In his brilliant interdisciplinary analysis of the global financial crisis, Joseph Vogl aims to demystify finance capitalism—with its bewildering array of new instruments—by tracing the historical stages through which the financial market achieved its current autonomy. Classical and neoclassical economic theorists have played a decisive role here. Ignoring early warnings about the instability of speculative finance markets, they have persisted in their belief in the inherent equilibrium of the market, describing even major crises as mere aberrations or adjustments and rationalizing dubious financial practices that escalate risk while seeking to manage it.
"The market knows best": this is a secular version of Adam Smith's faith in the market's "invisible hand," his economic interpretation of eighteenth-century providentialist theodicy, which subsequently hardened into an "oikodicy," an unquestioning belief in the self-regulating beneficence of market forces. Vogl shows that financial theory, assisted by mathematical modeling and digital technology, itself operates as a "hidden hand," pushing economic reality into unknown territory. He challenges economic theorists to move beyond the neoclassical paradigm to discern the true contours of the current epoch of financial convulsions.
"Capitalism would thus not be a homogeneous system but a particular way of organizing the relationship between economic processes, social order, and technologies of government in accordance with the mechanisms of capital reproduction."
Joseph Vogl stellt in diesem Buch grundsätzliche ökonomische Annahmen - "Gleichgewicht, Selbstregulierung, Effizienz, rationale Erwartungen und die koordinierende Kraft von Preissignalen" (S. 151) - infrage und leitet deren Ursprung aus Kosmologie und Moralphilosophie her und zeigt ihre Annäherung an die mathematische Physik. Seine Analyse ist also nicht wirklich per se eine ökonomische Analyse, sondern im Grunde eine wissensgeschichtliche. Er nennt das ökonomische System, das daraus erwächst, die Oikodizee, "eine Art evolutionärer Fabel der Marktgesellschaft" (S. 53), ein im Grunde selbstreferenzielles System, das die Erwartungen und Annahmen, die über es getroffen werden, teils in Selbsterfüllung bestätigt (während die gegenteiligen Beobachtungen als Ausreißer, Ausfälle, Abnormalitäten geframed werden). Ich greife im Folgenden nur ein paar Argumentationslinien heraus, die ich besonders nützlich finde.
(1) Das Gespenst des Kapitals.
Vogls Buchtitel fragt nach den gespenstischen Erklärungen der politischen Ökonomie, das "sich mit unsichtbaren Händen und anderem Spuk den Gang des Wirtschaftsgeschehens erklärt" (S. 7). Hinzutreten Vorhersagen, Prognosen, Bullen- und Bärenmärkte und weitere wenn vielleicht nicht gespenstische, so doch zumindest schamanisch anmutende Praktiken, die versuchen, im Marktgeschehen Muster zu erkennen und Aussagen über seine Zukunft zu treffen.
(2) Die unsichtbare Hand.
Joseph Vogl widmet sich in einem Kapitel recht ausführlich der vielzitierten unsichtbaren Hand von Adam Smith, die im Wohlstand der Nationen nur einmal auftaucht, dafür aber noch in anderen Werken von Smith anzutreffen ist. Vogl kontextualisiert die entsprechenden Passagen und macht hier sein Argument zur Kosmologie und zur Moralphilosophie besonders stark: Die unsichtbare Hand bezeichne bereits vor Adam Smith das "versteckte(...) Wirken im Zusammenhang der Naturdinge", ein kosmologisches Geschehen, das sich wie die Mechanik eines Uhrwerks hinter der bloßen Sichtbarkeit von Zeiger und Zifferblatt verbirgt" (S. 41). Gerade aber die Abweichungen, die Irregularitäten der Natur seien es gewesen, die mithilfe der unsichtbaren Hand erklärt worden wären, etwa Blitz und Donner, um so eine Art göttliche Gesetzmäßigkeit in den Dingen zu verfestigen. Bei Adam Smith jedoch falle die unsichtbare Hand in den Bereich der Moralphilosophie, insofern als dass sie es sei, welche die Maßlosigkeit der Begierden in ein gesamtgesellschaftlich ausgewogenes Verhältnis überführe. So kommt es, dass Adam Smith am Ende erklären kann, das Eigeninteresse des Menschen würde das Gemeinwohl vorantreiben, ganz ohne notwendige Absicht oder Intention.
(3) Die Idylle des Markts.
In seinen Überlegungen zur Idylle des Markts geht Vogl vor allem auf die Annahme ein, der Markt befände sich oder bewege sich auf ein wie auch immer geartetes Gleichgewicht zu (bspw. Angebot und Nachfrage pendeln sich gegenseitig ein). Vogl führt diesen Umstand darauf zurück, dass die Ökonomie insbesondere durch physikalische Erkenntnisse geprägt wurde, also durch die Idee, dass sich der Markt Gesetzen folgen müsse, wie es etwa die Physik tue. Dadurch habe die Ökonomie eine "asymptotische Annäherung an die mathematische Physik vollzogen" (S. 59) und sich selbst verwissenschaftlicht.
S. 58-59: "Vielmehr lässt sich die Geschichte der politischen Ökonomie am Leitfaden markanter Kreuzungspunkte beschreiben, an denen ökonomische Funktionsideen direkt nach dem Vorbild natürlicher Gesetzmäßigkeiten modelliert werden: sei es das Getriebe divergierender Interessen, die sich nach den Gesetzen einer newtonschen Gravitationsphyik koordinieren; sei es eine Hydrodynamik von Strömen, die die Zirkulation von Waren und Geld vom achtzehnten bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein als ein System von kommunizierenden Gefäßen, von Röhren, Brunnen und Tanks charakterisiert; sei es der Zusammenhang von Energetik und neoklassischer Schule oder die marginalistische Erneuerung politischer Ökonomie, die sich an der Behandlung von Grenz- und Variationsproblemennin den Naturwissenschaften orientierte; seien es schließlich Fragen der statistischen Mechanik und der Stochastik, die spätestens in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts mit der Diskussion von Zufallsbewegung und Wahrscheinlichkeit auf den Finanzmärkten wiederkehren. (...) Derartige Korrespondenzen stellen vor allem ein wesentliches Motiv für die zunehmende Mathematisierung ökonomischen Wissens seit dem neunzehnten Jahrhundert dar."
(4) Reproduktion und Ökonomie.
Das vorletzte Kapitel beginnt mit Aristoteles und antiken Vorstellungen von Politik und Wirtschaft (polis, oikos). Seit Aristoteles gelte das Zinseszinsproblem als ein Kernproblem der Ökonomie: Geld, das sich "von selbst" vermehre, sich künstlich reproduziere. Er verfolgt den Reproduktionsgedanken bis hin zu Marx, bei dem nicht mehr allein das Geld, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse sich selbst reproduzieren bis hin zu Foucaults Biopolitik, bei der nun also die ökonomische Logik auf die Bevölkerung (auf die biologische, sexuelle Reproduktion) übertragen werde. Die Vermehrung der Bevölkerung wird somit zum wirtschaftlichen Problem im globalen Wirtschaftswettbewerb, das zunächst die Gesamtbevölkerung betrifft und sich dann immer stärker partikularisiert (die Kleinfamilie wird mit einem Unternehmen verglichen, das Individuum wird dazu aufgefordert, sein Humankapital zu vermehren). Schließlich lösen sich die stabilen Identitäten (die Berufung im Beruf sozusagen) in einem "wolkigen" Ich auf, das der ständigen Aufforderung zur Flexibilität, Mobilität und Anpassungsfähigkeit unterliege.
(5) Vogls Marktkonzeption
Wie also sieht nun Vogls Gegenentwurf zu den oben genannten aus? Vogl behauptet im Grunde, der Markt unterliege den oben genannten Gesetzen nicht von vornherein, sondern er werde erst durch sie geformt. Eine "reine Ökonomie" im Sinne einer "reinen Physik" gäbe es schlichtweg nicht. Das Marktgeschehen zeichne sich insbesondere durch den Versuch der Beherrschung der Zukunft aus, durch die Absicherung von Risiken, die gegeneinander verrechnet würden. Vogl sagt weiterhin, die sogenannten Ausnahmezustände des Marktes seien ihm immanent, das Ganze funktioniere wie eine sich selbst verstärkende Feedbackschleife, er selbst spricht von einer "Resonanzkatastrophe" (S. 167).
Vogls Buch ist in vielerlei Hinsicht fantastisch und aus meiner Sicht ein Musterbeispiel dafür, wie Geisteswissenschaften methodisch vorgehen können, um die Annahmen anderer Wissenschaften zu problematisieren und infrage zu stellen. Ich fand das Buch an einigen Stellen allerdings eher kompliziert geschrieben, daher ein Stern Abzug.
I wasn't sure what to expect from this, but my expectations were quashed. This book blew me away. The list of quotes I copied down is too long to include here. Vogl's analysis of finance capitalism, and of capitalism and economic theory in general, is provocative and insightful. It is very dense at times and I would not recommend it to a lei person, but if you have the patience and wherewithal to penetrate it, the slim 130 pages contains paragraphs that will stir you.
Interessante 'lezing' van het kapitalisme en het ontstaan van een financiële macht. Eigenlijk een papieren verslaglegging van een van de leukste vakken die ik tijdens mijn studie gevolgd heb. Wel even door de omslachtige zinnen en de slechte eindredactie heen lezen.
" Das Gespenst des Kapitals kommt stets aus seiner eigenen Zukunft zurück " Ich glaube ich habe in meinem Leben zu viel Medizin und zu wenig BWL studiert, deswegen habe ich nur circa 15% des Buches verstanden. Aber ist schon okay so.