Können die Beziehungen, die eine Gemeinschaft zusammenhalten, sie auch zerstören?
Australien, 1979. Es ist Hochsommer, und in einem ruhigen Vorort schrubbt eine Hausfrau um 3 Uhr morgens Blut von den Fliesen ihres Badezimmerbodens. Ihr Ehemann verhält sich währenddessen bemerkenswert ruhig, wenn man bedenkt, dass er gerade ihren Nachbarn ermordet hat.
Als die Sonne aufgeht, verbreitet sich die Nachricht von Antonio Mariettis Tod wie ein Lauffeuer unter den Nachbarinnen, und mehr als eine der Frauen ist fest entschlossen herauszufinden, wer Antonio umgebracht hat. Doch die vielen gut gemeinten Bemühungen decken mehr Rätsel auf, als sie lösen. Denn hinter jeder Tür verbergen sich Geheimnisse - und die Identität des Mörders ist nur eines davon ...
Ein atmosphärisch dichter und spannungsgeladener Roman über Vorurteile, Misstrauen und das verborgene Leben von Frauen
Direkt zu Beginn des Romans werden zwei Dinge enthüllt: Es wurde jemand ermordet in der kleinen Sackgasse in Canberra kurz nach Jahresbeginn 1979 und es war offenbar der Nachbar, der mit seiner Frau dabei ist, die Leiche zu entsorgen und Spuren zu vernichten. Der Getötete war der 19jährige Antonio Marietti, Sohn einer italienischen Einwandererfamilie, ein charmanter, junger Mann, der so einigen den Kopf verdreht hat. Es herrscht oberflächlich ein intaktes nachbarschaftliches Verhältnis, das nun durch den Tod Antonios brutal erschüttert wurde. Doch nach dem Mord wird die Nachbarschaft intensiv durchleuchtet und natürlich treten Lügen, Geheimnisse und auch allerlei schlechte Eigenschaften zu Tage.
Mit Hilfe verschiedener Perspektiven und durch einige Rückblenden zeichnet Kate Kemp nach und nach ein präzises Bild der verschiedenen Charaktere dieser Nachbarschaft (vor allem der Frauen). Heraus kommt ein authentisches Bild einer Nachbarschaft, in der Gemeinschaft und Solidarität nicht selten von Vorurteilen, Misstrauen, Rassismus und Sexismus abgelöst werden. Die Spannung liegt zwar nicht auf allerhöchstem Niveau und dennoch bleibt der Leser bis zum Schluss gespannt, was sich genau zugetragen hat und wird am Ende noch mit einer Überraschung belohnt. Eine sehr gelungene Milieustudie, die auch literarisch mit gelegentlicher feiner Ironie überzeugt.
Anders als erwartet: guter Ansatz, längst nicht perfekt
**** Mein Eindruck **** Ich habe mich mit dem Buch bereits zu Beginn schwergetan. Ich hatte eine gewisse Spannung erwartet – stattdessen wurde ich in ein Kleinstadtklischee der 70er Jahre geworfen. Soweit, so gut: Ich passte meine Erwartungen an und erlebte ein Buch, das vor allem von unterschwelligen – teils auch sehr direkten – zwischenmenschlichen Intrigen geprägt war. Der Titel passte insofern tatsächlich sehr gut. Die Grundidee, den Fokus stark auf die Figuren zu legen, gefiel mir mit der Zeit immer besser. Allerdings kämpfte ich mit einigen Längen und vor allem mit der Vielzahl an Namen. Es fiel mir schwer, mich zu orientieren, und ich wusste: Wenn ich das Buch zur Seite lege, bin ich beim Wiedereinstieg völlig verloren. Mit einem besseren Namensgedächtnis wären Pausen möglich gewesen – vielleicht hätte ich das Buch dann entspannter gelesen. So quälte ich mich phasenweise durch, auch wenn ich die Hauptfigur gerne begleitet habe. Die Atmosphäre des Buches konnte mich durchaus fesseln, und auch der Schreibstil der Autorin hatte seinen Reiz: bildhaft, mit Ecken und Kanten – etwas, woran man hängen bleibt. Das hat für mich teilweise die fehlende emotionale Bindung zu den Figuren ausgeglichen. An den Beschreibungen hängen zu bleiben, anstatt an Dialogen oder Zwischentönen, war ungewohnt – aber nicht uninteressant.
**** Empfehlung? **** Insgesamt handelt es sich um ein interessantes Debüt, dem es zwar an Spannung mangelt, das aber mit fein gezeichneten, zwischenmenschlichen Dynamiken überzeugt. Wer trotz – oder gerade wegen – meiner Kritik neugierig geworden ist, sollte auf jeden Fall einen Blick ins Buch werfen. Es ist anders, manchmal sperrig, aber nicht ohne Qualität.
„Lauter kleine Lügen “ – auf dem Cover schwebt der Titel etwas bedrohlich, eingefasst von dunklen Wolken, über den Fassaden zweier beschaulicher Vorstadthäuser. Der Klappentext verspricht einen Roman über „Vorurteile, Misstrauen und das verborgene Leben der Frauen“.
Damit liefert der Buchumschlag eine perfekte Vorschau auf das, was Kate Kemp in ihrem Debütroman liefert: Einen ungeschönten Blick hinter die perfekten Vorstadtfassaden. Das beschauliche Vorstadtleben wird gleich auf den ersten Seiten erschüttert: Naomi, Hausfrau und Mutter, schrubbt mitten in der Nacht den Badezimmerboden. Am nächsten Tag ist klar: Der junge Antonio ist gestorben. Doch was genau ist passiert? Der kleine Mikrokosmos, eine Sackgasse in den 70er Jahren in Canberra, mitten im heißen Sommer wird mitsamt seinen Bewohner*innen ordentlich durcheinandergeschüttelt. Schnell wird klar: das Zusammenleben beruht auf hunderten kleinen Geheimnissen.
Wer jetzt einen klassischen Krimi erwartet, liegt allerdings falsch. Vielmehr ist „Lauter kleine Lügen“ ein Gesellschaftsroman, der neben den persönlichen Beziehungen auch den allgegenwärtigen Alltagsrassismus, Misogynie und Homophobie aufdeckt. Dabei teilt Kemp lauter kleine Begegnungen und Beobachtungen, die sich nach und nach wie ein Puzzle zusammensetzen. Trotz der schweren Themen ist es ein leicht lesbares Buch, das mich stellenweise auch zum Schmunzeln gebracht hat. Besonders wenn die Gemeinschaft zusammenfindet und die unterschiedlichen Charaktere aufeinandertreffen, erinnert das Buch fast an ein Kammerspiel.
Erschreckenderweise sind die misogynen Strukturen, die Kate Kemp schonungslos aufdeckt, gar nicht so weit weg, wie das Setting vermuten lässt. Beim Lesen konnte ich oft Parallelen zur Gegenwart ziehen. Gerade mit Blick auf die politische Entwicklung in den USA in Bezug auf Gleichstellungsprozesse und Diversitätsprogramme hinterlässt das Buch ein ungutes Bauchgefühl, dass die schwere, drückende Atmosphäre der Sommerhitze spiegelt.
Ein unterhaltsames Buch für alle, die gerne gesellschaftskritische Literatur mit einer Prise Mystery und spannenden Figuren lesen. Ich freue mich auf mehr von Kate Kemp!
Aus der Kategorie "Richtiges Buch zur richtigen Zeit":
"Lauter kleine Lügen" klang nach etwas, das ich gerne als TV-Serie schauen würde; ein Verbrechen, viele Akteure, noch mehr Geheimnisse. Und genau das habe ich bekommen.
Es ist 1979, ein heisser Sommer in Australien und in einem Vorort wird der Fuss einer der Bewohner gefunden. Schnell wird klar, er wurde ermordet. Und die junge Tammy, gerade an der Schwelle zwischen Kind und Teenie, hat es sich zur Aufgabe gemacht, herauszufinden was passiert ist.
Die Kapitel begleiten die Frauen von Warrah Place (des Quartiers) abwechslungsweise. Es werden Geheimnisse enthüllt, Freundschaften geschlossen, aber auch Herzen gebrochen und Beziehungen zerstört. Der Fokus liegt auf dem Zwischenmenschlichen, auf Beobachtung, auf Charakterentwicklung. Genau das, was ich gerade gebraucht habe. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre es wohl nichts für mich gewesen, aber aktuell war es genau das richtige.
Das Buch ist atmosphärisch geschrieben aber auch sehr gemächlich. Wer Action und Spannung sucht, wird hier nicht fündig. Wer indes tiefgründige, wenn auch oft nicht liebenswerte (es spielt 1979, religiöser Fanatismus, Fremdenhass und Queerfeindlichkeit sind an der Tagesordnung und von Emanzipation ist noch nicht viel zu erkennen), Charaktere mag, die die Geschichte vorantreiben, dem kann ich das Buch empfehlen.
1979. Die Hitze des australischen Sommers liegt scher über dem Warrah Place und seinen Bewohnern. Alles scheint perfekt, bis der abgetrennte Fuß des jungen Antonio gefunden wird. Während sich Angst und Misstrauen zwischen den Vorstadt-Bewohnern breit macht, versucht die 12-jährige Tammy herauszufinden, was ihrem Freund Antonio zugestoßen ist. Dabei muss sie entdecken, dass die Vorstadt-Idylle, in der sie lebte, nur Schein ist und sich hinter jeder Tür am Warrah Place Geheimnisse finden lassen.
In ständigen Zeitwechseln werden die Geschichten der Bewohner erzählt, vor allem die der Frauen. Es geht um Migration, Ehebruch, gleichgeschlechtliche Liebe, toxische Männlichkeit und Religion. Lauter kleine und große Dramen und Schicksale, die sich hier ansammeln und unaufhörlich auf ein Gewaltverbrechen zulaufen. Und es geht um Menschen, die erwachsen werden, sich emanzipieren und nach langer Suche ihren eigenen Weg finden. Die Charaktere sind allesamt authentisch beschrieben, die Atmosphäre stimmig. Lediglich an manchen Stellen ist der Roman etwas langatmig geschrieben.
Mein Fazit: Interessanter Roman über das Leben in der Vorstadt und den Geschichten hinter den Fassaden. Lesenswert.
Im Buch wird die Nachbarschaft eines kleinen Vorortes beschrieben, oft durch die Augen von Tammy, die, selbst meist unbe(ob)achtet, selbst sehr wohl die Nachbarn bei ihrem merkwürdigen Tun beobachten kann. Als ein Mord geschieht, macht Tammy es sich zur Aufgabe, den Mörder zu finden. Ihre Schlussfolgerungen sind dabei ganz herrlich zu lesen, auch wenn sie ein ums andere Mal daneben liegen. Denn wie eine Kamera zoomt die Geschichte dann aus dem Geschehen heraus und man erfährt die tatsächlichen Hintergründe, die sich oft als ganz anders verlaufene, harmlose Ursachen für verdächtiges Verhalten oder andere Auffälligkeiten herausstellen. Missgunst, Eifersucht, Geheimnisse und Vorurteile werden sichtbar und vorschnelle Verdächtigungen machend die Runde, weil inzwischen die ganze Nachbarschaft auf der Hut ist: lebt der Mörder mitten unter ihnen? Der Nachbar nebenan war doch schon immer so auffällig unauffällig, und der Frau gegenüber mit ihren verwahrlosten Kindern gehört doch sowieso nicht hierher... Es ist gleichzeitig unglaublich unterhaltsam und total erschreckend, wie die Leute sich gegenseitig belauern, hinter dem Rücken übereinander herziehen, Geheimnisse zurückhalten um den Schein zu wahren. Und mittendrin Tammy, die mit dem Nachbarsjungen Detektiv spielt und mit den ehrlichen Augen eines Kindes das falsche Verhalten der Erwachsenen nicht erfassen kann. Die Auflösung schließlich ist jedenfalls noch weitaus verzwickter und überraschender als angenommen. Einziger Kritikpunkt ist die Länge des Buches, da sich der Mittelteil zu sehr in den Betrachtungen des surrealen Kleinstadtlebens verliert und die Handlung dadurch immer mal ein wenig ins Stocken gerät, bevor sie am Ende wieder Fahrt aufnimmt.
Der Roman „Lauter kleine Lügen“ spielt in einem australischen Vorort in den siebziger Jahren. Im Mittelpunkt steht die Nachbarschaft des Warrah Place. Scheinbar idyllisch lebt es sich hier. Doch hinter den Kulissen sieht es anders aus. Eines Morgens wird der abgetrennte Fuß von Antonio Moretti gefunden und nach und nach kommen einige Geheimnisse ans Licht.
Der Roman ist intelligent und mit Witz geschrieben. Es sind oft die kleinen Nebensächlichkeiten, die dem Buch eine besondere Note geben. Jeder in der Nachbarschaft hat Geheimnisse und die Autorin erschafft eine eindrückliche Kulisse. Dabei werden gesellschaftlich relevante Themen wie Homophobie und Rassismus und Vorurteile im Allgemeinen thematisiert.
Das Buch ist eher unterschwellig spannend und kein klassischer Krimi. Die zwischenmenschlichen Beziehungen stehen komplett im Fokus dieses Romans. Die wechselnden Perspektiven lassen jedoch keinerlei Langeweile aufkommen.
Ein vielschichtiger und sehr atmosphärischer Roman, den ich nur empfehlen kann.