Helen ist Malerin. Und sie hat übernatürliche Kräfte. Zwei Tage vor der Eröffnung ihrer Ausstellung werden alle ihre Bilder gestohlen. Anstatt sich um die Aufklärung des Falls zu kümmern, fliegt sie zurück in ihre griechische Heimatstadt Egio. Während sich Helen wieder ihrer künstlerischen Arbeit widmet, untersucht ihr Partner Lenell die tektonische Grenze, auf der Egio liegt. Das Privatleben des Paares ist bewegt, sie können sich ihren eigenen Verletzungen und den Versehrungen der Welt immer weniger entziehen. Und die Frage, die sich einmal gestellt hat, Ist es möglich, angesichts der Bruchstellen, die uns umgeben, nur nach persönlicher Erfüllung zu streben? Und wofür soll man die eigenen Kräfte einsetzen – zumal wenn sie, wie in Helens Fall, sogar telekinetisch sind?
Plasmatropfen erzählt von inneren und äußeren Verwerfungszonen, von Plattentektonik und Sehnsucht, Permafrost und Kunst. Joshua Groß protokolliert nicht, was war, sondern imaginiert, was passieren könnte, in einer Welt, die sich immer mehr dem Surrealen und Märchenhaften annähert.
Joshua Groß, 1989 in Grünsberg geboren, studierte Politikwissenschaft, Ökonomie und Ethik der Textkulturen. 2018 war er zu den Tagen der deutschsprachigen Literatur nach Klagenfurt eingeladen und 2019 erhielt er den Anna Seghers-Preis. Er ist einer der Herausgeber der Anthologie "Mindstate Malibu".
Joshi just knows his shit: His new novel deals with the faltering love between painter Helen and seismologist Lenell, and of course it's an experimental extravaganza in which it remains unclear what exactly Helen paints and what instruments Lenell would need to detect the exact tectonic rifts between him and his partner and within his severely depressed psyche. Moving from country to country while making random connections in a Rachel Cusk-like manner, Helen tries to overcome alienation and feel alive, having sex with other men and using the title-giving "drops of plasma" that allow her to keep her eyes open without blinking. Meanwhile, Lenell, her partner of eleven years, stays in Aigio, Greece, a city constantly threatened by earthquakes, haunted by suicidial depression and his struggle with prescription drugs.
After Prana Extrem, an autofictional love story, this new novel shows the end of a couple as they are torn apart by Lenell's depression that Helen can't heal, not even with her psychic powers (it's Joshua Groß, don't ask). Helen states that she is not interested in her paintings as the end of the process, but in the process itself, in moving, thinking, and creating. Lenell, who grew up in an abusive household, is trying to find stability in order not to drown in his thoughts, so much so that he even puts on an exoskeleton that is supposed to keep him from crumbling. And of course there are colorful minor characters, especially a formerly popular elderly singer and, get this, the woodpecker man, who is... *check notes* ... an outlaw with a beak?
While I have to admit that I struggled to get into this story and that I find some aspects underdeveloped (those psychic powers, e.g.), I am still in awe that Groß keeps delivering truly inventive and surprising psychological writing, how he masters the de-automatisation of perception by rendering the common in uncommon terms and adding sheer narrative insanity. It's just so daring and fun and fresh, the ultimate antidote to the lazy midcult writing that has a strong hold on contemporary literature.
The German-language literary scene can be proud to produce innovative writers like that. Groß is more and more becoming the Jesse Ball from Hildesheim, and I love it. You can listen to our podcast discussion (in German) here: https://papierstaupodcast.de/podcast/...
Die maximalempathische Darstellung einer nicht gelingenden Paarbeziehung zwischen Künstlerin Helen und Seismologe Lenell, somit Liebes- und Trennungsgeschichte in einem.
Symbolisch aufgeladen und sprachlich innovativ die Plattengrenzen der Gefühlskonventionen auslotend, aufbrechend. Experimentelle Literatur, die good old Magischen Realismus mit Themen wie Depression, Lebensführung, Traumabewältigung verbindet.
Manchmal gleitet die Innovation in sprachlichen Manierismus oder gedankliche Esoterik ab, oft genug ergeben sich aber starke Effekte.
Helen S. 136 über "rückständige Ordnungsperversionen": "Das Herausbewegen aus der eigenen, tief ins Verhalten hineinkonditionierten Feindlichkeit gegenüber kollektiven Praktiken würde Generationen benötigen."
Helen und Lenell, und mit ihnen Spechtmensch und Matteo haben mich insgesamt nicht erreichen können wie die Figuren in "Prana Extrem", schreiben kann (und will) Groß aber so exorbitant anders als die meisten, dass er nach wie vor als eine der aufregendsten Stimmen der deutschen Literatur gelten darf.
Auch seine Variante des Genderns mit mittelstehendem i mit zwei Pünktchen ist schriftsprachlich elegant.
Ein ärgerliches Buch. Den Inhalt entnehme man dem Klappentext, nur soviel: das Potential der Beziehung zwischen den Hauptcharakteren Lenell und Helen wird nicht ausgeschöpft, die eingeschobene Climate Fiction bleibt lediglich eines unter mehreren surrealen Elementen. Dazu ins esoterische abgleitende Passagen über Kunst vs. Leben, Helens telekinetische Fähigkeiten und eine Vielzahl an Schauplätzen in Europa. Das einzig gute ist eine längere Passage, die beschreibt, wie Lenell seine Depressionen durch Therapie beginnt, zu bekämpfen, und seine sich anbahnende Beziehung zu einem Spechtmenschen (natürlich auch ein Symbolcontainer; Rückkehr zur Natur, zwischengeschöpfliche Empfindsamkeit etc.). Die Sprache ist etwas mehr zurückgenommen als in Prana Extrem, aber Groß fängt damit exakt nichts an. Zuviele schlechte Ideenansätze zu einem Roman verwurstet macht auch in einer idiosynkratisch einnehmenden Sprache kein gutes Buch.
Das Buch hat mir ziemlich gut gefallen- es war mal was anderes! Ich finde es schön, dass man beim Lesen merkt, wie viel Freude der Autor an Sprache hat, wie er damit spielt wie ein Kind und sich selbst in seiner Pseudophilosophie nicht zu ernst nimmt! Die Gefühle von Entfremdung und einer gewissen Stumpfheit dem Leben gegenüber kamen sehr gut rüber und auf seltsame Art haben selbst die surrealen Elemente wie der Spechtmensch etc. Sinn ergeben. Das Buch fühlt sich komisch an zu lesen, aber auf eine ganz interessante und neugierig-machende Weise! Man will es erforschen und verstehen! Manchmal ein bisschen zu übermütig, was die Neologismen betrifft, aber insgesamt gab es echt viele Stellen, die ich mir rausgeschrieben habe & die ich ganz toll fand!
ich hab’s so so gern gelesen, irgendwas berührt mich bei joshua groß immer sehr. die art, mit sprache umzugehen, die unerwarteten wörter so genau zu platzieren, die figuren, die ideen, das setting, ich habe es sehr gefühlt und hatte den eindruck, etwas wirklich neues zu lesen. die gespräche über malerei und die fantastischen elemente haben mir sehr gefallen, ich musste viel an etel adnan denken, die ortsbeschreibungen fand ich toll, das buch hatte einen totalen flow. das war bisher definitiv mein lieblingswerk von ihm, die art wie die schwere des romans durch die depressions-erkrankung des protagonisten gepaart ist mit der sprache und leichtigkeit auf der anderen seite– das wird mir lange in erinnerung bleiben.