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Unter Grund

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Wo beginnt die Schuld?

Inmitten des Schweigens ihrer Familie hat Franka sich schon immer verloren gefühlt. Bereits ihre Großmutter, genannt die Fuchsin, hortete Geheimnisse wie die schwarzen Steine in ihrer Schürze. Als Franka mit Ende Zwanzig in die fränkische Provinz mit den Himmelsweihern und Spiegelkarpfen zurückfährt, sieht sie endlich Wie das war in den Nullerjahren, als Deutschland Weltmeister im eigenen Land werden wollte. Als ihr Vater starb und sie in Patrick und Janna Gleichgesinnte fand, die Unsicherheit mit Krawall, Frustration mit Faustschlägen übertünchten. Als sie immer tiefer in die rechte Szene einstieg. Sie beginnt Fragen zu stellen und sucht nach einer Haltung zur Vergangenheit.»Wie umgehen mit der Sehnsucht nach Zugehörigkeit, radikaler Wut und den blinden Flecken der eigenen Familie? Am Ende wird Schweigen hat ein Verfallsdatum.« Börsenblatt »Was auch heute in Deutschland mehr oder minder im Untergrund rumort, bringt Annegret Liepold mutig zur Sprache.« Abendzeitung

257 pages, Kindle Edition

Published February 1, 2025

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About the author

Annegret Liepold

1 book2 followers

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Community Reviews

5 stars
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16 (5%)
1 star
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Displaying 1 - 30 of 47 reviews
Profile Image for Elena.
1,031 reviews413 followers
August 18, 2025
Franka sitzt mit ihrer Mitbewohnerin Hannah und den Schüler*innen ihrer Klasse im Oberlandesgericht München und begleitet den NSU-Prozess um Beate Zschäpe, als sie ihre Vergangenheit einholt. Fluchtartig verlässt sie das Gericht - denn Franka hat selbst eine rechtsradikale Biografie, die sie lange verdrängt hat. Auch in ihrer Familie wurde darüber geschwiegen. Franka beschließt, in ihre Heimat, ein kleines fränkisches Dorf umgeben von Fischweihern und Feldern, zurückzukehren und sich endlich ihrer Vergangenheit zu stellen.

In ihrem Debütroman "Unter Grund" erzählt Annegret Liepold von der schleichenden Radikalisierung einer Jugendlichen, die sich nach dem Tod ihres Vaters vor allem nach Zugehörigkeit und Freundschaft sehnt. Das Buch ist unterteilt in zwei Zeitstränge, einer spielt in der Gegenwart, in der Franka sich mit ihrer Mutter und Tante auseinander setzt und dadurch auch auf einen Nazi-Hintergrund in der Familie stößt, und einer in Frankas Jugend um die 00er Jahre, zur Zeit der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Durch das Einnehmen der Perspektive von Franka wird ihr Eintritt in die rechte Szene erschreckend nachvollziehbar, die Autorin urteilt nicht von außen, was Frankas Radikalisierung noch schmerzhafter macht. Als Jugendliche sucht sie simple Antworten auf komplexe Fragen, lässt sich verführen von der Einfachheit des Hasses und dem Gefühl eines "wir" gegen "die anderen". In ihren Zwanzigern als angehende Lehrerin sucht sie nach einem Weg, mit ihrer rechtsradikalen Vergangenheit umzugehen und das Schweigen darüber zu brechen. Annegret Liepolds Roman ist eine Warnung und gerade hochaktuell, sieht man doch immer wieder, dass rechte Akteure besonders auf junge Menschen zugehen und sie umwerben. Für mich ist "Unter Grund" ein sehr gelungenes Debüt, in das ich sprachlich zwar erst hineinfinden musste, mich dann aber umso mehr gepackt hat.
Profile Image for Prusseliese.
429 reviews21 followers
February 26, 2025
2,5 *

Wichtiges Thema, aber leider hier nicht schön umgesetzt.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen die so wild gemischt sind, dass man oft nicht durchsieht, aus welchem Jahr erzählt wird. War mir irgendwann auch egal.
Insgesamt wirkt der Stil sehr aufgesetzt und gekünstelt: immer noch ein erklärender Nebensatz hintendran, den keiner braucht.

Es nervt der super inflationäre Gebrauch des Begriffes "Fuchsin" für die Oma.
Das Handeln der Hauptperson konnte ich zu keinem Zeitpunkt nachvollziehen. Diese nörgelt eigentlich immer herum und wendet sich sofort beleidigt ab (von der Mutter, von Mitschülern, von "Freunden", von Ausbildern), wenn es nicht optimal läuft. Wobei unklar bleibt, was sie eigentlich möchte.
Ich konnte für zahlreiche Mörder in Kriminalromanen mehr Empathie aufbringen.
Profile Image for Bücherwolf.
164 reviews10 followers
March 3, 2025
"Unter Grund" ist die Neuerscheinung, auf die ich mich am meisten in diesem Frühjahr gefreut habe. Denn das Thema, wie leicht und unwissend Jugendliche in die rechte Szene rutschen können, hat direkt mein Interesse geweckt. Und tatsächlich ist dieses Buch ein wirkliches Highlight dieses Frühjahrs!

Franka hat sich schon immer allein gefühlt. Sei es inmitten der schweigsamen Familie oder unter Gleichaltrigen. Allein ihr Vater gab ihr Halt im Leben. Doch als dieser starb, wurde die fehlende Zugehörigkeit Frankas immer schmerzvoller. Auf der Suche nach Geborgenheit und Halt lernt sie Patrick und Janna kennen. Sie gehören zu den ersten scheinbar richtigen Freunden Frankas, die sie wirklich vertrauen kann. Doch schnell wird Franka in einen Kreis gezogen, dessen Zusammenhalt auf Hass und Wut aufgebaut ist. Hass gegen Andersgesinnte und Wut auf die Gesellschaft. Beides wird durch Gewalt, Vandalismus und Volksverhetzung ausgedrückt, wobei Franka schon bald nicht mehr zwischen ihrer eigenen Meinung und der Hetze von außen unterscheiden kann und immer tiefer in Antisemitismus und Gewalt versinkt.
Viele Jahre später hat sie beruflich mit den Strafverfahren der NSU-Prozesse zu tun und wird in ihre Vergangenheit zurückgeworfen. Sie reist in ihre Heimat und beginnt sich zum ersten Mal zu fragen, wie sie als Jugendliche in diese Richtung abdriften konnte und schaut zum ersten Mal in die verschwiegene Vergangenheit ihrer Familie. Sie lernt, dass es wichtig ist, die eigene Vergangenheit zu kennen und daraus zu lernen.

Annegret Liepold entwirft einen faszinierenden Roman rund um ein kleines Dorf, in dem rechte Ideologien zur Normalität gehören. Inmitten des Sommers 2006 und der damaligen Heimat-WM von Deutschland strahlt die gesamte Dorfgemeinschaft auf vor Patriotismus. Daraus entsteht ein Umfeld, das rechte Ideologien und Heimatliebe salonfähig macht und die Jugend mit eben diesem Gedankengut aufwachsen lässt und Andersdenkende strikt ausgeschlossen werden.

Die Autorin zeigt auf, wie leicht es für Jugendliche in solch einem Umfeld ist, unwissend in rechtsradikale Kreise gezogen zu werden und wie schwer es ist, dort wieder herauszukommen.

Insgesamt ist es ein wichtiger Roman, der genau die richtigen Themen aufgreift. Dass Eltern darauf achtgeben sollen, mit welchen Freunden sich ihre Kinder herumtreiben, dass wir als Gesellschaft strikter mit nationalsozialistischem Gedankengut ungehen müssen und aufgrund unserer deutschen Geschichte jeglichen Patriotismus, der als Nährboden für das Wiederbeleben nationalsozialistischer Ideologie dient, konsequent ablehnen müssen.
Profile Image for Paula.
278 reviews31 followers
February 27, 2025
Ich weiß nicht so genau, wie ich Unter Grund von Annegret Liepold bewerten soll. Es geht um Franka, die sich ihrer rechtsradikalen Vergangenheit stellt und ist in zwei Zeitsträngen erzählt. Einmal die Gegenwart, 2013, zur Zeit der NSU-Prozesse, die Franka besucht und dann überstürzt in ihr Heimatdorf nahe Nürnberg fährt. Und 2006, als sich Franka als Teenagerin einer rechtsradikalen Gruppe anschließt.

Ich hatte große Probleme mit der Art und Weise, wie die Frankas Radikalisierung dargestellt wird. Generell hat mich die Figur einfach unglaublich genervt. Ich glaube, ich habe noch nie von jemandem gelesen, den ich als so erbärmlich und rückgratlos wahrgenommen habe. Franka wird porträtiert als eine unsichere, verlorene Teenagerin. Sie hat nur einen Freund, von dem sie sich nicht verstanden fühlt, ihre Mutter interessiert sich scheinbar nicht für sie, ihr Vater ist tot. In der Schule ist sie schlecht, sie hat konstant Angst zu versagen und fühlt sich dumm. Dann trifft sie auf Patrick, der sie mit zu seinen Nazi-Freunden nimmt, und in denen sie eine Gruppe findet, in der sie sich aufgefangen fühlt.

Durch Frankas Charakterisierung als unsicher und unentschlossen wird das ganze Buch über suggeriert, dass sie einfach so in die Rechtsradikalität reingerutscht sei, dass ihr etwas entgleist wäre. Sie plant zum Beispiel die Aktionen nicht mit, ist dann aber trotzdem dabei, oder sie steht daneben, wenn ihre Freund:innen Menschen verprügeln, schlägt aber selbst nicht zu. Sie wird konstant als eine Mitläuferin gezeichnet, die nicht so genau weiß, was ihr gerade passiert.

Die Autorin versucht das aufzubrechen, indem sie gegen Ende des Buches zwischen Beate Zschäpes Prozess und Frankas Prozess hin und her springt, aber das ist ihr in meinen Augen gar nicht gelungen. Die Szene soll wohl symbolisieren, dass Franka endlich versteht, wie schlimm ihre Taten und Gesinnung als Teenagerin waren und dass sie Verantwortung dafür übernehmen will. Allerdings finde ich, dass das Gegenteil passiert: dadurch, dass Franka die ganze Zeit als armes kleines einsames Dummerchen beschrieben wird, die durch einen Haufen dummer Zufälle versehentlich in die Rechtsradikalität abgerutscht sei, wirkt es so, als wolle die Autorin Franka und Beate Zschäpe vergleichen und damit Empathie für letztere erwecken. Ich glaube nicht, dass dem wirklich so ist, aber es war sehr irritierend beim Lesen.

Besser fand ich den Schreibstil. Die Autorin findet schöne sprachliche Bilder für Alltägliches (Platzwunden an Tassen hat mir sehr gut gefallen). Generell war auch die Geschichte nicht uninteressant. Es hat einen Moment gedauert, bis ich drin war, aber dann wollte ich schon wissen, wie es weitergeht.

Ich schwanke zwischen zwei und drei Sternen, aber entscheide mich letztendlich doch für zwei, weil es einfach sehr viel gab, was mich gestört hat. Der Text macht auf unzählige Gründe und Umstände aufmerksam, die dazu führen, dass Franka rechtsradikal wird. Dazwischen geht unter, dass sie wirklich an jeder Stelle des Buches eine andere Entscheidung hätte treffen können. Ich glaube schon, dass Frankas Geschichte auch ein Stück weit als Mahnung dienen sollte, aber ich habe sie vor allem als Rechtfertigung wahrgenommen, und das hat mir nicht gefallen.
Profile Image for Clarissa.
695 reviews20 followers
Read
September 6, 2025
DNF 50%
Da ich selbst auf dem Dorf aufgewachsen bin, kommt mir hier vieles bekannt vor.
Ich kann mich nicht weiter durch dieses Buch kämpfen, dessen Stil mir einfach nicht liegt, weder sprachlich noch vom Aufbau her.
Profile Image for auserlesenes.
364 reviews16 followers
March 14, 2025
München im Sommer 2017: Mit einer Klasse besucht Referendarin Franziska Zimmermann, genannt Franka, den NSU-Prozess. Dabei kommen plötzlich Erinnerungen an ihre Schulzeit hoch, als sie in rechte Kreise geraten ist…

„Unter Grund“ ist der Debütroman von Annegret Liepold.

Die äußere Struktur des Romans ist simpel: Es gibt neun Kapitel. Erzählt wird aus der Sicht von Franka allerdings auf zwei Zeitebenen: einerseits in Frankas Referendarzeit im Jahr 2017 und andererseits während ihrer Schulzeit im Jahr 2006. Die Handlung spielt in Bayern.

Die Sprache ist bildstark und sehr atmosphärisch. Die anschaulichen Beschreibungen und lebensnahen Dialoge haben mir gut gefallen.

Protagonistin Franka ist eine äußerst interessante Figur. Sie wird zwar mit psychologischer Tiefe dargestellt, kommt jedoch leider teilweise melodramatisch rüber und wirkt dadurch selbst im Jahr 2017 noch unreif.

Thematisch dominieren die Fragen, wie junge Leute in rassistische und rechtsextreme Kreise geraten können und wie der Absprung gelingen kann. Dargestellt wird, wie attraktiv die Gemeinschaft auf Außenseiter wie Franka wirken kann und wie empfänglich gerade unsichere Heranwachsende, insbesondere Mobbingopfer oder Personen mit instabilem Umfeld, für extreme politische Positionen sind. Diesbezüglich ist die Protagonistin ein gutes Beispiel. Zugleich wird in der Geschichte aufgezeigt, wie familiäre Einflüsse und Prägungen eine rechte Gesinnung begünstigen können.

Auf den rund 250 Seiten werden darüber hinaus weitere Themen angeschnitten, was den Roman vielschichtig und gehaltvoll macht, ihn zugleich aber zerfasert. Nach den zahlreichen Andeutungen in den ersten Kapiteln habe ich die Geschichte insgesamt zudem als etwas unspektakulär empfunden.

Das schöne Covermotiv ist sowohl in optischer als auch in inhaltlicher Hinsicht eine gute Wahl. Der mehrdeutige Titel passt ebenfalls hervorragend.

Mein Fazit:
Mit „Unter Grund“ ist Annegret Liepold ein empfehlenswerter Debütroman gelungen, der mich vor allem auf der sprachlichen Ebene überzeugt hat. Trotz kleinerer Schwächen hat mich auch der Inhalt nicht enttäuscht.
Profile Image for Marco Barton.
61 reviews
June 29, 2025
Ein schöner Sommertag im Garten und ich habe das Buch verschlungen.
Profile Image for Fini S.B..
51 reviews6 followers
July 11, 2025
Ein intensives Debüt, das sofort mein Interesse geweckt hat, weil es ein Thema behandelt, das aktueller kaum sein könnte: Wie leicht Jugendliche – aus Unwissenheit, Unsicherheit oder Einsamkeit – in rechte Strukturen abrutschen können.

Die Geschichte beginnt mit den NSU-Prozessen. Die Referendarin Franka besucht gemeinsam mit ihrer Schulklasse den Gerichtssaal, in dem Beate Zschäpe verhandelt wird. Dieses Erlebnis wirft Franka brutal in ihre eigene Vergangenheit zurück – zu Erinnerungen und Taten, vor denen sie lange davongelaufen ist. Zum ersten Mal setzt sie sich ernsthaft mit ihrer Geschichte auseinander. Wir reisen—in zwei Zeitsträngen, der Gegenwart und ihrer Jugend—mit Franka zurück in ihr Heimatdorf, in dem rechte Ideologien seit jeher unter der Oberfläche schlummern oder sogar offen zum Alltag gehören.

Im Sommer 2006, zur Zeit des „Sommermärchens“ der Fußball-WM, ist die junge Franka in eine Phase ihrer Jugend, in der sie – nach dem Tod ihres Vaters – völlig haltlos ist. In ihrer Familie wird wenig gesprochen und sie fühlt sich unter Gleichaltrigen isoliert. Als sie Patrick und Janna begegnet, scheint sich das Blatt zu wenden: Zum ersten Mal fühlt sie sich zugehörig, als Teil einer Gruppe, einer Gemeinschaft. Doch diese vermeintliche Geborgenheit beruht auf Ausgrenzung und Hass gegenüber allem, was anders ist. Franka verliert zunehmend ihre eigene Haltung, beginnt Parolen nachzuplappern, lässt sich mitreißen von der Wut ihrer Clique – bis sie schließlich selbst Teil rechter Gewalt wird. Die Grenze zwischen Mitläufertum und eigener Verantwortung verschwimmt.


Liepolds Sprache hat mir sehr gefallen. Ihr gelingt es, alltägliche Situationen mit poetischen Bildern und stimmigen Metaphern zu schmücken, ohne dabei überladen zu wirken.
Franka ist als Hauptfigur nicht einfach zu ertragen – oft wollte ich sie schütteln, sie wachrütteln. Und doch schafft es die Autorin, ihr Gefühlsleben und starke Unsicherheit aufzuzeichnen. Trotz meiner Frustration mit der Figur, konnte ich den Roman nicht weglegen.
Thematisch stellt der Roman unbequeme Fragen: Wo beginnt Schuld? Wo hört sie auf? Während der erste Teil diese Fragen eindringlich aufwirft, bleibt der zweite – der Versuch einer Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld – für mich etwas zu vage.

Gegen Ende springt die Erzählung zwischen den Gerichtsverhandlungen rund um Zschäpe und Frankas Rückblicken hin und her. Ich verstehe den erzählerischen Ansatz: Franka erkennt durch die NSU-Prozesse die Schwere u. Bedeutung ihrer damaligen Taten. Doch leider entsteht hier auch Raum für eine andere Interpretation. An manchen Stellen wirkt die Gleichsetzung fast wie eine Relativierung und Rechtfertigung–obwohl ich nicht glaube, dass die Autorin das beabsichtigt hat.
Gerade Frankas heutige Position als Lehrerin hätte Potenzial geboten, einen runden Abschluss zu schaffen: Wie wirkt sie heute antisemitischen oder rassistischen Tendenzen in der Schule entgegen? Eine solche Entwicklung – sei es in der Auseinandersetzung mit ihrer Klasse oder mit sich selbst – hätte ich mir gewünscht. 50 Seiten mehr zur Frage nach Verantwortung u. Prävention wären hier ein echter Gewinn gewesen.

Trotz dieser Kritik halte ich Unter Grund für einen lesenswerten, wichtigen Roman! Er liefert Denkanstöße zu einem gesellschaftlich hochbrisanten Thema u. zeigt eindrucksvoll: Niemand wird als Rechtsradikale*r geboren. Radikale Haltungen entstehen dort, wo Orientierung fehlt und besonders Jugendliche mit unsicherem sozialen Umfeld sind anfällig. Der Roman ist ein Weckruf: Es liegt an uns allen, hinzusehen u. die Jugend nicht denen zu überlassen, die mit Hass und Ausgrenzung locken.

⭐️⭐️⭐️💫💫 3,75 - 4 / 5
124 reviews1 follower
July 23, 2025
3.5 ⭐️

Wie schnell und warum „rutscht“ eine Jugendliche in die rechtsradikale Szene ab? Um diese Fragen geht es in diesem Buch. Die Geschichte ist wahnsinnig interessant, der Schreibstil toll. Nur die Frage nach dem „warum“ klärt sich für mich nicht komplett. Franka ist eine sehr schwierige Protagonistin. Ihr Verhalten hat mich oft sehr wütend gemacht und ihre Perspektive oft nicht nachvollziehbar. Ich hätte mir mehr Erklärungen gewünscht, so wirkte alles sehr passiv und fast schon zufällig. Ich verstehe ein Stück weit, was die Autorin damit zum Ausdruck bringen wollte. Aber spätestens aus der Perspektive der Erwachsenen Franka hätte aus meiner Sicht mehr Reflexion statt finden müssen.
Profile Image for lovelystranger.
36 reviews
December 12, 2025
Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie ich anfangen soll. vielleicht mit dem positiven Aspekt…: Mir sagt das Konzept von Zeitrückblicken, insbesondere solche, die man zufällig bekommt, wenn man an einen emotional behafteten Ort kommt, sehr zu. Außerdem wird klar das Problem des „Totschweigens“ (übrigens nicht nur von den Großeltern, sondern auch von Eltern und angehörigen über Frankas Verhalten) thematisiert.

Aber. ABER.
Insgesamt kann ich nicht sagen, dass mir dieses Buch gefallen hat ._. Das liegt an folgenden Aspekten;

Franka wird als Hauptprotagonistin VIEL ZU SEHR entlastet
Während ich verstehen kann, was das psychologische Phänomen von Zugehörigkeit, einem „Wir-Ihr“ (eigentlich einfach Die Welle) bedeutet, finde ich dass es in diesem Fall viel zu sehr so scheint als würde sich daraus eine Rechtfertigung ergeben. Das sehe ich (und hoffentlich jeder andere Mensch auch) nicht so. Man ist nicht Opfer seiner selbst. Man ist als Mensch fähig zur Reflexion. Man ist Frau seines eigenen Schicksals.
Ich unterstelle der Autorin nicht, dass das erklärte Ziel dieses Werkes war, Menschen wie Franka zu rechtfertigen, allerdings hätte da stilistisch und auch im Gang der Geschichte m.E.n einiges anders laufen müssen.

- Franka lehnt von Anfang an eine antifaschistische Gesinnung ab (s. Leon) das kommt ihr alles dubios und übertrieben vor, aber dass ihre neuen bekanntschaften einen HITLER-GRUSs machen, nachdem sie die Nationalhymne singen ist zwar auffällig, wird aber nicht negativ bewertet? Kannst man mir nicht verkaufen

- Klar, manche Sachen kommen auch Franka nicht gut vor (s. situation in der disko) aber dann steht sie einfach daneben? macht nichts? wundert sich nur und chillt dann einfach weiter mit Janna? Als könnte sie sich nicht einfach distanzieren?

Franka ist eine unsympathische, selbstbemitleidende (und im Endeffekt entschuldigte), Hauptprotagonistin.
Ich kenne den unsympathischen Hauptprotagonisten natürlich als stilistische Figur. Auch bezieht sich das Selbstbemitleidende nicht auf die Sachen in ihrem Leben, die schlimm sind (familiäre situation), sondern auf die Sachen die sie ändern KÖNNTE. Aber sie wählt den leichten Weg und wird (OHNE AUCH NUR EINMAL DARÜBER NACHZUDENKEN) ein Teil einer Nazi-Gruppierung😀

- Die Geschichte ging auch nicht so aus, dass Franka WENIGSTENS von selbst auf die Idee gekommen ist, dass das was sie macht KRANK ist, nein sie fällt zufällig aus der Gruppe raus?????? Kannst du mir nicht erklären. Ja, ich verstehe das stilistische Mittel, dass sie sich fragt, ob sie mitgegangen wäre usw. ABER das kann doch nicht die Quintessenz eines solchen Buches sein?

Fazit; Einfach nicht das, was ich mir von einem Buch wünschen würde, welches mit dem Rechtsruck- Problem umgeht, das momentan vorherrscht.
Profile Image for Verena Gangkofer.
40 reviews5 followers
September 1, 2025
3.75 Sterne.
Wie 'rutscht' man in die rechtsextreme Szene ab? Weil man sich selbst nicht mag? Weil man unbedingt irgendwo dazugehören will? Weil das eigene Umfeld nichts dagegen tut?
Ich habe mich sehr schwer getan mit der Protagonistin Franka, denn Franka entscheidet sich an einigen Stellen bewusst dazu, Dinge zu tun, von denen sie eigentlich weiß, dass sie sie falsch findet. Insofern rutscht sie gar nicht wirklich, sondern entscheidet sich, ein Teil der rechtsextremistischen Szene zu sein, findet die Schuld dafür allerdings zum Teil in anderen Personen.
Schön dargestellt ist allerdings das Leben im Dorf und wie die Heimat-WM bei Menschen dafür sorgte, wieder 'stolz' aufs Heimatland zu sein und Fahne zu zeigen - etwas woran ich mich selbst noch gut erinnere und was mich damals mit 16 schon irritiert hat. Ich war übrigens im selben Jahr 16 wie Franka und bin in der selben Gegend aufgewachsen - vielleicht fällt es mir deshalb noch schwerer, Frankas Weg nachzuvollziehen. Vielleicht soll die Geschichte aber genau das.
Sprachlich habe ich das Buch sehr genossen. Auch den Aufbau und die wechselnden Zeitebenen haben mich angesprochen. Darum näher an 4 als an 3 Sternen.
Profile Image for Cosi Appel.
13 reviews
March 29, 2025
Ich fühle viel nach diesem Buch, vor allem Wut auf rechte/ rechtsradikale Netzwerke. Annegret Liepolds Debütroman zeigt an einigen Stellen sehr deutlich, wie mit rechter Gewalt umgegangen wird: zwar wird sie von der Mehrheitsgesellschaft verachtet, trotzdem gerne mal übersehen. Besonders auf juristischer Ebene. Das Motiv des Über-Sehens/ Nicht-Hören-Wollens ist wiederkehrend zu finden und zeigt, wie es um viele Teile der Gesellschaft steht. An manchen Stellen hätte die Autorin gerne intensiver in die Themen reingehen können. Jedoch ist die Geschichte in sich schlüssig und passt wunderbar auf die 250 Seiten. Die Content-Warnungen wären am Anfang des Buches für mich besser gewesen als ganz hinten.
Insgesamt finde ich es aber eine interessante Geschichte mit sehr wichtigen Themenbereichen und spürbaren Charakteren. Es ist nachvollziehbar wie sich Franka fühlt. Für mich grundlegend nicht nachvollziehbar ist aber, warum man eigene Unsicherheiten und „schwierige“ Gefühle in rechtsradikaler Scheiße bündeln muss. Zum Glück steht am Ende des Buches der Anfang von Frankas Reflexion über die Ausmaße ihrer (Mit)täterinnenschaft.
Ich freue mich auf mehr Romane von Annegret Liepold - vielleicht ja im selben Themenbereich!
This entire review has been hidden because of spoilers.
Profile Image for kristinaliest.
644 reviews9 followers
May 20, 2025
Der Debütroman von Annegret Liepold hat mich durch sein ansprechendes Cover sofort neugierig gemacht. Die dahinterstehende Thematik ist äußerst aktuell, und ich habe bereits viele positive Meinungen dazu gelesen. Die Autorin schafft es, den Vibe der frühen 2000er Jahre sehr authentisch einzufangen.

Der Roman wird aus zwei zeitlichen Erzählsträngen erzählt, was ich persönlich manchmal etwas schwierig fand, da ich manchmal nicht genau einschätzen konnte, um welche Zeit es gerade geht. Dennoch wird die Geschichte sehr beeindruckend erzählt, und es ist erschreckend, wie schnell ein (junger) Mensch durch Zufallsbekanntschaften in rechte Kreise abrutschen kann.

Der Roman regt zum Nachdenken an und zeigt auf eindrucksvolle Weise die Gefahren und die Dynamik solcher Entwicklungen.
Profile Image for Katja Härlein.
28 reviews1 follower
August 13, 2025
Das Buch fühlte sich unheimlich vertraut an - und das nicht nur, weil die Geschichte quasi vor meiner Haustür angesiedelt ist und sich dadurch alles sehr heimisch und bekannt anfühlt. Jugendliche Unsicherheit, der Wunsch danach, irgendwo dazuzugehören, Dorfgemeinschaften und vor allem das Gefühl, dass jede familiäre Geschichte und Erzählung vom Krieg irgendwie erst nach dem Krieg ansetzt. Hmm...

Einen Punkt Abzug gibt es von mir dafür, dass die Moral des Buchs ein bisschen zu "in your face" ist und dass es sich manchmal wie Schullektüre liest (aber eine der guten!). Das ist vor allem deshalb etwas schade, da die Autorin durchaus ein Händchen für Sprache, Stimmung und vor allem Metaphern hat. Würde nochmal was von ihr lesen.
Profile Image for Dennis.
56 reviews4 followers
September 22, 2025
3-4 Sterne, weil die Lektüre abwechslungsreich und unterhaltsam ist. inhaltlich ist es mir einerseits etwas zu moralisch, andererseits für die Protagonistin zu entlastend: letztlich bekämpft sie ihre familiären, schulischen und dörflichen Probleme gleichsam mit Alkohol wie mit Rechtsextremismus. das spricht sie frei davon, Überzeugungstäterin zu sein. und das ermöglicht ihre Lossagung und (Er-)Lösung. ich weiß nicht, ob mir diese Form von Herzens- und Gehirnträgheit lieber ist als ein rechtes Eltville.

Leider sind die Wendungen relativ vorhersehbar, auch wenn einige Mühe in den Aufbau geflossen zu sein scheint.

Sehr gut gelungen ist die Darstellung des Dorfes, soweit ich das als Städter beurteilen kann. Und ganz heimlich ist das ja auch irgendwie weniger ein Buch über den Links-Rechts- als über den Stadt-Land-Cleavage, weil es mehr um die Strukturen des Dorfes im Kontrast zur fernen Stadt (Nürnberg, Leipzig, Berlin, München) geht als um linke oder rechte Inhalte. die sind eher Kulisse.

insgesamt 3,5 Sterne, aber mit der Tendenz, abgerundet zu werden.
Profile Image for Marlene.
7 reviews
April 19, 2025
ein sehr wichtiges Thema, das in dem Buch auf einer nahebaren Ebene angesprochen wird. ich hatte nur starke Probleme damit, die Handlungen der Protagonistin Franka nachzuvollziehen, bzw. viel es mir sehr schwer jegliche Empathie für sie zu empfinden, da vieles was sie tut/sagt meines Empfindens nach nicht gut genug durchdacht war.
Profile Image for Isabel.
6 reviews
August 12, 2025
Ich weiß nicht ob ich dieses Buch so gut gefunden hätte, wenn ich damals nicht altersmäßig und geographisch so nah an der Protagonistin gewesen wäre. Viele der Orte, Menschen und Situationen sind so realistisch beschrieben, dass es viele Erinnerungen hervorruft und die Frage wie das damals eigentlich so war.
Profile Image for Sarah.
148 reviews12 followers
June 9, 2025
2,5 Sterne

„Im Fuchsbau war nur Alltägliches relevant, Sonderangebote und ein Gott, der vor und nach dem Krieg der Gleiche war.“
Profile Image for gina.
408 reviews7 followers
February 4, 2025
Das Cover ist wunderschön, ich liebe alles daran! Und das Buch ist trotz seiner Zartheit so unglaublich präzise und eindrucksvoll. In den knapp 240 Seiten steckt so viel; so viel Schmerz, Trauer, Unsicherheit, Glaube aber auch einiges an Irrglaube, Hoffnung und die Frage nach Mitläufer- oder Mittäterschaft. Im Kern des Ganzen geht es aber um Franka, um ihre Familie, ihre Sorgen, Ängste und Unsicherheiten. Ich fand’s wirklich großartig!
Profile Image for Anne Zeiß.
18 reviews
February 22, 2025
Interessante Perspektive mit kleinen Schwächen in der Umsetzung

Neben der Covergestaltung hat mich vor allem die Perspektive angesprochen, aus der Annegret Liepolds Debütroman Unter Grund erzählt wird: Die Sichtweise von Franka, einer jungen Frau, die als Jugendliche für einige Monate in einen rechtsextremistischen Freundeskreis gerät und nun Jahre später in das Dorf, in dem sie aufgewachsen ist, zurückkehrt, um diese Zeit zu reflektieren.

Die ungeschönte, nicht romantisierte Beschreibung einer Jugend im Dorf, die Beweggründe, warum sich Menschen rechten Gruppen anschließen und ein angedeutetes Familiengeheimnis rund um Frankas Großmutter - die Hauptthemen des Romans haben mich wirklich neugierig gemacht. Dennoch habe ich lange gebraucht, um mit dem Buch und vor allem der Protagonistin, die stets lieber vor allen davonläuft, statt klärende Gespräche zu führen, warm zu werden. Das lag einerseits am Schreibstil, da ich immer wieder über Formulierungen gestolpert bin, die nicht ganz stimmig schienen. Es waren zwar nur Kleinigkeiten, in der Summe haben sie jedoch meinen Lesefluss gestört. Manchmal hatte ich den Eindruck, die Autorin hat sich bemüht, tiefgründiger zu klingen, als es die entsprechenden Textstellen hergaben.

Andererseits wurde das Dorf für mich nicht richtig greifbar. Am Anfang gibt es eine starke Szene, in der das Dorf wie eine Art Protagonist auftritt. Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass Franka und ihre Großmutter, eine wichtige Figur im Roman, im selben Dorf gelebt haben, später ist dann aber die Rede vom Nachbardorf. Es ist mir letztlich nicht ganz klar geworden, ob es um eines oder mehrere Dörfer geht und ob “das Dorf” nun der Ort ist, an dem Franka mit ihren Eltern gelebt hat oder der, in dem das Haus der Großmutter steht. Auch die Größe des Ortes blieb mir schleierhaft. Erst scheint es ein sehr kleiner Ort zu sein, in dem jeder jeden kennt und alles über die anderen weiß, dann können einem aber plötzlich doch Dorfbewohner begegnen, die man nicht oder kaum kennt, und man braucht ein Auto, um zur Großmutter zu fahren. Auch die Figuren neben Franka waren für mich größtenteils wenig greifbar und wirkten eher eindimensional.

Ebenfalls gestört hat mich, dass die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, die Liepold sehr passend als Hintergrundgeschehen für die Geschichte gewählt hat, teilweise nicht zu der zeitlichen Einordnung der Ereignisse des Sommers passt, in dem Franka sich mit den rechtsextremistischen Jugendlichen anfreundet. Da die Autorin Spielergebnisse und Torschützen recht genau recherchiert hat, hätte sie eigentlich auch bemerken müssen, dass die WM bereits am 9. Juli endete und Ende Juli, als das Dorffest stattfindet, somit schon längst vorbei war.

Die letzten Kapitel haben mich aber dann doch mit dem Roman versöhnt. Liepold schafft es, nachvollziehbar zu machen, wie es passieren kann, dass eine Jugendliche wie Franka ganz plötzlich anfängt, im Geschichtsunterricht den Holocaust anzuzweifeln und sich einer rechtsextremistischen Gruppe anzuschließt. “Unter Grund” zeigt gut die Zerrissenheit zwischen der Verbundenheit mit dem Heimatort, der Familiengeschichte und Tradition und dem Gefühl fehlender Zugehörigkeit. Die Auflösung des Familiengeheimnisses hat mich überrascht und meiner Meinung nach für einen runden Abschluss der Geschichte und eine Entwicklung der Protagonistin gesorgt.

Ich empfehle Unter Grund von Annegret Liepold allen, die ungewöhnliche Coming of Age Geschichten mögen, sich für das Thema Dorfleben interessieren und sich fragen, wie es passieren kann, dass Menschen in die rechte Szene abrutschen, und die über kleine Ungenauigkeiten und ein paar holprige Formulierungen hinwegsehen können.
61 reviews
February 21, 2025
Geschickt verknüpft, aber ausbaufähig

In ihrem Debütroman verknüpft Annegret Liepold geschickt die Geschichte von Franka in der „Gegenwart“ (ca. 2017), welche aktuell ein Referendariat in einer Schule in München absolviert und mit der Klasse zu Beginn des Romans den laufenden NSU-Prozess besucht, und der jugendlichen Franka im Jahre 2006, die sich in ihrem Heimatdorf mehr und mehr einer rechten(-extremen) Clique annähert. Somit verbindet die Autorin, wie Menschen ganz graduell in ein rechtes Milieu rutschen können, zu welchen Handlungen dies im Extremfall führen kann und letztlich durch die Verbindung zum NSU-Prozess, welche katastrophalen Folgen eine solche Gesinnung und ein solches Handeln haben können. Der Titel „Unter Grund“ ist diesbezüglich natürlich hervorragend gewählt, lassen sich doch durch verschiedene Sprechweisen auch Deutungsmöglichkeiten implizieren.

Neben Franka, die wir durch sowohl Rückblicke in ihre Jugend als auch fortschreitende Geschehnisse in ihrer Gegenwart immer besser verstehen lernen, tauchen auch diverse Nebenfiguren auf, die das gesamte Spektrum von politisch links und alternativ bis hin zu knallhart rechtsextrem auffächern. Während Franke zunächst noch in der Schule mit einem Antifa-Sympathisanten befreundet ist, lernt sie zufällig Gleichaltrige aus dem rechten Spektrum kennen und lässt sich bereitwillig von deren Charisma mitziehen. Aber auch auf der familiären Ebene lernen wir Menschen kennen, die wie Frankas Mutter weltoffen agiert oder lesen Geschichten über ihre Großmutter „Die Füchsin“, die während ihrer Jugend straffe Anhängerin der nationalsozialistischen Ideologie war und bis ins hohe Alter einen großen Einfluss in der Familie ausübte.

Nachdem ich nach dem fulminanten Einstieg zum Zeitpunkt des NSU-Prozesses erst einmal etwas Probleme hatte, mich in den Rückblicken von Franka zurechtzufinden, tauchte ich mehr und mehr in ihre Vergangenheit ein und beobachtete fasziniert, wie aus einer politisch eher neutralen Person innerhalb weniger Wochen eine Rechtsextreme werden kann. Dabei legt die Autorin immer wieder Hinweise aus, dass hierfür nicht allein die Peergroup verantwortlich ist, sondern auch die Familienhistorie. Hier hätte ich mir etwas detailliertere Ausführungen zur Großmutter und zum Vater der Protagonistin gewünscht. Es kann aber auch sein, dass die Autorin dies beabsichtigt vage gehalten hat, um uns aufzuzeigen, dass wir nicht vollkommen bewusst indoktriniert werden müssen, um trotzdem davon beeinflusst zu werden. Trotzdem kam mir dies etwas zu kurz.

Letztlich fand ich besonders sie Beschreibungen von verschiedenen Aktionen innerhalb der rechten Szene sehr interessant zu lesen. Die Autorin deutet letztlich nur an, wie Franka letztlich von der Rechtsextremen wieder ihren Weg zurück zur Mitte gefunden hat und nun ihrer Vergangenheit, mit der sie sich nicht mehr in der „Gegenwart“ identifiziert, gegenübertreten muss. Auch hier wäre ich der Protagonistin sehr gern bei ihrem Erkenntnisprozess einer Endradikalisierung genauer gefolgt.

Auch wenn der Roman meines Erachtens nach noch ausbaufähig gewesen wäre, kann ich eine Lektüre empfehlen. Er ist sprachlich solide verfasst und behandelt den Themenkomplex der politischen Radikalisierung aus einem interessanten Blickwinkel. Obwohl mir die Entscheidung sehr schwer fällt, tendiere ich zum Aufrunden auf 4 Sterne. Die Autorin hat definitiv Potenzial und ich bin gespannt, was sie nach diesem Debüt veröffentlicht.

3,5/5 Sterne
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298 reviews29 followers
March 30, 2025
⟶ Unter Grund – Annegret Liepold

Der Untergrund – positiv betrachtet ist er ein Rückzugsort, wie Füchse ihn nutzen. Schließlich liegt ihr Bau unter Grund. Negativ betrachtet ist der Untergrund ein Ort voller Geheimnisse und möglicher Gefahren. Beide Möglichkeiten prallen in diesem Roman aufeinander.

Die Lehramtsstudentin Franka wird auf einem Schulausflug im Gericht mit ihrer Vergangenheit konfrontiert und macht es sich zur Aufgabe, die Geschehnisse ihrer Jugend aufzuarbeiten. Um diese zu verstehen, reist sie zurück in das kleine, ländliche Dorf ihrer Kindheit. Dort angekommen wird sie Tag für Tag an ihre Fehler und Missetaten erinnert und beginnt, ihr Mitwirken in der rechten Szene zu reflektieren.

Inmitten wunderschöner, pittoresker Beschreibungen des Ländlichen taucht man in Frankas wilde Gedanken ein. Innerlich verarbeitet sie nach und nach ihre Taten und beginnt, die Reaktionen der Dorfbewohner zu hinterfragen, zu denen auch ihre Familie gehört.

Der Roman ist ein gelungenes Debüt – trotz einiger weniger Aspekte, die ich bemängeln möchte. Während die Umgebung des Dorfes fantastisch beschrieben wurde, empfand ich das Dorf selbst als wenig greifbar – ebenso wie einige der wichtigen Personen des Romans. Die allgemeine Aussage des Romans wurde auf den knapp 250 Seiten dennoch tadellos vermittelt.

Ich bin gespannt auf Annegret Liepolds zukünftige Werke und empfehle euch, dieses hier zu lesen.

Danke an den Blessing Verlag und das Bloggerportal für eine Ausgabe des Buches.

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⟶ Unter Grund – Annegret Liepold (currently only available in German)

The underground is viewed positively as a place of refuge, the kind foxes use. After all, their den is underground. However, viewed negatively, it is a place full of secrets and potential dangers. Both possibilities collide in this novel.

Franka, a student teacher, is confronted with her past on a school trip to the courthouse and sets out to work through the events of her youth. To understand these events, she travels back to her childhood's small, rural village. Once there, she is reminded day after day of her mistakes and misdeeds and begins to reflect on her involvement in the right-wing scene.

Amidst beautiful, picturesque descriptions of the countryside, the reader is immersed in Franka's wild thoughts. She gradually processes her actions and begins questioning the villagers' reactions, including her family.

The novel is a successful debut despite a few aspects I would like to criticize. While the village's surroundings were described fantastically, I found the village itself to be rather elusive – as were some of the novel's important characters. Nevertheless, the novel's overall message was conveyed flawlessly in its nearly 250 pages.

I'm excited about Annegret Liepold's future works and recommend you read this one.
134 reviews4 followers
April 6, 2025
Eine Jugend zwischen bayrischen Fischweihern und rechtem Gedankengut

Franka ist Referandarin in München. Gemeinsam mit ihrer Klasse besucht sie den NSU Prozess vor dem Oberlandesgericht in München. Nach einer unüberlegten Äußerung eines Schülers flieht Franka überstürzt erst aus dem Gerichtsgebäude, dann aus München, zurück in ihr Heimatdorf. Die Freude über ihre Rückkehr ist verhalten, Zurück in ihrem einstigen Jugendzimmer rollt sie die Erinnerungen und weit zurück liegende Familiengeheimnisse auf.

"Unter Grund" ist ein eingängiger Roman über eine Jugend auf dem Land in unserer heutigen Zeit, in dem längst überwundenes Gedankengut weiterhin alltäglich ist. Frankas Großmutter, von allen nur die Fuchsin genannt, spielt hier keine unerhebliche Rolle. Als Kind genießt Franka den Respekt, den die Menschen vor ihrer Großmutter zu haben scheinen, doch mit deren voranschreitender Demenz wird Franka klar, dass die Nachbarn ihre Großmutter eher verachten und meiden. Nun blickt Franka zurück, nicht allzuweit von ihren Mittzwanzigern in ihre Jugend, als ihr Vater starb und sie den Halt verlor. Als ihr bester Freund seine erste Freundin hatte und Franka statt mit ihm immer häufiger Zeit mit Patrick und Janna verbrachte. Wie sie Janna dafür bewunderte, dass sie ihren ganzen Frust über Aggression ausließ. Und wie Franka dabei immer tiefer in die rechte Szene abrutschte, nur um sich irgendwo zugehörig zu fühlen. Franka beschäftigt sich mit ihrer Schuld ohne dabei wirklich Verantwortung übernehmen zu wollen. Die zentrale Frage dabei ist, ab wann Jugendliche ihre Taten verstehen können und dafür Verantwortung übernehmen müssen. Bis wohin gehen jugendliche "Streiche" und ab wann sind sie politische Straftaten? Und wie kann gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit überhaupt als Spaß angesehen werden?
Zeitgemäßer könnte ein Roman kaum sein und erfrischend finde ich, dass er nicht in Ostdeutschland spielt, sondern zeigt, dass solche Geschichten überall stattfinden können und rechtes Gedankengut überall im Land gärt. Franka ist eine nahbare Protagonistin, auch wenn man ihre Handlungen und ihren Umgang mit ihrer Schuld wenig nachvollziehen kann. Gleichzeitig ist der Roman schonungslos, zitiert auch mal hier und da einschlägige Texte, Lieder und Filme, die man vielleicht gar nicht lesen wollte. Man spürt Beklemmung und ein Bedrohungsgefühl, wenn Franka sich mit den Dorfnaz*s trifft, so gut hat die Autorin diese Situationen beschrieben. Der Roman widmet sich weniger möglichen Lösungen, sodass man hier etwas unbefriedigt zurückbleibt. Auch Frankas Ausstieg wird nur kurz thematisiert. Dennoch ist dieser Debütroman beeindruckend und hallt lange nach.
72 reviews
March 24, 2025
Vergangenheit und Schuld

In "Unter Grund" von Annegret Liepold begleiten wir Franka durch ihre Vergangenheit, ihre Jugend, lernen ihre familiären Verhältnisse kennen und mit welchen inneren Konflikten sie zu kämpfen hat. Und wie sie schlussendlich immer weiter in die rechte Szene hineingerät.

Dabei springt die Erzählung in der Zeit, was mir den Zugang zur Geschichte anfangs etwas schwer gemacht hat, und doch untermauert der Aufbau die inhaltliche Ebene der Radikalisierung Frankas so gut. Die Geschichte beginnt ganz ruhig und wir werden langsam in Frankas Leben eingeführt. Während wir als Lesende bereits mitbekommen, dass etwas unter der Oberfläche brodelt, beschreibt Liepold mit feinem Auge zunächst eher Beobachtungen im Außen. Erst nach und nach dringen wir weiter in Frankas Innenwelt vor und müssen dann auch schon miterleben, wie sich Franka immer stärker radikalisiert. Was sie selbst scheinbar nüchtern und unbeteiligt wahrzunehmen scheint. Außerdem erleben wir auch durch die Zeitsprünge Frankas gegenwärtige Scham gegenüber ihrer Vergangenheit und ihre Suche nach Schuld.

Liepolds Schreibstil hat mir mit seiner Bildhaftigkeit und zum Teil poetischen Sprache als Gegenpol zu den durchaus harten und empörenden Inhalten gut gefallen. Manche Beschreibungen waren mir allerdings zu ausführlich und einzelne Passagen deshalb leider etwas langatmig.

Eine meiner Hoffnungen an das Buch, nämlich die Frage, wie wir Menschen vom rechten Rand zurückgewinnen können, ist dabei erwartungsgemäß nur bedingt beantwortet worden. Es gibt immer Fälle, wie der Frankas, in denen dies möglich ist, aber ebenso ist das Gegenteil (auch erfahrungsgemäß) möglicherweise wahrscheinlicher. Trotzdem ermöglicht mir die Geschichte am Ende einen - zumindest kleinen - hoffnungsvollen Blick, dass Engagement Wirkung zeigen kann.

Vielleicht waren meine Erwartungen an Liepold aufgrund ihres Studiums der Politikwissenschaften etwas zu hoch, sodass ich mir eine Auseinandersetzung auf einer weiteren Ebene gewünscht hätte. So habe ich persönlich leider nicht allzu viel Neues mitnehmen können. Nichtsdestotrotz finde ich "Unter Grund" auch genau so, wie es ist, sehr gelungen und empfehlenswert. Ich gebe 4,5 Sterne.
209 reviews
March 6, 2025
interessant und erschreckend


Das Buch " Unter Grund" von Annegret Liepold zeigt erschreckend auf, wie ein junges Mädchen in die rechte Szene abgleitet.

Franka ist Referendarin und wohnt mit ihrer Klasse dem NSU Prozess um Frau Zschäpe bei. Dabei kommen Erinnerung an ihre Jugend in ihrem Dorf zurück, als sie selbst rechtes Gedankengut vertrat.

Franka wuchs in einem kleinen Dorf in Süddeutschland auf. Ihr Vater, ihr größter Vertrauter ,starb als sie elf war. Ihre Familie geprägt durch eine dominante, wenig einfühlsame Großmutte und eine Mutter, die das Schweigen zur Hauptaufgabe machte. Die einzige Frau, die für die noch wichtig ist, ist die Schwester ihres Vater, die nach seinem Tod aus den USA zurückgekommt.
In der Schule ist Franka Aussenseiterin. Sie selbst, unsicher, wnig selbstreflektiert und ihr einziger Freund Leon, distanziert sich von ihr, als sie seinem Werben nicht nachgibt.Sie fühlt sich allein und ausgegrenzt und trifft in dieser Situation auf Patrick und Janna. Beide sind in der rechten Szene verortet. Dort findet Franka Verständnis und vermeintliche Freunde. Von nun an ist ihr Leben geprägt von Alkohol, rechten Parolen, wie der Auschwitzverleugnung und Fremdenhass bis hin zu Übergriffen, Grabschädung und anderen Anschlägen.

Das Buch beginnt langsam mit Frankas Familiengeschichte, die ich etwas ausschweifend fand. Da wäre etwas Straffung gut gewesen. Aber dann wird dieses Buch sehr interessant. Es wird aufgezeigt, wie einfach es ist , in eine Gemeinschaft zu geraten, die rechtes Gedankengut hegt und ihre Reden Taten folgen lässt. Gerde junge Menschen, die Orientierung suchen und keinen Halt haben durch Elternhaus oder Freunde, sind hier einfache Opfer, da ihre politische Einstellung noch nicht gefestigt ist und es ihnen eigentlich nur um Verständnis und Anerkennung geht und dann verselbständigen sich Sachen sehr schnell, um diese Anerkennung zu erlangen. Muster, die man in der Pubertät häufig findet, die ja eine Orientierungsphase ist, die aber gefährlich wird, wenn es in diese Richtung geht.

Alles in allem eine hochaktuelles Debüt, das am Anfang etwas mehr Straffung vertragen hätte.
70 reviews
February 19, 2025
Authentisch
"So kann sie in den Staub schreiben, was sie vergessen möchte. FRANKA schreibt sie mit dem Zeigefinger auf das Acryl, darunter NAZISCHLAMPE." (Unter Grund, S. 96)

In "Unter Grund" geht es um Franka, die in das Dorf ihrer Kindheit und Jugend zurückkehrt, um sich ihrer Vergangenheit in der rechten Szene zu stellen. Das Buch erzählt, wie Franka dort hineingeraten ist, sich radikalisiert und vom Mitläufer zur Täterin wird.

Ich muss sagen, das Buch hat es mir nicht immer leicht gemacht. Am Anfang empfand ich es als zäh geschrieben. Ich fand nicht so recht hinein, dazu haben auch die nicht immer relevanten Szenen und die vielen Zeitsprünge, denen man aber in der Regel gut folgen kann, beigetragen. Irgendwann versteht man, wo das Buch hinwill, die Fäden führen zusammen und es liest sich besser bis gut.

Die Atmosphäre und die Charakterzeichnungen sind authentisch. Ich bin selbst in einem süddeutschen Dorf in dieser Zeit aufgewachsen und kann leider sagen, dass das genau so passt. Ich habe mich in meine Jugend zurückversetzt gefühlt und unsere "Dorfnazis" (dieser Begriff ist verharmlosend) und ihre Parolen vor mir gehabt. Gut fand ich auch die vielen Leerstellen, die Platz für eigene Gedanken und Interpretationen lassen.

Sehr gut gefallen haben mir auch die Zitathinweise und Erklärungen am Ende des Buches, in denen die Herkunft der rechten Ausdrücke und Symbole aufgezeigt und einige Begriffe erklärt werden.

Ich könnte mir das Buch gut als Schullektüre vorstellen, weil es eindrücklich zeigt, wie schnell man auf die schiefe Bahn geraten kann, auch wenn man einen guten Geschichtsunterricht genossen hat und weil es leider aktueller denn je ist. Allerdings steht dem der etwas zähe Einstieg ins Buch im Weg, ich sehe hier die Gefahr, dass die oft etwas lesefaulen Jugendlichen schnell demotiviert werden. 3,5/5 Sterne
Profile Image for Sara.
40 reviews
May 6, 2025
2017: Franka, angehende Lehrerin, besucht mit ihrer Klasse den NSU-Prozess am Oberlandesgericht München. Als einer ihrer Schüler Beate Zschäpe als „Nazischlampe“ bezeichnet, wird Franka aufgerüttelt. Hals über Kopf fährt sie in ihre fränkische Heimat, um sich Schritt für Schritt ihrer Vergangenheit zu stellen.

2006: Ein Sommermärchen, im ganzen Land werden Deutschland-Fähnchen geschwenkt. Franka kann damit zunächst nicht viel anfangen, mit Fußball hat sie nichts zu tun. In der Schule wird sie ausgeschlossen, von ihrer Familie weitestgehend allein gelassen. Als ihr einziger Freund sie versetzt, begegnet sie Patrick und Jella - und wird unversehens Teil einer Gruppe. Endlich gehört sie dazu, wird mitgenommen, an Gesprächen beteiligt. Was macht es da schon, dass Jella eine Schlägerei mit einem augenscheinlichen Ausländer anzettelt oder Patrick jüdische Straßennamen übersprüht? Manche Aussagen kennt sie doch schon aus der Generation ihrer Großeltern. Was scheinbar harmlos auf einer Fanmeile beginnt, artet im Lauf des Sommers aus.

„Was sie in dieser Nacht getan hatten, war Franka immer wie ein blöder Jugendstreich erschienen. (…) Eigentlich hat sie das ganze Ausmaß erst vor ein paar Tagen begriffen, als sie mit der Klasse im Gerichtssaal saß und zuhörte, mit wie viel Akribie und Hass die zehn Morde geplant worden waren. Plötzlich wurde ihr klar: Ich bin damals rechtsradikal gewesen.“

„Unter Grund“ ist die Geschichte einer Mitläuferin und genau so ist das Buch auch geschrieben. Franka bleibt blass und scheint weder Meinung noch Rückgrat zu besitzen. Mehr als einmal habe ich mich gefragt, warum sie dies oder jenes mitmacht, nie widerspricht, nichts hinterfragt oder nicht wenigstens nach Hause geht. Doch eigentlich beschreibt Annegret Liepold damit sehr gut, wie groß die Sehnsucht nach Zugehörigkeit gerade unter Jugendlichen wirklich ist und wie schwer es sein kann, aus sich heraus eine eigene Meinung zu bilden und diese zu vertreten - ganz ohne soziales Auffangnetz und familiäre Unterstützung. Franka bekommt durchaus gespiegelt, dass sie nach rechts abdriftet, kann oder will diese Entwicklung aber nicht aufhalten, bis sie durch äußere Umstände dazu gezwungen wird.

Die Perspektive wechselt regelmäßig zwischen Gegenwart und Vergangenheit und man spürt förmlich, wie die Orte ihrer Vergangenheit in der erwachsenen Franka Erinnerungen wecken und sie sich kurze Zeit darin verliert. Den Stil und diese zeitlichen Sprünge fand ich wirklich gut, vor allem weil die Szenen der Vergangenheit - auch wenn es nicht erwähnt wird - sich zeitlich zumindest teilweise mit den NSU-Morden überlappen. Diese eine Geschichte mag fiktiv sein, doch in dieser Zeit haben sich wirklich Menschen radikalisiert und rechtsextreme Gewalttaten verübt. Aus diesem Grund finde ich auch Titel und Cover genial gewählt.

Es gibt derzeit zahlreiche Sachbücher auf dem Markt, die sich mit dem Aufstieg der AfD, der Aufarbeitung der NSU-Morde und Rechtsextremismus im Allgemeinen beschäftigen, doch fiktionale Werke (vor allem aus Täter:innensicht) sind rar gesät. „Unter Grund“ schließt diese Lücke und zeigt auf, was fehlende Vergangenheitsbewältigung bewirken und die Radikalisierung Jugendlicher ermöglichen oder beschleunigen kann. Das Buch behandelt ein hochaktuelles Thema und ich würde ihn daher ganz generell, vor allem aber denjenigen empfehlen, die sich für die oben beschriebenen Themen interessieren aber nicht gerne Sachbücher lesen.
Profile Image for Karlsefine Kaffee.
61 reviews
October 22, 2025
Franka, Referendarin Ende zwanzig, hat eine rechtsradikale Vergangenheit. Wie es dazu kam und wie Franka das heute einordnet, wird innerhalb von zwei Zeitsträngen erzählt - ihrer Sicht auf die Dinge heute als Erwachsene Frau (2017) - wo sie mir ihrer Klasse bei einer Gerichtsverhandlung um den Zschäpeprozess dabei sein darf und die Zeit um das Jahr 2006 herum, als sie mit ca. 17 Jahren in die rechte Szene abgerutscht ist.

Durch den Gerichtsprozess um Zschäpe wird ihr bewusst, wie gefährlich ihr Abrutschen in die rechte Szene damals eigentlich war und sie beginnt sich vor sich selbst zu ekeln, sich zu hinterfragen und fährt in ihr altes Heimatdorf um sich der Vergangenheit, die sie größtenteils verdrängt hat, zu stellen.

Obwohl Frankas Gefühlswelt eindrücklich und nachvollziehbar beschrieben wird, haben mir die Konflikte gefehlt, die die erwachsene Franka aushandeln muss. Der Konflikt mit ihrer Mutter wird nur ganz kurz angerissen, es gibt keine wirkliche Argumentation. Der erwachsene Patrick, der als Jugendlicher selbst rechtsradikal war, in den Franka damals verliebt war und zu dem seit dem kein Kontakt mehr besteht - ist nicht zu Hause, als die erwachsen Franka sich traut zu klingeln, um sich mit ihm und der Vergangenheit zu konfrontieren. Der Roman endet mit Ausblick auf ein ausstehendes Konfliktgespräch zwischen Franka und nichtsahnender Mitbewohnerin Hannah, in dem Franka sich Hannah gegenüber zu ihrer Vergangenheit bekennen will. Dass es mit der Mutter so glatt ausgeht, dass Patrick nicht zu Hause ist und dass das Gespräch zwischen Hannah und Franka nicht mehr im Roman statt findet, fand ich sehr schade, denn für mich waren genau diese Begegnungen das eigentlich heikle und somit auch spannende. Dennoch ein sehr packender Roman!
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92 reviews1 follower
April 1, 2025
Vergangenheitsbewältigung
Franka macht ihr Referendariat an einer Schule. Dabei geht sie mit einer Klasse zu einem Gerichtsprozess. Nicht irgendeinem, sondern zum NSU-Prozess, bei dem Birgit Zschäpe verurteilt wird.
Das bringt starke Reaktionen bei Franka ans Licht. Sie rennt aus dem Sal, verlässt sogar die Stadt.
Sie flüchtet nach Hause. Doch ihre Mutter freut sich nicht unbedingt sie zu sehen. Franka ist auch nicht wegen ihrer Familie dort, sondern eher trotz der Familie.
Nach und nach erst habe ich erfahren, was es mit der „Füchsin“, Frankas Großmutter, dem Rest ihrer Familie und Frankas eigener Vergangenheit auf sich hat.
Mit vielen Zeitsprüngen musste ich mich immer wieder etwas neu orientieren. Franka rechnet mit ihrer Familie und auch sich selbst ab. Ich habe nie verstanden, wie junge Menschen in die rechte Szene geraten können, hier ist das nachvollziehbar erklärt. Ein junger Mensch, dem der Halt fehlt, ist sehr offen für Freundschaft, Zusammengehörigkeitsgefühl und auch Spaß haben. Zum Teil ist ihr vielleicht auch gar nicht ganz klar, was sie denn da anstellt. Aber irgendwie doch. So rechnet sie in diesem Buch vor allem mit sich selbst ab und versucht herauszufinden, was für ein Mensch sie jetzt ist. Steckt die „Nazischlampe“ noch in ihr drin? Wie kann sie herausfinden was wirklich gerecht und Recht ist, wenn das Dorf und auch ihre Verwandten ziemlich verlogen sind.
Ein vielversprechender Debütroman mit einer klaren Sprache, gut gezeichneten Figuren und einem brandaktuellen Thema.
32 reviews
April 29, 2025
Der Fuchs geht um!

Es ist der NSU Prozess, der Franka zurück in ihre Heimat drängt. Sie verlässt das Gerichtsgebäude in München überstürzt, sammelt in der WG das Nötigste ein und steigt ohne ein Wort an ihre Mitbewohnerin in den nächsten Zug nach Franken. Hier kommt sie her. Für diese Gegend spürte sie lange eine tiefe Heimatverbundenheit, insbesondere für die Wälder, in denen sie früher mit ihrem Vater Fische von Weiher zu Weiher gehoben hat. Doch nun war sie seit Jahren nicht mehr hier, hat es gemieden zurückzublicken und auch ihre Familie schweigt beharrlich über das was damals geschehen ist - über Frankas Jugend, in der sie immer weiter in die rechte Szene hineingerutscht ist, und über die Familiengeschichte, die Geschichte von Frankas wortkarger Großmutter - der Fuchsin.

Annegret Liepold verwebt Vergangenheit und Gegenwart, mit Schilderungen des NSU Prozesses zu einem großartig komponierten Roman über Schuld. Wo fängt sie an und bei wem? Ab wann tragen junge Menschen Verantwortung für das was sie tun? Und wie hätte man sie davor schützen können?

Es sind große Fragen, die der Roman verhandelt. Und trotzdem kommt er ganz leise daher, findet mit wenigen Worten einen Zugang zu diesem leider so aktuellen Thema ohne mit einfachen Antworten aufzuwarten. Er wirft es hinein in eine so bildhaft beschriebene, archaische Landschaft, von der eine unbestimmte Bedrohung auszugehen scheint. Denn wer schon mal da gewesen ist, weiß: Der Fuchs geht um!

Eine uneingeschränkte Empfehlung von mir für dieses grandiose Debüt!
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