Sie wählen rechts, sprechen nur russisch und unterstützen Putin? Solchen und anderen Vorurteilen sehen sich russlanddeutsche (Spät-)Aussiedler*innen ausgesetzt. An aufrichtigem Interesse und Wissen um die bewegte Historie der rund 2,5 Millionen in Deutschland lebenden Russlanddeutschen mangelt es in unserer Gesellschaft. Ira Peter, die mit ihrer Familie als Neunjährige von Kasachstan nach Deutschland umsiedelte, beschreibt anhand ihrer eigenen bewegten Biografie die Erfahrungen und Konflikte der Russlanddeutschen – von der Scham über die sowjetische Herkunft über die fatalen Folgen kurzsichtiger Integrationspolitik bis hin zur »Anfälligkeit« für russische Einflussnahme wirft sie einen kritischen und zugleich feinfühligen Blick auf die von der Mehrheitsgesellschaft oft als fremd empfundenen Deutschen. Sie erklärt, wie die doppelte Diktaturerfahrung unter Stalin und Hitler Russlanddeutsche bis heute prägt und manche anfällig für völkisches Denken macht. Gleichzeitig zeigt Ira Peter, wie heterogen die Gruppe ist und warum »Deutschsein« für sie heute kein Kriterium mehr ist, um deutsch zu sein.
Ein Buch, das nicht nur die Geschichte der Russlanddeutschen beleuchtet, sondern auch zum Nachdenken über Identität und Integration einlädt.
Als Russlanddeutsche und großer Fan von Ira Peters Arbeit, insbesondere dem Podcast „Steppenkinder“ – empfehle ich übrigens dringend für weitergehende Lektüre – musste ich ihr biographisches Sachbuch „Deutsch genug? Warum wir endlich über Russlanddeutsche sprechen müssen“ natürlich sofort lesen.
Ira wählt einen sanften Einstieg, der direkt einen emotionalen Bezug zu Leser*innen schafft: Kindheitserinnerungen aus Kasachstan, die Migrationserfahrung, das Auffanglager in Deutschland. Fast schon prüfend unterlegt sie die biographischen Parts mit faktenbasierten Passagen. Sie erzählt von der unsäglichen Medienberichterstattung, die rassistische Diskriminierung und die rechte Gewalt der „Baseballschlägerjahre“, die auch Migrant*innen aus postsowjetischen Staaten betraf. Es wird deutlich, wie obskur das deutsche Integrationsparadigma ist; Spätaussiedler mussten sich zum „deutschen Volkstum“ bekennen (…), ihnen wurde deutlich nahegelegt, ihre russischen Namen einzudeutschen, deutsche Sprache, deutsche Erziehung, deutsche Kultur – „wie auch immer sich deutsche Beamtinnen und Beamte das unter sozialistischer Repressionspolitik gegenüber Deutschen vorstellten“ – dass die neuen Migrant*innen eben möglichst keinen Mucks machen. Und viele machten keinen Mucks, das kannten sie ja schon aus dem sowjetischen Regime. Es ist bemerkenswert, dass Pluralität so sehr in unserem Grundgesetz verankert ist – und wie sehr Deutschland immer noch ignoriert, ein Einwanderungsland zu sein.
Daraufhin macht Ira einen kompakten, aber dennoch sorgfältig aufgearbeiteten geschichtlichen Rundumschlag auf. Anhand beispielhaft herangezogener Ahnenforschung wird schnell klar, dass es „die“ RDs gar nicht gibt, so unterschiedliche Geschichten und Weltanschauungen sie haben. Und dass da doch eine kollektive Erfahrung ist, die durch Verbannung, Gulag, Trudarmee (Zwangsarbeit), Hunger geprägt ist.
Ira endet mit einem Blick aufs Heute: Wie machen sich die traumatischen Erfahrungen bemerkbar, wieso werden wir uns so selten bewusst, was für einen dramatischen Einschnitt eine Migration in das eigene Leben mit sich bringt und wie wird Erinnerungskultur heute gelebt? Wie wird gewählt – natürlich, das große Thema der Medien – und welche Probleme betreffen RDs heute zunehmend (Stichwort Altersarmut)?
Insbesondere die Themen rund um Scham über die eigene Identität, die man vielleicht erst einmal verlernen muss, hat mich sehr berührt; dass es z.B. nicht an der eigenen Assimilationsleistung liegt, nicht „richtig“ dazuzugehören, sondern durch fehlende Anerkennung von Gleichheit und Teilhabe, frei nach Naika Foroutan „Die postmigrantische Gesellschaft“ (2021). Ich bin beeindruckt, wie Ira Peter es geschafft hat, so viele Themen kompakt in einem Buch anzusprechen. Die Balance zwischen journalistischer Genauigkeit, Sorgfalt und Sachlichkeit, die Distanz, um sensible Themen verständlich zu machen und biographischen Erzählungen, Erinnerungen, Emotionen, hat sie meiner Meinung nach perfekt hinbekommen.
„Deutsch genug?“ eignet sich daher sowohl hervorragend als Lektüre für Personen, die sich vielleicht noch nicht so sehr mit „den“ Russlanddeutschen beschäftigt haben, als auch Russlanddeutsche – es ist durchaus heilsam und bietet viele Anknüpfungspunkte an eigene Erfahrungen 💜 Insbesondere wünsche ich mir aber auch, dass andere Migras das Buch lesen, weil es eben einen zugänglichen und informativen Beitrag im aktuellen postmigrantischen Diskurs leistet.
Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!
Ira bespricht beispielhaft an ihrer Familienbiografie viele Phänomene, die Russlanddeutsche betreffen. Es geht um Kriminalität, Migration, Diskriminierung, Wahlverhalten, Trauma und viele weitere Themen. Hat mir gut gefallen.
Ich muss echt sagen, das war richtig interessant. ich habe da Sachen von der Geschichte von mir und meiner Familie gelernt, die kannte ich noch nicht. habe mir der Familie über Sachen aus dem Buch gesprochen, da kamen bei allen Erinnerungen hoch die sehr tief begraben lagen. großartige Arbeit mit dem Buch. vielen Dank für diese Recherche Arbeit und Aufarbeitung.
Ein unglaubliches Buch! Ich möchte es uneingeschränkt empfehlen. Vor allem und gerade dann, wenn man sich fragt: Russlanddeutsche? Was haben "die" mit mir zu tun?
Ich habe viel gelernt über die russlanddeutsche Geschichte und gleichzeitig größten Respekt entwickelt, was die jeweiligen Generationen geleistet haben - anschaulich und lebhaft geschildert an der Familiengeschichte der Autorin.
Außerdem hat Frau Peter, meiner Meinung nach, ein journalistisches Meisterwerk abgeliefert: Tiefgehende, akkurate Recherche gepaart mit differenzierenden Gedanken und Einordnungen innerhalb des großen Ganzen. Dazu kommt, dass sich das Buch wie aus einem Guss liest.
Ich konnte dieses Buch nur langsam lesen, weil es mich tief berührt und manchmal auch aufgewühlt hat. Meine Eltern stammen aus der gleichen Region wie Ira Peter – deshalb fühlte ich mich ihrer Geschichte auf ganz besondere Weise verbunden.
Ich wünschte, alle Menschen in meinem Umfeld – und besonders diejenigen, die Russlanddeutsche in ihrem engsten Kreis haben – würden dieses Buch lesen. Es spricht mir aus der Seele. So viele Gefühle, Erinnerungen und Situationen konnte ich nachempfinden; sie haben mein heutiges Ich mitgeprägt.
Danke für dieses Buch. Repräsentation wie diese ist wichtig – sie gibt Raum, Verständnis und Luft zum Atmen.
DNF - This book was given to me by one of those well-meaning persons who thinks I "like to read books". You know, like, any book will interest me. And I thought why not give it a chance, but the subject really does not interest me very much, and the style can't make up for that, and I have so many more interesting books to read.
Ira Peter erzählt nicht nur ihre, sondern auch die Geschichte vieler anderer Russlanddeutscher Familien. Das ganze noch verknüpft mit Studien, und im Kontext geschichtlicher und politischer Ereignisse.
Ich fand es super spannend und konnte meine Familie in vielem wiedererkennen. Da die ältere Generation der Russlanddeutschen oft nicht über ihre Erlebnisse sprechen möchte, finde ich das Buch umso wichtiger. Einige Themen möchte ich jetzt auch bei meiner Familie ansprechen, denn das Leid, das viele meiner Angehörigen erlitten haben, war mir teilweise gar nicht bewusst.
Das ist ein Buch, das man wirklich langsam Stück für Stück lesen muss, weil es so vollgepackt mit Informationen ist. Ich muss es auf jeden Fall nochmal lesen, um wirklich alles zu verstehen.
Das Buch zeigt Mal wieder, dass wir alle weniger Urteilen sollten, weil wir nicht wissen, was anderes Menschen erlebt haben. Und das wir öfter nach den Geschichten unserer Eltern und Großeltern fragen sollten.
5 Sterne sind nicht genug für dieses unglaublich gut recherchierte & geschriebene Buch.
Einerseits wollte ich es nicht weglegen. Doch andererseits stach es mir Kapitel für Kapitel tiefer ein Messer ins Herz. Das Buch ist ehrlich geschrieben, direkt, fachlich fundiert und einfach echt.
Für Menschen mit jeglicher Migrationserfahrung oder solchen, die diese verstehen zu versuchen… lest dieses Buch. Aber eigentlich wünsche ich mir, dass jede & jeder dieses Buch einmal lesen wird.
Danke. Genauso wie es mich verletzte, (wahre) Begebenheiten in diesem Buch zu lesen, so war es gleichwohl auch Balsam für die Seele.
Habe das Buch für meinen Freund geholt, weil ich dachte, Geschichten, die ähnlich zur eigenen sind, nehmen mit und ein. Habe selbst quer gelesen und fand vieles sehr interessant, für mich persönlich auch aufschlussreich und vor allem sehr gut geschrieben. Aber was, wenn die Geschichten vielleicht ähnlich beginnen, aber sich ganz anders anfühlen? Natürlich sind Ira Peters Erfahrungen persönlich und daher nicht 1:1 auf alle Russlanddeutsche passend, der Freund mochte es deswegen leider nicht so gern.
Hervorragend recherchiert. Sehr gute Mischung aus persönlicher Geschichte auf der einen, und Statistiken sowie aktuelle Forschungsergebnisse auf der anderen Seite. Es ergibt sich ein Gesamtbild, das die Identifikation mit der Erzählerin erlaubt. Gleichzeitig bin ich sicher, dass jede Person, die sich für die Geschichte von Aussiedlerinnen und Aussiedlern interessiert, etwas Neues zum Thema lernt.