zu Zeiten seiner Krebserkrankung zurück versetzt werden würde. Aber in der Verhaltenstherapie gibt es dafür den Begriff der Exposition: das erneute Auseineinandersetzen mit traumatischen Erfahrungen um das Erlebte zu integrieren und besser damit umgehen zu können. Kiyaks Roman hat sich für mich sehr gut dafür geeignet. Ein Buch, das vor Liebe zu ihrem Vater übergeht und den*die Leser*in mit allen Gefühlen die man als Angehörige von schwerkranken Menschen hat, auffängt. Wie liebevoll Mely Kiyak ihrem Vater ein Denkmal setzt hat mich mehrfach zum Weinen gebracht und ihre Frustration mit dem deutschen Gesundheitssystem (dass dem österreichischen sehr ähnlich ist) konnte ich sehr gut nach empfinden. Kiyaks Perspektive als Tochter eines Gastarbeiters lenkt den Blick auf viele Mißstände, die schon im normalen Alltag nicht einfach zu ertragen sind, sich aber in einer Situation wie der ihren wie reine Schikanen anfühlen müssen. Die Wut und ihr Schmerz darüber war so nachvollziehbar und hat mich schwer berührt. Immer wieder hat das Buch aber Passagen voller Humor, die mich auch zum Lachen brachten in all der Schwere. Ein wirklich intensives, aber sehr empfehlenswertes Leseerlebnis.
Ein wunderbares Buch über Hoffnung, Krankheit, Familie und über eine Vater-Tochter-Beziehung. Die Beziehung der beiden Hauptprotagonist*innen ist in jeder Zeile durchdrungen von Liebe. Die Tochter begleitet den an Krebs erkrankten Vater durch die Behandlungen und organisiert alles Drumrum. Der Vater begleitet und stärkt sie durch das Erzählen seiner Geschichte. So wechselt die Zeitform und die Erzählebene zwischen der Gegenwart der Tochter und der Vergangenheit des Vaters hin und her. Mely Kiyak gelingt es außerordentlich gut, tiefgründig, emotional und humorvoll nebeneinander zu schreiben. Ganz nebenbei und stimmig verwoben kriegt die FDP ihr Fett weg, die Krankenhausumstände werden skandalisiert und die Situation der Kurd*innen in der Türkei wird thematisiert. Ein ganz wundervolles Buch und ein Must Read.
Ich habe lange gebraucht, um dieses Buch zu lesen, weil es schmerzlich ist mit seinen großen Emotionen, aber es ist sehr schön geschrieben und voller Anmut und Zorn zugleich.
Was zunächst nach einer Lungenentzündung und einem kurzen Krankenhausaufenthalt aussieht, entpuppt sich als Krebs – und nicht nur die Welt von Herr Kiyak, sondern auch die seiner Tochter, bleibt stehen. Anstatt dem schönen Teil des Lebens stehen nun Krankenhäuser, Angst und Abschiede auf der Tagesordnung von Vater und Tochter…
Irgendwo zwischen Krankheitsbericht, Erinnerungen und Nacherzählung der Geschichten ihres Vaters‘ hat Mely Kiyak ein wunderschönes und sehr berührendes, „Vaterbuch“ – wie sie es selbst sehr treffend bezeichnet – geschrieben Die unvergleichliche Erzählweise und ins Herz treffende Sprache Mely Kiyaks entfalten auch in diesem Buch wieder ihre volle Wirkung. Wie sie das mit der Krankheit verbundene Leid, die Ängste und ihre Gedanken einfängt und transportiert, hat mich sehr beeindruckt und berührt.
„Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an“ ist eine der bewegendsten und ehrlichsten Erzählung über die Beziehung zwischen Tochter und Vater, über Krankheit, Liebe und Abschied, die ich je gelesen habe. Es ist auch ein Buch über die Geschichten, die wir uns über Generationen erzählen und die uns alle überdauern. Fazit: Ein wunderschönes und trauriges Buch und jetzt schon ein Lesehighlight des Jahres – unbedingt Lesen und berühren lassen!
(Leider) grandios geschrieben. Leider, weil das Thema, der Krebstod des Vaters, umso schmerzhafter wird, umso besser die Gefühle, die damit einhergehen, die Erinnerungen, die Schlussfolgerungen, so es überhaupt welche gibt, beschrieben sind. Dass es am Rande auch darum geht, wie Deutschland die Menschen behandelt, die in den 80ern zum Arbeiten aus der Türkei geholt wurden, verstärkt die Wut, die Trauer, die Hilflosigkeit der Tochter und des Lesenden nur noch mehr. Ein ganz tolles, ganz trauriges Buch.
Ein kleiner beeindruckender Roman über eine erwachsene Tochter, die ihren Vater durch eine Lungenkrebserkrankung begleitet. Mely Kiyak schafft es dabei Lachen und Traurigkeit zu verbinden, in dem sie den Anekdoten des Vaters aus seiner Heimat Raum gibt und gleichzeitig die Verzweiflung und Hilflosigkeit der Angehörigen von Krebskranken thematisiert. Dabei kommentiert sie gekonnt und spitzfindig den Zustand deutscher Krankenhäuser und den Umgang dee Deutschen mit Migranten. Bewegend ohne dabei ins sentimentale abzudriften. Sehr lesenswert.
Berührende Tochter-Vater-Geschichte, die von Krankheit, Liebe, Tod und Würde handelt und davon, was es heißt fern der Heimat und der eigenen Kultur in einem Land zu leben, das einen nie richtig anerkannt hat. Melancholisch, traurig und lebensbejahend und heiter zugleich.
Richtig toll. Trotz des harten Themas findet sie eine Sprache, die einerseits berührt, andererseits nicht unangenehm übergreift und die der Autorin und ihrem Vater ihre Privatheit und Würde lässt. Mal magisch, in märchenhaften Erinnerungen, mal sehr direkt und rau.