Sie ist ein Dinosaurierkind. Die Tochter eines Mannes, der so viel Geschichte erlebt hat, dass es kaum in ein Leben zu passen scheint.
In zärtlicher Hingabe und doch mit kritischer Distanz schreibt Maryam Aras die politische Biographie ihres Vaters und seiner Generation geflohener Aktivisten aus dem Iran. Sie berichtet von Oppositionellen, die immer an zwei Orten gleichzeitig waren, die für die demokratische Zukunft des Iran stritten und es auch heute noch tun. Viele der in die Jahre gekommenen Aktivisten trugen 1979 wesentlich zum Sturz der Shah-Diktatur bei und führen heute ein Schattendasein. Ihr Verhältnis zur deutschen Linken war gleichermaßen von Anziehung und Abstoßung geprägt.
Maryam Aras zeichnet eine lange Tradition vom Kampf gegen Unterdrückung und Fremdherrschaft. Es ist eine Tradition der sogenannten Dritten Welt, in der der Luxus, unpolitisch durchs Leben zu gehen, nie existiert hat.
Maryam Aras erzählt die Geschichte ihres Vaters, der als junger Mann aus dem Iran nach Deutschland floh und sich seither aus dem Exil für eine Zukunft des Irans jenseits von Monarchie und religiösem Fundamentalismus engagiert. Der Essay zirkelt dabei um Fragen wie politische Arbeit, Exil, um deutsche Geschichtsschreibung, Kolonialismus und Rassismus, um familiäre und geographische Verflechtungen, die von Geschichte und Nationalgrenzen gekappt werden, um Erinnerung und Vaterschaft, all dies in grosser Zärtlichkeit und fragender Annäherung. Lesenswert.
Ein herausragender Essay, weil er nicht nur profund, erhellend und methodisch richtig gut ist, sondern weil er zugleich mit seiner Aufhängung am Vater-Tochterverhältnis vielfach das Herz berührt.
Einzig in dem Kapitel, das in der Generationenkette noch weiter zurückging, hat Maryam Aras mich für einen Moment verloren. Dafür haben leider sowohl meine Vorkenntnisse, als auch mein Nachrechercheeifer nicht gereicht.
Das Buch startet mit einer Wucht, kein sanfter Einstieg, kein langsames Reinkommen, sondern zacl: mittendrin in der politischen Geschichte des Iran, mitten im Exilwiderstand, mitten in der Biografie eines Mannes, der viel erlebt hat - so viel, dass es eigentlich für mehrere Leben reichen würde. 📚🧠
Maryam Aras erzählt die Geschichte ihres Vaters, eines iranischen Aktivisten, der in den 60ern nach Deutschland kam und nie aufgehört hat, gegen Diktatur und Unterdrückung zu kämpfen. Aber sie schreibt nicht nur über ihn, sondern über eine ganze Generation, die immer irgendwie zwischen Ländern und Sprachen hing und immer in Kämpfe geführt hat. Und genau das macht "Dinosaurierkind" so besonders, denn es ist politisch und gleichzeitig unfassbar persönlich. ✊🏽📖
Was mich wirklich beeindruckt hat, war die Mischung aus klarem politischen Denken und emotionaler Tiefe. Maryam Aras ist immer deutlich und fordert dabei Erinnerung, Gerechtigkeit und vor allem die Anerkennung für migrantische Biografiem, die in der deutschen Erinnerungskultur viel zu oft untergehen. 🗣️💥
Der Schreibstil war zugegebenermaßen manchmal etwas sperrig. Gerade am Anfang musste ich mich reinfinden, denn auch einige Namen, Begriffe und historische Verweise waren mir neu und mussten nachrecherchiert werden. Aber mit der Zeit merkt man, dass das Absicht ist, denn Maryam Aras ruft uns dazu auf selber mitzudenken, mitzugehen und informiert zu bleiben. Und das lohnt sich absolut! ⏳
Zwischendrin gibt es richtig tolle Vater-Tochter-Momente, die extrem unter die Haut gehen, beispielsweise wenn der Vater sich "aus dem Off" zu Wort meldet, Texte kommentiert, korrigiert, hinterfragt. Das war in meinen Augen eins der stärksten Elemente im Buch, weil es so spürbar macht, wie präsent diese Geschichte in ihr weiterlebt. 🧡
Mein einziger Kritikpunkt: Manchmal hat sich das Buch für mich persönlich etwas zu sehr zwischen Essay, Erinnerung und Sachbuch verloren, weshalb ich mir an ein paar Stellen etwas mehr erzählerische Klarheit gewünscht hätte. Aber das ist nur mein subjektiver Senf dazu. Unterm Strich überwiegt ganz klar das Gefühl, dass das eine wichtige und mutige Geschichte war. 🧭
Fazit: "Dinosaurierkind" ist kein Buch, das man einfach mal nebenbei liest, denn es fordert und setzt voraus. Aber es bleibt hängen. Für mich eine klare Empfehlung. ⭐⭐⭐⭐
Danke an Anna und Maryam für dieses Rezensionsexemplar!
Ein kluges zartes Buch mit viel Tiefe. Sehr gute (mir nicht immer verständliche) geschichtliche Einblicke. Und die Tochter Vater Beziehung einfach nur🥹
Das Buch widmet sich dem Leben des Vaters der Autorin und stellt wie nebenbei (berührend und amüsant durch die abgedruckten Anmerkungen des Vaters) die persönliche Beziehung der beiden dar. Ich fand es sehr komplex zu lesen und hätte vermutlich mehr Vorwissen gebraucht. Mir wurden zu wenig Namen und Ereignisse erklärt. Dennoch ein wichtiges Buch, das es vermag auch eine zeitliche erzählerische Lücke zu beleuchten.
4,5 Sterne Maryam Aras verwebt biografische Erfahrungen mit politischen und zeitgeschichtlichen Entwicklungen und stellt so den Einfluss der iranischen Studierenden auf die deutsche 68er Bewegung dar, der in der deutschen Geschichtsschreibung leider untergegangen ist. „Du kannst dir nicht aussuchen, wie sehr die Welt dich mitnimmt“, zitiert sie den iranischen Lyriker SAID und lässt das Berührt-Sein selbst zu: „Ein von der Welt Berührter kann nicht schweigen.“
Aras’ Vater – ein iranischer Intellektueller – hat soviel Geschichte erlebt, dass es kaum in ein Leben zu passen scheint. Die Literaturkritikerin – ein „Dinosauerierkind“ – schreibt in ihrem Essay die politische Biographie ihres Vaters, über den Kampf gegen Unterdrückung, Fremdherrschaft, dass der Luxus in der sogenannten Dritten Welt unpolitisch durchs Leben zu gehen, nie existiert habe. Und dass sie „die erste Generation Kinder sind, die antreten für ihre Eltern einen Platz in der Geschichte der Länder einzufordern, deren Geschichte sie bewusst oder wie nebenbei mitgeprägt haben.“
Dem Buch gelingt es Essays mit Familienroman zu mischen. Manchmal fand ich es schwierig den vielen Daten und Namen, die oft nicht (nochmal) erklärt wurden, zu folgen. Aber die emotionale Ebene hat mich immer wieder abgeholt und sogar angeregt die Daten und Namen doch nochmal nachzuschlagen. Ein wichtiges Buch!