Es reichen heute fünf Buchstaben und ein Sternchen, um auf eine hitzig geführte Debatte zu verweisen: trans*. Dass trans* nicht einfach ein »kontroverses Thema«, sondern die Lebensrealität zahlreicher Menschen ist, wird dabei leicht übersehen.
Seit langer Zeit sind trans* Personen in unserer Gesellschaft psychischer, körperlicher und struktureller Gewalt ausgesetzt. Der unbedingt nötige Abbau dieser Diskriminierungen wird in den letzten Jahren öffentlich diskutiert, mit dem Selbstbestimmungsgesetz reagiert nun die Politik. In diesem Buch setzen sich Aktivist*innen, Psycholog*innen, Wissenschaftler*innen und Betroffene mit der vergangenen, der gegenwärtigen und zukünftigen Situation von trans* Personen auseinander.
Dies ist eines jener Bücher, das mich emotional ziemlich geschafft hat. Obwohl ich ja eigentlich weiss, was darin steht. Dennoch führten mir diese Texte erneut vor Augen, mit welchen Anfeindungen und Vorurteile trans* und non-binäre Menschen ausgesetzt sind und was dies mit ihnen macht.
Dieses Buch versammelt die unterschiedlichsten Sichtweisen und Lebensrealitäten. Aus unterschiedlichen Positionen, aus privatem Blickwinkel oder auch beruflichen, erzählen Menschen ihre Erfahrungen mit dem Thema. Dabei kommen alle stets zum selben Schluss: trans* und nicht binäre Menschen wollen einfach nur ein selbstbestimmtes Leben führen.
Die Texte sind sehr auf Deutschland fokussiert, sodass ich zum Beispiel den Beitrag über die deutsche Gesetzgebung eher überflogen habe. Vieles ist auch noch vor der Einführung des SBBGs und der Wahl Trumps geschrieben worden. Das allermeiste davon ist jedoch auch ohne zeitliche Begrenzung gültig.
Schade eigentlich nur, dass das Werk sehr abrupt und eher negativ aufhört. Ein hoffnungsvollerer Schluss hätte sich mehr nach Empowerment angefühlt und dabei geholfen, die Kämpfe weiter auszufechten.
Gut zusammengestelltes und nötiges Buch. Meine Zwei Lieblingskapitel:
• Alle in der Familie haben einen Coming Out Prozess und eine Transition durchzumachen - Ein Gespräch mit Heik Zimmermann
• Das Phänomen von trans*Menschen bzw. Menschen mit Variante der Geschlechtsentwickling (VSD) in der christlicher Perspektive ~ Dorothea Zwölfer
“Dies spricht aber auch für eine positive gesellschaft-liche Entwicklung. Wenn ich also eher ein Coming-out haben und früher »bei mir« sein kann, also früher so leben kann, wie ich bin, ist das eine positive Entwicklung. Ich sehe das überhaupt nicht negativ oder so kritisch wie die Personen, die das an-sprechen. Über diesen Gedanken, dass es plötzlich ‹viel mehr trans"Kinder und Jugendliche gibt und sich die Kinder angeblich anstecken, kann ich immer nur müde lächeln. Niemand steckt sich mit so einem wahnsinnig anstrengenden Thema an. Und ich glaube, viele, die so etwas sagen, sprechen auch nicht aus Erfahrung oder aus Wissen, sondern eher, weil sie vielleicht die Diskussion spannend finden und einfach mal mitreden wollen. Da kann man ja sachlich ganz gut dagegenhalten. Ich sage immer: In den 60er-Jahren gab es ja auch keine schwulen Männer. Die gab es auch erst, als die Gesellschaft so weit war, auszuhalten, dass Männer ein Coming-out haben. Jetzt ist sozusagen das Thema Trans und Nichtbinarität dran, und es kommen nun einfach mehr Menschen mit einem Coming-out und auch mit ihrem Anspruch auf ihr Recht, so zu sein, wie sie sind. Das finde ich völlig in Ordnung.”
“Für mich aber wäre viel, viel spannender, hinzugu-cken, was mit den Menschen vorher ist, also mit den alten, älteren, mittelalten trans Personen, die vor 2011 ihre Transition hatten und gezwungen waren, sich einem binären Geschlechtseintrag zuzuord-nen. Wie glücklich oder unglücklich sind die denn mit dem eigentlich ja wieder zugeschriebenen Geschlecht oder dem geforderten Geschlecht der Vereinheitlichung im Sinne einer heteronormativen Matrix? Sind das wirklich alles trans*Frauen und trans *Männer?? Wie glücklich oder unglücklich sind die denn mit ihren Biografien und wie viele nichtbinäre Personen gibt es denn da? Das finde ich die viel spannendere Frage, die jetzt erst so ganz langsam auch in der trans Community gestellt wird.”
Supergut, um in die Thematik reinzukommen. Erfahrungsberichte wie hier in diesem Buch vorliegend, sind meiner Meinung nach unendlich wichtig, um die Lebensrealität von Trans* Menschen zu verstehen und das Bubble-Denken in unserer Gesellschaft aufzulösen.
Ersteinmal vielen Dank an NetGalley und die Herausgeber für die Vorabkopie des E-Books!
Außerdem hier schonmal eine Warnung an alle, dass mein Review etwas chaotisch rüberkommen könnte. Ich hatte so viel zu sagen - wollte aber den Rahmen nicht sprengen. Daher ist von allem so ein bisschen drin.
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Ich wusste gar nicht so recht, was mich erwarten sollte. Auch wenn ich durch eigens erlebten Hintergrund sowie bereits gelesene Fachliteratur eigentlich bestens mit dem Thema bekannt bin. Das Buch von Kluge und Monro verspricht für ca. 15€ in der Print-Version Erfahrungswerte und Essays von Personen in der LGBTQ+ Bubble. Insgesamt enthält der Band genau 20 Texte von Aktivist:innen, Psychologen:innen, Wissenschaftler:innen, und Betroffenen.
Wie man schon an meiner Formulierung bemerkt, wird in den Texten durchgegendert. Wenn man sich also in das Thema einlesen möchte muss man doch zumindest tolerieren können, dass die Sprache der Thematik angepasst ist. Also kommen wir auch schon zu der Frage WER “Einfach Selbstbestimmt” lesen sollte:
So ziemlich alle, die sich für das Thema interessieren!
Auch wenn man selbst in die Thematik Trans verwickelt ist, findet man noch ein oder zwei neue Informationen, über die man eventuell gar nicht nachgedacht hätte. Ich habe zum Beispiel nie über trans Frauen in Bezug auf Frauenhäuser nachgedacht! Der Begriff einer sogenannten "tina* Person" — also Menschen die sich mehr oder weniger als trans verstehen — war für mich komplettes Neuland.
Da aber auch Essays vorhanden sind, die von Eltern geschrieben wurden, empfehle ich das Buch für alle Eltern, die vielleicht gar nicht wissen wo sie anfangen können, wenn sich ihr Kind bei ihnen outet.
Um es anders zu formulieren: Durch Blickwinkel von "Außenstehenden” versteht sich das Buch auch ein wenig als eine Einführung in die Thematik. Besonders weil es mit Fußnoten direkt im Text oder auch den kompletten Quellen im Anhang glänzen kann. Ich fand es in diesem Kontext auch gut, dass die Herausgeber daran gedacht haben ein Kapitel über LGBT bzw. das Trans-Sein in der Religion (hier speziell das Christentum) zu integrieren. Es gibt genug Kinder und Jugendliche, die in religiösen Haushalten aufwachsen und so ihre Identität den Eltern näher bringen können.
Wichtig und richtig sind auch die Stellen, in denen über die Detransition berichtet wird. Das Thema ist in der Öffentlichkeit viel zu stigmatisiert, als dass man nicht darüber redet. Wenn doch geredet wird, ist es meist eine Diskussion da Detransitioner ein heißes Eisen in den Lagern von Pro und Contra darstellen. Auch hier war ich sehr happy, dass man in diese Richtung informiert.
Man merkt also, dass dieses Buch ein Herzensprojekt ist. Da ich hier aber auch nicht den Schreibstil einer wissenschaftlichen Arbeit erwartet habe, stören mich die teilweise emotionsgeladenen Stellen nicht und sind, meiner Meinung nach auch erwünscht.
Dennoch gibt es ein paar Punkte, die mich gestört haben.
1) Zum einen ist die rechtlich beschriebene Lage sehr auf Deutschland spezialisiert. Andere dt.-sprachige Leser werden in dieser Hinsicht keine Informationen erwarten können. Aber das hätte den Rahmen der Seiten wahrscheinlich ohnehin gesprengt.
2) Des Weiteren haben die Texte auch über Nonbinary und FtM-Transition erzählt. Aber die MtF-Transition lag deutlich im Vordergrund. Das fand ich leider etwas schade. Dennoch einen tosenden Applaus von mir, dass man wirklich alle “Farben des Regenbogens” anspricht und man sich nicht auf eine Art von Trans spezialisiert hat.
3) Drittens bin ich mir ziemlich sicher, dass ich einen Fehler auf Seite 149 des E-Books gefunden habe, als man über den Jungen Sammy sprach und in Klammern “MtF” schrieb. Was entweder heißt, ich habe irgendeine Information direkt überlesen (und liege somit falsch), oder es stellt tatsächlich einen Fehler dar und es müsste eigentlich “FtM” heißen.
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Alles in einem eine sehr tolle Essay- und Interviewsammlung von der ich definitiv auch berichten werde, sollten mich Freunde nach Empfehlungen fragen.
Immer noch gibt es viel zu wenig Bücher, die sich mit trans*-sein beschäftige, weswegen mich dieses hier direkt angesprochen hat. Und ich mochte das Buch wirklich gerne. Die verschiedenen Perspektiven und dadurch auch die verschiedenen Aspekte des Thema trans*, die beleuchtet wurden waren aufschlussreich. Dadurch war es sehr vielfältig, was mir sehr gut gefallen hat. Für ein Sachbuch liest es sich auch gut. Das einzige, was ich vielleicht ergänzen würde, wäre ein Glossar mit ein paar Begriffen, die Neueinsteiger*innen vielleicht noch nicht bekannt sind. Insgesamt eine Empfehlung.
„Identität ist nicht verhandelbar, wer es dennoch tut, macht freie Subjekte zu fremdbestimmten Objekten.“ – Nora Eckert
Dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt, sollte sich ja inzwischen überall angekommen sein. Dass gerade die Politik und gesellschaftliche Strukturen da noch weit hinterherhinken, zeigt das von Janka Kluge und Julia Monro herausgegebene Buch „Einfach selbst bestimmt - Texte zur Lebensrealität jenseits der Geschlechternormen“, das 18 Texte verschiedener Autor*innen beinhaltet.
Die Texte reichen von trans*-Menschen, die über ihre Erfahrungen mit der Selbstfindung, dem Outing, den rechtlichen Hürden, (De-) Transition und Alltagsproblemen handeln. Aber auch von Eltern, die oft plötzlich mit der neuen Identität ihres Kindes konfrontiert werden, die Wege finden müssen, ihr Kind bestmöglich zu unterstützen, allen gesellschaftlichen und gesetzlichen Widrigkeiten zum Trotz. Es gibt zudem auch Erfahrungsberichte von Mitarbeitenden von Beratungsstellen und sogar eine religiöse Auseinandersetzung mit dem Thema.
Ich bin selbst nicht betroffen, fühle mich in meinem mir bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht sehr wohl, dennoch sehe ich es wie Felicia Ewert in ihrem Essay schreibt: „Und dennoch weiß ich, dass es meine verdammte Verantwortung ist, mich selbst über Diskriminierungsmechanismen zu informieren, von denen ich nicht betroffen bin. Mich zu bilden, um andere Menschen schützen und unterstützen zu können.“
Genau dazu trägt dieses großartige, vielschichtige und abwechslungsreiche Buch sicher bei. Man lernt verschiedenste Perspektiven kennen und kann sich besser in andere hineinversetzen. Ich hoffe, dass ich durch mein gesammeltes Wissen in der nächsten Diskussion um trans*-Sein als angebliche „Modeerscheinung“ oder dem Festhalten an der Zweigeschlechtlichkeit mit meinen Gegenargumenten zum Umdenken beitragen kann. Um noch einmal Felicia Ewert zu zitieren: „Smash the Cistem!“
Ich hatte das Glück, Anfang des Jahres bei einer Veranstaltung teilzunehmen bei der Julia Monro als Gast eingeladen war. Im Laufe dieser Veranstaltung wurde auch dieses Buch präsentiert und man konnte es dort käuflich erwerben, was ich getan habe. Ich finde das Buch ist eine wichtige Lektüre und habe die Hoffnung, dass vielen Menschen durch das Lesen die Realitäten von trans* Menschen in Deutschland näher gebracht werden kann. Der Aufbau der Buches ist dafür sehr gut geeignet, denn es werden sowohl persönliche Geschichten, die aktuelle Situation als auch die rechtliche und theologische Perspektive angeführt. Auch einige Kapitel über das Thema "Nichtbinaritär" sind in dem Buch vorhanden. Meiner Meinung nach beleuchtet das Buch so sehr viele wichtige Aspekte und ich kann es nur jedem wärmstens empfehlen!
Ein so, so gutes und wichtiges Buch! Durch die Diversität der einzelnen Autor*innen gibt es sehr viele unterschiedliche Perspektiven, die alle sehr gute Einblicke ermöglicht haben. Von trans Personen selbst, ihren Eltern, Personen aus Psychotherapie, Kirche und Justiz - alles ist dabei. Die Texte sind mal emotional einfühlsam, mal wütend und mal bürokratisch und bieten wirklich sehr sehr viele Perspektiven.
Ich hab mich sehr gefreut, nach längerer Zeit mal wieder ein deutsches Buch zu lesen, dass der Thematik gerecht wird.
Der Band versammelt konzise, gut lesbare einführende Texte und Interviews zu Lebensrealitäten jenseits der binären Geschlechterordnung. Sehr gut geeignet für eine erste Begegnung mit dem Thema.