Jump to ratings and reviews
Rate this book

Getäuscht

Rate this book
Juri Felsen, der einst als »russischer Proust« galt, war einer der führenden Schriftsteller seiner Generation. Beeinflusst von Marcel Proust, James Joyce und Virginia Woolf ist Juri Felsen ein Autor von Weltrang. Juri Felsen wurde von den Nazis ermordet, sein Werk war lange vergessen, bis es in den letzten Jahren wiederentdeckt und nun zum ersten Mal auf Englisch und Deutsch veröffentlicht wird.

Wir treffen unseren namenlosen Erzähler im Paris der Zwanzigerjahre, wo er sich nach der Russischen Revolution als Emigrant wiederfindet. Auf Bitten einer Bekannten lernt er die schöne, kluge und gesellige Ljolja kennen, die ebenfalls gerade aus Russland geflohen ist. Was als lockere Freundschaft beginnt, verwandelt sich schnell in Faszination und Besessenheit, da sie uneindeutige Signale sendet und anderen Männern nachstellt.

Während Ljolja weiterhin ein Leben führt, das nicht von den Kräften der gesellschaftlichen Konvention und der Geschichte beeinträchtigt wird, werden die in Tagebuchform geschriebenen Enthüllungen unseres Erzählers immer schmerzhafter, vertrauter und reich an psychologischer Introspektion.

272 pages, Hardcover

Published January 16, 2025

3 people are currently reading
101 people want to read

About the author

Ratings & Reviews

What do you think?
Rate this book

Friends & Following

Create a free account to discover what your friends think of this book!

Community Reviews

5 stars
1 (5%)
4 stars
7 (41%)
3 stars
5 (29%)
2 stars
4 (23%)
1 star
0 (0%)
Displaying 1 - 5 of 5 reviews
Profile Image for Anna Carina.
680 reviews334 followers
February 14, 2025
2,5 Sterne

Verhindert durch verschachtelte stilisierte Monotonie ohne Dringlichkeit.

In Tagebucheinträgen verhandelt der namenlose Erzähler sein Verhältnis zur Liebe. Das Objekt des unerreichbaren Ideals der Liebe : Ljolja und zwei weibliche Wesen, die ihrer Liebe zum Erzähler, zum Opfer fallen.

Der Text ist in einer gleichmäßigen Introspektion angelegt, die kaum erzählerische oder stilistische Kontraste und Dynamiken entwickelt. Das liest sich auf den ersten 80-90 Seiten noch ganz interessant, da es eine Weile benötigt die Feinheiten des Charakters zu verstehen. Stellenweise bekommt seine Selbstbeobachtung eine ironisch, absurde Note, da er ständig versucht sich in einem erhabenen, eloquenten, vornehmen Gehabe zu positionieren, das für ihn mit dem wie er die Realität vorfindet nicht übereinstimmt und ihn zu Hemmungen im öffentlichen Auftreten verleitet.
Er ist dauerangestrengt seine Imagination aufrecht zu erhalten und analysiert bzw. beobachtet sich selbst in einem spannungsarmen, kühlen, ruhigen, ermüdenden Duktus.
Grundsätzlich alles sehr interessant gedacht. Auf dem Papier liest sich das dann aber so:

Mein tätiges Leben geht weiter, verläuft jedoch anders, als ich mir naiv vorgestellt hatte: ihm fehlt die erwartete Berauschtheit aufgrund von Bewegung, Erfolg und der Möglichkeit, zu befehlen und bequem, ohne Hast, das zu erörtern, was sich dank solcher Erörterungen tatsächlich ändert, ihm fehlt die bebende, ergreifende und bewusst zurückgehaltene Wohligkeit, die im Gefühl liegt, in den Spuren eines Gefühls (ob es nun traurig ist oder freudig); irgendwie muss ich den Tag bis zum Abend bringen, muss vielen, gleichermaßen unnötigen und langweiligen Menschen gegenüber verschlagen sein, muss gegenüber den beiden Frauen (ohne den Dandy zu spielen: es könnten noch mehr sein) ebenfalls verschlagen sein und mir etwas einfallen lassen, um sie bloß nicht zu sehen, um das nächste Treffen aufzuschieben und eine zusätzliche Stunde allein zu bleiben - noch habe ich nicht die Kraft, mich von alledem loszusagen, mit alledem unwiderruflich zu brechen, vielmehr ich habe noch nichts entschieden.

Das Eingeständnis der eigenen Lähmung.
Hier drängt sich mir unmittelbar der Vergleich mit Emanuel Boves Meine Freunde auf.
Eine Figur die statt der Liebe, Freundschaft sucht und ebenfalls im Nicht-Handeln festhängt.
Bove lässt die Figur wie unser Tagebuchschreiber in „Getäuscht“ viel imaginieren, sich in Eifersüchteleien verfangen und obsessives Verhalten an den Tag legen. Jemand der dem Unbekannten nicht gewachsen ist.

Das Eingeständnis der Lähmung klingt bei Bove so:

„Wenn ich von zu Hause weggehe, rechne ich immer mit einem Ereignis, das mein Leben von Grund auf ändern wird. Ich erwarte es bis zum Moment meiner Rückkehr. Das ist der Grund, daß ich nie im Zimmer bleibe. Leider ist dieses Ereignis nie eingetreten.“

Bove geht mit einer ausgeprägten Psychologie, wie Felsen ans Werk. Allerdings mit einer schonungslosen Ehrlichkeit. Die Einfachheit seiner Sprache trifft direkt den Kern. Das Buch lebt von Ambivalenzen. Die Sprachlosigkeit wird produktiv.

Was passiert hingehen im Zitat von Felsen? Für mich liest sich das vernebelt oder verschleiert. Er wird nie konkret. Spuren irgendeines Gefühls. Ja was denn genau?
Ein Satzungetüm, das im Grunde leere Rhetorik birgt und aussagt wie langweilig alles ist.
Das ist reine Selbstbeschäftigung ohne echten Erkenntnisgewinn. Ich bin unfähig, denke darüber nach und komme zu keiner Konsequenz oder Schluss, außer dass ich verdruckst, verhindert bin und mich an allen möglichen sozialen Codes festhänge, die ich eigentlich nicht will, die mich aber vor meiner ungestümen Art schützen, die ich aber sprachlich nicht zeigen kann, sondern sie nur behaupte und nicht erfahrbar mache und deshalb laber und laber und immer wieder dasselbe reproduziere, ohne diese 240 Seiten Text vom Fleck zu bewegen.
Der Text fällt damit der Problematik des Tagebuchschreibers selbst zum Opfer und bleibt in einer Sackgasse.
Was ganz klar wird, der Erzähler ist von einer furchtbaren Desillusionierung und Entwurzelung begleitet. Heldenfiguren gibt es nicht mehr. Die Erkenntnis, es gibt kein Dahinter, nur das hoffnungslose hier und jetzt. Egal wie ich entscheide, es ändert nichts.
In diesem Buch wird das Begehren sprachlich und stilistisch unterdrückt. Eros wird verneint. Es liest sich, wie „Zeit-totschlagen“.
Dabei wird der Tagebuchschreiber krank vor Eifersucht, hat sogar Sex. Er schreibt von Hitze, Gier, ungestümen Verhaltens und macht es nicht erfahrbar. Dem Text fehlt jegliche affektive Resonanz. Das macht die ganze Anlage unglaubwürdig und psychologisch unergiebig.

Ja, die Erkenntnis und offene Aussprache am Ende runden das Buch gut ab.
Ich verstehe was das soll, nur hätte es in dieser Form deutlich abgespeckter ausfallen müssen. 240 Seiten in diesem tautologisch, zirkelnden auf der Stelle treten, sind eindeutig zu viel der Langeweile.
Profile Image for Gerhard.
352 reviews30 followers
April 17, 2025
Ein einsamer enttäuschter Ich-Erzähler und seine Abhängigkeit bzw. überhöhten Liebe zu Lolja. In ihrer Abwesenheit denkt er unaufhörlich über sie nach. Nach ihrer Rückkehr ist er enttäuscht, dass sie ihn links liegen lässt. So herrscht in diesem Buch eine Langeweile, dies immer wieder zu lesen. Kurz vor Ende kommt es dann zu einer Art Auflösung. Vieles bleibt in der Person des Erzählers unklar. Es war kein Buch für mich.
Profile Image for Helena Pupkes.
36 reviews2 followers
February 10, 2025
In Tagebuchform schildert der namenlose Ich-Erzähler seine Verliebtheit zu Ljolja, der Nichte einer Bekannten – doch sie erwidert seine Liebe nicht.
Und so ergeht sich der Erzähler in seiner Eifersucht und Einsamkeit, klagt über Ljoljas angebliche Täuschung (daher der Titel). Meist liegt das von ihm Geschriebene irgendwo zwischen eitel und erbärmlich, oder (wie es im Nachwort heißt) zwischen Selbstmitleid und Selbstironie, Größenwahn und Depression. An anderer Stelle sind seine Gedanken aber auch wieder schonungslos ehrlich und erstaunlich verletzlich, weil sich der Erzähler seine Wehleidigkeit, zumindest zum Teil, selbst bewusst zu sein scheint.
Diese Wechsel zwischen Ehrlichkeit, Eitelkeit und Wehleidigkeit zeigen aber nur, wie aufwendig und aufmerksam Felsen das Erzählen konstruiert hat.
Eine weitere Besonderheit des Erzählens ist, wie extrem es auf die Perspektive des Erzählers fokussiert ist (das liegt nicht daran, dass die Tagebuchform gewählt wurde, die Tagebuchform wurde vielmehr gewählt, um ein solches Erzählen erst möglich zu machen): Alles über Ljolja erfährt man nur durch ihn, ihre Treffen sind nur mit seinen Eindrücken geschildert, man erhält nicht mal viele Dialogzeilen von Ljolja selbst. Ihr Charakter ist durch den Erzähler gefiltert, einem Erzähler, der sie von Anfang an, noch bevor die beiden sich zum ersten Mal treffen, zu einem absoluten Ideal erhebt - einem Ideal, das sie gar nicht erfüllen kann. Wie verlässlich ist der Erzähler dabei?
In einem Vorwort zu einem anderen Roman der russisch-parisischen Literatursezene der 1920er und 30er (Boris Poplawskis „Homeward from Heaven“) wurden die Romane dieser Szene gekennzeichnet als „confessional, plotless and deeply psychological“. Das trifft auch vollkommen auf „Getäuscht“ zu.
Weil der Roman aber so wenig Plot hat (wenn das auch, wie eben erwähnt in der Natur dieser Art von Romanen liegt), und weil es wenig Dialoge gibt und das Geschilderte sich wiederholt, hat „Getäuscht“ leichte Längen.
Doch trotz dieser Längen ist „Getäuscht“ vor allem wegen der bemerkenswerten Art des Erzählens ein interessantes Buch. Und ich hoffe sehr, Kiepenheuer und Wisch übersetzt auch noch die anderen Romane Felsens.
Profile Image for Doktor T.
11 reviews
April 18, 2025
Modern Proust. Annother brillant Russian like Bunin living in french exile.
Profile Image for Oana.
9 reviews
June 24, 2025
Es ist sehr schwierig, ein gutes Buch ohne Handlung zu schreiben, und nicht jeder kann das. Meiner Meinung nach kann Pessoa das, Felsen jedoch nicht.
Displaying 1 - 5 of 5 reviews

Can't find what you're looking for?

Get help and learn more about the design.