Erck Dessauer, der Held und Erzähler dieses Romans, ist jung, begabt und bereit, ein großer Schriftsteller zu werden. Leicht ist das nicht im Berlin der Nullerjahre, denn eingeschworene Cliquen teilen die Macht unter sich auf, und Missgunst ist ein anderes Wort für Glück. Und besonders einer scheint es auf Erck abgesehen zu haben.
Ercks Vater wurde zweimal verlassen: einmal von seiner Ehefrau. Und einmal von der DDR. Beides hat der Professor aus Leipzig nicht verwunden. Erck ist mit diesem Schmerz groß geworden, aber Aufgeben ist seine Sache nicht. Als er beim besten Verlag der Republik einen Buchvertrag unterschreibt, ist er fast am Ziel. Wäre da nur nicht dieser Hans Ulrich Barsilay mit seinem extravaganten Auftreten, seinen schönen Ex-Freundinnen, seiner perfekten Prosa und seiner Gewissenlosigkeit. Das Problem: Er ist beim selben Verlag. Und vieles deutet darauf hin, dass er versucht, Erck sein Thema zu stehlen. Höchste Zeit, ihm mit einer Intrige zuvorzukommen.
Die Geschichte um einen gescheiterten jungen Mann, der sein zerrüttetes Leben und seine Verlorenheit einem berühmten und erfolgreichen Schriftsteller in die Schuhe schieben will, war überraschend und erheiternd. Dieses kurze Buch schafft es in unter 150 Seiten ein Leben zwischen der DDR und Berlin darzustellen mit lebhaften und einzigartigen Charakteren, allen voran Erck, unser Protagonist. Die Erzählsprache hat mir sehr gefallen, aber ich hätte mir gewünscht, dass es noch bissiger ist, noch herausfordernder, aber es war so auch ok. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Ercks Sicht und die Sichtweise der anderen noch mehr aneinander reibt. Trotzdem war es ein unterhaltsames Buch über die Wahn und Identität eines jungen Mannes, der seinen Platz in der Vergangenheit und Gegenwart von Deutschland sucht. Das Buch bekommt 3,5 Sterne, auf 4 hochgerundet. Ich frage mich allerdings, ob jemand, der wenig Kenntnis über diesen Teil der deutschen Geschichte hat, ebenso Spaß gehabt hätte.
** Dieses Buch wurde mir über NetGalley als E-Book zur Verfügung gestellt **
Erck Dessauer, Spross einer Leipziger Bürgerfamilie, der es gelungen ist, sich durch die Jahre der SED-Diktatur zu lavieren und dabei sogar an den völkischen Idealen festzuhalten, die die Großelterngeneration mit Begeisterung teilte, hat seinen ersten großen Buchvertrag in der Tasche. Um den Erfolg zu feiern, bestellt er sich im Trois Minutes seinen ersten Wein, als er des Schriftstellers Hans Ulrich Barsilay ansichtig wird. Der Mann ist Erck eine Art Menetekel, verfolgt er ihn doch seit seiner Jugend in verschiedenen Formen – mal als Autor eines Artikels, der sich nicht gerade freundlich über Ostdeutsche auslässt, mal als arroganter Älterer, der ihn einst dazu brachte, seine Magisterarbeit nicht fertig zu schreiben. Und nun befürchtet Erck, daß der Mann möglicherweise denselben Stoff bearbeitet wie er. Mit steigendem Alkoholpegel steigert er sich in seine Abneigung gegen Barsilay hinein, bis er sich auf dem Rückweg von den Toiletten dazu hinreißen lässt, vor dessen Tisch stehen zu bleiben und mit dem „deutschen Gruß“ – also dem hochgereckten rechten Arm – zu salutieren. Zumindest denkt er das…
Wenn man sich an einen Text Maxim Billers wagt – egal ob Roman, Essay, Kolumne oder Artikel – weiß man, daß man sich auf hintergründige Bosheit gefasst machen darf. Mit Spitzfindigkeit, vor allem aber äußerster intellektueller Schärfe, deckt Biller wieder und wieder Lebenslügen kollektiver wie individueller Art auf, legt gedankliche Widersprüche frei, lässt gerade den deutschen Leser immer wieder mit der Vergangenheit dieses Landes und ihrer Unvergänglichkeit kollidieren. Manche lieben ihn dafür, viele hassen ihn aber auch deshalb. Biller hält es aus und macht unverdrossen weiter. Und wird – gleichsam ein Racheakt an seinen zahlreichen Kritikern – immer besser.
In DER FALSCHE GRUSS (2021) nun treibt er ein Vexierspiel bis zum Äußersten. Aus der Sicht des Erck Dessauer, der sich in dauernder Opposition zu seiner Umwelt wähnt, die ihn grundlegend falsch einzuschätzen scheint, erleben und erlesen wir einen Charakter, der – lediglich skizziert, oft mit einem Satz ganze Familien- und Freundschaftsverhältnisse umreißend – ebenso von Neid wie Hass und vor allem einem tiefsitzenden Opportunismus geprägt ist. Dessauer muß Barsilay, von dessen Urteil er doch auch so abhängig ist, vernichten, um selbst glänzen zu können. Er, der ostdeutsche Autor, der erst am Beginn einer, wie er annimmt, glänzenden Karriere steht, muß den Mann, den er wie seine Nemesis wahrnimmt, überwinden und sich über ihn erheben, um seinen Triumph voll genießen zu können.
Und doch gelingt es Dessauer nicht, den Leser nicht spüren zu lassen, wie sehr er sich von Barsilay und seiner Clique Berliner Künstler und Kunstschaffender eben auch angezogen und abgelehnt fühlt, wie sehr er sich wünscht, dazuzugehören, wie sehr er Eintritt in den Kulturbetrieb ersehnt. Und so muß er, um den eigenen Erfolg auskosten zu können, bei seiner Verlegerin – eine offensichtlich an Suhrkamp-Chefin Ulla Berkéwicz angelehnte Figur – intervenieren, um Barsilay zu diskreditieren. Was ihm gelingt, indem er dessen bedeutendsten Text als Fälschung entlarvt. Obwohl Barsilay sich mit allerhand postmodern angehauchten Theorien über Eigentlichkeit und das Uneigentliche etc. zu verteidigen hofft, wird er zum Paria und verlässt das Land. So ist es der eigentliche Triumph des Erck Dessauer, als Ostdeutscher Nichtjude den vermeintlichen Juden aus Westdeutschland besiegt zu haben. Daß er bei seiner eigenen Arbeit zudem auch noch der Missing Link gefunden hat, der Ernst Nolte und dessen Positionen im Historikerstreit der 80er Jahre – grob gesagt die Theorie, daß der deutsche Angriffskrieg gegen die Sowjetunion als eine präventive Notwehrmaßnahme anzusehen sei,, ein Zuvorkommen eines kurz bevorstehenden Angriffskriegs durch Stalin auf das Deutsche Reich – rechtgibt, gerät Dessauer zudem zu einem ganz privaten Erfolg, wäscht er damit doch u.a. den eigenen Großvater rein, der ein ergebener Diener des 3. Reichs war und immer des Führers Denken und Fühlen hoch gehalten hat.
Es könnte aber auch alles ganz anders gewesen sein. Vielleicht folgen wir auf diesen gerade einmal 120 dichten und äußerst genau und treffend komponierten und formulierten Seiten auch einfach nur der Phantasmagorie eines Betrunkenen, der sich seine zukünftigen Triumphe ausmalt, den Aufstieg im Literaturbetrieb, in dem er der Star wird, der Barsilay schon immer gewesen ist. Und vielleicht kommt Erck Dessauer einfach nur von der Toilette und denkt sich, daß er den andern einmal so richtig düpieren sollte – mit einem Hitlergruß, beispielsweise. Und es dann doch lieber sein lässt, weil er ein feiger Hund ist.
Hier sitzt wirklich jedes Wort, ist jeder Satz auf seine Genauigkeit geprüft und poliert und geschliffen. Und trifft. Jedes Wort, jeder Satz schlägt eine Kerbe beim Leser, der sich ertappt und wieder ertappt fühlt, muß er dem armen Erck doch eine gewisse Sympathie entgegenbringen. Denn dumm ist der ja nicht, lediglich ein bisschen weinerlich und selbstgerecht, denkt man. Und merkt erst sehr spät, welch einem ungeheuerlichen Blender man da aufsitzt. Biller spielt – einmal mehr – ein böses Spiel mit Erzählerposition und Lesererwartungen und dem erwartbar unguten Gefühl, sich bei den eigenen Beschwichtigungen und Als-Obs entdeckt zu fühlen. Man kommt aus der Schleife, die der Text bastelt, nur schwerlich wieder heraus. Da helfen auch die kleinen Spitzen gegen den deutschen Kulturbetrieb im Allgemeinen, den Literaturbetrieb im Besonderen nicht. Man mag sich an Seitenhieben auf jene Romane, die seit nunmehr bald zwanzig Jahren auch Apologie betreiben – erwähnt sei nur, da offenkundig, DER TURM von Uwe Tellkamp – ergötzen, Biller tut keinem Leser den Gefallen, ihn zu schonen.
Maxim Biller ist unter den deutschen Schriftstellern sicher ein Solitär, einer jener Autoren, die allein und für sich stehen und einen einsamen Kampf führen, der ihn nicht immer beliebt macht und oft Anfeindungen aussetzt. Ein Autor, der eine stete Zumutung für den Leser ist – und das wohl auch sein will. Was ein Glück also, einen solchen Autoren hier im Lande zu haben, der es weiterhin wagt, dem Publikum einen literarischen Spiegel, manchmal auch einen Zerrspeigel, vorzuhalten und wieder und wieder die Bastionen der Selbstgerechtigkeit zu bestürmen und sie zu schleifen. Koste es, was es wolle. Gerade die Konstruktion in DER FALSCHE GRUSS wird viele irritieren und ärgern. Soll sie auch.
Erck Dessauer will als Schriftsteller groß rauskommen. Als junger Mann ist er von Leipzig nach Berlin gezogen. Zwar hat er sein Studium nicht abgeschlossen. Doch nun hat er den Vertrag mit einem Verlag in der Tasche. Wenn da nur nicht der berühmte Autor Hans Ulrich Barsilay wäre. Bei einer zufälligen Begegnung konfrontiert Erck den Juden aus dem Affekt mit dem Hitlergruß. Das kann nicht ohne Folgen bleiben - oder?
„Der falsche Gruß“ ist ein Roman von Maxim Biller.
Meine Meinung: Der Roman besteht aus zwölf Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Erck, und zwar rückblickend aus dem Jahr 2012. Die eigentliche Handlung spielt vorwiegend um die Jahrtausendwende. Durch ständige Zeitsprünge fällt es nicht leicht, die einzelnen Episoden zu sortieren. Mal geht es um Ercks Kindheit, mal die Teenagerjahre, mal die Studienzeit und mal die jüngere Vergangenheit.
Auch der Schreibstil macht es den Leserinnen und Lesern nicht einfach. Verschachtelte Sätze werden kombiniert mit Anglizismen, Abkürzungen und Fachtermini. Zudem werden immer wieder unnötig viele Namen in den Raum geworfen. Positiv stechen allerdings kreative Wortschöpfungen und -witze heraus.
Der Protagonist ist eine Art Antiheld. Erck ist ein recht feiger Einzelgänger ohne Freunde, ein leicht zu beeinflussender Unsympath mit Minderwertigkeitskomplexen und starker Unsicherheit, der aber zugleich ein großes Geltungsbedürfnis hat. Kaum besser gefallen hat mir der Gegenpart Barsilay, den wir jedoch nur durch Ercks Brille kennenlernen.
Die Handlung an sich mutet teilweise etwas übertrieben und absurd an. Vielleicht ist mir an einigen Stellen der spezielle Humor des Autors entgangen. Vielleicht darf man das Gelesene nicht immer allzu wörtlich nehmen. Mir hat sich jedenfalls nicht alles erschlossen.
Inhaltlich soll es nach Verlagsangaben um Opportunismus, neuen Nationalismus und politische Korrektheit gehen. Diese Aspekte konnte ich aus der Geschichte jedoch nicht herauslesen. Für mich sind vor allem extreme politische Anschauungen im rechten und linken Spektrum sowie historische Debatten hängen geblieben. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass der Autor noch sehr viel mehr in den Roman packen wollte, mit dem er mich aber nicht erreichen konnte. Obwohl der Roman nur 120 Seiten umfasst, haben mich einige Passagen gelangweilt.
Das Cover finde ich passend. Der prägnante Titel ist ebenfalls treffend gewählt.
Mein Fazit: „Der falsche Gruß“ von Maxim Biller ist ein Roman, der mich etwas ratlos zurücklässt. Ein schwer zugängliche, etwas chaotisch erzählte Lektüre, mit der ich leider wenig anfangen konnte.
Mh, irgendwie habe ich dieses Jahr bei der Auswahl an Leserunden-Lektüre nicht so viel Glück. Zu oft hatte ich in den vergangenen Monaten Bücher, die entweder grottig, nur im Ansatz gut oder höchstens Mittelmaß waren.
In die Kategorie „Äh, häääääh?“-Bücher (sprich: ich habe es nicht verstanden) reiht sich jetzt „Der falsche Gruß“ von Maxim Biller ein. Nun gut…
Protagonist Erck Dessauer ist ein weinerlicher Typ, der kurz davor ist, im Literaturbetrieb Fuß zu fassen, als er sich von seinem „Erzfeind“ Hans Ulrich Barsilay zu einer diffamierenden Pose hinreißen lässt – dem Hitlergruß. Allerdings weiß ich als Leser weder am Anfang (logisch) noch am Ende (nicht mehr so logisch), warum Erck ihn überhaupt gezeigt hat.
Erck erzählt seine Geschichte in Rückblenden, kommt von einer nichtssagenden Episode zur nächsten gepflegten Langeweile, lässt an einer Stelle kurz vor Schluss (zum Glück musste ich mich nur durch 120 Seiten quälen) sogar durchblicken, dass er „[…] immer noch unsicher (ist), worum es hier eigentlich die ganze Zeit ging“ (S. 101). Gestatten Sie mir die Frage, Herr Biller: wenn Ihr Protagonist schon nicht weiß, worum es bei dieser ganzen Posse geht – woher sollen das dann Ihre Leserinnen und Leser wissen?
Für mich ist „Der falsche Gruß“ eine Denkernovelle – geschrieben für Denker von einem Denker, der nicht deutlich machen kann (oder will), was er eigentlich bezweckt. Wirr, konfus und in meinen Augen nichtssagend. Natürlich ist es keine massentaugliche Lektüre (was höchstwahrscheinlich auch im Sinne des Autors ist *g*), aber es ist auch zu schwierig für Literaturliebhaber, die durchaus „verkopfte“ Sachen lesen und zu schätzen wissen. Und das ist in meinen Augen äußerst bedauerlich.
Erck Dessauer scheint am Ziel seiner Träume angelangt: er hat endlich den heiß ersehnten Vertrag bei einem Verlag ergattert. Da trifft er spätabends in einem Berliner In-Lokal auf seinen Erz-Rivalen Barsilay und in einem Anflug von Wut, entfacht durch die Vorstellung, wie Barsilay ihm seinen Platz im Verlag streitig macht, hebt er den rechten Arm – um nach seinem Hitlergruß um seine gerade erst beginnende Karriere zu bangen.
So beginnt der neue Roman von Maxim Biller und nimmt uns dann mit in die (Un-)Tiefen einer Künstler-Seele, auf einen Streifzug durch die Deutsch-Deutsche Geschichte, lässt den Hauptakteur Neonazis begegnen und ganz nebenbei den großen Rivalen Barsilay bei einer schockierenden literarischen Lüge ertappen.
Das liest sich stellenweise äußerst amüsant, vor allem die Passagen, in denen Erck sich seiner Paranoia hingibt. Sprachlich ist der Roman hervorragend geschrieben und für Kenner der Literatur-Szene sicherlich ein Highlight. Ich selber habe mich wohl intellektuell an diesem kleinen, gerade mal 120 Seiten umfassenden Büchlein verhoben und bleibe mit vielen Fragen zurück, darunter auch die, wie viel Biller in den beiden Hauptakteuren steckt.
Mein Fazit: anspruchsvoller Roman über die deutsche Geschichte, Neo-Nationalsozialismus und den Literaturbetrieb mit all seinen Fallstricken, Neurosen und Animositäten.
Der falsche Gruß von Maxim Biller ist ein kurzes, aber dichtes und intensives Buch. Sein Protagonist Erck Dessauer ist auf dem Weg Schriftsteller zu werden. Sein Fixstern ist sein Konkurrent, der erfolgrecihe Autor Hans Ulrich Barsilay. Wie viele von Maxim Billers Hauptfiguren ist auch Dessauer eine gequälte Seele, der am zeitgenössischen Zustand der Welt leidet. Maxim Biller gelingt eine Satire über den Literaturbetrieb.
Maxim Biller ist hier eine wunderbare provokative Novelle gelungen. Auf diesen 120 Seiten geht es um viel Themen. Man kann dieses Schriftstück, aber (vorrangig) als ein Kommentar auf den Historikerstreit lesen, in der es um die Singularität der Shoah geht.
Aus der Ich-Perspektive folgen wir Erck Dessauer, der ein Problem mit dem Literaturstar Barsilay hat. Barsilay ist, wie sollte es anders sein, Jude. Dessauers Karriere ist unter diesem Mann zerbochen aber dann wird Erck Dessauer doch noch ein Star, als er ein Buch raus bringt, dass sagen wir eine neue Perspektive auf die Shoah wirft. Biller zeigt hier sehr schön die Probleme der Gegenwart auf. Die Figur des Dessauer ist der Finger in der Wunder, der sogenannten Vergangenheitsbewältigung, die folgt man dieser Novelle nie wirklich passiert ist. Maxim Biller, weiß wunderbar sich selbst in diese Fiktionale Welt einzuweben und so hat man, nicht nur deswegen aber auch, trotz des harten Themas eigentlich auch andauernd was zu lachen. Es ist also kein moralisches Lehrbuch, sondern eine freudige Höllenfahrt in das deutsche Bauchgefühl hinein.
was genau das grade war? SEHR gute Frage, kann ich nicht beantworten. Kann es irgendwer beantworten? Weiß ja nicht.. War trotzdem sehr spannend sehr interesting, sehr Biller core (i guess) nehmen wir das jetzt als Kompliment oder nicht.. Ich fand’s gut aber irgendwie fehlte irgendwas. Was genau war Ercks Ding? Außer dass er ein Schlappschwanz ist?? Und ist das echt das einzige was Biller zu sagen hat? Naja immerhin sagt er es auf eine sehr gute weise, das muss ich ihm lassen, war toll aufgezogen.
Maxim Biller erzählt die Geschichte des jungen Intellektuellen Erck Dessauer, der sich als eben solcher einen Namen machen will in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit am Anfang des 21. Jahrhunderts. Dazu hat er alles, was es braucht: Talent, Klugheit, Wissen und jede Menge Leidensdruck. Der Pfahl in seinem Fleische: Deutschland und seine traumatische Geschichte, die tiefe Furchen in den Seelenhaushalt seiner Familie gegraben haben. Der Platz des großen Diskurs-Zampanos, der durch die Literaturhäuser und -Talkshows gereicht wird, ist jedoch besetzt durch Hans Ulrich Barsilay, dem charismatischen deutsch-jüdischen Kritiker, der mit spitzer Feder Deutschlands NS-Geschichtskomplex in bissigen Kolumnen, Essays und Büchern aufzuspießen weiß und genau dafür gefeiert wird. Andere, weniger talentierte Autoren als Maxim Biller, hätten die Familiengeschichte des Protagonisten als Sujet gewählt, es zu einem faden 800-Seiten-Schinken ausgewalzt, und damit womöglich monatelang die Bestseller-Listen angeführt (siehe Uwe Vertellkamp und Konsorten). Biller hingegen dient sie lediglich als Abstoßungspunkt: Er lässt immer wieder in knappen Sätzen Lebensgeschichte und Seelenleben des Ich-Erzählers aufscheinen – es sind die inneren Monologe und Erinnerungen Dessauers, die die Geschichte transportieren – und inszeniert auf dieser Folie einen Hahnenkampf um intellektuelle Deutungshoheit. Ohne Kenntnis um intellektuelle Moden und Geschichtsdebatten der letzten 40 Jahre sowie um die deutschen Katastrophen selbst wäre es kaum möglich, dem gewählten Stoff Herr zu werden, was Biller jedoch souverän gelingt. In der Tat ist es hilfreich, schon einmal etwas vom so genannten 'Historikerstreit' oder von Francis Fukuyamas 'Ende der Geschichte' gehört zu haben, um eine Idee von dem Kampfplatz zu haben, auf dem sich die Streithähne begegnen – und auch die Provokation zu erkennen, die Biller entfaltet und die sich daraus ergibt, welche der beiden Kampfparteien er den Sieg davon tragen lässt und mit welchen Mitteln sie das erreicht. In guter Erzähltradition der literarischen Moderne erweist sich dieser Kampf am Ende als einer gegen Windmühlen.
Ich mag Maxim Billers Bücher eigentlich sehr gerne. Dieses hier hat sich mir versperrt. Es ist formal gewiss originell den Protagonisten und Ich-Erzähler zu einem echten Unsympathen zu machen, gleichwohl wird dieser Kniff in „Der falsche Gruß“ für meinen Geschmack überdreht. Der Charakter zeigt zwar hier und da Brüche und Inkonsistenzen, am Ende der 120 Seiten war ich aber nur froh seiner Gedankenwelt nicht mehr folgen zu müssen. Zum Eintauchen in reaktionäre Köpfe reicht eigentlich auch ein Blick in Tichys Einblicke oder vergleichbaren Müll am Bahnhofskiosk.
What bothers me massively is the shadowy drawing of this East German intellectual Nazi. I think a lot of the attachments Biller takes there are too simplistic. I don't find it authentic. Unlike his other first-person narrators, anyway. That's not to say that there isn't a thoroughly schematic portrayal of such people. Also, generally I don't like how Biller deals with female characters. They only seem to be decorum in his novels or antagonistic.
"Der falsche Gruß" ist mein erster Roman von Maxim Biller und, honestly, ich bin positiv angetan.
Die kleine Novella handelt von dem etwas (sehr) verbitterten Schriftsteller Erck Dessauer, der zu Beginn der Erzählung den fatalen Fehler macht und seinem Erzfeind Hans-Ulrich Barislay den Hitlergruß zeigt. Warum das passiert ist, erfährt man erst im Laufe der 120 Seiten.
"Der falsche Gruß" ist eine kleine, aber doch sehr feine Geschichte, die gefühlt mit jedem Jahr seit Erscheinen noch relevanter wird. Es geht nicht nur um zerstörte Träume und den Narzissmus von Schreibenden, sondern auch viel um die deutsche Vergangenheit, die tiefe Kluft, die weiterhin zwischen der Ost- und West-Generation besteht, als auch um die verbliebenen Geister des Nationalsozialismus und Kommunismus. Positiver Nebeneffekt für mich: Ich bin jetzt etwas historisch bewanderter. Es ist dadurch teilweise historisch sehr intensiv, aber definitiv lesenswert.
Der Protagonist Erck steht in einem stetigen Zwiespalt mit sich selbst und scheint in der eigenen Familiengeschichte gefangen zu sein. Anstatt das aufzuarbeiten, verliert er sich in dem "German Guilt" und macht sich das Leben schwer(er als es sein müsste).
Das mag sich jetzt alles nach recht schwerer Kost anhören und das möchte ich auch nicht Kleinreden, ABER: Dazwischen gibt es wahnsinnig viel zu lachen als lesende Person. Meiner Meinung nach ist Erck vom Sternzeichen "Hater" und, um es umgangssprachlich auszudrücken, einfach ein Opfer. Er kommt nicht aus seinem eigenen Kopf raus und hält zu sehr an teilweise imaginären Feindseligkeiten fest. Er besudelt sich selbst, ist komplett realitätsfremd und es macht einfach Spaß das zu lesen. Auch Barsilay ist herrlich überzeichnet.
Maxim Billers Roman „Der falsche Gruß“ ist kurz – und das ist beinahe alles Gute, was man über ihn sagen kann. Von Anfang an wird klar, dass Biller Thomas Bernhard imitiert, einen auf Botho Strauß macht, mit Michel Houellebecq politischer Inkorrektheit kokettiert und einem Christian Kracht versucht den Rang abzulaufen, was die Geschmacklosigkeit der Metaphern angeht. Vor allem jedoch geht es um die Sexualisierung von Politik, Geschichte, und die Freude daran, alles zu zerreden.
„Ich dachte es immer wieder, in immer neuen, halbwegs klaren, zusammenhängenden Worten und Sätzen, aber es half mir trotzdem nicht, mich besser zu fühlen, und als ich mich endlich ausgeweint hatte, stand ich auf – immer noch steif, verzweifelt und verfroren –, ich legte mir die kratzige tschechische Wolldecke um die Schultern, ich stellte mich wie ein alter, einsamer Mann ans Schlafzimmerfenster und sah raus, in der Hoffnung, draußen etwas Interessantes zu sehen, um so vielleicht auf andere Gedanken zu kommen.“
Wie der Ich-Erzähler so hat auch der Roman nichts Eigenes zu berichten. Gäbe es nicht die Schandtaten der anderen, die Verbrechen, Massenmorde, die Vergewaltigungen, Körperverletzungen, die Übergriffe, Angriffe, ein Roman wie „Der falsche Gruß“ hätte kein Thema und der Erzähler hätte nichts zu berichten. Das Thema schließt sich parasitär an die Diskurse um politische und terroristische Gewaltexzesse, und aufgrund dieser parasitären Umschmeichelung lenkt es den Blick auf die Banalität des Bösen, die Hannah Arendt ganz sicher nicht meinte. Das Böse wird deeskaliert, und zwar im primitiven Sinne. Der Coca-Cola trinkende Austauschstudent heißt „Arafat“, und eine körperliche Entgleisung vor einem Berliner Lokal wird gleich ein „Naziverbrechen“, und Literatur wird in der Hermann Lenz-Episode als Familiengeschichte verkauft.
Maxim Biller führt seine Romanfigur vor. Er lässt sie von Anfang an lächerlich dastehen. Er lässt kein gutes Haar an ihr und alles, was ein ängstlicher Mensch anderen antun kann, Intrigen, Verleumdung, Lügen und Fliehen und das Im-Stich-Lassen in Gefahrensituationen, lässt Biller Erck Dessauer ausführen. Ein böser Blick, sagt Hegel, sieht nur Böses. Der Stil kennt keine Distanz und keine körperliche Integrität. Das Buch liest sich wie der Bericht eines Voyeurs, verkappt als Ich-Erzählung. Im Grunde also lästert Biller über seine eigene Erfindung, ohne dass es zu Humor, Witz und Spannung gereicht.
Heinrich Manns „Der Untertan“ ist viel besser aufgrund der auktoriale Distanznahme. Diederich Heßling wird nüchtern betrachtet, nicht von hoher Warte lächerlich dargestellt. Heinrich Mann ist selbst zu entsetzt, beinahe erschreckt über diesen Charakter. Biller jedoch zieht offenkundig Schadenfreude aus der Schwäche, aus den Charakterfehlern und Dummheit seines eigenen Phantasieprodukts. Thomas Bernhard betreibt die Selbstdestruktion in „Auslöschung“ konsequenter. Die Parataxen Billers sind eine schlechte Kopie, wie man im Parallellesen beider Bücher sofort bemerken kann.
Biller hat ein überhebliches Buch in einem lieblos kopierten Stil geschrieben. Wer sich aber darüber belustigt, dass die Hauptfigur beständig nach Nennung des Namens „Adolf“ onaniert, sich sowieso die ganze Zeit nur nach zwischenmenschlicher Nähe sehnt, und dem das Drei-Minuten-Stück „Schrei nach Liebe“ von der Band „Die Ärzte“ nicht ausreicht, dem wird eben dieser Song in schlichter Feuilletonsprache zwei Stunden lang als Roman feilgeboten. Das Niveau bleibt dasselbe.
Satire? Tragigkomödie? Slapsticknummer? Der falsche Gruß ist für mich irgendwie schwer zu kategorisieren, aber das passt auch ganz gut zum Leseerlebnis. Ich fand das Lesen schon ziemlich anstrengend, und nicht nur, weil es da ja vor einiger Zeit diese Biller/Czollek Kontroverse gab, die mir noch im Hinterkopf 'rumspukt.
Für mich war/ist die Figur des kleinen, opportunistischen deutschen Mannes, der sich ständig mißverstanden fühlt und das paranoid und ohne Selbstreflexion immer mit äußeren Umständen oder Personen (hier einem erfolgreichen jüdischen Autoren) in Verbindung bringt, nicht mehr spannend.
Was das schlanke Buch (fast eine Novella) trotzdem für mich lesenswert macht, ist die bitterböse, überspitzte Schreibweise des Autoren. Das ist genau meins. Auch die eingestreuten Blicke in die Welt des Schreibens und das Berliner Milieus in den 2010er Jahren haben mich gut unterhalten.
Insgesamt war der falsche Gruß für mich eine lesenswerte Zwischenlektüre, die mir aber nicht längerfristig beschäftigen wird.
Puh, dieses Buch… Ich habe ein paar Seiten gebraucht, um richtig reinzukommen. Dann hatte es doch irgendwie so Schul-Novellen-Vibes, aber es wurde sich doch auch mit vielen zentralen Themen beschäftigt: Overthinking, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Zeitgeschichte und der Wandel ihrer Wirkung und Ausstrahlung. Auserdem gab es einen Blick in einen ganz bestimmten Typ Mensch, und die bis heute andauernde Ost/West-Thematik. Insgesamt hat mich das Buch manchmal verwundert, manchmal überfordert, manchmal erreicht, ich muss noch mehr drüber nachdenken.
Der deutsche Schriftsteller und Kolumnist Maxim Biller ist äusserst produktiv und nicht unbedingt medienscheu, im August ist sein Roman „Der falsche Gruss“ bei Kiepenheuer & Witsch erschienen: amüsant, bissig, voller Zynismus. Und sehr zu empfehlen… Irgendwie fragt man sich schon, was „Der falsche Gruss“ denn nun ist, ein Roman ist es nicht wirklich, lesenswert ist es allemal. Maxim Biller war für mich bisher immer nur der streitlustige, eher unsympathische Typ aus der Literatur/Kritiker/Autoren-Blase, von dem ich mir immer gesagt habe, ich mag nichts von ihm lesen. So grundsätzlich. Nun habe ich es doch getan und bin ganz angetan von seinem Text. Auf nur 121 Seiten werden dabei eine immense Bandbreite an Themen verhandelt, vom Holocaust, über die DDR, vom Nationalsozialismus bis zu diversen Israel-Konflikten, von persönlichen Liebesdingen bis hin zum Erfolgsdruck von Autoren, Bezugnahmen und Zitate inklusive. „Der falsche Gruss“ erzählt auf heitere, bissige, ironische Weise von der unbedingten Lust, zum Literaturbetrieb gehören zu wollen, einer von denen zu sein, auf der Seite der erfolgreichen deutschen Autoren. Dies setzt natürlich eine gute Kenntnis des Literaturbetriebs und vor allem der Berliner Autorenszene voraus. Und genau so liest es sich auch. Ein Abbild der Realität. Das macht das grosse Vergnügen aus, an diesem eher dünnen Bändchen und es macht grosse Lust, sich mit weiteren Werken von Maxim Biller zu beschäftigen. Seine Schreibe finde ich wunderbar. Das ist Literatur, die mir sehr gut gefällt.
Erick Dessauer trifft in einer Bar seinen verhassten Gegenspieler in der Literaten-Szene, Hans Ulrich Barsilay. Von Abscheu und Wut getrieben, lässt sich Dessauer dazu hinreißen, vor Barsilay den Hitlergruß zu machen. Überrascht und schockiert von seiner eigenen Tat, reflektiert Dessauer seine Aktion und schaut zurück auf seine Familiengeschichte, in der die Dessauers mehrfach im Stich gelassen wurden, Schmähungen und Niederlagen erfahren haben. Dass Barsilay da ein literarischer Gegenspieler ist, noch dazu im gleichen Verlag wie Dessauer, macht die Sache nicht gerade leichter.
Wer Maxim Biller liest, weiß eigentlich, dass einen spitzfindige und böse Pointen erwarten, lakonische und verdichtete Erzählungen mit einer Doppelbödigkeit, die sich um die deutsche und oft auch die jüdische Identität drehen. Obwohl die Erzählung kurz ist, fand ich sie anstrengend. Sprachlich interessant, da herrlich bärbeißig und schwarz, verkommt die Geschichte meiner Meinung nach doch zu einem anstrengenden Lamento und Selbstmitleids-Gesuhle eines kartoffeligen und eher mittelmäßigen Literaten, der sich in seiner Opferrolle ("die deutsche Geschichte hat mir so übel mitgespielt") zu arg gefällt. Nett ist allenfalls noch der Twist am Schluss, meinen persönlichen Geschmack traf das Buch eher nicht.
schon gut geschrieben, klare, zeitgemäße aber normale sprache, vermutlich zu wenig gebildet um alle referenzen zu verstehen, daher fehlt vielleicht das ganz große verständnis, eigentlich mag ich wie es geschrieben ist, aber nicht das thema, der plot oder die geschichte (ging mit bei sechs koffer auch schon so), auch die namen der figuren sind gut, erck dessauer, hans ulrich barsilay, klingt einfach gut