In seinem hochaktuellen Buch bietet Volker Weiß eine tiefgehende und historisch fundierte Zeitdiagnose zur AfD und der extremen Rechten. Scharfsinnig enthüllt er, wie die extreme Rechte von dem Ziel getrieben ist, den westlichen Liberalismus zu überwinden und eine alternative Geschichtsdeutung durchzusetzen. Mit neuen beeindruckenden Details und einer Analyse der rechten Gegenerzählungen seziert der Autor die neurechte Szene.
Die extreme Rechte spricht von einem geistigen Bürgerkrieg, der in Deutschland tobe – und den sie gleichzeitig anheizt. In diesem Kampf geht es um nichts weniger als um die Deutungshoheit über Geschichte und Gegenwart, um Deutschland aus dem Westen herauszulösen. Die widersprüchlichen, verklärenden und oft schrillen Geschichtskonstruktionen der extremen Rechten weisen auf ein Ziel: ein »Deutsches Demokratisches Reich« als Synthese aus den autoritären Systemen der deutschen Vergangenheit. Mit seinem Buch knüpft Volker Weiß an seinen Bestseller »Die autoritäre Revolte« an und analysiert diese neuen Methoden der kulturellen Kriegsführung vor allem in den Feldern der Geschichts- und Geopolitik. Rechtzeitig zur anstehenden Bundestagswahl zeigt der Historiker die aktuelle Entwicklung des neuen rechten Denkens auf. Die wichtigsten Strömungen und Akteure werden hierbei untersucht, und immer wieder weitet der Autor den Blick hin auf vergleichbare Aktionen der rechten Milieus in Russland und den USA. Eine kluge wie schonungslose Darstellung der strategischen Umdeutung unserer Geschichte und der gezielten Zerstörung demokratischer Werte durch die extreme Rechte.
Es geht um Resignifikation, die arg vertriebene Erika Steinbach, den Katechon, das Volk und seine so genannte Seele, den rechtsdrehenden 14-fachen Papa Elon Musk, Crazy Eyes Björn Höcke, das titelgebende Akronym DDR, den unvermeidlichen Donald J. Grab ‘Em By The Pussy Trump, die Subversion der Subversion, den russischen Steckenpferdhistoriker Alexander Dugin und nicht um seine weiland in die Luft gesprengte Tochter, den Antaios-Verlag und seinen oberschwäbischstämmigen Eigentümer und KP-kadrigen Faschohallodri Götz Kubitschek, Helmut Saumagen Kohl, Signifikant und Signifikat, um des Ausputzers und Confiscator Maximus‘ jüdischen Eigentums Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigs Enkelin Beatrix von Storch, Ostdeutschland, das in seiner Funktion als mehr oder minder lustiger kultureller Erinnerungsraum gern mal Faschisten wählt, logo den Führer, Jean Baudrillard, Hegel, Marx, Lenin et al., Mini-Nukes, Joseph physically challenged Goebbels, Angela M. a. D. u.v.a.m. etc. pp. usw. usf. u. überhaupt.
Gerade in der aktuell andauernden politischen Situation fällt es mir schwer, tiefergehende Zusammenhänge zwischen rechten Strömungen, Verschwörungsmythen und ähnlichem zu erkennen. Zu oft wird geblendet, verschleiert oder so viel falsches erzählt, dass man zum wahren Kern nicht durchdringen kann.
Volker Weiß' Buch "Das Deutsche Demokratische Reich" befasst sich genau mit diesen Zusammenhängen und Ursprüngen. Wie wird Geschichte umgedeutet, neu erzählt und vor allem, wer hat da alles seine Finger im Spiel. Ich freute mich sehr auf die Lektüre um vieles zu lernen. Doch leider blieb ich überfordert zurück.
Volker Weiß trägt Fakten um Fakten zusammen, um aufzuzeigen, wie die Neue Rechte versucht, den Staat und die Demokratie von innen heraus zu zerstören. Zudem zeigt er auf, welche Rolle Russland dabei spielt und wie flexibel der extreme rechte Rand ist, wenn es um die eigene Weltanschauung geht. Des Weiteren schlägt der Autor den bogen zum 3. Reich und leistet hier Grundlagenarbeit zum Aufbau und Selbstverständnis der damaligen Führung.
Dies alles ist super hilfreich. Und doch tat ich mich von Beginn an schwer mit der Lektüre, da Volker Weiß sein Wissen sehr trocken, bürokratisch und in meinen Augen für ein wisssenschaftliches Publikum zusammenträgt. Ein einfacher Zugang zu den Themen wird dadurch verwehrt. Das ist mein größter Kritikpunkt an diesem so wichtigen Buch.
Man muss sich durch das Werk arbeiten wie durch einen wissenschaftlichen Aufsatz. Die Mühe ist es wert, Spaß macht es allerdings nicht.
Wenige Bücher sind momentan so aktuell wie Volker Weiß' "Das Deutsche Demokratische Reich - Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört".
Volker Weiß analysiert und zeigt den Leser*innen anhand einiger exemplarischer Beispiele auf, wie die extreme Rechte Geschichte umdeutet.
Zunächst widmet sich Weiß dem Verhältnis der Rechtsextremisten zu Russland. Einerseits galt Russland lange als der "natürliche Feind" der extremen Rechten, die sich nach wie vor einen Sieg über Russland erhofft. Gleichzeitig bewundert die extreme Rechte das autoritär geführte Russland und sieht in ihm ein letztes Bollwerk und einen Verbündeten gegen den von ihr verhassten liberal-dekadenten und verweichlichten Westen. Die Hinwendung zu Putins Russland wird dank dessen Unterstützung extremistischer Organisationen und Parteien in Europa erleichtert.
Entsprechend ambivalent ist auch der Umgang der Rechten in Bezug auf den Ukraine-Krieg. Die einen sehen die Möglichkeit gekommen, endlich Russland zu besiegen, die andere Fraktion wiederum sieht die Ukraine auf dem Weg zu einem westlich-liberalen und somit falschen Weg und unterstützt Russland.
Ausführlich widmet sich Weiß auch der Umdeutung des Nationalsozialismus durch die extreme Rechte. Exemplarisch geht Weiß auf die Behauptung ein, die Nationalsozialisten seien eigentlich Linke gewesen. Weiß hat sich die Mühe gemacht und tief gegraben, um die vermeintliche Quelle aufzutun. Er arbeitet sehr anschaulich heraus, warum erstens die Quellenangabe falsch ist und zweitens die Bezeichnung der Nationalsozialisten als angebliche Linke komplett falsch ist. Falls also jemand mal Munition gegen diese steile Behauptung benötigt, lohnt ich schon allein deswegen der Kauf des Buches.
Sehr faszinierend ist auch der Abschnitt, in dem Weiß die Haltung der extremen Rechten zur DDR im Besonderen und Ostdeutschlands im Allgemeinen analysiert. Hier wird besonders deutlich, dass sie sich die Geschichte gerne so zurechtbiegt, wie es ihr gerade passt. Einerseits ist die DDR dank der Mauer sozusagen ein Hort reiner Deutscher, Ostdeutschland ein Sehnsuchtsort, weil nicht vom Westen und insbesondere den USA infiltriert, andererseits aber wird - hier ist die extreme Rechte ausgesprochen flexibel - die DDR gerne herabwürdigend genutzt, um zum Beispiel Angela Merkel als SED-Schergin zu diskreditieren.
Volker Weiß hat nicht den Anspruch zu erklären, warum die extreme Rechte dermaßen erfolgreich ist; das hätte wahrscheinlich den Rahmen des Buches gesprengt. Ansätze gibt es zwar, aber der Autor bleibt im Wesentlichen bei der Analyse der Geschichtsumschreibungen der extremen Rechten und deren Einordnung. Er zeigt die Widersprüche auf und auch, wie opportunistisch die extreme Rechte vorgeht, um (mehr) Macht zu erlangen.
Alles in allem ist "Das Deutsche Demokratische Reich" ein sehr lesenswertes Buch, das fundiert darlegt, warum und wie die extreme Rechte Geschichte umschreibt bzw. umzuschreiben versucht.
Selbst der mit der Materie nicht sonderlich vertraute und vielleicht nicht einmal wirklich an dieser interessierte Beobachter des politischen Geschehens wird in den vergangenen Monaten und Jahren mitbekommen haben, dass die Rechte – ohne sie hier genauer zu definieren, gemeint ist allerdings das rechtsradikale bis rechtsextreme Spektrum, nicht eine konservative Partei wie bspw. die CDU; eine Abgrenzung, die wichtig ist und immer wieder hervorgehoben werden muss – zusehends damit begonnen hat, sowohl die Geschichte, als auch die ihr zugrundeliegenden Begrifflichkeiten zu besetzen und neu zu definieren, wenn nicht gar direkt umzuschreiben.
Hitler ist da plötzlich ein Kommunist gewesen, die Nazis waren links und die DDR ein zwar autoritärer aber an sich doch ganz knuffiger Staat, der das im preußischen Sinne Deutsche konserviert und gegen die westliche Dekadenz zu verteidigen gewusst habe. Da wird der Begriff des „Sozialismus“ hin und her gewendet und mit jeder Drehung fügt sich ihm eine ganz neue Bedeutung hinzu und die eigentliche (wenn es sie je wirklich gab), ursprüngliche geht zusehends verloren. Die Sowjetunion wird von ihrem ideologischen Erbe „befreit“ und als Gralshüter eines dem Deutschen im eigentlichen Sinne Verwandten beschworen. Eine alte, in sich widersprüchliche Russland-Bewunderung, zumindest ein Respekt vor dem riesigen Reich im Osten, macht sich (erneut) bemerkbar. Dieser Respekt speist sich aus historischen Begebenheiten wie der Konvention von Tauroggen, als sich die preußische Armee aus dem unfreiwilligen Bündnis mit Napoleon löste und sich den russischen Streitkräften anschloss, oder aus dem Vertrag von Rapallo, der 1922 das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der gerade entstehenden Sowjetunion normalisieren sollte. Beide geschichtlichen Ereignisse sind der äußersten Rechten Beleg dafür, dass es zwischen Deutschland und Russland in seinen unterschiedlichen Ausprägungen immer schon eine besondere Beziehung gegeben habe.
Auch das Auftreten von Politikern wie Donald Trump kann man in diese Reihung von historischen Neubesetzungen und Neudefinitionen einbeziehen. Es ist erstaunlich, wie es einem Mann, von Geburt an den oberen Zehntausend in den USA zuzurechnen, gelungen ist, sich als Vorkämpfer der an Bedeutung verlierenden Arbeiterklasse, der Entrechteten – solange es Amerikaner sind und keine illegalen Migranten – und Vergessenen zu stilisieren. Und doch ist es ihm gelungen, nicht nur einmal, sondern mit vierjähriger Unterbrechung erneut und seither immer wieder. Das geht so weit, dass seine Anhänger ihm nicht einmal übelnehmen, wenn er sie mit einer erratischen Zoll- und Steuerpolitik noch weiter ins Elend führt, die Inflation anfacht und zudem das Ansehen des Landes in der Welt massiv beschädigt. Außer natürlich bei seinem Kumpel Wladimir Putin, womit sich der Kreis zu Russland und dessen Verhältnis zu Europa und der deutschen Rechten, die zugleich Trump verehrt – ein weiterer Widerspruch -, wieder schließt.
Der Historiker und Publizist Volker Weiß, seit jeher ein genauer und strenger Beobachter der rechtsextremen Szene und des rechtskulturellen Vorfelds der AfD, nimmt sich der oben beschriebenen Widersprüchlichkeiten in seiner Studie DAS DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REICH. WIE DIE EXTREME RECHTE GESCHICHTE UND DEMOKRATIE ZERSTÖRT (2025) eingehend an. In einem weiten Bogen gelingt ihm einerseits die Analyse der gegenwärtigen, teils also tagesaktuellen Versuche des rechten Vorfelds – namentlich genannt seien der Antaios-Verlag von Götz Kubitschek sowie Jürgen Elsässers Magazin Compact und die ihnen verbundenen Autoren, Publizisten und Aktivisten –, genau diese Zerstörung ins Werk zu setzen, andererseits führt er seine Leser*innen als Historiker immer wieder in die Geschichte zurück und vermittelt dabei profundes Wissen hinsichtlich der tatsächlichen Sachverhalte. So gelingt es ihm, einige Fakten vom Kopf auf die Füße zu stellen und mit einigen der momentan im Werden begriffenen Narrative des rechten Lagers aufzuräumen.
In fünf großen Abschnitten nimmt sich Weiß einiger momentan die Rechte beherrschenden Themen an. Das betrifft den Ukraine-Krieg und damit jene antiliberalen russischen Vordenkern wie Alexander Dugin, die für Putin die intellektuelle Vorfeldarbeit verrichten, um dessen imperialen Träume historisch zu rechtfertigen; untersucht werden die Widersprüchlichkeiten der verschiedenen und teils sehr unterschiedlichen Lager der extremen Rechten und wie immer wieder versucht wird, die aufbrechenden Differenzen und Gräben zuzuschütten oder zumindest zu übertünchen; weiterhin widmet sich Weiß detailliert den geschichtsrevisionistischen Tendenzen, die die Rechte schon Jahre und Jahrzehnte bespielt und damit einhergehend den oben benannten deutsch-russischen Traditionen, auf welche sich in jenen Kreisen immer wieder berufen wird; analysiert werden die schon erwähnten Versuche, den Nationalsozialismus auf „links“ zu drehen und ebenso wird die Hinwendung zur und Umdeutung der DDR als Hort des „reinen“ Deutschen betrachtet, wobei gerade in diesem Zusammenhang die Widersprüchlichkeiten der Erzählungen, Argumentationen und Narrative der Rechten besonders ins Auge fallen.
Dabei bietet Weiß immer wieder tiefe Einblicke in die und Rückgriffe auf die Historie, um den Gehalt dessen, was er da untersucht, anhand der Fakten zu überprüfen. Man muss ihm vor allem zugutehalten, dass er es sich und seinen Leser*innen nicht dahingehend einfach macht, indem er einfach alles, was da aus der ultrarechten Ecke kommt, in Bausch und Bogen verdammt. Sicher, er bezeichnet Unsinn als genau solchen, wenn dies offensichtlich ist. Doch untersucht er eben sehr genau, auf welche Traditionen – auch intellektueller Natur bspw. der Zwischenkriegszeit und der Weimarer Republik – sich rechte Vordenker wie Kubitschek berufen, welcher sie sich bedienen und welchen Zweck sie verfolgen, wenn sie sich zum Beispiel darum bemühen, den Nationalsozialismus konsequent von Rechtsdenkern und Konservativen wie Oswald Spengler, Ernst Jünger oder Arthur Moeller van den Bruck zu lösen und behaupten, diese hätten mit jenem nichts zu tun gehabt.
Weiß ist ein viel zu guter Kenner der Geschichte, auch der Ideengeschichte und der intellektuellen Strömungen und Linien des 20. Jahrhunderts bis hinein ins 21. Jahrhundert, als dass er nicht wüsste, dass eben nicht alles reinweg Unsinn ist, was Kubitschek und Konsorten verzapfen. Im Gegenteil: Deren Kenntnisse, deren teils – wie Weiß es nennt – „besseres historisches Gedächtnis“, und auch ihre sehr genaue Lektüre jener, die sie eigentlich ablehnen – allen voran der Strukturalisten und Dekonstruktivisten vom Schlage Michel Foucault, Jacques Derrida oder Judith Butler – erlaubt ihnen Rückgriffe, die sie schwer angreifbar machen. Und es erlaubt ihnen, einst progressiv-linke, subversive Taktiken und Strategien nun gegen diese selbst zu wenden[1].
Denn die Resignifikation bekannter Begriffe und Symbole, meist abstrakter Natur – ‚Freiheit‘, ‚Sozialismus‘, ‚Demokratie‘ etc. – erlaubt es der Rechten, nicht nur Geschichte um- und neu zu schreiben (in der steten Behauptung, diese sei immer schon anders gewesen; eine Übung auf die sich bspw. der ehemalige Geschichtslehrer und heutige AfD-Vorsitzende in Thüringen Björn Höcke hervorragend versteht), sondern auch, den herrschenden Diskurs zusehends zu zersetzen, neu zu besetzen und vollends zu bestimmen (ein manchmal erstaunlich dekonstruktiver Vorgang). Indem scheinbar bisher eindeutige Bedeutungen neu definiert, damit untergraben und letztlich ausgehöhlt oder gar ausgetauscht werden, wird der Diskurs, wird die Grundlage der Verständigung, geradezu ad absurdum geführt. Denn die Bezeichnung (Signifikant) mag dieselbe bleiben, die Vorstellung (Signifikat) dessen, die evoziert wird, verändert sich jedoch massiv. Es wird tatsächlich immer schwieriger, überhaupt einen begrifflichen Konsens zu finden, auf dessen Basis man sich überhaupt einigen kann, worüber man spricht.
So dürften bspw. die Vorstellung von „Sozialismus“, wie dieser bisher wohl mit großer Wahrscheinlichkeit begriffen wurde, und die Idee, die ein Joseph Goebbels davon hatte, maximal divergieren. Und den meisten wird wohl die Kenntnis davon abgehen, weshalb der originäre Faschismus des 20. Jahrhunderts als Massenbewegung überhaupt mit einem Begriff wie dem des „Sozialismus“ operierte. Doch sind dies Voraussetzungen, um zu verstehen, womit man es zu tun hat, wenn Alice Weidel meint behaupten zu können, dass Hitler ein Kommunist, die Nazis eigentlich „links“ gewesen seien, und sich als Beleg auf den Namen „Nationalsozialistische Arbeiterpartei“ – NSDAP – beruft.
Es ist ein Verdienst dieses Bandes, dass sich der Autor in genau diese Niederungen begibt und noch einmal sehr genau jenen Zitaten nachforscht, auf die sich bei solchen Behauptungen gern berufen wird und davon ausgehend gerade den spezifischen Gebrauch des Wortes „Sozialismus“ im NS-Kontext untersucht. Und darüber hinaus noch einmal daran erinnert, wie die deutsche Sprache grammatikalisch und also auch semantisch eigentlich funktioniert. Denn „national“ ist im Kompositum immerhin der bestimmende Teil.
Es sind genau diese Wege, die das Buch geht, die es im momentanen Diskurs so wertvoll machen. Denn es gibt Halt und hilft, diesen Diskurs zu verstehen, ihn aufzunehmen und – hoffentlich – auch zu bestehen. Denn auch wenn uns die Einsicht nicht gefällt: Man hat es auf der Rechten nicht mit tumben Schlägern zu tun, im Gegenteil. In jenen Jahren, da es nicht so aussah, als hätten sie eine reelle Chance, ihre Vorstellungen in eine politische oder gesellschaftliche Wirklichkeit zu überführen, haben sie zumindest ihre Hausaufgaben gemacht und haben „Feindschau“ betrieben, wie sie es wahrscheinlich nennen würden. Sie haben sich mit einstigen Vordenkern der progressiven Linken wie Antonio Gramsci vertraut gemacht und wenden dessen Idee der „kulturellen Hegemonie“ nach und nach gegen die Linke – oder auch einfach nur die offene, liberale, progressive Gesellschaft der Nach-, Spät- oder Postmoderne. Oder schlicht gegen die Moderne selbst. Und leider ist ihnen das zumindest in Teilen der östlichen Bundesländer nach und nach auch gelungen. Es ist an der Zeit, dagegenzuhalten!
[1] Wobei man – von Kubitschek und einigen wenigen anderen in seinem Umkreis vielleicht einmal abgesehen, deren Wirken nicht zuletzt dadurch so gefährlich ist, weil sie tatsächlich ein gewisses intellektuelles Niveau bedienen – bei den meisten derer, sie sich so vehement gegen das Gendern, differenziertes Denken und den allseits gehassten „Wokismus“ wenden, getrost davon ausgehen sollte, dass sie nie auch nur eine Seite, in manchen Fällen nicht einmal einen Satz der genannten Theoretiker gelesen haben. Sonst würden sie, gerade was das Gendern betrifft, nicht solch blühenden Blödsinn absondern, wie man ihn allenthalben in entsprechenden Interviews und Äußerungen gewärtigen muss.
2017 wurde Volker Weiß für sein Buch „Die autoritäre Revolte“ mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. In dem Buch folgte er dem Denken der sog. „Konservativen Revolution“ der Zwischenkriegszeit bis in die rechtsextremen und neurechten Kreise der Gegenwart. Ich fand das Buch sehr erhellend und hilfreich zum Verständnis mancher Denkfiguren, die in gegenwärtigen politischen Debatten auftauchen, auch in der Abgrenzung von konservativem zum rechtsextremen Denken.
Nun hat Weiß nachgelegt mit einem Buch, in dem er sich vor allem mit dem Geschichtsdenken extrem rechter und rechtsextremer Kreise beschäftigt. Sein Thema ist die „Resignifikation“ historischer Begriffe und Ereignisse. Konkret beschäftigt er sich damit, wie die extreme Rechte sich an das Geschichtsbild und die Diskurse anlehnt, die in Putins Russland geführt werden. Wie Geschichtsbilder übernommen werden und historische Prozesse aus dieser Perspektive neu interpretiert und dann als „Waffe“ im politischen Diskurs gebraucht werden. Dabei geht es auch um geopolitisches Raumdenken und die Frage, wie die Grenzen in Europa (oder Eurasien) neu gezogen werden könnten. Ein weiterer Themenkomplex ist die Neuinterpretation des Nationalsozialismus als „linke“ Bewegung, wie sie von Teilen der AfD forciert wird, um einerseits die gegenwärtige Linke zu diskreditieren und sich andererseits von diesem Erbe der Geschichte abzusetzen. Ein wichtiger Teil des Buches widmet sich der Neuinterpretation der DDR als Fortsetzung des preußischen Ordnungsstaats und als Bollwerk gegen westlichen Einfluss und amerikanische Dekadenz.
Das alles entfaltet Weiß wie gewohnt mit weitgehend solidem Rückgriff auf die Quellen. Eine Ausnahme bildete dabei der Verweis auf die Correctiv-Recherche zum sog. „Potsdamer Treffen“, die sich im Nachgang als weitgehend inhaltslos herausgestellt hat. Und auch wenn ich dachte, schon einigermaßen zu wissen, was so gedacht und betrieben wird, gab es doch Passagen im Buch, die mir den Mund offen stehen ließen – so etwa die Träume eines Jürgen Elsässer über das neue Deutsche Demokratische Reich (darauf rekurriert der Titel), in dem er schon die Position des Reichskanzlers mit Björn Höcke besetzt sieht (S. 210f). Mitunter kippt der Ton des Autors etwas ins Polemische, als wolle er dem Leser klarmachen, wie das zu verstehen sei, was er da liest. Das ist unnötig, denn die referierten Positionen (dis)qualifizieren sich meist selbst.
Freilich ging es mir beim Lesen so, dass ich bei vielen der dargestellten Techniken und Strategien der Verdrehung oder missbräuchlichen Instrumentalisierung von Geschichte auch Beispiele aus dem linken politischen Spektrum vor Augen hatte. Spannenderweise kommt Weiß in seinem Nachwort genau darauf zu sprechen. Er legt dar, wie die Technik der Resignifikation als Mittel der Subversion ihren Ursprung in dekonstruktivistischen Theorien genommen hat. So verweist er auf Judith Butler und ihre Vorschläge zur Unterminierung von Geschlechtsidentitäten. Die Strategien, die konsequent zur Subversion der Macht eingesetzt wurden, können auch explizit zu ihrer Restauration eingesetzt werden. Sie wurden von den Rechtsextremen kopiert und übernommen.
Insofern belegt auch dieses Buch einmal mehr, wie vorsichtig wir im politischen Diskurs mit Begriffen agieren müssen. Von unterschiedlichen Akteuren werden Begriffe wie „Freiheit“, „Demokratie“, „Liberalismus“ oder „Sozialismus“ mit völlig unterschiedlichen inhaltlichen Bedeutungen gefüllt und in der Debatte benutzt. Manchmal geschieht das schleichend, in anderen Fällen offensiv und disruptiv. Eine Lösung dafür gibt es nicht wirklich, aber im „Kampf um die Vergangenheit“ kommt nur der nicht unter die Räder, der sie kennt und sich mit ihr beschäftigt.
Im Geschichtsbild der neuen Rechten knirscht es gewaltig im Gebälk: Insbesondere die Faszination für Putins Russland und der damit einhergehenden Rechtfertigung des Angriffskriegs auf die Ukraine, bei gleichzeitiger Bewunderung für das den westlichen Nationen fernstehende „Heldentum“ der – von Russland als „Nazis“ geschmähten – Ukrainer verlangt einiges an geistiger Akrobatik. Hier ist man sich in der neurechten Szene nicht unbedingt einig, und nach meinem Eindruck verzettelt sich Weiß etwas in den Auslassungen der Autoren mäßig relevanter rechtsorientierter Periodika. Diese erste Hälfte liest sich daher etwas mühsam, interessanter wird es in der zweiten Hälfte, in der er sich realpolitisch relevanteren Fragen widmet, nämlich einerseits wie „links“ der Nationalsozialismus war und andererseits wie das rechte Selbstverständnis mit der in Ostdeutschland grassierenden DDR-Verklärung zusammenpasst. Im Hinblick auf den vermeintlich „linken“ Nationalsozialismus nimmt er die Aussagen von rechts vielleicht ernster als sie es verdienen, widerlegt sie durch geradezu detektivische Quellenarbeit, erinnert dabei daran, dass das „S“ in „NSDAP“ keineswegs klassenkämpferisch gemeint war, sondern der Idee der „Volksgemeinschaft“ Rechnung trug (für den Fachhistoriker nichts Neues). Dies nimmt er als Beispiel einer Begriffsverschiebung, die zur beliebten Technik der inhaltlichen Umdeutung wird. Dies zeigt sich auch am nostalgisierenden Blick großer Teile der AfD-Wählerschaft auf die DDR: Diese wird nicht im Sinne eines real existierenden Sozialismus verstanden, sondern als heimeliger Obrigkeitsstaat, wo alles seine Ordnung hatte. Damit wird der SED-Staat anschlussfähig für ein fremdenfeindliches, antiökologisches, queerfeindliches Programm. Sprachliche Umdeutung und selektive Wahrnehmung sind also die Mittel der neurechten Geschichtsdeutung, der es nicht darauf ankommt, ein kohärentes Bild der Vergangenheit zu zeichnen, sondern die Tatsachen nach ihren Bedürfnissen hinzubiegen.
Audible Hörbuch--a little deeper in history and not so much about the current state of affairs for my taste.
Eine Bevölkerung, die von der Heterosexualität abfällt? Migranten als Zwangsarbeiter? Tillschneider ruft in ein Mikrofon „Gott schütze die AfD“. Er bemängelt ebenfalls die Eröffnungsfeier von Olympia 2024 in Frankreich. Lobt aber diese wunderschönen Körper junger Männer und Frauen bei der Feier in Sotschi 2014. Was geht in den Köpfen von Männern und Frauen vor, die solche Aussagen vor Publikum treffen?
Klar ist doch, dass Fluchtbewegungen in Richtung Deutschland von Russland hervorgerufen wurden. Oder gibt es sie nicht, diese vielen Menschen, die sich vor den Bomben in Syrien und der Ukraine auf den Weg machten? Die Partei der Grünen trieben eine erforderliche Energiewende voran und wollten bald auf fossile Brennstoffe verzichten. Ist es überraschend, dass der Hass gegen diese Partei mit Wucht verbreitet wurde? Mit Falschmeldungen aus Russland? Ist es doch ein Land in dem Gas und Öl nur so sprudeln?
Und dann gab es noch eine Aussage von Franz-Josef Strauß. Meinte er doch tatsächlich, dass Hitler und Goebbels Marxisten waren. Nein, das sagte er nicht während der Herrschaft Hitlers und seiner Mannen. Das Zitat von ihm stammt aus dem Jahr 1980. Als er gegen Helmut Schmidt antrat. Wie gut, dass er den Wettstreit um das Kanzleramt verlor.
Schade, ich hatte mir eine gut verständliche Darstellung gewünscht. Stattdessen habe ich im Grunde eine Dissertation mit Beobachtungen zur aktuellen Entwicklungen in der Afd und Russland gelesen. Das fand ich sehr mühsam, da ich mir definitiv eine andere Lektüre erhofft hatte. Weiß Beobachtungen sind zwar richtig eingefangen und auch wichtig um die Zusammenhänge zu verstehen, aber er spricht von vorneherein ein sehr Intellektuelles Publikum an. Jemand ohne tieferes Hintergrundwissen vor allem der philosophischen Überlegungen, wird Ahnungslos davor stehen und nach wenigen Seiten genervt aufgeben. Ich bin kein Freund von Büchern, die sich nur an eine Elite richten und implizieren, das alle anderen sowieso keinen Zugang haben werden und diesen auch nicht wollen. Ich bin daher tatsächlich unzufrieden, da mich das Buch zwar inhaltlich interessiert, aber wenig abgeholt hat. Auch weil ich mir keine universitärere Abhandlung sondern ein spannendes Sachbuch erhofft hatte.
Ein guter Refresher zu rechten Strukturen auf der Welt und vor allem in Deutschland. Nicht wirklich viel neues im großen und ganzen und etwas trocken stellenweise.
Inhaltlich sehr gut und wichtig. Allerdings ist es trocken und eher wissenschaftlich geschrieben, was die Literatur sehr anstrengend macht. Dennoch empfehlenswert.
Ein Punkt Abzug dafür, dass ich mir beim Hören dieses Buches manchmal endlos dumm vorkam. Und das liegt nicht daran, dass ich tatsächlich historisch und politisch vollkommen ungebildet bin - aber mein Gott, manchmal hat Volker Weiß mich mit der Anzahl an Namen und Abkürzungen wirklich komplett überfordert. Mensch, ich steh doch bloß im Gym rum und will mir beim Heben noch ein bisschen Antifaschismus reinziehen! Gut, das habe ich dann trotzdem gemacht, auch wenn ich manchmal zurückspulen musste.
Um das Buch kurz zusammenzufassen: Nazis haben sich schon immer alles sprachlich fein zurechtgelegt, inklusive rausgepickter soziopolitischer Begriffe, die ihnen gerade passen. Ich bin ehrlich gesagt erstaunt, dass ich nicht schon lange vor Alice Weidels Unterhaltung mit Elon Musk von dieser absolut durchgeknallten Argumentationsweise gehört hatte, die konkludiert, dass Hitler ja Sozialist war. Um keine Kraftausdrücke zu verwenden: Ich glaub, es hackt.
"Das Deutsche Demokratische" Reich befasst sich, anders als der Titel vermuten mag, aber zunächst ausführlichst mit der aktuellen Gesellschafts- und Expansionspolitik in Russland, inklusive der Kontakte zwischen Konservativen in Ost- und Westeuropa. Trotzdem ein wenig schade, dass MAGA-Vertreter wie der oben Genannte nur am Rande erwähnt werden. Aber eine umfassende Abhandlung über die aktuellen Verhältnisse in den USA ist vielleicht einfach schon als eigene Publikation in der Mache.
Im Gym sind mir dann also öfter mal doch Kraftausdrücke ob der absoluten Frechheit dieser Menschen rausgerutscht. Aber sonst, sehr informatives Buch!
***I received a digital copy from the publisher through Netgalley in exchange for an honest review.***
„Es gibt Bücher, die müssten allen im Wahlalter zur Pflicht gemacht werden. Das schreibt man ganz ohne Ironie – nachdem man in die düsteren Nischen und auf die grotesken ideologischen Verflechtungen geblickt hat, die der Historiker Volker Weiß mit bewundernswerter Geduld auseinanderklamüsert“ (Lennart Laberenz).
Die nüchterne, detaillierte Analyse hat mir noch einmal eine neue Perspektive auf die sogenannte Machtergreifung der Nationalsozialisten ermöglicht – und zugleich deutlich gemacht, wie krude die Ideologie der AfD ist, und im weiteren Sinne die der faschistischen, rechten Nationalisten insgesamt.
Man fühlt sich beim Lesen manchmal wie im falschen Film. Umso wichtiger, dass es Menschen wie Volker Weiß gibt, die die Courage besitzen, dem sachlich und argumentativ etwas entgegenzusetzen.