Karen sucht ein WG-Zimmer und landet in einer Band, von der nur der Name existiert. Mit PUNK wollen Lambert und Ezra beweisen, dass das immer noch mit drei Akkorden ohne groß Aufhebens Musik machen und dabei eine coole Figur abgeben. Ein Wettbewerb steht an und Karen soll dem rauen Duo mit ihrer Kopfstimme intellektuellen Schliff verleihen. Lambert, klassischer Nerd, ist für technische Details zuständig, während der romantische Analogiker Ezra Original-Instrumente aus der Punk-Zeit beisteuert. Karen spielt keines davon, droht aber, mit ihrem Gefühlsüberschwang alles aus dem Konzept zu bringen. PUNK ist ihre persönliche Geschichte der Band, und noch nie wurde von den Verheißungen der Musik so unwiderstehlich erzählt. Ein Allheilmittel!
Eckhart Nickel, geboren 1966 in Frankfurt/M., studierte Kunstgeschichte und Literatur in Heidelberg und New York. Er gehörte zum popliterarischen Quintett „Tristesse Royale“ (1999) und debütierte 2000 mit dem Erzählband „Was ich davon halte“. Nickel leitete mit Christian Kracht die Literaturzeitschrift „Der Freund“ in Kathmandu. Heute schreibt er u.a. für die FAS, die SZ und die ZEIT. Bei Piper erschien u.a. die „Gebrauchsanweisung für Portugal“ und die Reiseerzählungen „Von unterwegs“ (2021). Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2017 wurde er für den Beginn von „Hysteria“ mit dem Kelag-Preis ausgezeichnet und war auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2018. Im Jahr 2019 stand er auf der Shortlist des Franz-Hessel-Preises und erhielt den Friedrich-Hölderlin-Förderpreis der Stadt Bad Homburg. 2022 wurde er von der Stadt Baden-Baden mit dem Baldreit-Stipendium ausgezeichnet. Sein hochgelobter neuer Roman „Spitzweg“ (2022) schaffte es direkt auf Platz 1 der SWR Bestenliste Juli/August 2022.
Winner of the Hermann Hesse Prize 2024 19-year-old student Karen was just looking for a room in a shared flat, but she unexpectedly ends up in a musical resistance cell against a world that has become dystopian. In Eckhart Nickel's novel “Punk”, society is haunted by a mysterious, inexplicable phenomenon: The “white noise”, which appears out of nowhere, spreads in waves and puzzles even acousticians. Even music is swallowed up by its sound waves, with the “dominance of sound over sentiment”, the novel states, “all feelings of happiness such as enthusiasm and euphoria” disappear. Emotions are drowned out, strong surges of feeling give way to an all-encompassing middle register (hello, H(A)PPY).
Ezra and Lambert, whom Karen meets at an interview while searching for a room, aim to resist these developments. They want to form a band and live the romantic ideal of punk: That everyone can transform their imagination and feelings into art through their own efforts. They have set up a soundless room in their apartment with no visible exit: The Stereolab, a safe space that the "white noise" cannot penetrate.
While the Ministry of Entertainment attempts to reinterpret the political helplessness against the "white noise" as a cleansing in the spirit of mindful wholeness with the Equanimity Festival, Ezra, Lambert and their new singer Karen activate the powers of pop culture: in their hall of mirrors, they combine visual, philosophical and musical elements from different eras to create something new. The white rabbit that accompanies them hops through the novel as a reminiscence of Alice’s Adventures in Wonderland / Through the Looking-Glass. Not only the stereo lab, but pop culture as a whole is a safe space for the three friends, a place where they find community and meaning.
The newly formed band counters the "white noise" with the passionate noise of punk and overcomes boundaries in the process: Nickel not only incorporates numerous references to bands, including song lyrics, but, like the remix culture of pop, comes up with surprising connections. For example, Karen is a big fan of Arthur Schopenhauer, and Morrissey, singer of the legendary band The Smiths, who also play a role in the novel, appears as his avatar in the music world.
Together with Nickel's debut novel Hysteria and its successor Spitzweg, “Punk” forms a triptych: Nickel examines the connections between nature and culture, and “Punk” features numerous cross-references to the first two novels. It's the novel in which Nickel is able to make the most of his extensive knowledge of pop culture and transform it into a firework of witty references. A novel full of clever ideas about nature, art and artificiality, told with verve and the confident ambiguity of pop.
Punk von Eckhart Nickel spielt in einer Welt, in der die Musik und die Emotionen weitestgehend verloren gegangen sind. Das Phänomen „Der weiße Lärm“ hat sich über die Dinge und Geräusche gelegt und eine stille Teilnahmslosigkeit in den sozialen Räumen erzwungen. Eine sehr triste Welt umgibt die Protagonistin Karen, die, von der Erzählgegenwart aus gesehen, eine Woche zuvor noch das Gleichmut-Festival besucht hat:
Das Superevent des ersten Tages lud alle Teilnehmer ein, selbst auf die Hauptbühne zu kommen, wo kurz zuvor das Gemurmel mit Alma Immer M. A. (Mutter Aller) zu Ende gegangen war, die am Schluss ihrer Rede erst mal ordentlich die Werbetrommel für den Whisper gerührt hatte. Es handelte sich um ein neues Format, das sich das Ministerium für Unterhaltung ausgedacht hatte, um unsere zuvor leider maßgeblich durch die sozialen Medien in große Isolation gestürzte Gesellschaft aus ihrer leidvollen Vereinzelung zu erlösen und neue Wege des Zusammenfühlens zu entdecken, gegen die fundamentale Einsamkeit der Berührungslosen.
Das Setting von Punk lässt sich irgendwo in einer nicht allzu fernen Zukunft verorten, in der die Pazifizierung der Gesellschaft auf endlose Langeweile hinausläuft, derer sich die drei Hauptfiguren mit Musik zu erwehren suchen. Sie beginnen in einem geschützten Raum, dem Stereolabor, den Aufstand zu proben, und zwar mit ihrer Band „PUNK“, und hierfür bedienen sie sich der Alt-1980er-Musikinstrumente wie E-Gitarre und Atari-mäßige Synthesizersounds. Die Handlung erstreckt sich über zwei Tage, in Präsens von Karen als frech-kesse Ich-Erzählerin erlebt, die in Abschweifungen und Ausschweifungen ihr Bewusstsein feilbietet, das alles andere als langweilig ist und gerne in Schopenhauseriaden frönt:
Was [Arthur Schopenhauer] davon hielt, von all der unsteten Währung, mit deren Hilfe wir in unserem Leben gehandelt und bewertet werden wie Vieh auf dem Markt, stellte ich mir zur Beruhigung immer abends vor dem Einschlafen vor, wenn ich wieder mal in der Schule aufgezogen wurde wegen meiner nervigen altklugen Wortmeldungen oder in der Pause auf dem Hof für meinen Lieblingslook, Doc-Martens-Stiefel zu Faltenrock und einem viel zu großen weißen Herrenhemd mit Spitzkragen und der Perlenkette von Mama.
Dynamisch, atmosphärisch, immersiv erzählt, wird Karens Welt im Text lebendig, digressiv-ausgestaltet, in Wort- und Klang umgewandelt. Die Gedanken springen hin und her, aus der Kindheit zurück in die Gegenwart, in die Jugend zurück und von vorn. Alles doppelt sich in dem Text, die Brüder, die Zwillingsschwestern, das Erlebnis des Gleichmut-Festivals, der Sound von Geschirr in der Waschmaschine, das Rödeln und Rattern und Schampustrinken. Die Handlung spielt, wie einer präsentischen Ich-Erzählweise zuträglich, kaum eine Rolle: im Bewusstsein selbst spielt die Musik, und hier glänzt Punk mit Einfallsreichtum wie schon zuvor in Spitzweg, in welchem möglicherweise auch Karens Zwillingsschwester Kirsten mitwirkt.
Handlungsarm, aber melodiös setzt Eckhart Nickel ein ästhetisches Programm der Befreiung um, das komplementär zur Entleerung von seinem Buddy Christian Kracht in Air steht. Sehr verwandt mit Maren Kames Hasenprosa, nur dass es sich hier um ein Kaninchen namens Auguste Pierre [Renoir?] handelt.
--------------------------------- --------------------------------- Details – ab hier Spoilergefahr (zur Erinnerung für mich): --------------------------------- ---------------------------------
Inhalt: ● Protagonistin: Karen, schätzungsweise um die zwanzig Jahr alt, Klavier geübt, sucht Wohnung. Kirsten, Zwillingsschwester von Kirsten, ein paar Minuten älter, patzt bei Klaviervorspielen, geht eigene Wege. ● Zusammenfassung/Inhaltsangabe: 1.) Vorspiel durch Madame Framoisée organisiert. Kirsten patzt, verlässt den Saal; Karen (K) hinterher. Sie sitzen auf einer Bank, hören Satie, von einem anderen Klavierschüler, Erik, gespielt. Kirsten setzt sich zum Ziel, ein Anti-Erik zu werden, Ambitionen, Eigenwillen, Unabhängigkeit anzustreben. Sprung in die Erzählgegenwart: IE (K) erinnert sich an den Tag, der eine Wende im Leben bedeutete, weil sie ebenfalls auf der Schwelle zu einer neuen Phase steht. Damals ist es „Der weiße Lärm“ gewesen, in der Erzählgegenwart der mögliche Umzug in eine WG, denn die IE möchte dem Wohnheim entfliehen. 2.) Anna, Ks Freundin, erzählt von anderen Bewerberinnen für das WG-Zimmer, die alle davongejagt wurden. Die Zwillingsschwestern haben sich etwas entfremdet. Anna begleitet K zur Wohnung, zur Sicherheit, und wartet vor auf der Straße vor der Haustür, das Rufzeichen, wenn K Hilfe von Anna braucht, lautet „Irre“. Das WG-Zimmer wird von Ezra und Lambert angeboten. Sie führen Vorstellungsgespräche durch. K zeigt Ordnungsbewusstsein und fällt hiermit sofort positiv auf. Sie wird eingeladen, sich das Zimmer anzusehen. 3.) K sieht aus dem Fenster und erkennt zu ihrem Schrecken Kirsten auf dem Gehsteig neben Anna. Sie befürchtet, die coolere Kirsten würde sich auch bewerben und sie ausstechen, insbesondere sollte ihre Zwillingsschwester erfahren, dass K sich auch für das Zimmer beworben hat. Sie will also von ihrer Schwester nicht gesehen werden und fragt nach einem zweiten Ausgang, als es klingelt. Ezra und Lambert öffnen für sie ein Geheimzimmer, dem Stereolabor, schallsicher, in welchem sich K versteckt. 4.) Rückblende: Das Phänomen „Der weiße Lärm“, ein unerklärbares Phänomen, das Töne, Geräusche, Musik bis zur Unhörbarkeit abdämpft, eine außerirdische Tonattacke? Musik verschwindet; die sozialen Medien werden ebenfalls gedimmt. Eine Emotionslosigkeit macht sich breit. Die Zeit spielt in einer dystopischen Zukunft, offensichtlich, denn drahtlose Kommunikation ist bereits möglich. 5.) Im Stereolabor entdeckt K ein Kaninchen und hört, wie Agenten des Ordnungsamtes eintreten, nicht Kirsten, da es Beschwerden über Ezra und Lambert gegeben hat (Geräuschbelästigung). Die Sache geht glimpflich aus. K erinnert sich an das Gleichmut-Festival eine Woche zuvor. Ezra und Lambert stellen das Kaninchen als Pierre-Auguste vor. [siehe Pierre-Auguste Renoir]. K wird das Zimmer angeboten. Sie nimmt an. Ezra und Lambert weihen sie sofort in ihre subversive Tätigkeit ein, nämlich eine Band zu gründen, PUNK. 6.) Rückblende: Weißer Lärm, keine öffentlichen Wutausbrüche mehr. Stille auf den Straßen. Insgesamt Nivellierung der Gefühle. Nachbarin Nicole, Modette. 7.) Erinnerung Ks an ihre erste große Liebe Arthur (Schopenhauer). Die WGler machen eine kleine Bandprobe. 8.) Wohlgeruch in der Wohnung. Hochandenklima im Stereolabor. K erinnert sich an Anna, die wartet aber nicht mehr. Hat ein Brief hinterlassen. Sie schiebt ihr Fahrrad in den Hinterhof, kehrt zurück, riecht Kampfer. 9.) Kindheitserinnerung. Kirsten packt die Waschmaschine voller Geschirr und kreiert blecherne Chaosmusik. In der Küche, Dartspiel. Sie finden heraus, dass sie alle auf dem Gleichmut-Festival gewesen sind. Erzeugen Küchenmusik. 10.) Kindheitserinnerung: die Eltern versuchen die Zwillinge auseinanderzuhalten. Die Wohnung steht unter dem Schutz eines akustischen Faraday-Käfigs, so dass Klänge und Sound erzeugt werden können. Auf dem Gleichmut-Festival wurden Ezra und Lambert zu einem Musikwettbewerb geladen. Hierbei, als Musiker, sind sie wohl beim Ordnungsamt aufgeflogen, jemand habe sie verpetzt (deshalb Besuch der Agenten). Wohlgeruch in der Wohnung durch Duftsonde, oder Aromadiffusor. 11.) Sie machen sich Gedanken über ihr Outfit, und es wird das Preisgeld bekanntgeben 100 000 Euro. 12.) Lösung des Outfit-Problems von K. Sie bleiben, wie sie sind. Sie planen für das Cover Polaroidbilder. Steigen vollangezogen aus einer schaumigen Badewanne auf. Erinnerung an Tim, Jugendliebe. 13.) Die Rückseite, nachdem sie sich umgezogen haben, wie sie sich aufs Bett fallen lassen. Verbringen die Nacht in einem Bett. 14.) Am nächsten Tag, Aufwachen. Die 10 Punk-Gesetze. Sie gehen Ministerium für Unterhaltung. Überwinden den Torhüter. Sie gehen wie durch ein Schloss zur Bühne, bauen auf und beginnen das Konzert. ● Zusammenfassung/Inhaltsangabe (kurz): Karen lebt seit dem Phänomen „Der weiße Lärm“ in einer musiklosen, emotionslosen Welt, bewirbt sich für WG-Zimmer und wird Teil einer Punkband und tritt am Ende im Ministerium für Unterhaltung auf. … Roter Faden: Lampenfieber, das Auftreten, das am Anfang des Textes aufgeschoben wird, zugunsten von eines Eric Satie-Stückes (840 Wiederholungen), und am Ende findet Karens Auftritt statt, und das Buch endet mit einem Zitat von Eric Satie. Verschiebung. … Alice im Wunderland (Kaninchen), 1984 (Neusprech), 451 Fahrenheit (Bücher verschwinden – hier Musik verschwindet); Schopenhauer (Musik als Ding an sich – der Wille). … Problem: Kirsten spielt keine Rolle, auch nicht die Entfremdung zwischen den Schwestern, plotmäßig überflüssig, auch der Nachbarssohn Tim, die Nachbarstochter Nicole, Kinder von Alma Immer (Artificial Intelligence). Viele Digressionen, aber durch Klang und Sound der Ich-Erzählerin zusammengehalten. Störend vor allem das unaufgelöste Doppelgängerin-Motiv, und die Fehlstelle Kirsten, die vielleicht durch „Spitzweg“ ausgeglichen werden soll, wo Kirsten mit zwei Freunde über die Malerei forscht und in einem Geheimzimmer weilt. Für sich genommen passt es aber nicht so ganz. Auch die Auflösung am Ende, das Konzert vor fehlendem Publikum, das seltsame Ministerium, wirkt etwas verkürzt, passt nicht zu den Digressionen. Das Phantastische der Metapher, ja, vom Plot her hält wenig am Lesen. --> 3 Sterne
Form: Sprachlich interessant, rhythmisch, austariert, zisiliert, verschnörkelt, verspielt, einfallsreich, bunt, syntaktische Sprachlust, semantisches Übersprühen, viele Referenzen, buntes Sammelsurium: herkos odontōn = Gehege der Zähne. Formal sehr gelungen und die Lektüre vorantreibend. Musikalisch. --> 5 Sterne
Erzählstimme: Sehr konsequente Ich-Erzählerin, die in Präsens von den zwei Tagen erzählt, in denen von zuhause losgehend sich bei Ezra und Lambert befindet, um dann einzuschlafen und am nächsten Tag mit ihnen in das Ministerium für Unterhaltung zu fahren, um dort ein Konzert zu geben. Das präsentische Erzählen wirkt immersiv. Das Bewusstsein steht im Vordergrund, passend zur Ich-Erzählerin, überhaupt steht sie und wie sie die Welt im Vordergrund, auch hier passend. Keine narrativen Lücken (der Schlaf zählt nicht). Digressionen und Erinnerung im Präteritum, wohlgeformt. --> 5 Sterne
Komposition: Erzählperspektive und Erzählinhalt gehen mit der Erzählweise eine gelungene Symbiose ein. Insgesamt wohlgeformt das Ganze. Der Plot besitzt keine innere Spannungsstruktur. Hier hätte das Gleichmut-Festival länger und deutlicher beschrieben werden können, auch die Geschichte von Ezra und Lambert, und auch fehlt die Zwillingsschwester Kirsten. Das passt nicht ganz. Das Buch hätte länger, und in die Figuren detaillierter gearbeitet werden können. Viele Digressionen wirken auch aus der Luft gegriffen (Wrigley Spearmint Gum). --> 3 Sterne
Leseerlebnis: Die Sprache, das Gleiten, die Harmonie, das Verspielte lassen den Text zu einer seltsam entrückten Einheit verschmelzen, die sich abdichtet, rundet, und ein Ganzes erzeugt, als Widerstand im Punk, im Chaos, aber innerhalb einer wohlstrukturierten Lebensumgebung. Vielschichtig und bunt und einfallsreich. Poetisch. --> 5 Sterne
Das kommt ganz schön leise daher für ein Buch, das "Punk" heißt - aber hey, in der Realität dieses Romans gibt es keine Musik oder melodische Geräusche. Ist aber trotzdem kein Horror (klingt nur so), sondern ein furioses popkulturelles Verweisfeuerwerk, so richtig zum Abnerden und gleichzeitig eine Geschichte, die sich als clevere und unterhaltsame Parabel auf so viele aktuelle Themen (Klimawandel, Coronaschwurbelei, Cancel Culture, Achtsamkeit...) lesen lässt.
Eckhart Nickels Punk ist ein stilles Buch über laute Ideen. Die Sprache gleitet, sie verschmilzt mit dem popkulturellen Referenzrauschen und formt eine abgeschlossene, fast hermetische Welt. Es ist faszinierend, wie der Roman das Chaos im Titel in eine kontrollierte, fast klinische Ordnung überführt.
Ezra, Lambert und Karen gründen in einer Gesellschaft, die vom „weißen Lärm“ erdrückt wird, eine Band ohne Musik. Sie erschaffen ein kollektives Refugium, das gleichermaßen subversiv und sanft rebellisch wirkt. Diese leise Rebellion ist klug gedacht und bietet wunderbare Momente, wenn sich Philosophie, Popkultur und absurde Gegenwartsbeobachtung zu einer Collage verweben.
Die stilisierte Sprache, die zwischen Ironie und Künstlichkeit schwankt, ermüdet auf Dauer. Vor allem aber ist Punk weniger ein Roman als ein literarisches Konzeptalbum, das mehr durch Anspielungen und intellektuelle Spielereien glänzt als durch erzählerische Wucht. Nichtsdestotrotz bleibt es eine Fingerübung voller grandioser Ideen.
"Punk" war mein erster Roman von Eckhart Nickel. Ich hab ihn beim Durchschauen der Verlagsvorschau des Piper Verlags entdeckt und habe ihn mir direkt vorbestellt. Und tatsächlich hat mich der Inhalt des Buches außerordentlich überrascht, da er ganz anders war als im Klappentext angedeutet. Ja, Karen bewirbt sich für ein WG-Zimmer und gerät dann irgendwie in eine verrückte Band mit dem Namen "Punk" aber das ist nur grob der Inhalt. Tatsächlich ist die Welt, in der die Protagonistin lebt, eine gänzlich andere als unsere. Sie lebt in einer Welt, in der jegliche natürlichen Geräusche und Musik durch den sogenannten "Weißen Lärm" überschallt wird (Wahrscheinlich soetwas wie das White Noise) und sich die Band "Punk" irgendwie als Protest in völliger Spontanität formt. Der Roman spricht viele interessante Themen an. Unter anderem ist die ganze Entstehung der Band und ihres ersten Liedes auf so vielen Ebenen in keinster Weise Punk aber gleichzeitig irgendwie doch, was das ganze super interessant macht. Einerseits entsteht diese Band und alles was dazuzugehört ohne großen Trubel, alles läuft strukturiert und irgendwie inszeniert ab und gar nicht chaotisch oder rebellisch wie es sich für das Genre Punk gehört. Gleichzeitig ist jedoch diese Spontanität, dass diese Band innerhalb eines Tages alles vorbereitet, was sie benötigen und dazu ein Kollektiv schafft, das als Symbol der Ablehnung der Musiklosigkeit dient, doch wieder Punk. Der ganze Akt der Bandgründung ist irgendwie an und für sich ein Akt der stummen und höflichen Rebellion, das hat mir sehr gefallen. Die Protagonist*innen sind mir schnell sympathisch geworden und ich fand es schade, dass der Roman nur so kurz war und recht wenig Handlung hatte. Dadurch wurde der Roman aber zu einer gelungenen kurzweiligen Unterhaltung. Genau das habe ich auch darin gesucht. Ich finde es nur immer wieder schade, wenn ich in Romanen des Jahres 2024 immer noch Fremdbezeichnungen der Native Americans lesen muss und Begriffe wie "Häuptling" damit aufgegriffen werden. Deshalb kann ich das Buch leider nicht hundertprozentig empfehlen und auch keine 5 Sterne geben, auch wenn es sonst so gut war.
Ein wirklich eigenartiges, absolut faszinierendes Buch! Wer von Nickel noch nichts gelesen hat, sollte aber wohl besser mit SPITZWEG anfangen - da wird man eingeführt in Nickels exzentrische Welt voller Pop-Anspielungen.
PUNK erzählt von einer Zukunftsdystopie, in der Musik verboten ist. Musik als großer Feind einer hyper-hysterischen-pseudo-Fürsorge-Kultur. Und dann wollen drei außergewöhnliche Jugendliche eine PUNK-Band gründen. Die Story ist schon eigenartig genug, aber noch ungewöhnlicher ist die Sprache - gespickt mit Zitaten und Anspielungen und vielen herrlich abgedrehten Neologismen. Man bekommt richtig Lust, wieder die Smiths oder Jefferson Airplane zu hören und sich zu freuen, dass dies nicht verboten ist.
Die drei Jugendlichen sind schon ganz schön verdreht. Retro-Dandys, die die Smiths hören, ein Kaninchen namens Pierre-Auguste in ihrem Tonstudio (auch Salatbar genannt) und 14 Raumdiffuser mit Wrigleys-Geruch in ihrer Wohnung installiert haben. Der Rest ist sogar noch viel verrückter!
Leider ist das Buch eine Mogel-Packung, denn es geht sehr wenig um Punk, eher um eine Science Fiction Geschichte, die in einem Staat spielt, der mit „weißem Lärm“ das Sozialleben kontrolliert. Dabei begleitet man die „Ich-Erzählerin“ Karen auf ein WG Casting, das in der subversiven Punk-Band-Gründung endet.
Die gedrechselte, gestelzte Sprache der jungen Protagonist*innen ist irritierend und anstrengend und der Plot recht spannungsarm.
Die Hommage an die Musik belebt durch zahlreiche Zitate die Lektüre und am Ende gibt es auch noch den Verweis auf die YouTube Playlist des Autors. Und man fragt sich, ob YouTube der “weiße Lärm“!der Gegenwart sein könnte?
S.100: „Wie sagt Miles Davis noch? Es sind die Noten, die du nicht spielst, die den Unterschied machen.“
S.128: „Es handelt sich um ein neues Format, das sich das Ministerium für Unterhaltung ausgedacht hatte, um unsere zuvor leider maßgeblich durch die sozialen Medien in große Isolation gestürzte Gesellschaft aus ihrer leidvollen Vereinzelung zu erlösen…“
Furchtbar prätentiös. Nach der Hälfte abgebrochen. Keine überzeugende Erzählstimme, es liest sich nicht wie von einer 19-Jährigen erzählt, sondern wie 19-Jährige schreiben und denken, dass das ganze „Fabulieren“ cool ist. Und dann dieser langweilige Quatsch mit den Klamottenmarken und englischen Bands und dem ganzen kulturellen Nischenbesserwissen, urgh, E. Nickel ist nicht herausgekommen aus der 00er-Popliteratur.
Ich war sehr enttäuscht von diesem Buch, weil es vor allem nicht das ist was es verspricht. Der richtige Punk-Band-Aspekt fängt überhaupt erst im letzten Viertel an, davor zieht Nickel eher so nh mittelmäßiges 1984-Ding ab, aber einem fehlt iwie nh Menge Kontext um davon richtig bewegt zu sein. Richtig Punk sind nur die konstanten Verweise auf alte Bands, denn selbst jenes letzte Viertel lässt in dieser Weise eher zu wünschen übrig. Dazu finde ich ehrlich gesagt Nickels Schreibstil unfassbar nervig. Das ganze Buch ist in unnötig komplizierten Sätzen geschrieben, in die er hin und wieder hyper-moderne Anglizismen und vermeintliche Jugendsprache reinstreut, und die einfach beim Lesen wenig Spaß machen. Die Charaktere reden unnormal geschwollen, aber gleichzeitig wieder mit diesen merkwürdigen englischen Einschüben, was ganz komisch zu lesen ist. Und lasst mich garnicht erst von Karens komischer Darstellung anfangen. Das ganze hat so nen ganz schmierig-perversen Unterton, der vermutlich eher Nickels persönlicher Manic-Pixie Fantasie entspricht als einer Frau die tatsächlich jemals existiert hat.
Ich kann nicht glauben, dass ich diesem Buch trotzdem noch 2 Sterne gebe, aber es ist halt nicht grundsätzlich schlecht, nur klassisch was man von einem weißen, männlichen Autor Ende 50 erwarten kann.
Eckhart Nickels Punk will vieles zugleich sein: Dystopie, Coming-of-Age-Roman, popkulturell aufgeladene Zeitgeistprosa. Das Ergebnis ist eine lose, lückenhaft konstruierte Erzählung, die über stilistische Manierismen nicht hinauskommt.
Die Ausgangsidee – eine Welt, in der „weißer Lärm“ Musik und Emotionen erstickt – klingt auf dem Papier reizvoll. In der Umsetzung fehlt jedoch jede Dringlichkeit. Die dystopische Kulisse bleibt blass, eher Hintergrundrauschen als handlungsbestimmende Kraft. Figuren wie Karen, Ezra und Lambert wirken schablonenhaft und sprechen in einer prätentiösen, oft unnatürlichen Sprache, die weder organisch noch glaubwürdig wirkt. Wenn sie in Jugendsprache verfallen, wirkt es aufgesetzt – als hätte Nickel den Figuren Phrasen verpasst, die nicht zu ihnen passen.
Strukturell zerfällt der Text in kurze, lose verbundene Episoden. Die ständigen Abschweifungen, Wiederholungen und der stete Wechsel zwischen Gegenwart, Kindheit und Jugend wirken nicht wie ein bewusst gewähltes Kompositionsprinzip, sondern wie mangelnde erzählerische Fokussierung. Die Handlung selbst ist so dünn, dass sie praktisch keine Spannung aufbaut.
Hinzu kommt eine teils irritierende Popreferenz-Ästhetik, bei der nicht jede Anspielung trägt. So wirken Übersetzungen von Bandnamen oder Songzeilen – etwa „Vampire Weekend“ – deplatziert und tonal unpassend zur Figur, die sie äußert. Statt Tiefe oder Authentizität zu gewinnen, entstehen Brüche im Tonfall.
Ja, es gibt sprachlich gelungene Sätze, und Nickel kann Atmosphären schaffen. Aber zu oft wirkt der Text wie eine stilistische Übung, die sich für raffinierter hält, als sie ist. Was bleibt, ist ein hübsch drapierter, aber inhaltlich leerer Rahmen – mehr Pose als Substanz.
Es war schon gut, aber funktioniert nicht wie wohl gewünscht. Die dystopische Welt, die er kreiert, habe ich nicht vor Augen gehabt. Das popkulturelle namedropping hat er nicht in den 90ern gelassen, ich mag es auch gern, nur wirkt es hier bloß wie eine riesige Ladung Schleichwerbung. Die Produkte, die er nennt, passen nicht zu dieser Gruppe junger Menschen. Deren popkulturelle Allwissenheit war auch sehr untypisch. Das Buch scheint fast eine Prahlerei mit seinem eigenen Wissen zu sein. Er weiß auch viel, ich staune darüber, aber dann ist wohl eher ein Sachbuch sein Genre.
enttäuschend. angefixt durch die playlist und den titel hatte ich grosse lust auf das buch, aber es wirkt wie die vorarbeit zu einem potentiell guten buch, nicht mehr.