Die Welt ist aus den Fugen. Juden, Muslime, Deutsche, Einwanderer stehen einander in neuer Unversöhnlichkeit gegenüber. Was hilft? Reden, um Vorurteile und Hass abzubauen.
Unterschiedlicher könnten sie nicht sein: Saba-Nur Cheemas Familie kommt aus Pakistan, sie selbst ist in einem Frankfurter Brennpunktviertel aufgewachsen, geprägt vom konservativ-muslimischen Gemeindeleben. Meron Mendel ist in Israel geboren und in einem Kibbuz mitten in der Wüste aufgewachsen, geprägt vom Militärdienst im Westjordanland und im Libanon, bevor er zum Studium nach Deutschland kam.
Als Paar blicken sie nun gemeinsam auf die sich immer weiter polarisierende Welt und sprechen darüber. Ihr Buch beginnt an ihrem Abendbrottisch, an dem sie sich über den Alltag in Frankfurt Gedanken machen und über die großen Fragen der Zeit – und wie alles miteinander zusammenhängt. Dabei stellt sich heraus, wie erhellend der Blick des jeweils anderen sein kann und wie viele Gemeinsamkeiten es in der vermeintlichen Differenz gibt.
In ihren Essays, die persönlich und politisch zugleich sind, geht es um Küchenschubladen, Kindererziehung und Kolonialismus. Um Identitätspolitik, den Nahostkonflikt, Ramadan-Beleuchtung in der Innenstadt und Weihnachtsbäume. Ihr Buch ist eine Analyse unserer Gegenwart, ein Plädoyer für Offenheit auch in schwierigen Zeiten – und eine Einladung, miteinander zu reden.
In rund 30 Essays, die bereits als Kolumnen in der FAZ erschienen, behandeln der in Israel geborenen Meron Mendel und die aus Pakistan stammende Saba-Nur Cheema aktuelle deutsche sowie internationale Debatten. So geht es bspw. um die "Migrationsdebatte", die Wahrnehmung des 7. Oktobers und des folgenden Gaza-Kriegs oder um das "Deutschsein" an sich. Die Mischung aus persönlichen Erfahrungen als muslimisch-jüdisches Paar im vom "kulturellen Christentum" geprägten Deutschland und soziologischen/politikwissenschaftlichen Analysen sind hier recht erkenntnisbringend. Die Texte sind ansprechend geschrieben und kurz und prägnant. Damit einher geht aber logischerweise, dass nicht jeder Gedanke bis ins Detail ausgeführt ist. Hier fand ich es dann bisschen schade, dass teilweise sehr detailliert aufgeführt wurde, wer wann welchen Boykottaufruf oder ähnliches unterstützt oder nicht unterstützt hat. Das mag zwar mal als Beispiel sinnvoll sein, aber die Zeilen hätte man mMn sinnvoller nutzen können. Die Kürze und Form der Texte bedingt auch, dass einige Punkte etwas überspitzt sind (z.B. wenn ironisch/polemisch angemerkt wird, dass die AutorInnen aus Mangel an japanischen Vorfahren und in Hinblick auf "kulturelle Aneignung" kein Yoga-Studio eröffnen dürften). Zusammen mit den offenen Fragestellungen am Ende der Essays bewirken diese Überspitzungen aber ein Hinterfragen festgefahrener Interpretationsmuster, was zwar unangenehm aber durchaus erkenntnisbringend sein kann. Insgesamt ein empfehlenswertes Buch.