Ein Dorf im Taunus. Eine Familie aus Dalmatien. Eine zerrissene Kindheit und eine rebellische Jugend. Die vielfach preisgekrönte Autorin Marica Bodrožić erzählt von einer jungen Frau und ihrem Weg in die Freiheit.
Pepsi liebt das Leben und den flimmernden Schlaf des Sommers. Ihre Eltern arbeiten in Hessen und tauchen nur in den Sommerferien auf dem einsamen Hof des Großvaters in Dalmatien auf. Zeitweise kommt sie auch bei anderen Verwandten unter, doch wo immer sie ist, bleibt sie fremd. Nur in der Natur fühlt sie sich aufgehoben, verbringt, fasziniert von der Sprache der Vögel am Himmel, ihre Tage barfuß im Gras. Als die Eltern sie zu ihren Geschwistern in die Einzimmerwohnung in einem Dorf im Taunus holen, will Pepsi sofort wieder weg. Die vom Putzen rissigen Hände der Mutter sind zu keiner Zärtlichkeit fähig. Der Vater beginnt seine Tage mit Schnaps. Das neue Leben hält aber zugleich Dinge bereit, zu denen das Mädchen sich wie magnetisch hingezogen fühlt. Die Welt der Bücher und Buchstaben, die deutsche Sprache, in die sie sich so plötzlich und heftig verliebt wie später in Aleksandar. Doch als sie Abitur machen und studieren will, wird ihr das verboten, weil sie kein Junge ist. Es ist wie ein Stich ins Herz, ein Abschied - und zugleich ein Neubeginn.
Marica Bodrožić is a German writer of Croatian descent. She was born in Svib in Cista Provo, Croatia in the former Yugoslavia. She moved to Germany as a child and currently lives in Berlin.
„Herzflorett“ war mein erstes Buch der Autorin Marica Bodrožić, aber „Die Arbeit der Vögel“ liegt hier schon in den Startlöchern, weil mich dieser Roman vollumfänglich begeistern konnte.
Also, worum geht es? „Herzflorett“ erzählt eine poetische Coming-of-Age-Geschichte, die in Jugoslawien und Deutschland, zwischen dem Taunus und Dalmatien, spielt und sich mit Gegensätzen in der Kultur und Generationen auseinandersetzt.
Während Pepsi mit Sehnsucht an die Geräusche, Gerüche und Bilder ihrer ländlichen Kindheit zurückdenkt, wird ihre Heimat von Krieg zerstört. Immer mehr Flüchtlinge – Verwandte und Bekannte – finden Zuflucht in ihrem Zuhause.
„Herzflorett“ wird aus der Perspektive der dritten Person und chronologisch erzählt, mit gelegentlichen Rückblenden. Die sieben Kapitel umfassen jeweils mehrere Jahre und konzentrieren sich auf entscheidende Momente, darunter die Tschernobyl-Katastrophe, der Fall des Eisernen Vorhangs und der Krieg in Jugoslawien.
Pepsi genießt die sengende Hitze auf dem Hof ihres Großvaters in Dalmatien. Ihre Tage verbringt sie draußen, barfuß im Gras, den Blick in den Himmel gerichtet. Dennoch kann sie es kaum erwarten, Jugoslawien zu verlassen und wieder mit ihrer Familie in Deutschland vereint zu sein. Es ist Anfang der 1980er Jahre, und ihre Eltern sind ins Ausland gezogen, um Arbeit zu finden, während Pepsi von einem Verwandten zum nächsten geschickt wird und sich nirgendwo wirklich zugehörig fühlt.
Doch das erträumte Wiedersehen im Westen mit ihren Eltern und Geschwistern erweist sich als enttäuschend. In der Schule wird Pepsi entweder übersehen oder gemobbt. Zuhause hat sich ihr Vater, der sich bei der Arbeit auf Baustellen den Rücken verletzt hat, dem Alkohol zugewandt. Ihre Mutter arbeitet unermüdlich, um die Familie zu versorgen, ist jedoch zu erschöpft, um sich ihren Kindern zuzuwenden. Beide Eltern machen wiederholt klar, dass sie Angst davor haben, dass ihre Töchter den westlichen Einflüssen verfallen und „verdorben“ werden könnten. In ihrer jüngeren Schwester findet Pepsi ihre einzige Vertraute.
Trotz der schwierigen Umstände entwickelt Pepsi eine Leidenschaft für die deutsche Sprache (und für Aleksandar), die sie mithilfe eines gebrauchten Wörterbuchs lernt. Doch als sie ihren Eltern mitteilt, dass sie die Schule abschließen und studieren möchte, lehnen diese ab – schließlich ist sie kein Junge. Mit einer Ausbildung zur Buchhändlerin gelingt es ihr schließlich, genügend Geld zu sparen, um das Elternhaus zu verlassen und in eine kleine eigene Wohnung zu ziehen. Ein Wendepunkt in ihrem Leben, der zugleich ein Ende und Neubeginn markiert.
Bodrožić gelingt es, sinnliche Naturbeschreibungen mit tiefgründigen, teils humorvollen Beobachtungen über kulturelle Unterschiede zu verbinden. So erzählt sie die Geschichte einer jungen Frau, die unbeirrt für ihre Unabhängigkeit kämpft. Ein Buch, das zeigt, das Freiheit nicht für alle Menschen selbstverständlich ist, aber wie wichtig es ist, sich diese zu erkämpfen. Die perfekte Lektüre für Leser*innen, die den Mut finden wollen, ihre Passionen auszuleben und Lebensziele zu verwirklichen - von Pepsi können wir viel lernen, danke Marica Bodrožić für dieses großartige Buch!
Selten einen Roman gelesen, der durch Sprache in Satz, Wort, Satzzeichen und teilweise atemlos unnachgiebigen Immerweitersätzen vor keinem Hindernis weicht und den unbedingten und kompromisslosen Über- und Lebenswillen seiner Protagonistin nachempfinden lässt. Gemeinsam mit ihr, Pepsi, beisst und drückt man sich durch das Leben, das eine Geschichte ist, die ihr am Anfang noch nicht gehört und die sie wie eine faszinierte Forscherin zunächst beobachtet, mit der eigenen Reifung zu sezieren beginnt und schliesslich Entscheidungen trifft, vor denen sie zwar Angst hat, sich von ihnen aber nicht beherrschen lässt. Ich wünschte uns allen ein bisschen Pepsi in unseren Leben.
Danke Bodrožić Marica für diesen wunderbaren Epos an das Leben und die Kraft eines Mädchens.
Eigentlich hätte der Titel mich abgeschreckt - klingt erst einmal nach schlimmer Schmonzette - das wäre wirklich schade gewesen. Es ist ein wunderbares Buch....poetisch, dicht aber auch unglaublich emotional brutal..... der Schmerz und die Befreiung der Protagonistin Pepsi kommt einem unglaublich nah.....und gleichzeitig das Geschenk, dass Bücher Leuchttürme sind, sein können und Leben retten...zusammen mit mitfühlenden Menschen.