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Der schlimmste Feind

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Rick Luperts Romandébut spielt auf einer Insel, die in zwei Teile geteilt: Meerland, Osat, ein Gebirge trennt die beiden Staaten. Was die Griechen früher μίασμα (miasma) nannten, die Verunreinigungen in der Luft, die die Menschen erkranken ließen, das besorgt das politische Treiben auf der Insel: ein korrupter Diktator hie, eine korrupte Regierung dort, ein vergangener anti-kolonialer Befreiungskrieg, ein tosender Bürgerkrieg; Leichen, die aus dem Boden steigen, gleich einer ätherischen Fäule, die sich aus den Fundamenten, den Erdschichten, in die Atemluft der Bewohner:innen gräbt.

260 pages, Paperback

Published March 21, 2024

10 people want to read

About the author

Rick Lupert

3 books3 followers
Rick Lupert(*2001) lebt in Wien und studiert Komparatistik. Aktuell arbeitet er am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten als Dramaturgieassistent. 2021 war er Finalist bei „wir sind lesenswert“. Sein Kurzgeschichtenband „Geschichten einer Insel“ erschien im selben Jahr. Beiträge erschienen u. a. in: Kollektive Literaturzeitschrift Würzburg, Kassiber, Why nICHt?, Litrobona, Denkbilder, Literarische Blätter und DAS GRAMM.

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Profile Image for Tom Ghostly.
20 reviews26 followers
April 26, 2024
[Review in German only for now]

Es ist keine Schande, sich einzugestehen, dass das letzte Buch, das man am Ende eines langen Tages in die Hand nehmen will, nachdem man mit medialen Schreckensmeldungen zugebombt wurde – etwa über die Hassverbrechen geistig angeknockter Kriegstreiber –, eines ist, das sich ganz ähnlichen Themen stellt, darunter korrupte Politiker, Bürgerkrieg, damit einhergehende Flüchtlingswellen und Hürden der Migration. Und trotzdem kommt man nicht immer daran vorbei, ganz einfach, weil ein solches Stück Literatur ab und an schlichtweg kulturell notwendig ist; weil es notwendig ist, diese unerwünschten Dinge über die Kunstsprache und die Formen der Literatur zu reflektieren, weil es hilft, binnengesellschaftliche Erkenntnisprozesse in Gang zu setzen. Oder weil es einen schlichtweg als individuellen Leser aktiviert.

Genau das tut Rick Luperts Roman-Debüt Der schlimmste Feind: Es ist nicht die leichteste Lektüre, wahrscheinlich auch nicht die allerschwierigste, und doch unternimmt der Text aktiv vieles, wodurch man sich als Leser angenehm angeregt fühlt, etwa dahingehend, die nach und nach auf den Tisch geworfenen Puzzlestücke miteinander mental zu verlinken. Selbst wenn Völkermord, Flüchtlingslager & Co. in der außerliterarischen Wirklichkeit faktisch omnipräsent sind, wird der Leser feststellen, dass da noch etwas mehr in das Textgewebe eingelassen wurde als eben diese Schrecken, etwas, das verinnerlicht und erfahren werden will ­– was eines der größeren Komplimente ist, die man einem jungen Autor gegenüber aussprechen kann.

Die Rede ist von einem Werk, welches ungeachtet der eigentlichen Thematik zum Weiterlesen animiert, etwa dann, wenn das Wie zwischenzeitlich größer wird als das Was, und wenn das Personal beizeiten größer wird als die das Personal umbrandende Handlung. Der schlimmste Feind ist so ein Glücksfall, wo sich Genettes histoire und discours, wo sich Wie und Was, wo sich das Erzählte und die Erzählform die Hand reichen, aber auch einer, wo die Menschen selbst aus dem Text heraustreten und über ihm thronen, allen voran Marianne Zeta (oder nun doch wieder Fuchs?), nicht weniger als Ramon Trimva, eben jener Flüchtling, der für Interkulturalität und literarischen Transfer steht, keineswegs bloß weil sein Vorname ein Anagramm zur literarischen Gattung des Romans stellt. Es ist also nicht zwingend die fragmentarische Handlung, um derentwillen man sich das „antut“, man liest auch um der Empathie willen. Ja, auch weik sich Marianne das Herz nimmt, obgenannten Flüchtling, den sie auf der Straße anfährt, bei sich aufzunehmen unter dem Vorsatz, ihn gesund zu pflegen, obschon das im fiktiven Inselstaat Meerland als Kardinalsünde gilt, und sie das selbst zu einem Paria, einer Ausgestoßenen macht.

Die exakte Kehrseite Mariannes bildet deren Ehemann Fabian Zeta, seines Zeichens korrupter Politiker und Minister, der (wohl gewollt) platt und klischeehaft gezeichnet wird und gewissermaßen den lovers-to-enemies-Topos in Gang setzt, zumal Marianne sich mit dem menschenverachtenden Parteiprogramm, für das ihr Ehemann steht, nicht mehr identifizieren will und kann. Der Flüchtling Ramon wird so also gewissermaßen zum plot-device, das diese Spaltung des Ehepaars befeuert und die Rachegelüste im männlichen Part erst hochkochen lässt. Wie das ausgeht, erzählt der Roman Stück für Stück und teilweise retrospektiv in raffinierter cut-up-Technik. Kapitel enden mitten im Satz, bloß um später wieder aufgegriffen zu werden, die achronologische Erzählanordnung lässt uns von Kapitel 1 zu 56 zu 2 zu 49, später von 33 zu 57 zu 23 zu 34 schreiten. Nicht immer ist der*die jeweilige Erzähler*in des Abschnitts dabei klar ausgewiesen, die Aufdeckung desselben*derselben erfordert manchmal also etwas Denkarbeit, vor allem gegen Ende hin; lediglich Mariannes Part winkt durch den charakteristischen und interpunktionslosen, wenngleich nicht völlig agrammatischen Bewusstseinsstrom mit der Fahne.

Inwiefern Literatur Reflexionsmedium der Tagespolitik, aber auch der Vergangenheit sein kann, ohne in dröge OE24-Meinungsbildung abzugleiten, reflektiert der Roman implizit durch seine Verfremdungstechnik, gleichzeitig aber ohne auch nur irgendwas bis in die Unkenntlichkeit zu verzerren: Der angesprochene Inselstaat nämlich gliedert sich in zwei Teile, einerseits den Osat, einen Wüstenstaat, andererseits in das klangvollere Meerland, wobei im Laufe des Erzählverfahrens die eigentliche Geschichte der Insel Stück vor Stück in den Vordergrund drängt. Regelrecht abstrus mutet an, dass gerade Österreich sich in der fiktionsinternen Historie scheinbar zur Kolonialmacht aufgeschwungen hat, um das Eiland zu bevölkern und die Osaten zu unterwerfen, ein nicht ganz zufälliger Aktionismus desjenigen Staates, der sich in der empirischen Wirklichkeit jahrzehntelang in seiner passiven Rolle als das Opfer Hitler-Deutschlands gefiel. Während im Österreich von heute keine Leichen von anno dazumals mehr auf den Straßen liegen, harren die sterblichen Überreste aus der Kolonialzeit vor allem im Osat aber immer noch mumifiziert im Sand aus, rühren zumindest an einer Stelle die klappernden Knochen, um in einer schaurigen Hommage an Elfriede Jelineks Die Kinder der Toten aus ihrem schmutzigen Bett zu steigen, auch wenn es kein großer Tanz wird. Denn der groteske Untotenroman ist Der schlimmste Feind trotz allem nicht geworden, dem Himmel sei Dank, ja, weil es nicht die schaurigen Kriegsdiktatoren und -minister von gestern sind, die in dem Buhmann Fabian Zeta zwar ihre Auferstehung feiern, letztendlich aber nicht haften bleiben, sondern viel eher die nicht tot zu bekommenden, gleichwohl aber ohne Verwesungserscheinungen auftretenden Ideale von einer gerechteren Welt, die hier den längeren Atem haben.
1 review
May 1, 2024
In seinem Debütroman nimmt uns Rick Lupert sprachlich gekonnt mit auf eine spannende Reise in eine alternative Gegenwart, die uns unsere eigene eindringlich vor Augen führt. Dabei wirft die inhaltlich und perspektivisch vielschichtige Handlung viele wichtige Fragen auf. Das Besondere ist ein hohes Maß an subtil eingestreuter Intertextualität und ein Gespür dafür, was es heißt, einen Roman zu schreiben, der vor dem Hintergrund unseres aktuellen Weltgeschehens nicht die Augen verschließt. Der Roman lässt viel Freiraum für eine individuelle Lektüre und öffnet damit den Zugang zu vielen bereichernden Erfahrungen. Unbedingt empfehlenswert und nicht nur für ein Erstlingswerk gelungen!
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