Extrem toll!! Mit der Idee, wirklich (nicht abstrakt wie Eribon) über Klasse zu sprechen und dabei intersektionale Perspektiven eröffnen, ist dieses Buch (endlich?) ein Text, der vorallem aus Erfahrungen speist und damit nah und verständlich wird. Ganz ganz tolle Aufsrbeitung.
oh was ein guter tag um einen uni-bib-ausweis zu haben! das buch war so wichtig, treffend, inspirierend, umarmend. ich brauche mehr davon und schätze die präzise schwerpunktsetzung und den anti-exklusivierenden erzählansatz. falls es (hoffentlich) ein follow-up projekt gibt, interessiert mich eine ausarbeitung des care-aspekts, der mir ins besondere durch das nachwort mir ruth verstädnlich wurde. ich muss dieses buch auf jeden fall an alle meine arbeiter*innen-mäuse an der uni weiter empfehlen, es gibt mir gerade die kraft, noch ein semester länger auszuhalten.
Karolina Dreit und Kristina Dreit haben für "Working Class Daughters" (2024) mit Menschen gesprochen, die Klassismus erfahren haben. Dabei wird vor allem auch ein intersektionaler Blick darauf geworfen, dass sich Klassismus häufig mit anderen Diskriminierungsformen wie Rassismus und Sexismus überschneidet. Viele der Befragten sind oder waren im Kunst- und Kulturbereich tätig. Gerade dort ist Klassismus oft unsichtbar, spielt aber eine große Rolle: Wer kann es sich leisten, jahrelang prekär bezahlt zu werden? Welche individuellen Konsequenzen hat es, wenn eine Förderung ausbleibt?
Wenn Klassismus in der öffentlichen Debatte thematisiert wird, geht es häufig um "sozialen Aufstieg", der dann als individueller Erfolg erzählt wird. Dabei wird jedoch übersehen, dass ein Klassenwechsel für die meisten Menschen nicht möglich ist. Und auch für die "Aufsteiger*innen" ist der Klassenwechsel nicht nur positiv, sondern kann zu einer Entwurzelung und einer schmerzhaften Entfremdung von der Herkunftsfamilie führen: "Im geschichtslosen Raum neoliberaler Selbstverwirklichung musst du deine soziale Herkunft hinter dir lassen, wenn du eine (andere) Zukunft möchtest, so wie es Didier Eribon in seiner biografischen Erzählung 'Rückkehr nach Reims' beschreibt." (S. 13)
Die Antworten der "Working Class Daughters" aus den Einzelinterviews wurden thematisch geordnet und so gestaltet, dass der Eindruck eines Gesprächs entsteht. Das Buch möchte einen Beitrag zur kollektiven Selbstermächtigung leisten, auch um die Scham zu überwinden, die das Sprechen über eigene Klassenerfahrungen oft begleitet. Während die Einleitung einen theroretischen Einstieg bietet, geht es im Übrigen um die individuellen Erfahrungen der Interviewten. Die Abwertung von Erfahrungswissen ist ein zentrales Element struktureller Diskriminierung. Genau hier setzt "Working Class Daughters" an, indem es den subjektiven Erfahrungen Raum gibt, gleichzeitig aber deren strukturelle Komponente betont, indem es sie thematisch geordnet nebeneinander stellt. Allein schon aufgrund der außergewöhnlichen Struktur lohnt sich die Lektüre.