Wenn sich Politiker*innen der unterschiedlichsten Parteien auf etwas verständigen können, dann auf die unumstößliche Wähler*innen haben immer recht. Doch wenn es im Grundgesetz heißt, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, dann geht damit auch eine gewisse Verantwortung einher. Wer Extremisten wählt, weil die Bahn ausfällt oder im Dorf der Bäcker zumacht, der trägt zur Zerrüttung unserer Gesellschaft und politischen Kultur bei. Es gibt Alternativen. Auch demokratische. Mark Schieritz, stellvertretender Ressortleiter »Politik« bei der ZEIT, zeigt in seinem hochaktuellen Debattenbuch, warum es brandgefährlich ist, die Gründe für die Krise der Demokratie ausschließlich in der Politik zu suchen. Seine kluge Analyse macht deutlich, dass wir uns eben nicht bedingungslos auf das Volk verlassen können, denn der Wählerwille folgt nicht immer den Gesetzen der Logik.
Gute, schnelle Lektüre zu unserem unverzichtbaren Debattendiskurses. Eine gewisse Übung der Leser*innen muss aber wohl vorhanden sein, damit die Analyse und Botschaft verfängt.
2019/20 habe ich in einem Seminar Brennans "Against Democrazy" mit seiner Forderung, Uninformierten das aktive Wahlrecht zu entziehen, gelesen: Meine Prognose war, dass uns das Thema absehbar wieder beschäftigen wird. Ich fühle mich ein klitzekleinwenig bestätigt durch Schieritz' Buch! Mich irritieren zwei Dinge: Wenn im Raum steht, dass "wir" – ich nehme an gemeint ist: wir alle als Wählende, Politiker:innen, Medienschaffende, Wirtschaftsmachende – zu dumm für die Demokratie sind, sollte dies schon empirisch untermauert werden und zwar sowohl nach Gruppen getrennt (welche Gruppen sind inwiefern dumm?) als auch diachron (sind wir dümmer als unser Vorgänger?). Außerdem hätte ich mir mehr Lösungsvorschläge gewünscht. Dass Wählende dumm sind, ist jetzt keine so neuartige und überraschende Diagnose, dass es einen Mehrwert bringt, wenn nur diese Diagnose gestellt wird.