Was für eine Entdeckung – es braucht ein ganzes Leben, um einen solchen Text zu schreiben. „Die Geschichte erschien mir viele Jahre lang gänzlich unerheblich.“ Von diesem Satz aus erzählt die heute siebzigjährige Helene Bracht von einer über Jahrzehnte verschütteten Erfahrung, die sie mit sehr vielen Frauen und vielen Männern der, dass es auf dem Lebensweg mit der Liebe und der Sexualität nicht nur gut und einvernehmlich zuging. Wie liebt und begehrt man, wenn Verletzendes verborgen hinter einem liegt? Wie lebt und liebt man immer weiter? Fulminant ein Tabu brechend und dabei einzigartig gewitzt und souverän erzählt dieser Text vom Missbrauch – und seinen Grenzen. Diese Bilanz wird Denkweisen verändern und vielen Menschen viel bedeuten.
„Und natürlich (…) ist auch der Begriff Missbrauch so scheußlich wie falsch, denn sein gegen Konzept wäre ein regelkonformer Gebrauch von Menschen, namentlich Kindern, was die begriffliche Schieflage um zweifelhaft offenbart. Wieso oft kommt Sprache auch Herz? Täter Sprache daher. Kurz um, es gibt keinen Namen, der halbwegs angemessen die Dimension der Grenzverletzung fassen kann, um die es geht.“
Das Lieben danach von Helene Bracht ist ein besonderes Buch. Die Autorin schreibt sehr schön und fast poetisch. Sie erzählt nicht nur eine Geschichte, sondern beschreibt, wie sich etwas wirklich anfühlt. Beim Lesen merkt man, dass man sich in ihren Worten wiederfinden kann, als würde sie Räume öffnen, in denen auch andere Menschen ihre eigenen Gefühle entdecken können.
Im Mittelpunkt stehen zwei große Schmerzen: Die Hauptfigur erlebt Missbrauch und das Schweigen der Eltern. Das Schweigen macht alles noch schlimmer und führt dazu, dass sie sich sehr einsam fühlt. Besonders stark ist die Stelle, an der die Welt ihr einredet: „Du bist etwas Besonderes.“ Eigentlich klingt das schön, aber im Buch wird klar, dass diese Worte auch verletzen und einsam machen können.
Ein wichtiger Gedanke im Buch ist, was innere Freiheit bedeutet. Für die Hauptfigur heißt das, sich zugehörig zu fühlen, aber auch allein sein zu können, und trotzdem mit anderen verbunden zu bleiben. Ein Satz, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist, den die Autorin in einem Interview sagt: „Mit meinem Einverständnis, aber ohne mein Wollen.“ Das beschreibt sehr gut, wie hilflos sich die Hauptfigur fühlt, sie stimmt zu, obwohl sie es eigentlich nicht will.
Der Stil von Helene Bracht erinnert ein bisschen an Annie Ernaux, aber ihre Sprache ist noch weicher und schöner. Das Buch ist nicht leicht zu lesen, weil es um schwere Themen geht. Aber es lohnt sich, weil es ehrlich und berührend ist und zeigt, wie schwer es sein kann, nach schlimmen Erfahrungen wieder zu sich selbst zu finden.
Das Lieben danach ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt und lange im Kopf bleibt. Wer Geschichten mag, die Gefühle und Gedanken in schöne Worte fassen, sollte es unbedingt lesen.
Fast ein Sachbuch oder ein langer Essay zum Thema, was früher Mißbrauch in einem Menschen und seinem Lebensweg auslösen kann. Die Autorin ist Psychologin und liefert auch einige Quellenangaben mit. Dabei noch in schöner und klarer Sprache geschrieben.
„…linear kausal geht es nicht zu im psychischen System.“ Sicher ein wichtiges Buch, was sehr vulnerabel ist. Ich habe immer großen Respekt vor Personen, die der Öffentlichkeit solch tiefe Einblicke in ihre Gefühle gewähren! Die Autorin schreibt sehr schön, sprachlich ist das Buch fast schon poetisch, obwohl- oder vielleicht gerade weil, es so ein schweres Thema behandelt. Der Aspekt, der sich mit dem Erleben der Autorin in Bezug auf ihre eigenen Erlebnisse bezieht hat mich berührt & war sehr ungeschönt. Gerade die Perspektive, dass sie selbst- dadurch, dass sie nie wirklich gelernt hat, was sexuelle Grenzen sind, auch eine Person war, die diese bei anderen überschritten hat, fand ich interessant, weil es mir einerseits schlüssig scheint, dass dies bei MANCHEN Betroffenen der Fall sein kann (auch wenn man da sagen muss, dass es empirisch keine Belege dafür gibt, dass es da einen krassen Zusammenhang gibt, aber ihre Geschichte ist ja eher anekdotisch & sie behauptet das ja auch nicht) - ich es andererseits aber auch nicht erwartet hätte zu hören, weil es ja einfach extrem selbstbelastend und roh ist. Das konnte ich wertschätzen. Mit manchen kleineren Sachen, gerade wenn es eher um gesellschaftliche Dinge geht, hatte ich meine Probleme- ich finde z.B nicht, dass MeToo kritisch ist, weil es Frauen die Handlungsfähigkeit abspricht- MeToo ist ja gerade das, Frauen, die handeln und aktiv gegen ihre Aggressoren vorgehen. Hier wurde ja auch Svenja Flaßpöhler als Art Meinungsvorbild zitiert & da ich Flaßpöhlers Buch „Streiten“ auch irgendwie kritisch fand, war es auch hier nicht my cup of tea. Ich war auch ein bisschen irritiert davon, dass die Autorin den Begriff „Missbrauch“ scharf kritisiert- berechtigterweise finde ich, weil es wie sie sagt impliziert, es gäbe einen nicht misslichen Gebrauch von Menschen- sie den Begriff aber dann doch das ganze Buch verwendet. Aber vielleicht ist das auch einfach etwas, was sehr schwer rauszubekommen ist. Ich fand es auch erfrischend, dass die Autorin, als 70ish Jährige, viel von der Zeit in der sie aufwuchs erzählt & auch ihre eigene Queerness thematisiert. Hier fand ich es irgendwie ein bisschen komisch, dass sie speziell die Unterscheidung zwischen nicht-binären Personen, die „versuchen so androgyn wie möglich auszusehen“ & „natürlicherweise androgyne“ Personen macht- ihre Präferenz sei letzteres & sie darf ja auch ihren „Typ“ haben, aber irgendwie wirkte es wie ein Seitenhieb & ich fand es seltsam wie sie es erwähnt hat. Naja, vlt ist es auch anders gemeint gewesen und mir einfach nur etwas aufgestoßen. Insgesamt bin ich aber froh, das Buch gelesen zu haben und habe nochmal neue Perspektiven lernen können. Es zeigt sehr gut, dass sexuelle Gewalt ein super individuelles Thema ist, was- wie in dem Zitat am Anfang der Review- keinem linearen kausalen Muster folgt. Das Buch unterstreicht die Wichtigkeit der individuellen Perspektive von Betroffenen & wie wichtig es ist, zuzuhören.
Helene Brachts Icherzählerin Lena wuchs als einziges Kind eines für die 50er Jahre ungewöhnlich späten Elternpaars auf. Mit inzwischen 70 Jahren verbringt sie einen Club-Urlaub auf den Kanaren, um dort ungestört zu schreiben, da alte Frauen für ihre Umgebung praktisch unsichtbar sind. Rückblenden führen uns in ihre Grundschulzeit in den 60ern, in der sie durch eine vertraute Person sexuelle Gewalt erlitt, zeigen sie in einer längeren festen Beziehung mit Mitte 40, als feministische Aktivistin und in einem Gespräch mit ihrer 70-jährigen Mutter, als sie selbst Mitte 20 war. Die Autorin verdichtet in der Figur der Mutter Lenas die noch vom Nationalsozialismus geprägten Werte und das Frauenbild der Nachkriegszeit (unbedingter Gehorsam gegenüber Vätern, Lehrern, Priestern und Lehrherren, Gehorsam/eheliche Pflichten/Gewalt in der Ehe; Gehorsam, um geliebt zu werden; Häme von Frauen gegenüber „gefallenen Mädchen“, die sich ihre Situation selbst zuzuschreiben hätten, und Sprechverbote, mit denen sexuelle Gewalt durch nahestehende Personen verdrängt wurde). Mir hätten sich weitere Fragen gestellt zur kindlichen Entwicklung im Grundschulalter und zu Lenas Mutismus. Bei einer Icherzählerin muss ich mich jedoch zufriedengeben mit dem, was sie von sich preisgeben will. Lenas Rückblicke verknüpft Helene Bracht mit Fragen, zu denen bis heute Redebedarf besteht: Warum das Interesse an sexueller Gewalt nur kurzfristig aufflammte, als ab 2010 männliche Schüler von Elite-Internaten als Betroffene wahrgenommen wurden, warum Scham stets von betroffenen Frauen erwartet wird, nicht von den Tätern, die Rolle von Macht und Kontrolle im Erwachsenenleben jugendlicher Opfer, sowie die Auswirkung des erlittenen Verrats durch einen Erwachsenen auf das Bindungsverhalten der Betroffenen. Die Autorin thematisiert auch, wie Klischees hilfloser weiblicher Opfer in Filmen unser Frauenbild prägen und ob die MeToo-Bewegung diese Klischees verfestigt.
Fazit Ein sprachlich elegantes, verstörendes Buch mit expliziten Gewaltszenen, die Helene Bracht einpasst in ein Sittenbild der 50er und 60er und mit zahlreichen Anmerkungen und Literaturhinweisen stützt (u. a. Meulenbelt (1978), Ruth Rehmann (1959), Melanie Büttner, Bronfen, Kavemann, Flaßpöhler).
„Das Lieben danach“ von Helene Bracht, erschienen 2025 im Carl Hanser Verlag, beschäftig sich mit einer wichtigen, vielleicht zu seltenen Frage, nämlich der, wie Personen, die sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, in ihrem späteren Leben zu einem erfüllten Liebesleben und einer gesunden Sexualität finden können. Das schlanke Buch kommt in einem Schutzumschlag mit einem sehr passenden, wunderschönen Cover von schon überblühten Blumen, die eine ganz morbide Stimmung setzen.
Bracht, in ihrer Kindheit starker sexualisierter Gewalt durch einen engen Bekannten der Familie ausgesetzt, gehört erst einmal Respekt dafür, dass sie aus dem Dunkelzifferbereich heraus so stark in die Öffentlichkeit tritt und sich damit auch erneut verwundbar macht. Dieses Teilen ihrer Geschichte ist ein wertvoller Schritt für Betroffene – und vielleicht ja auch für Täter:innen, die sich hier noch einmal ein klares Bild der lebenslangen Konsequenzen ihres Handelns machen können. Bracht stellt kluge Fragen in ihrem Buch und macht sich auf die Suche nach Antworten: Haben früh von sexualisierter Gewalt betroffene Personen ein spezielles Bindungsverhalten? Was bedeutet eine kindliche Erfahrung von sexualisierter Gewalt für die spätere Entwicklung von Geschlechtsidentität und Rollenfindung? Welchen Unterschied macht das Geschlecht der Täter:innenperson für den Lebensweg der Betroffenen und die Wahl der Menschen, zu denen diese sich später hingezogen fühlen?
Für das Buch spricht die meist sehr sachliche Analyse und theoretische Fundierung der Auseinandersetzung sowie überhaupt der Ansatz, nicht bei der Beschäftigung mit dem Trauma stehenzubleiben, wie viele andere Bücher, sondern nach dem Leben danach zu fragen und hier nach Möglichkeiten und Wegen zu schauen. Leider aber bleibt für mich vieles doch im Mikrokosmos von Bracht stecken. Da ist zum einen die sehr akademische Sprache mit vielen Bildungsreferenzen und Fremdwörtern – warum nicht vom Elfenbeinturm herunterkommen und ein solches Buch niederschwellig schreiben? Auch wenn diese Art sicher der Distanzierung dienen mag, so hält sie doch auch sehr viele Menschen von diesem Buch fern. Aber wir reden hier über ein generelles gesellschaftliches Problem, dessen Analyse möglichst vielen Menschen zugänglich sein sollte. Bracht formuliert selbst, dass das Wort „Missbrauch“ eben sehr misslich ist, beinhaltet es doch, dass es auch regelkonformen „Gebrauch“ von Menschen geben könne – und auch generell ist das Wort viel zu schwach und euphemistisch für die Tat. „Sexualisierte Gewalt“ schlägt die Autorin deshalb völlig richtig vor – und nutzt doch selbst immer wieder das Wort Missbrauch. Damit bleibt sie in der Täter:innenperspektive verhaftet. Bracht kritisiert heftig die me-too-Bewegung als Generalisierung einer Opfer-Perspektive, die im Opfersein stehenbleibe. Dabei hat me-too genau das Gegenteil zur Zielsetzung und auch erreicht: Der Zusammenschluss, das Zusammentragen vieler Opferperspektiven macht das Systemische sichtbar und zeigt deutlich: Es gibt Millionen von individuellen Fällen aber: keinen Einzelfall. Es gibt kein Frausein ohne das Erleben von sexualisierter Gewalt. Was durchstrahlt durch das Buch ist auf eine gewisse Weise doch ein Stehenbleiben von Bracht in ihrem individuellen Fall und ein Kampf mit dem individuellen Trauma, der noch nicht ausgefochten ist, weshalb ihr dieser eigene Fall nach wie vor in seiner Individualität sehr wichtig ist. Darauf hat sie als Mensch jedes Recht der Welt. Aber diese Herangehensweise verhindert größere strukturelle Erkenntnisse, die ich mir persönlich von diesem Buch mehr erhofft hätte.
Sehr interessant sind Brachts Gedankengänge zu Grenzen, zum Setzen von Ja und Nein – und gerade hier wäre die me-too-Bewegung ein großartiges Beispiel um aufzuzeigen, warum das Setzen von Grenzen so schwer ist: Weil wir von klein auf sozialisiert werden, die Grenzen auch schon im Kleinen nicht zu setzen. Alle Übergänge zwischen gewohnter kleinerer sexualisierter Gewalt hin zur großen sind fließend und daher ist es im Prozess fast unmöglich, den Punkt für das Nein zu finden. Bracht ist der Meinung, Erotik sei immer mit Macht verbunden, diese Setzung macht sie einfach. Hier kann ich überhaupt nicht zustimmen, Erotik kann genau auch das Gegenteil ausmachen, nämlich die vollkommene Abwesenheit von Macht.
Lange Rede, kurzer Sinn: Brachts starke individuelle Prägung ist in ihrer Analyse immer spürbar und so bleibt das Buch doch eher ein Erfahrungsbericht. Mein voller Respekt für diesen angesichts der starken Verletzung, die Bracht erleiden musste. Für mich weist aber wenig über diesen Fall hinaus. Insofern ist das Buch sehr interessant zu lesen als ein Teil eines Puzzles. Für das Große Ganze müssen vielleicht eher andere Bücher herhalten.
Ein großes Dankeschön an vorablesen.de und den Carl Hanser Verlag für das Rezensionsexemplar!
Ein Buch von / über eine Frau, die als fünfjähriges Kind von einem Untermieter missbraucht wurde. Sie erzählt davon als 70jährige und blickt zurück auf das Leben und das Lieben danach. Heartbreaking. „Etwas ganz besonderes“, eine Qualifizierung, bei der einem das Blut in den Adern gefriert.
Helene Bracht berichtet in dem Buch sehr feinfühlig und mit erzählerischer Wucht von ihrem Leben und besonders der Liebe in ihrem Leben. Diese durchzieht aber der Schatten des Traumas, der durch einen jahrelangen Missbrauch in der Kindheit entstand. Die Folgen ziehen sich durch ihre ganzes nachfolgendes Leben. Mit Mitte 60 fragt sie sich nun, wie genau das ihr Liebesleben beeinflusste und baut hier gewonnene psychologische Erkenntnisse mit ein.
Sie lässt dabei tief in ihre Seele blicken und stellt sich dabei ihren eigenen Dämonen und Schattenseiten und schafft es doch, versöhnlich auf ihr Leben zurückzublicken. Das ist bei diesem schweren Thema schon eine enorme Leistung. Ich hätte mir trotzdem an mancher Stelle ein bisschen mehr Struktur in der Reihenfolge der erzählten Ereignisse gewünscht. Zudem gibt es ein, zwei Abschnitte (besonders den, ober die meetoo- Debatte) in der ich ihre Ansichten sehr veraltet, ja teilweise anti-feministisch empfand. Das war ein kleiner Wermutstropfen.
Nichtsdestotrotz ein sehr wichtiges Buch, dass über ein Thema spricht, das viel zu oft durch Scham und Stigmatisierung im Dunklen bleibt.
Ich konnte das Buch irgendwie nicht weglegen. Die Autorin offenbart auf eine schon poetische Weise ihre Wahrheit so offen und ehrlich. Sie schafft zwischen jeder Facette einen beeindruckenden Übergang und erklärt damit wie alles miteinander verbunden ist. Ihr Buch ist für mich ein feministischer aber auch gesellschaftlich aufklärender Beitrag, der mutig die Hintergründe menschlichen Handelns hinterfragt. Triggerwarnung Missbrauch sollte auf jeden Fall ausgesprochen werden.
Was für ein mutiges und großartig konstruiertes Buch, das sich einer eindeutigen Genre-Zuordnung entzieht. Ist es ein Essay? Irgendwie ja, weil die Autorin einen Spaziergang durch Themen unternimmt, die mit der Entwicklung der (weiblichen) Sexualität, der maskulinen Sexualität, Missbrauch und seinen Auswirkungen zu tun haben, auf Fachliteratur referiert und immer wieder zu bereits aufgegriffenen Inhalten zurückkehrt. Gleichzeitig ist der Name der Autorin ein Pseudonym, die Erzählerin sitzt zu Beginn des Buches allein in einem Zimmer eines Resort-Hotels und schaut auf die Gesellschaft hinab, nutzt ihre Rolle als Beobachterin als Einstieg, gestaltet sprachlich klar, eindringlich, manchmal lakonisch, parataxenhaft, wo ein gewisser Nachdruck gut tut.
Die Lektüre verstört, tut weh, ist unangenehm und bietet so viele Ansatz- und Diskussionspunkte, Querverweise und Rekurse, dass der Leseeindruck noch lange nachhallt. Die Autorin berichtet von ihren ersten Erfahrungen mit Sexualität im Kindesalter, zu denen auch Missbrauchserfahrungen durch den Freund einer Familie gehören. Diese Szenen werden aus einer kindlichen, fast schon naiven Perspektive erzählt und sind dadurch umso furchtbarer. Sie erzählt, wie diese Übergriffe ihr weiteres Leben geprägt haben, die eigene Suche nach sexueller Emanzipation ist Anlass einer Reflexion über die Entwicklung der weiblichen Sexualität in der BRD in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie erzählt aber auch, wie sie mit dieser Erfahrung leben und, mit Höhen und Tiefen, auch lieben gelernt hat und zeigt, wie sie nun, in hohem Alter, auf diese Entwicklung zurückblickt.
Ein Buch, das einen unglaublich anpackt und beschäftigt, schockiert und gleichzeitig überrascht, weil für Schreckliches, Offenkundiges und politisch Bedeutsames in einer beeindruckenden Klarheit die richtigen Worte gefunden werden. Ein Buch, das auch Männer lesen sollten, weil auch wichtige Fragen zu Patriarchat und toxischer Männlichkeit verhandelt werden. Nur so kann sich "Das Lieben danach" im gesellschaftlichen Diskurs einen Platz verschaffen.
Die Autorin erzählt von sexuellem Missbrauch im Kindesalter durch eine ihr nahestehende Person. Etwas, das sie erst sehr spät in ihrem Leben für sich selbst erkannt hat.
Das Buch geht sehr ehrlich und schonungslos mit den Themen Trauma, Trauer und Heilung um. Aber auch mit der Frage, ob und wie man nach so einem Schicksal wieder lieben kann. Ich habe es als Hörbuch gehört und kann es definitiv weiterempfehlen.
»All die Fertigkeiten und Verhaltensmuster, die ein kleines missbrauchtes Mädchen lernt, kann es umstandslos und mit großem gesellschaftlichen Einverständnis als erwachsene Frau zur Verfügung stellen: Die Gefügigkeit, die hohe Sensibilität für die Wünsche anderer, die Duldsamkeit, die Abhängigkeit von Komplimenten und Anerkennung, die selbstverständliche Dienstleistungsorientierung, all das zahlt ein auf das tradierte Rollenbild. Wäre das Patriarchat ein Wirtschaftsunternehmen, würde ein weibliches Missbrauchs-Skillset umstandslos als Kompetenzprofil für weibliche High Performer durchgehen. Zumindest bei mir hat das tadellos geklappt.« (S. 51f)
Auf einer kanarischen Insel schreibt eine ältere Frau über ihr Leben und Lieben — angefangen vom frühen Missbrauch in ihrer Kindheit über ihre Jugend bis hin zu ihrem Sein als singuläre Frau und der Freiheit, die damit einher geht, dem Male Gaze nicht mehr ausgeliefert zu sein: »Denn alte Frauen sieht man nicht.« (8) Sie analysiert, wie der frühe Vertrauensbruch und Missbrauch sie geprägt haben und dabei werden bemerkenswert viele fachliche Belege und Studien in diese Analyse einbezogen. So erhält diese Selbstanalyse nicht zuletzt durch die zusätzliche Perspektiven und das Einfließen von psychologischem Fachwissen eine enorme Tiefe.
»Ein reifer, erwachsener Mensch kennt seine Grenzen und respektiert die der anderen. Das ist die Grundvoraussetzung für gelingende zwischenmenschliche Bindungen. Simple but not easy. Denn eine Grenze ist nun einmal ihrem Wesen nach ein doppelgesichtiges Phänomen: Sie trennt, indem sie Innen und Außen unterscheidet, und sie verbindet, indem sie die Voraussetzung für Berührung schafft. Damit ist sie in gleichem Maße der Ort des existenziellen Voneinander-getrennt-Seins wie der Ort der intimsten Begegnung.« (S. 134)
»DAS LIEBEN DANACH« ist das literarische Debüt & Essay der Autorin Helene Bracht*, in dem sie über Ihr eigenes L(i)eben nach einer frühkindlichen Misshandlung schreibt. Wie geht es weiter? Wie lässt sich l(i)eben? Sie schreibt in diesem schmalen Buch über so viel mehr: Mis$brauch als Grenzverletzung; Kritik an der medialen Ausschlachtung des Themas sowie vergleichsweise langsamen Forschung; Selbstbefreiung, Selbstversöhnung, Nachkriegsgeneration, ambiguous loss, Scham, Kritik am Patrichariat, Sexualität, Miteinander.
»Verantwortung im Miteinander heißt, die Folgen, die das eigene Handeln für das Gegenüber haben kann, antizipieren, abwägen und Anteil nehmend in Entscheidungen übersetzen zu können. Sie bedeutet also ständige Achtung vor der Integrität eines anderen Menschen, aktive Sorge für den Schutz von dessen Unversehrtheit.« (S. 169)
Erschütternd ehrlich, selbstversöhnlich, kritisch, intelligent, mutig, sachlich und dabei trotzdem persönlich schreibt Helene Bracht autofiktional über ihr eigenes Leben, Sexualität und Beziehungen. Ein schmales Buch, das mit so einer sprachlichen Kraft, so viel Inhalt und Tiefe daher kommt, dass es sich nach so viel mehr anfühlt, wenn mensch das Buch nach 177 Seiten beendet hat. Ein Buch, das lange nachhallt; viel Wissen, Empathie und Versöhnung vermittelt. Große Leseempfehlung 💜, aber bitte beachtet den CN 🫂
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[CN: Kindesmissbrauch, psychische Gewalt]
* als Psychologin & Coach hat sie bereits mehrere Fachbücher unter ihrem bürgerlicher Namen Mechthild Erpenbeck veröffentlicht.
Als Kind wurde Helene Bracht wiederholt von einem Erwachsenen aus ihrem weiteren familiären Umfeld missbraucht. Ein (Macht)Missbrauch, der sich auf ihr gesamtes Leben ausgewirkt hat – bewusst wie unbewusst. Ehrlich, direkt und ohne Scham schreibt Bracht nun Jahrzehnte später über ihre Missbrauchserfahrung – vom Davor, vom Während und vom Danach. Wie lebt und wie liebt man weiter, nachdem einem derartige Gewalt angetan wurde, nachdem das Urvertrauen derart nachhaltig beschädigt wurde und man die Sicherheit verloren hat? Von der Kindheit über die Jugend und das Erwachsenenalter bis hin zu den späteren Jahren zeichnet Bracht ihre Lebenslinien nach. Von der Verstummung durch die Scham der Eltern, Eltern eines Missbrauchsopfers zu sein. Vom komplizierten Umgang mit der Entfaltung und Akzeptanz der eigenen Sexualität. Von der Unfähigkeit, echte und ernste Beziehungen einzugehen. Beziehungen ja, Sex ja, wirkliche emotionale Nähe nein, eine Distanz als Schutzschild. Von den Menschen, die sie dadurch verletzt hat. Von Beziehungen, die dadurch in die Brüche gingen. Von Einsamkeit und Sehnsucht gleichermaßen. Und davon, wie leicht es ist, selbst auf Täter*innenseite zu wechseln. Immer wieder angereichert mit Statistiken und psychologischen Hintergründen, erzählt Bracht an ihrem eigenen Leben und ihrer Missbrauchserfahrung eine so persönliche wie überindividuelle Geschichte von Macht und Sexualität, Verlangen und Scham, einer misogynen Gesellschaft und dem in vielerlei Hinsicht komplizierten Verhältnis zwischen Täter*innen und Opfern.
»Das Lieben danach« ist bei Weitem kein leichtes Buch. Allein diese beeindruckende Direktheit, in der Bracht es schafft, über das zu reden, was ihr angetan wurde – die emotionale Manipulation sowie der körperliche Übergriff – fordert zu Recht viel beim Lesen. Dazu die Form der essayistischen (Nach-)Erzählung, irgendwo zwischen Prosa, Erinnerung und Sachbuch, untermalt von fließenden Gedanken, statistischen Einschüben und der sehr interessanten Einordnung ihres Lebens anhand der Entwicklungen der Jahrzehnte in Deutschland. Im Laufe des Buches reflektiert Bracht auf einer Ebene, vor der ich den größten Respekt habe: Zeiten, in denen sie Opfer war, Zeiten, in denen sie selbst Täterin wurde, Zeiten der Verzweiflung, der Angst. Wie wohl sie sich mit 70 fühlt, seit sie in der Unsichtbarkeit angelangt ist, ihr Körper noch der einer Frau, aber eben doch so, dass ihn niemand mehr wahrnimmt. Es liegt gleichermaßen eine Freiheit in der Unsichtbarkeit wie ein tiefes gesellschaftliches Problem in der Bewertung von Frauen*körpern. »Das Lieben danach« ist wieder eins dieser Bücher, bei denen eine Bewertung schwerfällt und auch kaum angebracht scheint. Deswegen möchte ich nur sagen, dass ich mit meinem Eindruck und Gefühl nach dem Lesen etwas schwanke, weil mir einiges sehr nah ging und mir anderes doch sehr fernblieb und sich mir entzogen hat. Und dennoch: In Gänze ein Buch, das Aufmerksamkeit verdient.
„Das Lieben danach“ ist ein beeindruckendes Buch, das sich auf eindrucksvolle und tiefgründige Weise mit einem sehr ernsten Thema auseinandersetzt. Schon das Cover, welches eine blumige Leichtigkeit ausstrahlt, steht im Kontrast zu dem schweren Inhalt, der autobiografische Elemente mit einer fiktionalen Erzählweise verknüpft. Das Buch erzählt von einer Frau, die im Nachkriegsdeutschland sexuell missbraucht wurde und wie diese traumatischen Erlebnisse ihre späteren Beziehungen und ihr Verständnis von Liebe geprägt haben. Die Autorin zeigt auf ehrliche und mutige Weise, wie sie als erwachsene Frau langsam die Verbindungen zwischen ihrer Kindheit und ihren späteren Beziehungsmustern erkennt.
Besonders eindrucksvoll ist der Schreibstil, der ruhig und sachlich bleibt, auch wenn die Schilderungen sehr emotional und oft verstörend sind. Die Sprache ist klar und direkt, ohne jemals reißerisch zu wirken. Trotzdem hat die Sachlichkeit manchmal eine distanzierende Wirkung, die es dem Leser erschwert, voll in die emotionalen Tiefen der Geschichte einzutauchen. Man merkt der Autorin ihre psychologische Fachkompetenz an, was die nüchterne Herangehensweise erklärt, aber gleichzeitig auch etwas an Empörung oder emotionaler Aufwühlung vermissen lässt.
Die Figuren sind authentisch gezeichnet, vor allem die Protagonistin, deren innere Zerrissenheit und das Streben nach Heilung nachvollziehbar beschrieben werden. Die langsame Aufarbeitung der Vergangenheit ist ein zentrales Thema, das auf verschiedene Arten – durch Selbstreflexion, aber auch durch Konfrontation mit alten Mustern – beleuchtet wird. Besonders positiv ist, dass das Buch den Leser dazu einlädt, über eigene Beziehungsmuster nachzudenken und sich mit dem Einfluss von vergangenen Erlebnissen auf das eigene Leben auseinanderzusetzen.
Allerdings gibt es einige Längen, in denen die Handlung durch die sehr ausführliche Reflexion etwas ins Stocken gerät. Diese Passagen erfordern Geduld und ziehen den Lesefluss etwas in die Länge. Doch trotz dieser kleinen Schwächen ist „Das Lieben danach“ ein mutiges und kraftvolles Werk, das sich mit einer sehr persönlichen und gleichzeitig universellen Thematik beschäftigt.
Für Leser, die sich mit psychologischen Prozessen, Traumabewältigung und der komplexen Natur menschlicher Beziehungen auseinandersetzen wollen, ist dieses Buch absolut empfehlenswert. Es ist keine leichte Lektüre, aber eine, die tief berührt und nachdenklich macht. Ein Werk, das vor allem durch seine Ehrlichkeit und Tiefe überzeugt – vier von fünf Sternen.
Helene Bracht gelingt mit "Das Lieben danach" ein eindrucksvolles Buch, das die Leser auf eine emotionale Reise mitnimmt. Es ist mutig und eindringlich, eine schmerzliche Erzählung einer Überlebenden von sexuellem Missbrauch in der Kindheit und den Auswirkungen dieser Erfahrung. Die Geschichte dreht sich um die Themen Verlust, Hoffnung und die Suche nach einem neuen Lebenssinn.
Mit einem schonungslos ehrlichen Schreibstil und emotionaler Tiefe gelingt es der Autorin, das Trauma und die Auswirkungen auf ihr Leben berührend darzustellen. Dabei scheut sie auch nicht davor zurück selbst zu reflektieren und ihre eigenen Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. So schildert die Autorin, von einer Zeit voller Gefühlskälte und Lügen, und dass sie durch den erlebten Missbrauch irgendwann selbst in gewisser Weise zur Täterin wurde. Dabei ordnet sie ihre Handlungen immer wieder enorm lehrreich und wortgewannt in einen psychologischen Kontext ein und untermauert diesen mit Quellen und Erläuterungen durch Fußnoten, sodass besonders interessierte Leser*innen weitere Literatur zur Recherche erhalten.
Insgesamt ist "Das Lieben danach" ein reflektiertes und ehrliches Buch, das nicht nur gelesen, sondern auch gefühlt werden sollte. Damit gibt die Autorin so vielen Menschen eine Stimme. Für mich eine klare Leseempfehlung für alle, die es sich zutrauen. Für Personen mit unverarbeiteten Traumata könne die Schilderung des Missbrauchs jedoch zu anschaulich dargestellt sein. Dieser führt auch noch Jahrzehnte später zu negativen Denk- und Handlungsmustern bei den Opfern. Das Thema ist auf jeden Fall erschütternd, trotzdem ist es so wichtig darüber zu sprechen! In den Worten der Autorin: "Es ist lohnend, denke ich, auf Spurensuche zu gehen, denn niemand stellt in Abrede, dass eine frühe Erfahrung mit sexueller, körperlicher oder emotionaler Gewalt Spuren und Prägungen hinterlässt."
In "Das Lieben danach" nimmt uns die Autorin Helene Bracht (Pseudonym) mit in die Aufarbeitung ihrer eigenen Missbrauchserfahrungen. Im Alter von fünf bis acht Jahren wurde sie von einem Nachhilfelehrer sexuell missbraucht. Eindringlich beschreibt sie den Widerspruch zwischen enormen Schmerzen und dem Gefühl endlich geliebt und gesehen zu werden, etwas besonderes zu sein.
Dass eine solche traumatische Erfahrung nicht spurlos an ihr vorübergeht und sie ihr weiteres Leben auf die ein oder andere Weise begleitet, ist klar. Bracht reflektiert viel und eingehend, über den Missbrauch, ihren Umgang damit, aber auch über die Rolle ihrer Eltern. Und sie bleibt nicht dabei stehen, nimmt ihr weiteres Leben in den Blick. Beispielsweise berichtet sie über eine Beziehung mit einem Heiratsschwindler und wie sie auf ihn hereinfallen konnte, beleuchtet eine beinahe Vergewaltigung, die sie mit Worten abwenden konnte und schließlich erkennt sie auch, dass sie selbst Täterin war.
Ihre Lebensreflexion ist beeindruckend, ehrlich, hart und direkt. Oft blieb mir der Atem weg, oft war ich fasziniert von der Widersprüchlichkeit. Besonders zu denken gab mir, wie Bracht eine Begegnung mit einer Frau schildert, der sie in der Vergangenheit Gewalt angetan hatte, sie sich selbst aber an diese kaum mehr erinnern konnte. Wie oft es einem selbst wohl so ergeht, dass man einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, es selbst aber aus eigener Bedeutungslosigkeit - oder als Schrecken vor einem selbst - verdrängt?
Helene Bracht, die selbst als Psychotherapeutin arbeitet, ist mit "Das Lieben danach" eine tiefgründige Reflexion über ihre Missbrauchserfahrungen gelungen, die sich zwischen Essay, Sachbuch und philosophischer Abhandlung bewegt. Obwohl es zwischendurch seine Längen hat, ist es ein lesenswertes Buch für alle, die an der Thematik interessiert sind und sich von der Direktheit der Sprache nicht abschrecken lassen.
Helene Bracht, selber Psychotherapeutin, schreibt in dem Buch über den eigenen als junges Mädchen erlebten sexuellen Missbrauch und wie dieser ihr späteres Beziehungs- und Liebesleben in ihrem eigenen Denken, Fühlen und Handeln zum Teil subtil, oft sehr massiv beeinflusst hat. Das Cover passt sehr gut zum Inhalt - eine wunderschöne und üppige Blüte, möglicherweise eine Pfingstrose, bei der man erst auf den 2.Blick erkennt, da stimmt was nicht, da ist doch etwas beschädigt, abgeknickt. Helene Bracht schreibt lebendig, klug und reflektiert. Großartig wenn man dazu bedenkt, dass es sich um ein Debut handelt. Dabei bleibt es immer ihre Geschichte. Sehr persönlich begibt sie sich auf Spurensuche. Anekdotisch erzählt sie von Liebes- und Beziehungsversuchen, angereichert mit einem enormen Wissen zu sexualisierter Gewalt und deren Auswirkung auf die Psyche der Betroffenen. In der Darstellung des Erlebten hätte ich mir gewünscht, dass es vielleicht stellenweise weniger explizit beschrieben wird. Nicht aus Scham, der Täter hat allen Grund sich zu schämen, auch wenn er vermutlich längst tot ist!! Sondern aus dem Wunsch heraus, die Autorin möge sich etwas mehr selber schützen. Aber möglicherweise versteht man gerade die hochambivalenten Gefühle und Verhaltensweisen im Anschluss nur durch das Vorwissen über das Erlebte besser. Spannend fand ich den Seitenstrang, in dem Helene Bracht über ihre Mutter, deren Bezug zur Sexualität, aber auch deren Befreiung schreibt. Insgesamt ist es ein lesenswertes Buch, für das zumindest ich immer wieder Pausen gebraucht habe. Vom SRF gibt es in der Philosophieserie "Sternstunde Philosophie" eine Folge mit ihr, die ich ergänzend sehr weiterempfehlen kann.
Es fällt mir bei wenigen Büchern schwer meine Meinung zu ihnen zu verschriftlichen und dieses hier ist eines davon: "Das Lieben danach" erzählt vom Leben und Lieben nach Missbrauchserfahrungen. Die Autorin blickt auf ihre eigene Erfahrungswelt zurück, beschreibt dabei schonungslos offen ihr wiederfahrenes und selbst verursachtes. Eine Wertung auf inhaltlicher Ebene kann und will ich nicht vornehmen. Dennoch habe ich dieses Buch in verhältnismäßig kurzer Zeit durchgelesen. Denn die Autorin schafft es ihre rückblickenden Betrachtungen in sehr kluger und selbstreflektiver Perspektive heraus zu formulieren. Der Schreibstil dabei leicht und flüssig, dies steht im Kontrast zu den Themen dieses Buches. Ihre eigenen Erlebnisse stellt sie dabei immer auch vor den Hintergrund des aktuellen Zeitgeistes, prüft diesen kritisch und analysiert eigene Handlungsmuster. Dabei bleibt nach dem Lesen vor allem eine nachdenkliche Stimmung in mir zurück. Die von der Autorin dargestellte Perspektive ist eine wichtige und notwendige, sie schafft es den erlebten Missbrauch und seine Folgen in sowohl nüchterner Klarheit, als auch mit ausreichend, aber nicht zu vielen, Emotionen darzustellen. Ich habe das Buch beim Lesen immer wieder beiseite legen müssen, kurze Atempausen gebraucht.
In dieser bewegenden Autobiographie blickt eine Psychologin auf ihr Leben und die prägenden Erfahrungen ihrer Liebesbeziehungen zurück. Als Mädchen ist sie von einem Nachhilfelehrer – einem engen Vertrauten der Mutter – regelmässig missbraucht worden. Sie beschreibt, wie sich ihr Liebesleben und ihre Beziehungen im weiteren Lebensverlauf gestalten. Das Eintauchen in die sehr intimen und persönlichen Erlebnisse und die - oft ambivalenten - Gedanken und Gefühle ist sehr bewegend. Der Leser kann sich sehr gut hineinfühlen in die Protagonistin. Die Sprache ist wunderschön, abwechslungsreich und vielschichtig. Es werden viele Bezüge zur Psychologie, psychotherapeutischen Schulen und zur Wissenschaft hergestellt. Die Protagonistin schreibt und argumentiert auf eine sehr angenehme Weise indem sie selbstkritisch hinterfragt und zu den aufgeworfenen Thesen und Erklärungen jeweils nicht eine Lösung, sondern ein Spektrum an Gedanken und Ideen präsentiert. Ein Buch, das berührt, zum Nachdenken anregt und durch seine sprachliche Brillanz überzeugt – sehr empfehlenswert für alle, die sich für psychologische und literarische Tiefe interessieren.
Dieses Buch geht unter die Haut. Wie sehr, das habe ich anfangs unterschätzt. Und ich möchte eine klare Triggerwarnung aussprechen, da es um explizit beschriebenen Kindesmissbrauch geht, worauf sich auch der Titel bezieht: Das Leben und Lieben nach einer Missbrauchserfahrung in der Kindheit. Das war mir so nicht bewusst und ich musste an einigen Stellen heftig schlucken, weil es so erschütternd ist, was die Autorin erlebt hat.
Gleichsam finde ich es unglaublich mutig, wie offen, ehrlich und schonungslos Helene Bracht in ihrem literarischen Essay ihre Vergangenheit offenlegt, ihre Emotionen und Gedanken freilegt. Und das in einem tiefgründigen, klugen und teilweise fast poetischen Schreibstil. Ich habe „Das Lieben danach“ in einem Rutsch gelesen, aber noch lange nicht verdaut.
Hauptsächlich dreht sich der Text um das Verarbeiten, in Zusammenhang setzen und Erkennen, das Reflektieren. Somit stimmt er mitunter traurig, nachdenklich, aber auch hoffnungs- und rührend lebensfroh. Was ich sicher sagen kann: Dieses Buch lässt niemanden kalt. Welchen Schluss man daraus zieht, ist aber individuell und hängt von den eigenen Lebenserfahrungen ab.
Ich bin mit völlig anderen Erwartungen an dieses Buch herangegangen. Aufgrund des Klappentextes dachte ich, es handle sich um einen Roman, doch tatsächlich ist Das Lieben danach offiziell ein Sachbuch – auch wenn es sich eher wie die persönliche Liebesbiographie der 70-jährigen Autorin liest. Mit weniger als 200 Seiten ist es zwar nicht besonders lang, aber inhaltlich extrem intensiv.
Die Autorin verarbeitet hier ihr eigenes Liebesleben, doch die Lektüre war für mich alles andere als leicht. Zum einen lag das am anspruchsvollen Schreibstil, zum anderen an den schweren Themen, die das Buch behandelt. Besonders die Passagen über Missbrauch fand ich regelrecht verstörend. Ich konnte mich persönlich kaum mit den Inhalten identifizieren und hatte Mühe, mich auf das Buch einzulassen.
Leider kann ich es deshalb nicht wirklich weiterempfehlen. Wer sich für sehr persönliche Lebensgeschichten interessiert, mag hier vielleicht etwas finden – für mich war es leider nichts.
Als ich das Buch begonnen habe, dachte ich, es ist ein Roman. Der Klappentext und das Cover haben diesen Eindruck vermittelt. Beim Lesen habe ich dann schnell gemerkt, dass es ein Essay ist. Manche Stellen sind sehr wissenschaftlich, dann kommen aber wieder sehr persönliche Erlebnisse. Leider werden viele Quellen nur kurz erwähnt. Wer sich mit den genannten Theoretikerinnen (u.a. Niklas Luhmann) nicht auskennt, muss erst selbst nachforschen. Das erschwert vielleicht den Zugang für manche Leserinnen.
Trotzdem hat mich das Buch sehr berührt. Helene Bracht schreibt ruhig und sachlich über sehr schwere Themen. Gerade diese nüchterne Sprache zeigt, wie stark sie sich von dem Erlebten abgrenzen musste. Ich glaube, viele Trauma-Überlebende können sich in diesem Text wiederfinden. Diese Art der Distanzierung oder des Verdrängens ist etwas, das viele kennen. Dadurch entsteht eine stille Verbindung zwischen Autorin und Leserinnen.
„Das Lieben danach“ ist die erste literarische Veröffentlichung von Psychologin Helene Bracht. In diesem autobiographischen Roman erzählt sie vom Missbrauch den sie als Kind - durch den Untermieter ihrer Eltern- erleben musste. Sie analysiert wie sich dieser Missbrauch auf ihr ganzes bisheriges Leben ausgewirkt hat. Die Beziehung von und zu ihren Eltern ist ein großes Thema. Vor allem zu ihrer Mutter, die sämtliche Anzeichen ignoriert und sich viele Jahre später fragt, wieso sie den Missbrauch nicht erkannt hat. Auch sie hat als Erwachsene ähnliches erlebt. Helene Bracht erzählt von ihren Beziehungen als Erwachsene - sie probiert viel aus, aber trotzdem ist es immer ihr Ziel, die Bedürfnisse von anderen zu erfüllen – entgegen ihrer eigenen Wünsche.
„Das Lieben danach“ ist unfassbar erschütternd, schonungslos offen, aber auch sehr wichtig. Über das schwere Thema sollte man sich vorher bewusst sein.
Helene Bracht setzt sich in diesem Buch mit tiefgehenden und oft tabuisierten Themen wie Missbrauch auseinander. Besonders eindrucksvoll sind die Kapitel, in denen sie sehr persönlich und emotional schreibt – diese Passagen haben mich berührt und zum Nachdenken angeregt. Andere Abschnitte hingegen wirkten auf mich distanziert und zu theoretisch, wodurch die emotionale Verbindung zum Text stellenweise verloren ging.
Das Cover in sanften Rosatönen mit einer verblühenden Blüte spiegelt die Thematik des Buches auf eindrucksvolle Weise wider. Es vermittelt bereits vor dem Lesen eine Ahnung von Vergänglichkeit, Veränderung und innerer Auseinandersetzung.
Ein mutiges Buch mit wichtigen Denkanstößen, das jedoch in seiner Erzählweise nicht immer durchgehend fesselt. Es ist teilweise Roman und teilweise Sachbuch.
Bracht widmet sich in diesem Werk der Sexualität und allem was (leider auch) dazu gehört. Anhand ihrer Erfahrungen, bringt sie uns näher welch, teilweise unerwarteten, Gefühle, Tätigkeiten und Verhaltensweisen, Teil von Intimität sind und zeigt an dem Beispiel ihrer sexuellen Entwicklung wie sexuelle Gewalt sich auf ein ganzes Leben auswirken kann. (Sie merkt an, das der Aufschwung liberalen Feminismus' nicht die Freiheit war, als die er dargestellt wurde sondern nur ein Perspektivwechsel im gleichen Szenario.) Wie die Entwicklung von Opfer zu Tätersein zustande kommen kann und weitere Ansätze, sowohl mentale, als auch körperliche Grenzüberschreitungen zu verarbeiten, erklärt sie so zugänglich wie möglich. Kurz: Gewalt, Vertrauen und das Brechen ebendessen, sowie unser Betrachten von Vertraulichkeit. Unversöhnlich ehrlich, schmerzhaft und doch großartig.
Helene Bracht wurde im Kindesalter über mehrere Jahre hinweg mehrfach von ihrem erwachsenen Nachhilfelehrer missbraucht. Nun, Jahrzehnte später, schildert sie in "Das Lieben danach" von dem Missbrauch, dem enormen Vertrauensverlust und ihren anschließenden Beziehungen - vor allem zu Männern, aber auch zu ihrer Mutter und der Thematisierung von Sex innerhalb der Familie. Bracht arbeitet nicht nur ihren eigenen Missbrauch auf, sondern auch ihre sexuellen Begegnungen, ihre Beziehungen und beleuchtet unter anderem, weshalb sie auf einen Hochzeitsschwindler hereinfallen konnte und weshalb sie Schwierigkeiten mit echter Bindung hat. Außerdem thematisiert sie, wie sie selbst zur Täterin wurde und welche Rolle Grenzüberschreitung und Gewalt spielen können.
"Das Lieben danach" ist ehrlich, schonungslos und nachvollziehbar, weshalb ich eine absolute Leseempfehlung ausspreche.
Ein sehr wichtiges Buch über Missbrauch, Macht, Traumata, Liebe, Vertrauen und Sexualität. Der Schreibstil der Autorin ist extrem schön und brachte an manchen Stellen Gefühle, für die ich selber keine richtigen Worte finden konnte, perfekt auf den Punkt. Es handelt sich generell eher um ein Sachbuch, gemixt mit autobiografischen Erzählungen, was m.M.n die perfekte Mischung für solch ein Buch ist. Die (Kindes-)Missbrauchsszenen waren sehr detailliert und schwer zu lesen, weshalb ich es allen Leuten, die empfindlich auf solche Themen reagieren, eher nicht empfehlen würde alleine zu lesen.
Ein ehrlicher, bewegender autobiographischer Einblick in persönliche Anekdoten von Beziehungen, Missbrauch, Weiblichkeit, und Gesellschaft. Jede einzelne Geschichte aus dem Leben der Autorin aufgeschlüsselt und psycho-soziologisch analysiert und bewertet. Unfassbar gut strukturiertes Buch, was mir an vielen Stellen absolut aus der Seele spricht. Absolute Empfehlung für alle Frauen, und die, die sie verstehen wollen!!!