Die Straße im Kopf: „Meine Geschichte ist weitergegangen. Ich bin kein Straßenjunge mehr. Ich habe eine Wohnung, ich bin Spiegel-Bestsellerautor. Aber die Straße vergisst du nie.“
Die Straße im Kopf "Für manche klingen zwanzig Quadratmeter klein. Für mich ist es unmöglich, diesen Raum zu füllen. Ich habe einen Tisch, an dem ich schreiben kann, und eine Matratze. Ich habe keinen Kleiderschrank. Alles, was ich habe, trage ich seit einem Jahrzehnt in meiner schwarzen Tasche. Ich habe eine Wohnung, aber kein Zuhause.
Ich bin kein Straßenjunge mehr. Meine Geschichte ist weitergegangen. Mit meinem Aufbruch in eine neue Wohnung kam auch der Durchbruch. Plötzlich nicht mehr Straße, sondern Spiegel-Bestsellerautor.Für mich sind Türen aufgegangen, viele in eine ganz neue Welt.
Ich kann nicht vergessen, wo ich herkomme. Ich trage Überlebensschuld mit mir. Das könnte ich sein, denke ich immer wieder, wenn ich die Menschen sehe, die immer noch auf der Straße sind. Ich dachte, ich werde keine 30 Jahre alt. Schau, was heute ist."
In eindringlicher, markanter Sprache erzählt Dominik Bloh, wie sich sein Leben seit seinem Bestseller „Unter Palmen aus Stahl“ verändert hat. Wie schwer es ist, nach Jahren der Obdachlosigkeit wieder im "normalen" Leben Fuß zu fassen. Wie es sich anfühlt, in zwei Welten zu leben – der neuen als nicht mehr Obdachloser mit Dusche und Privatsphäre … und dem alten Straßenleben, das immer noch da ist, in seinem Kopf, aber auch in der harten Realität vieler tausender Menschen, die in Deutschland ohne Obdach sind. Dominik bleibt nicht bei seiner eigenen Geschichte stehen. Er öffnet dem Leser die Augen für das Paralleluniversum, (das genau vor seiner Nase) existiert, aber meist nicht wahrgenommen wird. Und ganz ohne Klagen und Anprangern macht er klar, was passieren muss, um wirklich etwas zu verändern.
Vor vielen Jahren habe ich gelesen, dass man für jeden Monat auf der Straße ein Jahr braucht, um sich wieder in gesellschaftliche Strukturen einzugliedern. Dieses Buch zeigt eindrucksvoll, warum das so ist. Wie schon in seinem ersten Buch beschreibt er die Obdachlosigkeit eindrücklich und ordnet sie ein. Ich würde es am liebsten zur Pflichtlektüre für alle machen und habe selbst noch viel zu lernen.
4.5/5 eigentlich müsste jede:r dieses buch mal lesen. Es gab so oft momente nach einem kapitel wo ich kurz gestoppt habe und richtig über die wörter nachgedacht habe. Besonders in berlin lebend entwickelt man leicht einen automatismus ggü menschen ohne obdach indem man einfach wegschaut. Obwohl es so so wichtig ist hinzuschauen. Ich habe auch noch viel zu lernen.
Oft höre ich Menschen reden: „In Deutschland muss niemand obdachlos sein.“ In der Theorie klingt das einfach, doch die Realität sieht oft anders aus. Dominik Bloh zeigt eindrucksvoll, welche Hürden die Obdachlosigkeit so aussichtslos machen. Sein Buch ist ein ehrlicher Bericht, der nicht nur ein relevantes Thema beleuchtet, sondern auch dabei hilft, gängige Vorurteile abzubauen.
Sein Buch lädt ein, gesellschaftlich mehr aufeinander zu achten, hinzusehen und auch mal den Mut zu haben, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Die Erzählungen erinnern daran, dass hinter jedem Schicksal eine Geschichte steckt – und dass wir alle dazu beitragen können, Unterstützung zu leisten und Veränderungen anzustoßen.
Kann man alte Verhaltensmuster ablegen, die man sich über Jahre aufgebaut hat? Schlüpft man einfach von einer Haut in die nächste? Wer niemals dachte, dass er ein anderes Leben leben würde, kann sich auch nicht von heute auf morgen umstellen und vergessen, denn vergessen wird man nie. Die Vergangenheit kann nicht einfach so abgestreift werden und prägt letztendlich bis zum Lebensende.
Dominik Bloh erzählt sehr nüchtern seine Geschichte und hat mich dadurch auf eine sehr intensive Art und Weise wachgerüttelt. Er war jahrelang Teil einer Parallelgesellschaft, die wir tagtäglich vor der Nase haben. Wer auf der Straße lebt, wird oftmals einfach nur ignoriert. Man möchte dieses Leben nicht sehen und versperrt sich selbst vor der gedanklichen Möglichkeit, dass einem dieses Schicksal selbst passieren könnte. Doch letztendlich ist man nur einen Schicksalsschlag davon entfernt.
Ich finde es toll, wie der Autor auf das Leben auf der Straße aufmerksam macht und so auch irgendwie den Weg freier macht für mögliche Hilfen, die so oft noch fehlen und verwehrt werden.
"Leben in zwei Welten"...diese Formulierung ist einfach nur passend und man denkt zwar, dass man bei einem "Aufstieg" sehr schnell das alte Leben vergessen würde, aber genau so ist es eben nicht. Es bedeutet letztendlich Prägung fürs Leben.
Ehrlichkeit, Offenheit, klare Worte und private Einblicke ziehen sich durch das komplette Buch und lassen einen immer wieder weiterlesen.
Teils sehr bewegendes Buch, das sehr viel Wahres mitgibt und immer wieder Nadelstiche setzt, um auf die Lebensumstände und -probleme von Obdachlosen aufmerksam zu machen. Krass ist auch zu sehen, welches Gewicht seine Vergangenheit noch heute hat. Minimal Abzug, weil ich einige Passagen so schon im ersten Buch gelesen habe und einige Kapitel sehr kurz waren, um sich dort einzufinden.
Der Autor erzählt im Buch seine Geschichte, nachdem er vom Leben auf der Strasse zum Schriftsteller geworden ist. Einige Episoden im Buch sind sehr packend und eindrücklich geschrieben. Allerdings wirkt es mitunter etwas wenig zusammenhängend, wohl bedeutende Dinge wie Beziehungen werden ausgelassen und man wird manchmal den Eindruck nicht ganz los, dass das Buch eher zum Zweck der Aussenwirkung geschrieben wurde.