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Von Norden rollt ein Donner

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Täglich treiben der 19-jährige Jannes und seine Familie die Schafe über die Flächen der Lüneburger Heide. Doch es herrscht eine gärende Unruhe in der Gegend, der Wolf ist zurück. Es mehren sich Schafsrisse und mit ihnen Konflikte im Dorf, die schnell politisch werden.

Kann Heimatschutz Gewalt rechtfertigen? Während sich die Situation zuspitzt und in Selbstjustiz der Bevölkerung zu eskalieren droht, flüchtet Jannes zu seinen Schafen in die Heide. Bis er dort immer wieder auf eine merkwürdige Frau trifft. Er beginnt, ihr zu folgen, und kommt Schritt für Schritt hinter die Geheimnisse dieser vermeintlichen Sehnsuchtslandschaft, stößt auf Brutalität, völkische Ideologie – und auf ein tiefes Schweigen. Markus Thielemann begibt sich mit seinem fesselnden Anti-Heimatroman tief hinein in die Abgründe eines „urdeutschen“ Idylls.

286 pages, Kindle Edition

Published July 11, 2024

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Markus Thielemann

2 books13 followers

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56 (4%)
1 star
10 (<1%)
Displaying 1 - 30 of 123 reviews
Profile Image for Anna Carina.
682 reviews339 followers
September 17, 2024
*Shortlist deutscher Buchpreis 2024*

Endlich eine junge Erzählstimme die der Gegenwartsliteratur einen frischen, ultra authentischen Anstrich verpasst und sich mir nicht die Fußnägel hochrollen lässt.
Das Buch macht Spaß. Es liest sich rasant weg.
Thielemann schreibt einen regionalen Roman, der einen gewissen Schlag Mensch aus Niedersachsen bespielt, mit all dem Lokalkolorit und der dazugehörigen Mundart. Ich habe selten so gut gelungene, natürliche Dialoge gelesen.
Ein organischer Text, voller Leben.
Sehr gut gelingt das Pacing und der Wechsel zwischen den Szenen, die in einem Guss ineinanderfließen und harmonisch abgeschmeckt sind, ohne einer Zutat einen unangenehmen Überhang zu verleihen. Die gesellschaftspolitische Debatte um den Wolf, ob dieser zum Abschuss frei gegeben werden sollte, das Gefühl von der Politik allein gelassen zu werden, das Rumoren der völkischen Gesinnung und ein NDR Doku Team verschnüren den formalen Realismus des Buches.
Eine mystisch, gruselige Komponente durchbricht diese Form hier und da.

Dennoch kann ich ihm keine Bestbewertung geben. Ich habe während des Lesens immer wieder betont, dass ich es kompositorisch sehr gelungen finde. Das muss ich leider relativieren. Die ersten und letzten Seiten lesen sich wie aus der Schreibschule. Hier bricht er sprachlich mit der grundsätzlichen Gestaltung und versucht sich an einer seltsamen bedeutungsschwangeren Metaphorik, die ich unpassend finde.
Das Ende stellt keinen zusätzlichen Kniff oder Aspekt heraus. Es steuert das gesamte letzte Drittel auf diesen Konflikt und dessen Aussprechen zu. Auch bleiben sämtliche andere Stränge einfach ungeklärt im Raum hängen.
Die gesundheitlichen Probleme des Vaters, die eine Menge Raum einnehmen, bleiben unbearbeitet. Die demente Oma im Pflegeheim dient lediglich als Schnittstelle für die Erkenntnisse der Auflösung. Sie selber bleibt angerissen und historisch schwer beladen stehen.
Der aktuelle völkische Aspekt und die Figur Röder kommen später nicht mehr vor. Ein kurzen Grollen, das wars. Das NDR Team und seine Reportage, führt zu nichts.
Mit Beenden des Buches bekommen all die wirklich gut gesetzten Teilstücke keine endgültige Bestimmung. Im Grunde ging es im Buch um eine Vergangenheitsaufarbeitung, ein ans Licht holen. Das drum herum ist zwar gut geschrieben, auch sprachlich einnehmend gestaltet, kommt aber nicht mehr zusammen. Anstatt ein Thema grabend und in die Tiefe gehend zu beleuchten, zerfällt das Buch in ein oberflächliches Sammelsurium an schwerwiegenden Punkten, denen er nicht ansatzweise gerecht werden kann.
Zudem kommt es über den Realismus, des Abbildens des Lebens, nicht hinaus. Die Mystik dient als Mittler, Jannes auf eine Vergangenheit aufmerksam zu machen, über die geschwiegen wird. Als Treiber des Prozesses, aber leider nicht um die symbolische Ordnung zu durchbrechen.

So gern ich das Buch gelesen habe, so wenig hinterlässt es.
Profile Image for Elena.
1,030 reviews409 followers
October 2, 2024
"Ihm kommt ein absurder Gedanke: Vielleicht ist es das Land, das ihm etwas sagen will, das ihm etwas antun will, vielleicht ist es die Heide." - Markus Thielemann, "Von Norden rollt ein Donner"

Der 19-jährige Jannes ist Schäfer, in dritter Generation arbeitet er auf dem Hof seines Großvaters und führt fast täglich, bei jedem Wetter, gemeinsam mit seinen beiden Hütehunden die Heideschnucken und Ziegen über die Heideflächen. Sein Opa ist zu alt für diese Arbeit, seine Mutter kümmert sich um das Haus und die demente Oma im Altersheim, sein Vater hat seit ein paar Monaten "Aussetzer", die er nicht untersuchen lassen möchte, und so bleibt die meiste Arbeit an Jannes hängen. Die Situation spitzt sich zu, als der Wolf in die Heide zurück kehrt und sich die Ortsansässigen von der Politik allein gelassen fühlen. Während Jannes immer wieder einer mysteriösen Gestalt in der Heide begegnet, wendet sich sein Vater auf der Suche nach Hilfe an einen völkischen Siedler.

Markus Thielemann packt in seinen Roman "Von Norden rollt ein Donner" sehr viele aktuelle und historische Themen, ohne ihn damit zu überfrachten - das ist für mich eine große Kunst. Durch den Protagonisten Jannes lässt er die junge Generation in der Landwirtschaft der Heide sprechen, die sich entscheiden muss, ob sie die Arbeit der Eltern und Großeltern fortführt oder nicht. Gleichzeitig trifft Jannes auf viel Schweigen, wenn er versucht, etwas über die Vergangenheit seiner Familie und der Gegend zu erfahren. Die Geschichte spielt zwischen Herbst 2014 und Sommer 2015, zu dieser Zeit wurde öffentlich nicht darüber gesprochen, dass in Unterlüß, dem Heimatdorf von Jannes, ein KZ-Außenlager des Konzentrationslagers Bergen-Belsen bestand, nicht einmal, nachdem 2013 ein Brief der ehemaligen Lagerinsassin Edith Balas in der örtlichen Zeitung veröffentlicht wurde. Auf diesen Brief stößt Jannes in einem der alten Familienfotoalben, er ist im Buch komplett abgedruckt, allerdings möchte ihm niemand in seiner Familie dazu etwas sagen. Auch der Wolf spielt in der Gegend eine große Rolle, er soll sich auf den nahegelegenen Truppenübungsplätzen angesiedelt haben, es wird von Viehrissen berichtet, gesehen hat ihn allerdings bislang niemand. Debatten über fehlende politische Unterstützung, Heimatschutz und Gewalt brechen sich Bahn, sie bieten einen Nährboden für Reden von "Früher war alles besser" und völkischem Siedlertum. Mich hat Markus Thielemann mit seinem oft als "Anti-Heimatroman" betitelten Buch sehr gefesselt, er zeigt historische Kontinuitäten und die Gefährlichkeit rechten Gedankenguts in der vermeintlichen Heimatidylle auf. Was nicht ganz meinen Geschmack getroffen hat, ist der magische Realismus, der mit der Frau, die Jannes immer wieder auf seinen Streifzügen durch die Heide antrifft, in den Roman Einzug hält. Andererseits wird diese Gestalt erzählerisch auch benötigt, um Jannes Blick in die Vergangenheit zu öffnen. "Von Norden rollt ein Donner" passt perfekt in den Herbst, das drohende Unheil lauert auf jeder Seite, egal, ob real oder eingebildet. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!
Profile Image for Literatursprechstunde .
196 reviews93 followers
September 16, 2024
Die Lüneburger Heide - ein trügerisches Idyll?!
Hirte Jannes ist 19 und die Hauptfigur eines vermeintlich uncoolen, altbackenen Dorfes:

"Die Geräusche des Stalls beruhigen ihn. Das von Wand zu Wand rollende Blöken, das wie von einem Regler hochgedreht anhebt, sobald er eintritt, Strohrascheln, das Surren der Halogenlampen, irgendwo kracht ein Horn gegen ein Holzgatter. Das Brummen der Lüfter. Der bekannte Geruch der Schnucken nach feuchtem Stroh und Mist, die Wärme der Tiere."

Markus Thielemanns Sprache lässt uns die Heide fremd und vertraut zugleich erscheinen, wenn er von einer „Sonne hell und wirkungslos“ spricht, ein Ort an dem „Böen sterbende Vegetation übers trostlose Braun der Landschaft blasen". Mich als Sprachliebhaberin macht er mit solchen Formulierungen rundum glücklich.

Er erzählt von dem phantomartigen Wolf, der zwar Schafe reißt, sich dabei aber nie erwischen lässt. Eine absolut zeitgemäße Story, die die Ansiedelung des Wolfes durch die Politik verhandelt. „Vom Norden rollt ein Donner“ ist aber ebenso eine Geschichte über des Schäfers‘ dunkle Vergangenheit, die eine verwahrloste Streunerin ans Licht bringt, die zudem noch zu Jannes‘ Famile gehört und ihn heimzusuchen scheint.

Die Vergangenheit scheint Jannes einzuholen - in Form von Visionen und Träumen. Immer wieder erscheint ihm auf der Heide und im Wald eine Frau. Das führt Jannes zu einer Ahnung - könnte die geheimnisvolle Rose, von der seine demente Großmutter oft erzählt, eine völlig reale Person sein?!

Alle wollen ihn gesehen haben, aber keiner kann’s beweisen - der Wolf treibt nicht nur auf den Weiden sein Unwesen, sondern auch in den Köpfen der Menschen. So nimmt Jannes’ Großvater geradezu zwangsneurotische Züge an in seiner Besessenheit vom Wolfe und geht gar auf Hilfesuche beim zugezogenen neurechten Nachbarn, der sich eigentlich lieber der Pflege seines Brauchtums widmet in Form von Sonnwendfeiern. Das führt zu Spannungen in der bedächtigen Heide.

Heimatromane standen mal in voller Blüte der Literaturszene. Leider gelten sie seit Zeiten des Nationalsozialismus nicht nur als Trivialliteratur, sondern vielmehr als anrüchig. Schade, denn Markus Thielemann beweist, dass sie vielmehr als eine sentimentale Verklärung eines augenscheinlich harmonischen Lebens auf dem Lande sind. Schafft er es den klassischen Heimatroman wieder modern werden und aufleben zu lassen?! Ein ganz klares Ja von mir!

„Vom Norden rollt ein Donner“ überzeugt mit seiner politischen Kraft. Anhand ausdrucksvoller Poesie überzeugt Markus Thielemann auch die letzte Leserin, dass Schweigen und Verdrängen keine Optionen sind. Er entfaltet sprachgewaltig einen Anti-Heimatroman. Der Autor bringt aus einer falschen Idylle die Geister der Vergangenheit ans Licht - und beschenkt uns mit einer Gegenwartsliteratur, die lebendiger nicht sein könnte - ganz fernab des Heimatkitsches. Absolut lesenswert, nicht nur im Norden!
Profile Image for Ulla Scharfenberg.
155 reviews235 followers
August 30, 2024
Dass ich die Longlist zum Deutschen Buchpreis so unsäglich langweilig finde, hatte zumindest den positiven Effekt, dass ich andernfalls wahrscheinlich nicht zu "Von Norden rollt ein Donner" gegriffen hätte. Es war einfach das einzige Buch, was mich zumindest ein bisschen interessiert hat. (Und das Cover ist toll!)

Markus Thielemann erzählt einen Anti-Heimatroman aus der Lüneburger Heide. Im Mittelpunkt steht Jannes, 19 Jahre alt und Sohn einer Schäferfamilie. Er lebt und arbeitet auf dem Hof, kümmert sich um die Schafe und die Hunde. Das idyllische, ruhige Leben im Einklang mit den Jahreszeiten und den Bedürfnissen der Tiere bekommt Risse (pun not intended) als ein Wolfsrudel in der Gegend auftaucht. Doch auch innerfamiliär gerät einiges aus den Fugen, da Jannes Vater Friedrich zunehmend Demenzerscheinungen zeigt.

"Von Norden rollt ein Donner" lebt von Anfang an von der ganz besonderen Atmosphäre. Es ist eine Mischung aus rauer Bauern- und Naturerzählung, Schauergeschichte im Stile vom "Schimmelreiter" und Ghoststory, die auch an "Wuthering Heights" erinnert, aber mit Heidegeistern wie Roggenwolf und -muhme einen regionalen Twist aufweist.

Der Autor hat es geschafft, das Grauen der Provinz einzufangen, den Horror der "guten alten Zeit", die uns unweigerlich in völkisch-nationalistische Gefilde führt. Entsprechend ist der Roman hochaktuell uns der Wolf als "Eindringling" vielleicht nur eine Metapher.

Gefallen hat mir vor allem die Sprache (Buchpreis-Nominierung well deserved) und die Tatsache, dass hier ein 19-Jährigrer Protagonist ist, der so gar nicht dem Klischee seiner Generation entspricht. Einen halben Stern Abzug gibt es, weil es zwischendurch schon echt schleppend läuft, fast ein bisschen langweilig. Ein bisschen mehr Drive im Mittelteil wäre gut gewesen :)
Profile Image for J M Notter.
82 reviews12 followers
February 21, 2025
Ein Anti-Heimat (oder Heimat- bzw Heideroman) mit Mystery-Elementen. Sehr gut geschrieben, die Lüneburger Heide, die ich vorallem vom Blick aus dem Autofenster auf der A7 kenne, wird sehr lebhaft dargestellt. Die Geschichte wird aus der Perspektive des 19jährigen Schäfers Jannes erzählt, recht verschroben der Junge, aber auch sehr sympathisch. Bin eigentlich überrascht, wie gross das Lesevergnügen über Hof, Familie und Schafe war.
Profile Image for Alexander Carmele.
475 reviews425 followers
October 1, 2024
Immersive, szenisch-intensive Stellen verpuffen am Ende zu einem diffusen Nichts. (Deutscher Buchpreis-Shortlist)

Inhalt: 4/5 Sterne (gelungenes, unheimliches Landidyll)
Form: 3/5 Sterne (spritzig, plakativ mitreißend, ohne Poesie)
Erzählstimme: 2/5 Sterne (montiert-hakendes Erzählen)
Komposition: 1/5 Stern (ausgeufert-gestreckte Novelle, kein Ganzes)
Leseerlebnis: 2/5 Sterne (trotz Schwung, ärgerlich gewollt)

Romane lassen sich, bspw., unter dem Aspekt unterscheiden, ob sie Information zurückhalten, um Spannung/Immersion zu erzeugen, oder ob es ihnen gelingt, ohne Geheimnis, Spannung zwischen den Informationen zu erzeugen. Wie Margaret Millars Banshee die Todesfee gehört Markus Thielemanns Von Norden rollt ein Donner zu den ersteren. Die Erzählinstanz weiß mehr als die Figuren. Sie gibt lange ein Geheimnis nicht preis. Erst ganz zum Schluss wird klar, was sich in der Vergangenheit der Kohlmeyers ereignet hat. Jannes, dem Protagonisten, bleibt nach der Enthüllung nur eines übrig:

Jannes wankt an der Herde vorbei zur Wanne, kniet sich hin und erbricht sich neben die Viehtränke. Er verscheucht die herankommenden Hunde von der Schleimpfütze und wäscht sich Schweiß und Erbrochenes in der lauwarmen Brühe vom Gesicht. Im Wellenschlag treiben Grasstängel, Krautreisig, Wollfasern, schlieriger Schmutz. Er taucht hinein, sinkt unter den Schleier, sinkt und sinkt.

Die Kohlmeyers führen einen Schaf- und Ziegenbetrieb auf der Lüneburger Heide, finanzieren sich teilweise auch durch den Tourismus. Erika, Jannes‘ Oma, leidet an Demenz und beginnt von „Puschen“ und einer „Rose“ zu sprechen. Bald Jannes klar, dass mit „Rose“ nicht einzig Marianne Rosenberg gemeint sein kann. Eine haarsträubende Erinnerungstortur beginnt, mit vorhersehbaren, nichtsdestotrotz mitreißendem Ende. Neben diesem Handlungsfaden, wer ist „Rose“ und was hat seine Großmutter und der Großgrundbesitzer Karl Teusch damit zu tun, stellt sich ein weiterer, wie mit dem Wolf, der Neuansiedlung von Wölfen in der Lüneburger Heide umzugehen ist.

«Womit wir aber ein Problem haben, ist: Wir werden alleine gelassen. Von der Politik und von der Zivilgesellschaft. Der Wolf ist ein Raubtier. Ihn wieder ins Land zu lassen, ihn zu uns in die Heide zu lassen, ist eine Entscheidung und die hat Konsequenzen. Momentan tragen wir Halter die Konsequenzen alleine. Keiner der Naturschützer oder der Tierfilmer oder der Politiker hat was vom Wolf zu befürchten, die bekommen noch eher Preise und Schulterklopfer. Wir dagegen sind alleine draußen mit unseren Herden, unseren Hunden und wissen nicht, was hinter der nächsten Ecke lauert.»

Ja, der Wolf allegorisiert „Eindringling“ und die Jagd auf ihn einen völkisch-nationalen „Heimatschutz“ – mit teilweise sehr klischierten Figuren (wie Karl Teusch, Onkel Uwe und der Nachbar Karl Röder) setzt hier Markus Thielemann ein Gruselkabinett der schießwütigen Landbevölkerung in Szene, die sich ihren Lebensraum nicht nehmen lassen will. Neben dieser Konstruktion taucht Jannes in Erinnerungstiefen, zeichnet Blutspuren in der Landschaft nach, gräbt, fühlt immersiv Licht, Wind, Geräusch mit Mensch und Tier und versucht Frieden mit der Ruhe vor dem Sturm zu schließen. Es gelingt nur nicht.

Stumm hören die Alten zu, nicken wissend, wenn sie sich an einen Namen, an eine Wendung erinnern, während sie in verklärtem Schwelgen betrachten, was vorüberzieht: ihr Idyll aus Liedern, Büchern, Film und Fernsehen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, wo kein Klang der aufgeregten Zeit noch dringt in die Einsamkeit, wo alles seinen Namen und seine Farbe hat. Sie schießen ihre Fotos von der Landschaft, die so lieblich blüht und strahlt in Rot und Violett, den Farben des Hämatoms, der nie verheilten Wunde.

Markus Thielemanns Vom Norden rollt ein Donner erinnert in Diktion an Gaea Schoeters Trophäe und in Thematik Eva Menasses Dunkelblum mit klarem Seitenhieb auf, bspw., Juli Zehs Über Menschen . Was ihm aber nicht gelingt, ist aus den einzelnen Szenen, Figuren, aus den verschiedenen Motiven ein Ganzes zu erzeugen. Das Ganze verschwindet unter dem beliebig Vielen. Die Erzählperspektive bricht auf. Am Ende zoomt sie heraus, schleicht sich aus dem Geschehen und lässt Jannes und mit ihm sein Publikum angegruselt zurück. Auch sprachlich passen viele Einfälle nicht zueinander und hinterlassen das unangenehme Gefühl, dass Konstruktion und Intention wieder einmal über Narration den Sieg davongetragen hat.

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Details – ab hier Spoilergefahr (zur Erinnerung für mich):
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Inhalt: Jannis lebt mit seiner Mutter Sibylle, seinem Stiefvater Friedrich und Wilhelm auf einem Hof in der Lüneburger Heide und hütet Schafe. Er hat sich von seinen Freunden entfremdet, genießt die Ruhe, betrachtet das Land, richtet sich ein. Unruhe bringt die Wiederansiedlung der Wölfe durch angrenzende militärische Sperrgebiete, auch rollt hier und da Bomben- und Waffenlärm übers ansonsten idyllische Land. Der Wolf entzweit die Familie. Wilhelm, der Opa, will ihn erschießen. Er gehört zum Schützenverein, und Jannis soll diesen auch bald eintreten. Friedrich sucht andere Lösungen, vor allem politische, aufklärerische, leidet aber zunehmend an einem geistigen Zerfall, der an die Demenz der Oma erinnert, die nun in einem Pflegeheim weilt, weil Sibylle sich alleine nicht mehr um sie kümmern konnte. Jannis trifft diese Krankheit von Friedrich tief. Sie erschüttert ihn. Er beginnt selbst an seiner geistigen Gesundheit zu zweifeln, als er Halluzinationen im Wald, dann auf der Heide, schließlich sogar auf dem eigenen Hof sieht, eine Art Hexe. Auch hört er Stimmen. Es kommt sogar zu einem Zusammenbruch, als ein NRD-Team kommt, um einen Dokumentarfilm zu drehen. Handlungsfäden sind nun: der Wolf, und wie mit ihm umzugehen ist; und die Erscheinungen, die Jannis sieht. In Sachen Wolf leiht sich Friedrich die Herdenschutzhündin Baci, und bestellt im Alleingang Wolfszaun; in Sachen Erika, der Oma, rekonstruiert Jannis, was er von der Familiengeschichte denn so kennt. Bewegung bringt ein überzeugter Neuheidscher, Karl Röder. Friedrich lässt sich auf einer Infoveranstaltung für ein Osterfeuer begeistern, ein sehr völkisch-national denkender, im Heimatschutz-Sinne argumentierender Mensch, aber auch begeisterter Schütze mit Wolfsfang-Symbol vor seinem Haus und als Familienwappen. Als Jannis die Oma nach Jahren wieder besuchen fährt, entläuft Baci, keiner weiß exakt wie, aber die Vergesslichkeit von Friedrich wird als Begründung akzeptiert. Sie suchen Baci. Jannis findet sie, angegriffen, im Wald, nahe der Sperrgebiete, wo sich auch der Wolf befinden soll. Sie verarzten die Hündin, und danach geht Wilhelm mit, die Schafe zu hüten, bewaffnet mit Gewehr, um den Wolf zu schießen, wie damals den letzten Wolf, den Würger, von dem der Opa Wilhelm gerne und viel erzählt, wie er ihn angeschossen, schwer verletzt hat. Als Jannis den Opa nach der Hochzeit und einer gewissen Rose, einem Mädchen aus der Vergangenheit befragt, erzählt der Opa, wie ein reicher Großgrundbesitzer die Hochzeit von Erika und ihm finanzierte. Wilhelm hat Teusch, so der Name, einen Gefallen getan. In einer alkoholsauren Nacht haben sie Jagd auf den „Wolf“ gemacht, der sich aber als Rose entpuppt. Wilhelm hat also die Flüchtlinge aus dem Osten vertrieben und durfte deshalb Erika heiraten. Als Rechtfertigung gilt der Diebstahl der Stiefel von Teusch, die Puschen. Doch Erika weiß, dass die Puschen vom Fuchs gestohlen wurden, nicht von Rose. Sie weiß auch, dass Wilhelm Rose ermordet hat und verzweifelt darüber. Jannis wird das Familiengeheimnis klar, wird sich der blutgetränkten Vergangenheit der Lüneburger Heide inne, und kotzt
… ... Thriller mit Gruselelementen, erinnert stark an Margaret Millars Banshee die Todesfee im Setting von Juli Zehs Über Menschen , Eva Menasses Dunkelblum und wahrscheinlich vielen anderen Thrillern, insbesondere Filmen wie Schatten der Wahrheit mit Harrison Ford und Michelle Pfeiffer, insbesondere auch Gaea Schoeters Menschenjagd in Trophäe
… ... über weite Strecken gute Atmosphäre, ruhiges Erzählen mit surrealistisch-interessanten Aspekten der Vergangenheitsaufarbeitung. Leider zu filmisch, zu phänomenologisch, mit heftiger Moralkeule am Schluss --> 4 Sterne

Form: Schwankende Stilistik, teilweise rhythmisch-atmosphäre Beschreibungen von Licht, Wald, Wolken, deren Zusammenspiel, das Tummeln der Schafe, sowie glaubhafte, intensive Dialogsequenzen mit mundartlicher Diktion und Jugendslang. Andererseits aber Mischung von unpassenden Wortfeldern und gewollten kreativen Einfällen wie „im Takt der Blitze“, „sein Arm bricht sich in kubistischen Winkeln“ oder „Farben verblassen, Formen zerlaufen, fließen ineinander, jede Struktur zerfällt.“
… ... vgl. Nora Bossongs Reichskanzlerplatz und Birgit Birnbacher Wovon wir leben
... … Über weite Strecken mitreißend, plakativ, illustrativ geschrieben. Sehr glatt, gefällig, sprachlich deshalb zäh und instrumentell. Keine Poesie, handwerklich in Ordnung, aber langweilig. --> 3 Sterne

Erzählstimme: In Präsens geschrieben, personal erzählt, mit Jannis als Reflektor. Viel direkte Rede (also szenisch), weniger reflektierend-raffend. Viele schnelle Szenen mit Erinnerungsexkursen. Leider brüchig, da die Erzählinstanz sich teilweise vom Reflektor distanziert: „Jannes hat jeden Grund, die Gestalt, die sich ihnen im staubigen Nachmittagslicht nähert, für eine weitere Touristin zu halten.“ D.h. eine nicht-reflektierte, kommentierende Erzählinstanz treibt den Text, quasi-naturalistisch weiter
… ... vgl. Marc-Uwe Kling Views , auch präsentisch erzählt mit Brüchen, wie Gaea Schoeters Trophäe , erreicht nicht das Niveau von American Psycho von Bret Easton Ellis, die konsequente Umsetzung dieser Erzählidee.
… ... Erzählstimme eher aus Bequemlichkeit gewählt, nicht dringlich, auch mit deutungshoheitlichem Anstrich --> 2 Sterne

Komposition: Raffung und Immersion wechseln. Sehr intensive Szenen, Urinieren im Wald; die Kamera-Szene, in der Jannis gefilmt wird, während er Rose aus dem Wald kriechen sieht; eindringliche Szene im Pflegeheim mit der Oma; gute Enthüllungsszene mit dem Opa auf der Lüneburger Heide. Kompositorisch anschließend zu Hermann Löns Der Wehrwolf , unheimliche Dimensionen, die um das Geheimnis, die Verdrängung, die Opfer sich verdichten. Leider der Epilog, leider die Auflösung, leider die hier und da zu stark aufscheinende Allegorie auf Flüchtlingsproblematik.
… ... vgl. Eva Menasses Dunkelblum , ähnlich nüchtern, mit Großgrundbesitzern und Nazi-Verbrechen, die sich im Nichts verlieren.
… ... fliegt am Ende auseinander, bleibt im Nichts hängen, nur als Moralkeule, überzeugt nicht als Ganzes, daher keine Komposition. Erzählposition erschließt sich nicht, Freundschaftsproblematik dient nur zur Streckung, das NDR-Team wirkt konstruiert und hinein konstruiert, der Nachbar Karl Röder nur ärgerlich klischiert. Der Roman wirkt wie eine ausgeuferte Novelle. --> 1 Stern
Profile Image for mitkaffeeundkafka.
67 reviews106 followers
October 13, 2024
Kickt noch mal anders: Ich bin in der Lüneburger Heide aufgewachsen und kenne viele der beschriebenen Orte im Roman. Und ich erinnere mich noch genau an die ersten Sichtungen, die Diskussionen und Politik rund um die Rückkehr des Wolfs vor einigen Jahren.. 💭

Um was geht’s?
Ende 2014, Jannes ist Schäfer in dritter Generation. Wie schon sein Vater und Großvater, treibt auch Jannes täglich die Schafe über die Heideflächen. Doch die Atmosphäre ist angespannt, denn der Wolf ist zurück in der Heide. Es mehren sich die Schafsrisse und mit ihnen auch die Konflikte im Dorf und sogar in Jannes Familie. Die Emotionen kochen hoch, die Stimmung kippt. Während völkische Siedler versuchen, die Rückkehr des Wolfs für ihre politischen Zwecke einzunehmen, stößt Jannes auf ein düsteres Geheimnis der Ortsgeschichte aus der NS-Zeit.

Die Lüneburger Heide wird im Roman zur Projektionsfläche völkischer Ideen, die Tradition und Heimat idealisieren. Thielemann zeigt, wie rechte Gruppen die Rückkehr des Wolfs instrumentalisieren, um ihre eigenen Ideologien zu stützen und die Heide als „urdeutsches Idyll“ unter dem Deckmantel Heimatschutz zu verteidigen. Der Wolf, als Symbol für tief verwurzelte Ängste und Hass, wird dabei als fremde Bedrohung für das „deutsche Heideidyll“ dargestellt. Idylle und Gewalt koexistieren bereits seit über einem Jh. in der Heide und das wird auch im Roman deutlich: Rheinmetall, früher Munitionsfabrik und Zwangsarbeit, heute Rüstungskonzern. Das KZ Bergen-Belsen. Das 2018 identifizierte Außenlager Tannenberg – davor jahrzehntelanges Schweigen, zu späte Aufklärung und Erinnerungsarbeit. Und quasi direkt nebenan: Tourismus, der Heidschnuckenweg, Kutschfahrten durch die Heide. 🐑

Ein hochaktueller, wichtiger Roman. Düster, atmosphärisch, fesselnd. Mit einer leichten Prise magischer Realismus! Für mich steht dieser Titel zurecht auf der Shortlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises!💥💥
Profile Image for Great-O-Khan.
466 reviews126 followers
August 24, 2024
Anfangs scheint "Von Norden rollt ein Donner" von Markus Thielemann ein typischer Anti-Heimatroman zu sein. Ein 19-jähriger Schäfer auf der Suche nach einer Zukunft zwischen wirtschaftlicher Krise und beeindruckender Landschaft, zwischen Tradition und Moderne. Dann kommen die politischen Elemente hinzu: zunächst durch den Wolf, der Schafe reißt, und dann durch völkische Siedler, die diese Situation für ihre Anliegen ausnutzen. Das Lebensgefühl liegt irgendwo zwischen Dörte Hansens "Mittagsstunde" und Philipp Winklers "Hool", was unerwartet gut funktioniert. Dabei hat Markus Thielemann einen ganz eigenen Ton. Für mich ist er eine der interessantesten neuen Stimmen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und steht mit "Von Norden rollt ein Donner" zurecht auf der Nominierungsliste für den Deutschen Buchpreis.
Profile Image for LeserinLu.
322 reviews38 followers
August 1, 2024
„Im Norden grollt ein Donner“ hat mich von Beginn an durch seine atmosphärische Dichte und seine düstere Stimmung in seinen Bann gezogen. Schon das Anfangszitat von Theodor Storm weist auf Abgründe in der Idylle hin. Und dann kündigt sich bereits auf der ersten Seite mit Grollen ein Gewitter an: Das bedeutet für Jannes, den 19-jährigen Schäfer, der sich im Familienbetrieb um die Herde der Heidschnucken kümmert, nicht nur beschwerliche Ausflüge mit den Schafen, sondern auch, dass Jannes beginnt, verdrängte Vergangenheit und unterdrückte Gefühle in der vermeintlichen Heideidylle wahrzunehmen.

Eine spürbare Unruhe geht in Jannes‘ Umfeld um: Die Zukunft des Familienbetriebs ist ungeklärt und der erkrankte Vater Friedrich ist besessen von der Rückkehr der Wölfe in die Heide, was auch das Dorf in Aufruhr versetzt. Dies führt schnell zu politischen Konflikten um die Forderung, die Wölfe mit Gewalt zu bekämpfen, was mich durch die eindringlichen und präzisen Dialoge zwischen den Dorfbewohnern mehr als einmal an die gewaltsame Bekämpfung von allem, was gesellschaftlich neu und zunächst fremd erscheint, erinnert hat. All dies drängt Jannes in die Einsamkeit der Heide, wo er nach und nach hinter die Fassade der Heideidylle schaut, über die im Dorf und der Familie beharrlich geschwiegen wurde.

Die Themen des intergenerationalen Schweigens über die deutsche Vergangenheit und des Wiedererstarkens völkischer und rechtsextremer Ideologie unter dem Deckmantel des sog. „Heimatschutzes“ werden in diesem Roman literarisch so geschickt verarbeitet, dass der Inhalt niemals aufgesetzt wirkt, sondern die Verbindungen zwischen Jannes sowie der Vergangenheit und Gegenwart der Heide immer folgerichtig erscheinen. Auch dadurch wurde der Roman für mich zum spannenden Pageturner, auch wenn ich ihn aufgrund der intensiven, auch bildhaften Sprache sowie der stimmungsvollen Landschaftsbeschreibungen, die immer auch etwas über die Figuren und ihr Umfeld aussagen, eigentlich bewusst langsam gelesen habe. Die literarische Reise in die Abgründe eines idyllischen Scheins und der zugleich kritische Blick auf historische und aktuelle Strömungen in der deutschen Gesellschaft haben mir von der ersten bis zur letzten Seite wirklich sehr gut gefallen. Das ist ein Buch für Menschen, die Literatur lieben!
Profile Image for Sandra.
201 reviews49 followers
October 16, 2024
Das Buch wird aus Perspektive des jungen Schafhirten Jannes erzählt und reißt einige Themen an. Den Wert von traditionellen Betrieben beispielsweise. Die Unterschiedlichen Ansichten darüber, was Natur-und Tierschutz heißt, abhängig von der eigenen Perspektive, aus der drauf geschaut wird. Demenzerkrankungen und Fremdenfeindlichkeit sind ebenfalls Themen, die im Buch wichtig sind. Und ein großes Familiengeheimnis wird dann auch noch gelüftet.

Mir hat das Buch zunächst sehr gut gefallen. Es wird zu Beginn sehr schön der Alltag von Jannes beschrieben, wir lernen ihn und seine Familie ein wenig kennen. Es wird schnell deutlich, dass der Vater an beginnender Demenz leidet und damit das Schicksal von Jannes' Oma teilt, die mit fortgeschrittener Krankheit im Pflegeheim lebt. In Jannes die Perspektive eines nahen Angehörigen bei diesem Schicksal zu zeigen, ist meines Erachtens unglaublich gut gelungen. Das waren für mich die stärksten Passagen des Buches.

Leider geht der Roman davon fast komplett weg. Halluzinatorische/Surreale Szenen nehmen immer mehr Raum ein, das Buch wird ein wenig zum Spukroman. Hier hat der Autor mich leider komplett verloren. Ich konnte nichts damit anfangen und insbesondere auf den letzten hundert Seiten habe ich mich richtig gelangweilt und war froh als es zu Ende war.

Sehr schade, insbesondere weil der Anfang mir so gut gefallen hat...
Profile Image for Marion.
247 reviews18 followers
October 14, 2024
Das Buch liest sich gut, ein interessanter Ansatz mit einem durchaus spannenden Schuss Mystery.
Viele interessante Themen, doch leider führt nur einer davon irgendwo hin. Alles andere verläuft im Sande. Sehr schade.
Profile Image for Rosa.
80 reviews23 followers
August 25, 2024
#longlistlesen — (3/20)

Boah, war das großartig. Also wenn die Bücher der Longlist alle so gut sind wie „Von Norden grollt ein Donner“, dann wird diese Challenge ein größeres Vergnügen, als ich es mir bislang ausgemalt habe.

Zuerst habe ich mir gedacht, „oh nein, was soll ich mit einem Buch über Schäfer in der Lüneburger Heide bitte anfangen“ - aber diese Sorge hat sich ungefähr auf Seite 5 erübrigt. Ich habe - vielleicht bis auf Umberto Ecos Name der Rose - selten mal ein Buch gelesen, das so atmosphärisch dicht gewebt war. Ich war schon vom allerersten Satz aus quasi ein Schäfer, der mit Jannes über die Heide gezogen ist und Schäfchen gehütet hat.

Aber auch davon abgesehen: ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen. Wieso? Weil ich sprachlos ob des Umstandes war, wie es dem Autor so derartig gewieft gelungen ist, die Angst vor dem Wolf in mir wiederaufstehen zu lassen, obwohl ich mir die Hälfte der Zeit denke „come on wir sind nimmer im Märchen“, wenn ich Wolfstories höre. Und wie schuldig und ertappt ich mich gefühlt habe, als er auf den allerletzten Seiten diese Wolfsangst als das enttarnt, das sie wirklich ist - bzw. was sie mit den Menschen tut.

Der Nazi-Nachbar war meiner Meinung nach einer der gelungensten Charaktere seit langem. Wie Jannes natürlich immer leicht schon die Anzeichen wegen der Runen gesehen hat, den verblichenen Logos auf seinen Klamotten - wir wussten alle, was das für einer ist. Aber als er dann tatsächlich seinen ersten antisemitischen Spruch droppt, ich war trotzdem wie erstarrt.

Die Angst vor dem Wolf mit der Angst vor dem Fremden gleichzusetzen, und den Nachbar dann widerliche Aussagen von wegen, Heimatschutz rechtfertigt alles, tätigen zu hören – ich dachte mir, Bro du schaffst es irgendwie dieser komplexen Debatte noch eine weitere Schattierung hinzuzufügen.

Alles in allem hat mich das Buch daran erinnert, wieso ich Literatur liebe. Wie sehr ich es schätze, wenn jemand sein Gehirn und seinen Intellekt darauf verwendet, mir eine Schäfergeschichte zu spinnen, und mir dennoch eigentlich was ganz anderes erzählt.

Fazit: Wenn dieses Buch nicht mindestens auf die Shortlist kommt, bin ich schwer beleidigt.
Profile Image for Otto.
750 reviews49 followers
September 27, 2024
Unheimlich legt Markus Thielemann seinen Heideroman an (Lüneburger Heide). Man spürt sie, die Augen der die Herde beobachtenden Wölfe, obwohl sie nie auftreten, man sieht im Nebel den nationalsozialistischen Schleier über der von den Nazis verklärten bäuerlichen Landschaft, das völkische, dem auch der 19jährige Jannes nicht entrinnen kann, an dem sich der junge Heideschäfer abarbeiten muss, wie an so vielen anderen Themen.
Zur Steigerung der unheimlichen Stimmung fällt Jannes dann auch noch in eine schizophrene Verstimmung.
Meisterlich, wie Thielemann diesen Roman aufbaut.
Profile Image for Mae Lender.
Author 25 books156 followers
July 12, 2025
Üks neist autoreist ja raamatuist, millest ei teadnud ette midagi aimata. Pakk saabus ammu, tunnistan, esikaas ei isutanud üldse, ja kuna kohustusi oli rohkem kui rubla eest, siis nii see raamat seisma jäi, "kuni kohustuslik kirjandus kõik loetud saab", no ei saa see kunagi loetud :)

Täna tõden - uskumatult kümnesse lugu mu jaoks. Kõik, absoluutselt kõik sobib. 

Tegevus toimub tänapäeval (täpsemalt 2014-2015) Saksamaa nõmmedel, lambatalus. Läbi põlvede peetud lamburiamet, ühelt poolt palju arhailist, samas uued ajad, uued tuuled mõjutavad paratamatult. Kaudselt tegevuskoht, ent ka need talunikuelu mured uuel ajal, kohanemise valud, see kõik viis mõtted Lõuna-Jüütimaa taluelule, mida ju põgusalt nähtud. Kuidas hoida nii, et järeltulev põlv ka jääks samade liistude juurde, kuidas kohtuvad vana ja uus ja mis moodsa aja inimesele ehk kõige uskumatum - kuidas elada 365 päeva aastas samas tööelurütmis. Muidugi pole kõik need päevad täpselt ühesugused, aga te saate aru küll, mida silmas pean. Paljud meist elavad siiski reede või suve- ja jõulupuhkuse ootuses, talupidaja jaoks sellist asja ei eksisteeri. Ei saa lubada endale läbipõlemist, restart´i...

Siinne peategelane on 19aastane Jannes ja läbi tema silmade ja mõtete võib lugeja kaasa elada noore inimese elule kõrvalises maakohas. Nii ehe ja usutav, ja uskumatult huvitav ka. Isegi kogu see lammastega jantimine. Ma pole pärast lapsepõlve pidanud käppapidi lambavillas tuustima, neid pügamise ajal kinni hoidma ega neid... teisi "protseduure" tegema-nägema, aga ometi oli põnev lugeda.

Aktuaalset on siin üldse oi-oi kui palju. Looduskaitseala ja linnasakstest matkajad ning sina oma taluga kui muuseumieksponaat. Järgmiseks hundid, kellega Lõuna-Eestis praegu kimpus ollakse. Alati on keegi, kes peab reaalselt oma igapäevaelus selle probleemiga toime tulema. Ja siis on bürokraadi-mutrikesed, kes täidavad kiretuid Exceli-tabeli lahtreid, ehk värvivad ka ridu ja tulpasid seal. Lisaks poliitikud, kes enne valimisi "õiged" märksõnad lauale toovad, ent valimissedelite kokku lugemise järel kollektiivse mälukaotuse otsa komistavad. No ja siis on veel loodus- või loomakaitsjaid, kes tulevad soojast ja mugavast kivilinnakorterist ja ütlevad, et kuidas peab huntidega elama. Kõigil on oma vaatenurk ja oma arvamus ja oma tõde, kattuma saavad need harva. Ja veel on siin ka naabruses sõjaväe harjutusala ja relvatööstus, ümbruskonna elanikke mõjutab seegi.

Ja ka see pole veel kõik. (Kasu)isa vargsi ligi hiiliv haigus on veel eraldi teemaliin, mis väga usutavalt edasi antud. Selle seas veel kolme põlvkonna nägemus talupidamisest ja muutustega kohanemisest.
Profile Image for Sophie.
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October 29, 2024
Guys it happened: Ein Roman, der 5 Sterne von mir kriegt und ich befördere ihn auch noch direkt in meine Lieblingsbücher-Hall-of-Fame, diesen Ehrenplatz hat in meinem ganzen Leben als Bücherliebhaberin bis jetzt genau ein Buch bekommen und "Von Norden rollt ein Donner" ist jetzt das zweite, und auch noch ein ROMAN guys ich kann nicht mehr, ich bin wirklich so schwer für Romane zu begeistern, aber das...ach wie habe ich dieses Buch geliebt! Ich habs einfach vom ersten Satz an total gefühlt, ich war direkt in der Geschichte drin, konnte mir alles so toll vorstellen (dass der Autor auf seiner Instaseite viel über den Ort und seine Hintergründe geteilt hat, hat dabei sehr geholfen), habe die Hauptfigur Jannes direkt ins Herz geschlossen, bei den Interaktionen zwischen ihm und seinen Freunden teilweise laut loslachen müssen, aber auch total mitgefiebert, wenn es auf der Heide oder in seiner Familie unheimlich oder traurig wurde. Die Sprache hat mich auch voll überzeugt, es gab total schöne Metaphern und Beschreibungen, jedes Wort war überlegt und passend, durch diesen präzisen Schreibstil wurde die ganze Atmosphäre des Buches extrem greifbar, ich habe die Stimmung und das ganze Setting regelrecht aufgesaugt. Hat mir wirklich total gefallen, hätte noch ewig weiterlesen können und hätte super gerne einfach gewusst wie sich alles weiterentwickelt mit dem Vater und Jannes selbst und dem Hof und und und. Werde das Buch sicherlich ein zweites (und ein drittes, viertes...) Mal lesen, könnte eigentlich direkt jetzt wieder von vorne anfangen. Wirklich ein totales Herzensbuch!!

PS: das Cover gefällt mir auch total gut!

PPS: Ich habe Markus Thielemann an der Frankfurter Buchmesse getroffen und mein Buch ist sogar signiert guys I'm so happyyy

PPPS: Habe "Zwischen den Kiefern" jetzt auch bestellt und I AM HYPED

Jetzt muss ich wirklich schlafen gehen, es ist 3 Uhr morgens, aber ich MUSSTE fertig lesen und eine Rezension schreiben, anders ging nicht. Anywaysss gute nacht:D
Profile Image for erik.
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September 21, 2024
die sprache ist schön und maus verliert sich schnell in der welt mit naturbeschreibungen und dem dasein eines jungen schäfers. neben generationellen themen mit eltern, großeltern und gleichaltrigen werden auch politisch themen wie wolf vs schafsherde und schäfer sowie ländlich rechte positionen verhandelt. dadurch wird das buch komplex und interessant. leider verliert das buch in meiner leseerfahrung jedoch gegen mitte das tempo, der wolf als gefahr genügt nicht mehr. mystisch angehauchte erfahrungen des protagonisten schaffen es nur marginal den erzählanlass/drive des buchs zu stärken/pushen. letztlich waren diese jedoch durch dissonanz mit dem sonstigen realismus eher verwirrend. der anfängliche versuch die erscheinungen auf natürliche weise zu erklären scheitert und das buch erfährt mit der mystik eine unzufriedenstellende auflösung. viele fragen und themen voller potenzial bleiben offen und unangetastet. damit verpasst es einen gelungen abschluss.
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Profile Image for Tobias.
86 reviews9 followers
July 29, 2024
Das Buch hat mich durch aufs und abs begleitet wie bei einer Wanderung durch die Heide. Intensiv, Überraschend, Wichtig.

Der Roman „Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann hat mich überrascht. Überrascht in seiner Intensität und den Wendungen der Geschichte. Zwischen generationsübergreifenden Traumata, „dem großen Schweigen“, völkischen Siedler:innen und der Debatte über die Rückkehr des Wolfes, lässt der Roman auf unter 300 Seiten kaum ein wichtiges Thema der heutigen Zeit aus und nimmt uns dabei mit in eine Geschichte, die einige sicher kennen; oder auch nicht, weil eben nicht drüber gesprochen wird.
Profile Image for Gunnar.
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September 22, 2024
Lüneburger Heide, vor einigen Jahren: Jannes Kohlmeyer ist 19 und hat sich erstmal entschlossen, die Familientradition fortzuführen. Er ist Schäfer, führt täglich hunderte Schafe auf die Weide. Auf dem Familienhof leben noch seine beiden Eltern und sein Großvater. Das Auskommen als Schäferei ist schwierig, hinzu kommen weitere Probleme, sein Vater hat neurologische Probleme, die Oma ist schon dement im Heim und der Opa ist so langsam auch keine Hilfe mehr im Betrieb. Doch auf eine Sache richtet sich das Hauptaugenmerk der Familie und der ganzen Region: Der Wolf ist in die Heide zurückgekommen.

Der Leser begleitet Jannes ��ber mehrere Monate, die Arbeit auf dem Hof, die ausgesprochenen und unausgesprochenen familiären Konflikte. Die Furcht vor dem Wolf, der die Herde bedroht, wird vor allem vom Vater und Großvater als ständiges Thema hochgehalten. Jannes selbst wird von merkwürdigen Visionen heimgesucht, die auf eine unaufgearbeitete Geschichte aus der Vergangenheit hinweisen.

Markus Thielemanns Roman hat es inzwischen schon auf die Shortlist des deutschen Buchpreises 2024 geschafft. Ich kann zwar keinen Vergleich zu den anderen Büchern ziehen, aber die Wahl scheint mir nicht unbegründet, denn dem Autor gelingt ein moderner Gesellschafts- und Familienroman aufgebaut auf den Traditionen eines Heimatromans. Thielemann bringt immer wieder naturalistisch-poetische Elemente zur Beschreibung der Landschaft ein, genauso wie mystische Elemente. Nicht zuletzt wird der Roman wird immer wieder politisch, etwa mit dem Wolf, der nicht einmal persönlich in Erscheinung tritt, sondern mysteriös bleibt, fast metaphorisch. Oder auch mit den völkischen Nachbarn, die als Neuankömmlinge traditioneller als die Einheimischen auftreten. Manchmal will der Autor vielleicht zu viel, greift zu viele Themen auf, die er nicht alle gleichermaßen weiterverfolgt. Dennoch ein anregendes Buch, für mich auch kein „Anti-Heimatroman“, sondern ein gelungenes Werk, das die Rolle von Identität und Tradition unverklärt in die heutige Zeit verfrachtet, somit für mich eher ein „moderner Heimatroman“.
Profile Image for Clarissa.
693 reviews20 followers
April 3, 2025
Ein für mich sehr forderndes und innovatives Buch, die Bezeichnung „Anti-Heimatroman“ wurde viel herangezogen, auch ich finde sie passend. In erster Linie habe ich nach dem Buch gegriffen, weil ich gelesen habe, dass es um den Umgang der Landwirt*innen mit der Rückkehr der Wölfe geht und das hat mich interessiert, weil auch ich in einer Gegend lebe, wo die Wölfe seit Jahren wieder auf dem Vormarsch sind. In diesem Buch steckt allerdings noch extrem viel mehr. Es hat Anklänge von richtigem Folk-Horror, es geht um das ohrenbetäubende schweigen der älteren Generation über die Nazi-Zeit, die Verschränkungen von Heimat-/Naturliebe und modernem Nationalismus, die junge Generation in der Landwirtschaft und noch mehr.
Meine einzige Kritik ist, dass es vielleicht etwas zu viele Themen für ein Buch sind, da ist es kaum möglich, allem gerecht zu werden, aber es ist ein fantastisches Buch.
Profile Image for Lena.
49 reviews14 followers
September 13, 2025
Die spezifische 90ies (white) kid-Tristesse: In den frühen Zehner Jahren grade eben volljährig, aber völlig unter-politisiert sein, und das Ende vom Ende der Geschichte zwar wittern, aber noch nicht über das Vokabular verfügen, zu benennen, was eigentlich alles so seltsam ist mit „den Alten“ und „dem Land“, denn es ist doch alles da: Autos, Mecces, die Konsole, das Smartphone, das eigene Zimmer, und draußen die Natur. ("Weil diese Welt mir so vertraut ist, kommt sie mir nicht literatur-fähig vor. Quatsch natürlich." lese ich eben bei Anna Bers, es mag aber tatsächlich sein, dass die überzeugendsten Literarisierungen derzeit noch von Sveamaus ge-instagramt werden.)

Bei einer Lesung erzählte der Autor, er habe während der Arbeit am Buch zahlreiche Kitsch-Postkarten von der Heide um sich herum aufgehängt, zur Orientierung und Inspiration. Das seinem Schreiben damit eine (ja eigentlich visuelle) Moodboard-Methodik zugrunde liegt, lässt sich unmittelbar daran ablesen, wie sich das Buch in seinen Beschreibungen sehr anschaulich durch verschiedene ästhetische Kategorien bewegt (Heimatfilm, Schauermärchen, Tolkien, fehlt nur noch die KI) - bis es diese schließlich als „transparente Schichten“ übereinanderlegt und darin die Kontinuitäten ihrer völkisch-nationalen Anschlussfähigkeit offenbart. Nur folgerichtig endet das Ganze dann in der totalen Gleichzeitigkeit, im generationalen Tätertrauma-Flashback („[Seine] Wut richtet sich weniger gegen [seinen Großvater] als gegen ihn selbst. Ohnmacht. Brennende Wut, Selbstmitleid...“).

Vielleicht ist dieses Konklusio nicht überraschend, der Grusel manchmal etwas krampfig, die Alzheimer-Analogie nicht gerade subtil (ein Fall von "Krankheit als Metapher"?) - aber insgesamt bleibt der "heranrollende Donner" doch eine big mood.
Profile Image for faanielibri.
825 reviews59 followers
October 13, 2024
Mein erstes Shortlist-Buch ever. War auch super zu lesen und die Bezeichnung Anti-Heimatroman trifft es perfekt. Die Atmosphäre der Heide, die Flora, das Wetter.. Und dazu der Wolf, der das Leben dort bedroht. Ich hätte mir mehr, ja, Biss, gewünscht. Nicht nur beim Wolf, auch bei der Thematik Rechtsr@dikalismus. Er ist sehr präsent, unterschwellig in Gedichten, Geschichten und Einstellungen, aber auch offen in Symboliken und Aussagen. Aber trotzdem hatte ich ihn mir schärfer vorgestellt, offenkundiger. Nichtsdestotrotz sehr lesenswert!
Profile Image for Mia.
268 reviews1 follower
July 27, 2025
„Stumm hören die Alten zu, nicken wissend, wenn sie sich an einen Namen, an eine Wendung erinnern, während sie in verklärtem Schwelgen betrachten, was vorüberzieht: ihr Idyll aus Liedern, Büchern, Film und Fernsehen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, wo kein Klang der aufgeregten Zeit noch dringt in die Einsamkeit, wo alles seinen Namen und seine Farbe hat. Sie schießen ihre Fotos von der Landschaft, die so lieblich blüht und strahlt in Rot und Violett, den Farben des Hämatoms, der nie verheilten Wunde.“

Wow, war das gut!

Der 19-jährige Protagonist Jannes ist Schäfer in der Lüneburger Heide, die 2014/15 ein Sehnsuchtsort vieler Touristen ist und auch derer, die sich nach den guten alten Zeiten zurücksehnen.
Er scheint auf einem Drahtseil zu balancieren: zwischen seiner eigenen Perspektivlosigkeit, den finanziellen und existenziellen Sorgen im Familienbetrieb, dem Gefühl des Kontrollverlusts angesichts kranker Angehöriger und einer dunklen Vergangenheit, derer er sich erst beginnt, bewusst zu werden.

So gerät sein Leben immer mehr aus den Fugen, während sich der Wolf den Wald zurückerobert, in dem einmal ein (allen im Ort scheinbar unbekanntes) Außenlager des KZ Bergen-Belsen lag. Und während abends, wenn die Touristen verschwunden sind, nicht mehr nur Fuchs und Hase zusammenkommen, sondern auch völkische Siedler auf die resignierten Landwirte treffen.

Super dicht und stellenweise mit etwas sehr viel Pathos geschrieben, was meiner Meinung nach aber irgendwie gut zu der entgrenzten deutschen Heimatliebe passt, der sich dieser Roman so geschickt entgegenstellt.

Was nach dem Lesen bleibt, ist ein Gefühl des Unbehagens und ein Wunsch nach Antworten, die vermutlich niemand geben kann. Toll!!
Profile Image for Eva Rub.
118 reviews1 follower
June 19, 2025
Eine Anti-Heimatgeschichte zwischen Idyll und harten Tatsachen. Sehr interessant, bewegend und man fühlt sich sofort den Figuren ganz nah. Besonders gut gefällt mir, dass alles auf wahren Fakten beruht. Somit gelingt ein anderer Blick auf die Heidelandschaft.
Profile Image for Monika.
99 reviews
December 20, 2024
Sehr atmosphärisch geschrieben, teilweise auch echt gruselig. Die Figuren sind scharf und sehr authentisch und glaubhaft gezeichnet.
5 reviews
August 12, 2025
In jedem Dialog hab ich meinen Opa oder meine Cousins wiedererkannt und das Thema Lüneburger Heide/Wölfe/völkische Ideologie fassen meine Gefühle dazu auch ziemlich gut zusammen. Fühlt sich auch ein Stück weit so an, als ob ich ein Buch über meine Family gelesen hab?
Profile Image for Misty.
44 reviews2 followers
October 4, 2024
Bis zu diesem Buch war mir nicht bewusst, dass ich eine Geschichte über einen Schäfer in der Lüneburger Heide brauche. Aber Markus Thielemann hat mit dem 19-jährigen Jannes, der sich nicht nur mit seinen Tieren, sondern vielmehr mit dem Schweigen seiner Familie und versteckter politischer Ideologie herum schlagen muss, eine sehr authentische Figur geschaffen. Seine Wahrnehmung schwankt mitunter gefährlich zwischen Realität und Einbildung und genau das verleiht der Geschichte sehr viel Spannung. Die Stimmung ist düster, aber die Handlungsentwicklung dafür unheimlich packend. Ein sehr gelungener Roman!
Profile Image for annie_1813.
10 reviews
November 12, 2024
Die Handlung ist scheinbar schnell erklärt: Der Wolf geht um.

Der junge Schäfer Jannes bewirtschaftet mit seinen Eltern und seinem Großvater eine große Schafherde, die regelmäßig zum Weiden in die Lüneburger Heide geführt wird. Als in der Umgebung immer häufiger Wolf-Sichtungen oder gar Risse gemeldet werden, wird Jannes‘ Umfeld und vor allem sein Vater Friedrich nervös.

So viel zu Plot - die eigentliche Handlung entspinnt sich unter dieser Prämisse: die Heidelandschaft, Bewahrung der Landschaft und der Tradition und - ja, auch das - des Volkes. Das Wolf-Motiv als handlungstreibendes Motiv ist mit Blick auf die deutsche Ur-Angst vor dem „Bösen Wolf“ sehr gut gewählt. Denn natürlich ist der Wolf eine Metapher und wird auch von handelnden Figuren als Metapher missbraucht. Gleichzeitig wird auch die sehr reale Angst der Schäfer*innen in der Lüneburger Heide zum potenziell existenzbedrohenden Wolf thematisiert. Wenn ich noch an der Uni wäre, hätte ich jetzt wahrscheinlich den Wunsch, direkt eine Hausarbeit über das Wolf-Motiv in diesem Buch zu schreiben

Die Sprache und der Schreibstil sind sehr poetisch, das Setting habe ich als sehr realistisch empfunden. Ich habe mich sehr schnell in das norddeutsche, landwirtschaftliche Setting eingefunden und es hat mich teilweise an meine eigenen Erfahrungen in meiner Jugend in einer vergleichbaren Umgebung erinnert. Entsprechend hatte ich schnell das (bedrückende) Gefühl, mit Sybille, Wilhelm, Friedrich und Jannes am Tisch zu sitzen und Kaffee zu trinken.

Von Kritiker*innen wurde das Buch oft als „erschreckend aktuell“ bezeichnet. Mein Fazit war eher, dass wir vielleicht schon zu spät sind.
Profile Image for himbeerbuch.
424 reviews41 followers
September 17, 2024
Zu einem umfassenden “Anti-Heimatroman” gehört, tief reinzugehen in die Wunden dieser widersprüchlichen Landschaft und ihrer Bevölkerung und das schafft Thielemann hier meiner Meinung nach gut. Er zeigt Kontinuitäten der Heide auf, die sich von Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute spannen: Vom antis%mitischen Hermann Löns, der “Heidedichter”, der den “Mythos Heide” maßgeblich geprägt hat und dessen Werk im N_tionalsozialismus ein Bestseller war, über Jannes Großvater, sich die “alte Zeit” zurückwünscht, bis hin zu v°lkischen Siedlern, die ihre Ideologie auf diesem Nährboden anschlussfähig verbreiten können.

Es ist nicht der stetige Donner, die Schießübungen vom nahegelegenen Truppenübungsplatz, der nicht in der Heide akzeptiert wird, nicht die ansässige Rüstungsindustrie. Auch nicht der Fakt, dass die Heide als von Menschenhand erschaffene Kultur- und Tourismuslandschaft definitiv nicht “natürlich” und schon gar nicht “ursprünglich” ist. Nein, der Wolf ist der angeblich unnatürliche, bedrohende Feind, der ausgerottet gehört. Und Jannes? Jannes lässt sich als 19-jähriger natürlich komplett beeinflussen von Familie, Freunden und Nachbarn.

Stilistisch fand ich viel gut, anderes nur okay. Manchmal hat es sich ein bisschen gewollt gelesen. Von mir aus hätte alles noch ein Tick unbequemer sein können; wobei diesen Eindruck die wunderbar natürlichen Dialoge und der realistische Dialekt fast schon wett gemacht haben.

Ich fand Von Norden rollt ein Donner super interessant, weil es einer der ersten deutschsprachigen Romane für mich war, die den Themenkomplex "Natur", Landwirtschaft, Ländlichkeit usw. kritisch eingeordnet und in Kontext eingebettet haben.

Am Ende bleibt uns ein Protagonist, der keinen Platz bekommt, eine andere, bessere Zukunft zu imaginieren. Und weil wir (auf dem Land lebenden Personen) das dringend brauchen: für den nächsten Buchpreis wünsche ich mir einen Anti-Heimatroman, der sich um die Zukunft kümmert und einige Themen, die hier angerissen und offen geblieben sind, weiterspinnt.
Profile Image for Mika.
123 reviews4 followers
April 20, 2025
2,5⭐️ Das war jetzt nicht so wirklich meins. Am Anfang hat es noch sehr gut gestartet, der Schreibstil ist wirklich toll und auch das Thema hat mich interessiert weil ich darüber so gut wie gar nichts wusste. Die Atmosphäre war ziemlich bedrohlich und die Angst der Protagonist*innen vor dem Wolf kam auf jeden Fall gut rüber. Allerdings hat mir dann nach den ersten 100 Seiten einfach die Handlung gefehlt. Die Geschichte baut auf einem großen Geheimnis auf, zumindest hat der Autor mich das glauben lassen, aber am Ende war die Auflösung so schnell abgehandelt, dass es schon ziemlich ernüchternd war.
Am Anfang hatte die Geschichte für mich viel Potenzial, leider konnte sie das dann in meinen Augen nicht ausnutzen.
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