Ralf Ruckus untersucht in »Der kommunistische Weg in den Kapitalismus« die Entwicklung Chinas seit 1949 im Lichte des Wechselspiels von sozialen Kämpfen und Gegenmaßnahmen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Seit Gründung der Volksrepublik reagiert die KPCh auf Unruhen von Arbeiter:innen, Bauern und Bäuerinnen, Migrant:innen sowie Frauen* mit einer Mischung aus Repression, Zugeständnissen, Kooptierung und Reformen. In der sozialistischen Periode folgten in den 1950er-Jahren auf Streiks und die Kritik der Hundertblumen-Bewegung die Anti-rechts-Kampagne und die Reformen des »Großen Sprungs nach vorne«; in den 1960er-Jahren schlug das Regime die soziale Revolte im Rahmen der Kulturrevolution militärisch nieder und versuchte dann, dem Sozialismus neues Leben einzuhauchen. In der Übergangsphase ab den 1970er-Jahren nutzte das Regime soziale Unruhen und Bewegungen für einen demokratischen Sozialismus, um seine Politik der Reform und Öffnung durchzusetzen; in den späten 1980er-Jahren reagierte die KPCh-Führung auf die Tian’anmen- Platz-Bewegung erneut mit militärischer Repression sowie mit radikalen Marktreformen. In der kapitalistischen Periode ab den späten 1990er-Jahren führten die Kämpfe von Arbeiter:innen staatlicher Betriebe, Bauern und Bäuerinnen sowie Wanderarbeiter:innen schließlich zu Zugeständnissen, aber auch zu weiteren Unterdrückungsmaßnahmen und Reformen. Das Buch bricht mit orthodoxen Vorstellungen über sozialistische »Erfolge« in der Volksrepublik China und mit Mythen über die Gründe für den Aufstieg des Landes zur wirtschaftlichen Weltmacht. Es verbindet die Historiografie der sozialen Kämpfe mit einer scharfen Kritik von Ausbeutung, autoritärer Staatsmacht und patriarchaler Herrschaft im Sozialismus wie im Kapitalismus. Ralf Ruckus, meist unterwegs zwischen Mitteleuropa und Ostasien, untersucht seit 20 Jahren die sozialen Beziehungen und Kämpfe in China.
Ruckus hält gleich im Vorwort seines Buches fest, dass er in seiner Arbeit weder von staatlichen oder privaten Arbeitgeber:innen, noch von „Moden“, Wettbewerb oder dem akademischen Betrieb abhängig und dadurch auch nicht eingeschränkt sei. Im kurz darauf folgenden Methodenkapitel merkt man von dem Part mit dem akademischen Betrieb dann allerdings eher wenig, um ehrlich zu sein. Ich musste sofort an die bescheuerten Auflagen aus dem PoWi-Studium denken, was eine Einleitung und ein Methodenkapitel angeblich alles som zu leisten haben. Das ist alles extrem schematisch und wirkt so richtig erzwungen. Und so viel schon mal vorneweg: Beim Belegen seiner These von sozialen Unruhen und deren Eindämmung als Entwicklungsmotor der chinesischen Geschichte seit 1949 hilft es auch nicht.
Die Stärke des Buches liegt eindeutig in der historischen Aufdröselung und der chronologischen Darstellung der diversen Arbeitskämpfe in der Geschichte der Volksrepublik China. Überhaupt nicht verstanden habe ich allerdings, wie aus dem, was Ruckus hier schreibt, seine These von sozialen Unruhen und deren Eindämmung als treibender Kraft der chinesischen Entwicklung seit 1949 hervorgehen soll. Hier würde ich mich den Einschätzungen Axel Bergers in seiner Rezension zum Buch anschließen (https://www.nd-aktuell.de/artikel/118...).
Überhaupt leidet das Buch an einer gewissen Redundanz, insbesondere in der ersten Hälfte. Man merkt, dass es nicht zum Lesen, sondern eher zum Konsultieren geschrieben wurde – da wären wir wieder bei den Marotten des akademischen Betriebs.