Jens Beckerts Verkaufte Zukunft. Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht ist ein bemerkenswertes Buch: Der Autor, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und Professor für Soziologie in Köln, versucht eine Art paradoxer Intervention. Er erklärt sehr schlüssig, warum Klima- und Umweltaktivistinnen in Deutschland und darüberhinaus scheitern, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation soweit voranzutreiben, dass die offiziell festgelegten Klima- und Umweltziele erreicht werden können, dass sie aber trotzdem (eigentlich sogar deswegen) im Grunde alles richtig machen. Und vor allem, dass sie das moralisch Richtige machen. Was ihrem Aktivismus und ihrem Engagement fehlt, ist das Wissen darum, wie „tückisch“ (in Umfang und Komplexität) das Problem ist, dass sie zu lösen versuchen. Und vor allem das Wissen darum, dass es das Interesse an der Lösung des Problems, das sie in der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft voraussetzen, – schließlich geht es um das (Über.)Leben von Menschen –, dort so gar nicht gibt. Denn die Gesellschaften der kapitalistischen westlichen Moderne, wie Beckert die Wirtschafts- und Gesellschaftsformen v.a. in Nordamerika und der EU bezeichnet, können die Idee des eigenen Endes bzw. der eigenen Begrenzung systemisch gar nicht „denken“. Das Buch, das Beckert verfasst hat, ist im überwiegenden Teil eine sehr detaillierte Beschreibung des Aufbaus und der Funktionsweisen des extrem stabilen gesellschaftlichen Räderwerks, gegen das Klima- und Umweltaktivistinnen arbeiten müssen. Die Lektüre hat sicher das Potenzial zu demotivieren, Ziel des Autors ist das aber nicht, im Gegenteil: Beckert bringt Menschen, die sich wie auch immer gegen Klima- und Umweltzerstörung engagieren, große Wertschätzung entgegen. Was er formuliert, ist so etwas wie eine säkulare protestantische Ethik des Klima-Engagements: Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, dass wir das gelobte Land bzw. das Himmelreich der 2°C-Grenze erreichen, gering ist und wir im Endeffekt gar nicht wissen können, was unser Aktivismus bringt, sind wir moralisch verpflichtet uns zu engagieren. Denn unser Engagement kann eben auch etwas bewirken, und sei es eine minimale Verschiebung der gesellschaftlichen Verhältnisse in die richtige Richtung, Aber dafür muss man eben wissen, wie schwer es einem systemisch gemacht wird.
Ich fand dieses Buch eher enttäuschend: - 'Warum der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern droht' (strap line) wird inhaltlich nicht abgedeckt - das Buch ist in einem nüchtern, statischen Stil geschrieben und der Autor scheint sehr viel von 'Besitzstandswahrung' zu halten - das Klima wird von niemandem und keiner Gesellschaft 'besessen'
Kurz: Die "Macht- und Anreizsstrukturen der kapitalistischen Moderne und ihre Steigerungsmechanismen blockieren eine Lösung des globalen Problemns namens Klimawandel." (12) Der nachdenkliche Realismus des Autors sieht das Hauptproblem in der kapitalitischen Wirtschaftsweise (und wie sie die Individuum in ihrem Konsum geprägt haben). Der Realismus bleibt dann aber natürlich gefangen in der Realität und das Buch wird eher zu einem Sachbuch wie schlecht unter den jetzigen Bedingungen die Klimaziele umgesetzt werden und wie ungleich (sozial und sozial global) die Klimafolgen verteilt sein werden (sowie der jetztige CO2 Verbrauch), als das eine soziologische Reflexion über Staat, Kapital und Klima stattfindet. Mit Kapiteln wie "der zögernde Staat" sieht man einerseits, dass Beckert nicht auf irgendwelche Klimabewegngen setzt oder baldige große Umbrüche anders als vom Staat in der Klimadebatte sieht. Dies scheint wirklich realistisch zu sein. Andererseits die Hoffnung auf das Handeln des Staates zu setzten, das heißt auf alle einzelnen Staaten der Welt die durch das Kapitalverhältnis gesellschaftsnatürlich in Konkurrenz stehen, scheint naiv. Zwischen den Zeilen wird ein Wunsch nach einem Weltstaat bzw. Weltsouverän deutlich, der endlich den einzelnen Staaten zur Durchführung der Maßnahmen die wichtig wären zur Einhaltung der Klimaziele auf die Finger schaut. Diesen gibt es aber nicht. Dieser Weltsouverän wäre dann auch Verantwortlich der Natur eine Stimme zu geben, denn so wie die damalige Arbeiterbewegung (so der etwas schiefe Vergleich), haben auch erst durch die Gewerkschaften die Arbeiter eine Stimme bekommen. Die Stimme der Natur will niemand sein, wenn es entgegen der kapitalistischen Logik unprofitabel ist. Am Ende setzt Beckert, zwar sehr reflektiert auf dessen Grenzen, auf den technischen Fortschritt. Obwohl deutlich wird, dass die Welt nur unter einer anderen Gesellschafts- und Wirtschaftsform zu retten wäre, ist letztere für Beckert zu unspezifisch und würde auch zu viel Zeit beanspruchen diese umzusetzen, denn der Klimawandel muss jetzt bekämpft werden und nicht erst in 100 Jahren im Sozialismus. Diese "schönen Utopien" (181) sind dann laut ihm nur Gedankenspiele für das eigene Wohlbefinden, sprich: Realitätsverweigerung.
Jens Beckerts Analyse des Scheiterns einer notwendigen ökologischen Transformation im globalen Maßstab wirkt profund, leuchet viele der so unselig verflochtenen Teilaspekte unseres wirtschaftlichen und politischen Handelns sowie des Handelns anderer Akteure aus und bietet im Grunde wenig Raum für Optimismus. Seine Vorschläge zum Umgang mit den zu erwartenden Veränderungen zielen in die gleiche Richtung wie die des Anarchisten Peter Gelderloos, den ich erst vor kurzem zum gleichen Thema gelesen habe. Da Beckert jedoch - vielleicht zu recht - ein Scheitern von Staatlichkeit und liberaler Demokratie fürchtet, sind seine Ideen zu Postwachstum und Solidarität ziemlich mickrige Brötchen, die im enttäuschenden letzten Kapitel achselzuckend, beinahe verschämt herumliegen. Stadtbegrünung, Schulessen, Öffis stärken. Gern, aber was dann? Angesichts des bis dahin starken und gut geschriebenen Buches hätte ich mir Schlagkräftigeres gewünscht als das. Aber was motz ich rum? Ich weiß es ja selbst auch nicht besser
"Kollektivgutproblematik" "Postwachstumsgesellschaft" Um nur mal zwei Wortungetüme zu nennen, die der Autor verwendet.
Das Buch ist meiner Meinung nach über weite Teile unlesbar. Wenn nicht gerade Wörter vorkommen, die kein Mensch jemals im Alltag verwendet hat, dann sind stopft der Autor die Seiten mit Zahlen und Diagrammen voll - letztere ohne Erklärung, sieht vermutlich einfach wichtig aus.
Hab mich sehr durchgequält und bin froh das hinter mir zu haben.
Fantastic book. Great reading to get a broad overview of the problems climate action faces. Systemic argumentation with a fairly grim outlook but solution options from a realist perspective. Only critic I have is the fact that there is only little class consciousness and therefore the analysis lacks a class aspect that it could benefit from.
Ein sehr lesenswertes, wichtiges Buch, dass völlig zu Recht für den Deutschen Sachbuchpreis 2024 nominiert wurde. Ein Augenöffner für all diejenigen, die ihre Meinung zu diesem Thema bis dato aus Mainstream-Kanälen gespeist haben. So etwas sollte man in den Schulen unterrichten. Das Buch liefert: *Nüchterne, adäquate Darlegung des Ist-Zustandes. Viele wichtige Dinge sind klar genannt, anschaulich, mithilfe von prägnanten Beispielen präsentiert, eben das Wesentliche, das der Öffentlichkeit in dieser Klarheit vor Augen geführt werden MUSS. *Messerscharfe Analysen der gegenwärtigen Lage. Komplexe Zusammenhänge und Wechselwirkungen wurden mit wenigen Worten griffig auf den Punkt gebracht. *Viele bereits seit Jahren existierenden Vorschläge und Produkte, ggf. Maßnahmen zur Besserung der Lage wurden untersucht und auf Machbarkeit geprüft. Toll geschrieben, der gesamte Soff ist verständlich, leserfreundlich aufbereitet. Alle Kapitel können unabhängig voneinander gelesen werden. Sie sind recht kurz, etwa 20-25 Seiten. Viele gute Sachbücher habe ich in den letzten zehn Jahren gelesen. Dieses ist eins der besten, u.a. weil das Wesentliche mit wenigen Worten schlicht und ergreifend auf den Punkt gebracht wurde. Heutzutage gehört auch viel Mut dazu, all diese Dinge so klar und unverblümt zu schreiben. Wer die Wahrheit sagt, muss ein schnelles Pferd haben, sagt ein altes Sprichwort. Fazit: Unbedingt lesen und die Inhalte aktiv ausdiskutieren. Genug Stoff hierfür ist da.
Der Jens meint es bestimmt gut, aber das ist eher ein Aufschlag als ein Buch. Auch wenn es ein Sachbuch ist, hätte man es etwas liebevoller redigieren können. Die Verkettung von vielen Zahlen und Fakten in einem recht unstrukturierten Fliesstext (Zwischenüberschriften retten Übersicht...) sorgt für wenig tatsächliche Info-Aufnahme. Auf der sozialwissenschaftlichen Seite steht für studierte Misanthrop:innen nix drin, was man sich nicht selbst zusammenreimt.
schöne (sehr) nüchterne Analyse, die dem selbst verrissenen Drang zur Präsentation notwendigerweise überoptimistischer und unausgegorener Lösungswege inmitten der Blockade der kapitalistischen Moderne nicht ganz entreißen kann