Ein Sommer in Rom, 231 Jahre und acht Monate nach Goethe.
Ein junger Mann kommt in die ewige Stadt, um die Gegenwart abzuschütteln. Er sucht einen eigenen Weg, fühlt fremde Zeiten in sich leben. In Rom erinnert er sich. In Rom verliebt er sich. In Rom trauert er. Er trifft auf außergewöhnliche Menschen und findet seine Alles wahrnehmen, nichts auslassen. Römische Tage führt zu den vielen Anfängen und Enden unserer Welt und fragt, was wir morgen daraus machen.
Der Erzähler zieht in eine Wohnung schräg gegenüber der Casa di Goethe und die Stadt wird ihm zur Geliebten. Ihre Geschichten spielen vor seinem Der Mord an Caesar am Largo Argentina ist ihm genauso lebendig wie das Gerangel der Sonnenbrillenverkäufer auf dem Corso. Er taucht ein in eine Welt voller Gegensä die Verlorenheit der jungen Italienerinnen und die schwindende Bedeutung der alten Intellektuellen. Antike und moderne Ideale, leuchtende Paläste, ausgelassene Partys und vergehende Kunst. Einheimische, Migranten, Gläubige, Touristen, Bettler. Zwischendrin Müll, viel Müll. Und immer wieder das Stechen in seiner Brust, das die Ärzte nicht ernst nehmen wollen.
Begeistert und melancholisch, leichtfüßig und ergreifend erzählt Simon Strauß, warum Gegenwart nicht ohne Vergangenheit auskommt.
Dieses Buch beschwört die Sehnsucht nach Tiefe und Substanz, bietet selbst aber ironischerweise vor allem Schauwerte: Einmal mehr verpackt Strauss recht überschaubare Inhalte in hohe Sprache - zugegeben, es ist eine in ihrem überdrehten Pathos und ihrer bleiernen Schwere auch schöne Sprache, wenn man sich auf sie einlassen kann, und das kurze Buch liest sich angenehm weg. Der vignettenhafte Text ist eine Art Jazz-Improvisation auf Rom und alles, wofür die ewige Stadt steht: Der junge Protagonist reist für zwei Monate an den Tiber, um die Batterien aufzuladen oder, wie Strauss es formuliert, um sein "angegriffenes Hasenherz zu erquicken" (hey, ich hab Euch gewarnt! :-)) - was schon Goethe recht war, ist ihm billig. Dort angekommen hüpft er im thematischen Quintenzirkel zwischen Geschichte, Literatur, Philosophie, Moderne-Kritik und Privatem hin und her, dabei auch physisch ständig unterwegs.
Meiner bescheidenen Meinung nach ist Rom eine der faszinierendsten und schönsten Städte der Welt, weshalb es schwer ist, mir mit Stories aus Rom auf die Nerven zu gehen. Strauss hat selbst einige Monate dort gelebt und dabei ein Gefühl für die Stadt entwickelt. Entsprechend bin ich ihm auch gern durch Kirchen und Gassen gefolgt, habe seinen Protagonisten zu Empfängen, in Restaurants und sogar ins Krankenhaus (das Herz, na logo) begleitet. Auch der Ansatz, Caesar, Goethe und einen offenbar schwer bessergestellten jungen Deutschen aus der Postmoderne in einer Geschichte zusammenzudenken hat mir gut gefallen. Wenn da nur dieses mimimimi nicht wäre.
Strauss ist Altertumswissenschaftler, und zur Erklärung des oben beschriebenen Sachverhalts lohnt ein Vergleich mit der gleichaltrigen Vea Kaiser, ihres Zeichens Studentin der Fächer Altgriechisch und Latein. Während Kaiser in ihren Büchern in lockerem, lebendigem Ton über die Bedeutung des Gestern für das Heute parliert, lamentiert Strauss pathetisch-düster, dass uns das Gestern im Heute abhanden gekommen sei. Klar, das ist alles Literatur und muss entsprechend keinen praktischen Nutzen haben, aber im Falle von Strauss' recht wohlfeiler Moderne-Kritik kann man schon mal fragen: Cui bono? Und wie kommt ein 30-jähriger dazu, so ausgiebig die ganz, ganz alte Zeit zu beweinen, und zwar - war ja klar - eine verdichtete und mythisch überhöhte, von Büchern und Filmen überlagerte Version und mithin eine Variante der Vergangenheit, die so in Wahrheit nie existiert hat?
Strauss' Ideen sind nicht neu, seine Kulturkritik bietet keine Lösungsansätze, und inwiefern er mit seinen Thesen überhaupt Recht hat, ist wieder eine ganz andere Frage. Früher: gut, heute: schlecht, Rom: gut, weil vieles an früher erinnert - so einfach ist hier oft die Welt. Einfach und ausweglos. Aber ist das Gestern jemals komplett vergangen, und ist im Heute nicht - oh Schreck! - manches vielleicht sogar besser als früher? Als Angehörige der römisch-katholischen Kirche sage ich Euch: Wenn Strauss' Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung lautet, dass die Religion uns als Schutzraum vor diesem Übel dienen soll, dann hilft auch Beten nicht mehr! :-)
Es macht Spaß, sich in dieses kurze Buch zu vertiefen, aber besonders tiefgründig ist es nicht. Der Strauss-Hype bleibt mir weiterhin ein Rätsel.
Zwei Monate verbringt der junge Autor in der ewigen Stadt. Lernt die Sprache, beobachtet die Menschen und wandelt auf den Spuren Goethes, der einst seine italienische Reise dokumentierte und in dessen ehemaliger Wohnung gegenüber der Casa die Goethe er residiert. Er erlebt die Hitze und die Lebensfreude, sieht aber auch die Schattenseiten. Jahrtausende Menschenleben haben ihre Spuren hinterlassen, weltliche wie geistliche, er besucht die Touristenziele und findet abgeschiedene Orte. Kitsch und Kunst liegen bisweilen nah beieinander und ebenso altes Gedankengut wie moderne Ansichten. Während er immer wieder in sich hineinhorcht, ob sein krankes Herz noch im Takt schlägt, erinnert er sich auch an seinen Studienfreund, der viel zu früh verstorben ist und mit dem er gerne seine Erlebnisse geteilt und diskutiert hätte, die er nun nur niederschreiben kann.
Simon Strauß lässt seinen Erzähler zwischen Altem und Neuem wandeln, Rom als Geburtsort großer Männer und Imperien, aber auch als todbringender Schlund wahrnehmen. Die allgegenwärtige Krise, die Relikte einer längst vergangenen großen Zeit kämpfen mit dem Lebensgefühl junger Menschen, die die Schönheit der Ewigen Stadt genießen wollen und können. Und immer wieder hat es auch große Dichter und Denker dorthin gezogen, deren Spuren er sucht und findet.
In den Feuilletons wird der kurze Band heftig diskutiert, von großer Begeisterung ob der jungen Stimme bis zum totalen Verriss findet sich so ziemlich alles, was zu einem Buch nur gesagt werden kann. Ich bin ein wenig unentschlossen, einerseits liefert er die klassische Bildungsreise mit den touristischen Zielen, die bei Romkennern Erinnerungen wecken und ein wenig des typische römischen Flairs aus den Seiten wehen lassen.
Andererseits scheint der Erzähler das ureigene Ziel einer solchen Reise zu verfehlen: was hat Rom mit ihm gemacht, wie hat es ihn geprägt, welche Erkenntnis trägt er von dieser Reise mit nach Hause? Diese Fragen kann man nur mit: wenig bis gar nichts beantworten. Er will ein Buch über Europa schreiben und begibt sich an eines der Zentren der europäischen Sinnkrise, doch davor verschließt er letztlich die Augen bzw. richtet den Blick auf das Alte, Jahrzehnte, Jahrhunderte, Jahrtausende alte Steine begeistern ihn, die Gegenwart erreicht ihn aber nicht.
Aus Rom als Ausgangspunkt für die Analyse des Zustands der alten Welt hätte sicher noch mehr bieten können, so ist es ein durchaus unterhaltsamer kurzer Blick zurück geworden.
Mei, wenn ich verreise, schreibe ich vielleicht auch auf, was mir so durch den Kopf schießt. Und vieleicht habe ich auch einen guten Stil, so wie Simon Strauss. Aber ob diese Reiseimpressionen jetzt auch andere ausser meiner Familie interessieren - die Zeit Goethes ist eben vorbei, wo alle Ha und Ah machen. Heute gucken die Leuts selber. Nicht von allgemeinem Interesse, möchte ich meinen.
Kurzmeinung: DER SEHNSUCHTSORT ROM LIEß MICH KALT!
Der Protagonist, namenlos, verbringt mehrere Wochen in Rom. Man identifiziert ihn mit dem Autor, aber das muss nicht sein, ist aber wahrscheinlich gewollt. Der Protagonist hat gesundheitliche Probleme und Angst vor dem Tod: sein Herz ist angegriffen. Der Protagonist gibt ziemlich wahllos Impressionen der Stadt wider, natürlich gibt es einen Flirt, mehr nicht, und es wird erwähnt, wer alles in dieser berühmten Stadt was gemacht hat, Cäsar wurde ermordet, Ingeborg Bachmann war da und man plaudert mit Kellnern und Zufallsbekanntschaften. Begegnungen. Auf der Party eines Messerwerfers.
Wer einmal in Rom war, für den mag es ein bisschen atmosphärisch rüberwehen, mir, die ich noch nie in dieser Stadt war, hat es kein bisschen Appetit gemacht, jemals hinzufahren.
Für einen persönlichen Tagebucheintrag ist es super, aber für die Öffentlichkeit erscheint mir der Reisebericht zu indifferent. „Römische Tage“ sind Impressionen, die man nicht mit jedermann teilen muss.
Ich habe verstanden, dass es heiß ist im August. Und im Juli. Heiß ist es auch in Brandenburg. Und der Tiber stinkt. Brandenburgs Wasser sind klar und rein.
Fazit: Leider habe ich mich bei der Lektüre unendlich gelangweilt. Der Sehnsuchsort Rom hat mich nicht erreicht.
Kategorie: Reisebeschreibung Verlag: Tropen. Im Hause Cotta.
Dieses Buch wurde mir zur Rezension von NetGalley zur Verfügung gestellt.
Das erste Buch dieses Autors habe ich nicht gelesen. Hätte ich es und ist es ähnlich zu diesem, hätte ich dieses gar nicht erst angefangen. Die Literaturkritik in den Feuilletons dazu mag gut sein, meine Meinung ist eine andere. Nichts in diesem Buch hatte mir irgendetwas zu sagen, nichts davon hat mich berührt oder angesprochen. Es ist voller Metaphern, die wenig bis gar keinen Sinn ergeben und die einfach nur gewollt und aufgesetzt wirken. Der Stil ist wahnsinnig prätentiös und die Verbindung zu Goethe ist es auch. Sie erschließt sich auch nicht. Sollte ein Grund für diese artifizielle Sprache sein, dass der Autor versucht hat, sich in moderner Weise Goethes Sprache anzunähern, dann ist das Ergebnis misslungen. Es mag nicht die richtige Erklärung für die Sprachwahl sein, aber es ist die einzige, die mir zur Verteidigung des Autors einfällt. Wenn sie falsch ist, gibt es gar keine.
Der Titel ist treffend. Strauss beschreibt seine Tage in Rom, die im ersten Drittel noch ihren roten Faden suchen. Umso stärker wird seine Erzählkraft zum Ende hin, verbunden mit grandiosen Formulierungen existenzieller Fragen. Nichts weltbewegendes, aber das ist auch nicht das Ziel. Aus dem Einfachen, Alltäglichem die großen Fragen stellen, das kann der Autor.
hab mich auf florian illies rezension unter dem klappentext verlassen. ist was für dich, wenn du dein reclam mit dem cover sichtbar in der brusttasche trägst, damit jeder sieht, was du liest. ansonsten eher nicht, glaube ich. erinnert mich an sally rooney, nur fehlt der plot noch mehr & auch die weisen gedanken sind irgendwie noch banaler (ups, sorry)
Im neuen Buch von Simon Strauß geht es um einen jungen Mann, der einige intensive Wochen in Rom verbringt und ganz in diese Stadt und ihre Magie eintaucht.
Übersicht
Einzelband oder Reihe: Einzelband Verlag: Tropen Seitenzahl: 142 Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum Perspektive: männliche Perspektive Kapitellänge: mittel Tiere im Buch: -! Dieses Buch ist für TierliebhaberInnen absolut schwer zu ertragen. Es gibt Schilderungen von überfahrenen Hunden und leidenden Katzen, die in der Hitze verdursten und denen niemand hilft. Beim Lesen ist mir die Wut in den Bauch geschossen, als ich die detaillierten Beschreibungen der sterbenden Tiere lesen musste. Der Protagonist kommt nicht auf die Idee, ihnen Wasser anzubieten, sondern schaut ihnen mit einer widerlichen, empathielosen Distanz beim Leiden zu. Das hat ihn mir absolut unsympathisch gemacht, vor allem, da es sich ja sehr wahrscheinlich um wahre Beschreibungen der Zustände dort handelt! Außerdem tritt eine Frau nach Stadttauben (die es ohnehin schon schwer genug haben!), Hundekämpfe werden erwähnt und es wird Zirkusdirektoren, die immer noch Wildtiere im Programm haben, und deren unangebrachtem Selbstmitleid eine Bühne geboten – Wildtiere haben im Zirkus nichts verloren!
Warum dieses Buch?
Ich war bisher noch nicht in Rom, aber da die Stadt ja sehr faszinierend sein soll, dachte ich mir, dass „Römische Tage“ von Simon Strauß die richtige Lektüre für mich sein könnte. Außerdem konnte mich das mitreißende, erfrischende, kraftvolle Debüt des Autors absolut begeistern! Die Lesung, bei der ich zugegen war, war zudem großartig und der Vortrag des Autors sehr charismatisch und fesselnd. Ein tolles Erlebnis! Für mich stand fest, dass ich Simon Strauß‘ neues Buch auf jeden Fall wieder lesen muss.
Meine Meinung
Einstieg (-)
"Ankunft in Rom. Am ersten Juli. Zweihunderteinunddreißig Jahre und acht Monate nach Goethe." E-Book, Position 16
Schon beim Einstieg folgte leider Ernüchterung. „Sieben Nächte“ vermochte es, mich schon auf den ersten Seiten absolut zu fesseln, „Römische Tage“ präsentiert sich da leider weniger zugänglich. Es dauerte lange, bis ich ins Buch gefunden habe, richtig in die Geschichte eintauchen konnte ich nie.
Schreibstil (+/-)
„Wenn man aufs Herz zu sprechen kommt, nur in die Richtung zeigt, schauen die Menschen gleich so betrübt. Nichts mehr zu machen, denken sie mit heimlicher Erleichterung darüber, dass es sie nicht selbst getroffen hat.“ E-Book, Position 29
Was den Schreibstil betrifft, bin ich zwiegespalten. Die kraftvolle, intensive und mitreißende Sprache des Manifests „Sieben Nächte“ sucht man im neuen Buch vergeblich; wo das Debüt den Nerv der Zeit traf, wirkt die neue Erzählung auf mich eher altmodisch und rückwärtsgewandt. Der Essaystil ist insgesamt trotzdem wieder gut gelungen, auch wenn er hinter meinen hohen Erwartungen zurückblieb. Simon Strauß schreibt anspruchsvoll und schön, gleichzeitig lassen sich seine Bücher aber auch sehr flüssig und angenehm lesen, was mir ebenso gut gefällt wie der gelegentliche ironische Unterton.
Einerseits war ich beeindruckt vom literarischen und kulturhistorischen Wissen des Autors, der scheinbar mühelos und „im Vorbeigehen“ altehrwürdige Dichter, Politiker, Schriftsteller und Philosophen zitieren kann. (Auch Anspielungen auf moderne Lieder und Bands wie „Annenmaykantereit“ finden sich übrigens im Buch.) Andererseits fand ich die ständigen Zitate, Anspielungen und geschichtlichen Informationen stellenweise auch sehr gewollt, prätentiös und ermüdend. Es wirkt, als hätte der Autor um jeden Preis zeigen wollen, wie extrem gebildet und kultiviert er ist (und das ist er mit Sicherheit!). Das ging jedoch, was mich betrifft, manchmal nach hinten los. „Römische Tage“ ist deswegen teilweise anstrengend zu lesen. Manchmal hätte ich mir mehr Empfinden, mehr Erleben und weniger Verweise gewünscht.
Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)
„Römische Tage“ ist eine Aneinanderreihung von Reiseeindrücken und hat eigentlich keine wirkliche Handlung. Der Protagonist lebt ein sehr privilegiertes Leben, besucht Sehenswürdigkeiten, Friedhöfe und Partys, trifft sich mit Historikern, Generälen, Schauspielern und Kardinälen und wandelt auf den Spuren Goethes und anderer berühmter Persönlichkeiten. Dabei wirkten sein Verhalten und sein Leben auf mich meist sehr elitär und weit weg von dem einer Durchschnittsperson. Das muss man mögen, mich hat es nur selten gestört.
Thematisch stehen der Tod, Vergänglichkeit, die Flüchtlingskrise, die aktuelle Enttäuschung der RömerInnen vom Staat, die Vermischung der alten und der modernen Welt und die ehrliche Gegenüberstellung der Idealvorstellung von Rom und der oft schmutzigen, unschönen Realität im Mittelpunkt. Eine Themenwahl, die ich eigentlich sehr gelungen fand. Im Buch kommen jedoch leider viele erzkonservative und sogar rechte Menschen zu Wort, was ich etwas problematisch fand, besonders nach den Reaktionen der Öffentlichkeit auf Simon Strauß‘ Debüt. Stellenweise enthält das Buch wunderbar treffende und berührende Beobachtungen, sehr schöne Sätze, Weisheiten und ehrliche, tiefgründige Reflexionen, in anderen Momenten sind die Beschreibungen der Eindrücke oberflächlich, zu hastig abgehandelt und ohne jegliche Tiefe. Erfahrene Romreisende werden vielleicht mit diesem Buch ihre Freude haben, weil jede Beschreibung einer Sehenswürdigkeit eigene Erinnerungen weckt. Auf mich hat das Buch leider (im Gegensatz zu „Sieben Nächte“) überhaupt keinen Sog ausgeübt, es gab keinen Drang, weiterzulesen. Trotz seiner starken Momente lässt mich das Buch seltsam unberührt zurück, und es wird mir wohl auch nicht lange in Erinnerung bleiben. Schade, dass es „Römische Tage“ nicht geschafft hat, etwas in mir zum Klingen zu bringen. Es war wohl einfach nicht mein Buch.
Protagonist (+/-)
Auch dieses Mal verwischen wieder absichtlich die Grenzen zwischen Autor und Hauptfigur. Simon Strauß verbrachte nämlich selbst einige Wochen in Rom. Der Protagonist war mir bis zur Szene mit den Katzen, die er einfach leiden lässt, eigentlich sympathisch – er ist eine alte Seele, intelligent, empfindsam und zeigt Zivilcourage, wenn jemand Hilfe benötigt. Jedoch blieb er das ganze Buch über auch ein wenig farblos und war nicht so recht greifbar. Manche seiner Reflexionen, Selbstfindungsversuche und kritischen Gedanken werden mir ohne Frage länger in Erinnerung bleiben, er als Figur wird aber schnell wieder vergessen sein.
„Oft fühle ich mich wie ein Befallener, zerfressen von vergangenen Idealen, getrieben von unbefriedigtem Ehrgeiz. Wer zu spät auf die Welt gekommen ist, wird seine Zeit nie finden, sagt man.“ E-Book, Position 65
Figuren (-)
Alle anderen Figuren kommen nur ganz kurz im Buch vor, niemanden davon lernen wir näher kennen. Die meisten Charaktere zogen an meinem inneren Auge vorbei ohne einen bleibenden Abdruck zu hinterlassen. Manche der Geschichten über einzelne Nebenfiguren muss sich der Autor wohl in seiner Fantasie ausgemalt haben – wissen kann er diese intimen Details eher nicht. Manchmal erschien es mir so, als wurde die Ich-Erzählsituation mit einer allwissenden vermischt. Interessant, es hatte einen gewissen Charme. Mir hat es gefallen.
Spannung & Atmosphäre (-)
Immer wieder gibt es höchst atmosphärische Beobachtungen und Beschreibungen Roms, die mich absolut überzeugen konnten. Oft verkommen die vielen Erlebnisse aber auch zu einer etwas substanzlosen Aneinanderreihung von oberflächlichen Eindrücken. Spannung war zu keinem Zeitpunkt vorhanden, dafür sind die einzelnen geschilderten Episoden zu kurz und unzusammenhängend. Stellenweise musste ich mich leider durch das Buch quälen; ich wollte nicht wissen wie es weitergeht, sondern war oft gelangweilt und enttäuscht, dass mich dieses Buch nicht ebenso fesseln und faszinieren konnte wie das Debüt.
Feministischer Blickwinkel (+/-)
Vieles hat mir gefallen: dass oft gegendert wurde, dass auch auch LGBT-Figuren im Buch vorkommen, dass Machtmissbrauch mächtiger Männer thematisiert wird, dass gezeigt wird, dass AbtreibungsgegnerInnen kritisiert werden. Nicht gefallen hat mir, dass einmal angedeutet wird, dass es normal sei, dass die Frau für den Abwasch zuständig ist und dass der Mann sich in der Zwischenzeit schon ein Bier gönnt und dass eine Jugendliche anscheinend schon verheiratet ist und von ihrem Ehemann ziemlich unterdrück wird (das wird jedoch immerhin kritisiert, was gut ist). Sehr gestört hat mich, dass fast alle wesentlichen Gesprächspartner Männer waren und Frauen kaum zu Wort kamen – hier hätte ich mir ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis gewünscht. Den Bechdel-Test (sprechen zwei Frauen über etwas anderes als einen Mann?) besteht dieses Buch (was keine Überraschung ist) ebenfalls nicht.
Mein Fazit
Nach Simon Strauß‘ mitreißendem, kraftvollem und fesselndem Debüt bin ich an sein neues Buch mit hohen Erwartungen herangegangen, die leider enttäuscht wurden. Der Einstieg verlief schleppend, ganz in die Geschichte eintauchen konnte ich nie. Das lag bestimmt am Essaystil, der zwar anspruchsvoll, schön und angenehm zu lesen ist, dem aber dieses Mal diese erfrischende, kraftvolle Intensität fehlte. Wo das Debüt den Nerv der Zeit traf, wirkte die neue Erzählung auf mich altmodisch und rückwärtsgewandt. Einerseits war ich beeindruckt vom literarischen und kulturhistorischen Wissen des Autors, der scheinbar mühelos und „im Vorbeigehen“ altehrwürdige Dichter, Politiker, Schriftsteller und Philosophen zitieren kann. Andererseits fand ich die ständigen Zitate, Anspielungen und Informationen auch gewollt, prätentiös und ermüdend. „Römische Tage“ ist eine Aneinanderreihung von Reiseeindrücken eines privilegierten, elitären jungen Mannes und hat eigentlich keine wirkliche Handlung. Thematisch stehen der Tod, die Vermischung von Alt und Neu und die ehrliche Gegenüberstellung der Idealvorstellung von Rom und der oft schmutzigen, unschönen Realität im Vordergrund. Stellenweise enthält das Buch wunderbar atmosphärische, treffende und berührende Beobachtungen und Beschreibungen Roms, sehr schöne Sätze, Weisheiten und ehrliche, tiefgründige Reflexionen, in anderen Momenten sind die Beschreibungen der Eindrücke substanzlos, oberflächlich, zu hastig abgehandelt und ohne jegliche Tiefe. Der Protagonist war mir bis zur Szene mit den Katzen, die er einfach vor sich leiden lässt, sympathisch – er ist eine alte Seele, intelligent und empfindsam. Jedoch blieb er das ganze Buch über auch ein wenig farblos und war nicht greifbar. Spannung oder ein Sog waren zu keinem Zeitpunkt vorhanden, stellenweise musste ich mich leider durch das Buch quälen und war sehr enttäuscht, dass es mich nicht ebenso fesseln und faszinieren konnte wie das Debüt. Trotz seiner starken Momente lässt mich das Buch seltsam unberührt zurück, und es wird mir (bis auf einige interessante Reflexionen) wohl auch nicht lange in Erinnerung bleiben. „Römische Tage“ war wohl einfach nicht das richtige Buch für mich, weswegen ich es nicht weiterempfehlen kann. Eine Empfehlung möchte ich trotzdem aussprechen, und zwar für „Sieben Nächte“, das großartige Debüt des Autors. Dem nächsten Roman werde ich sicher wieder eine Chance geben.
Ja, ne. Das war nix. Ich weiß auch nicht was ich mir von diesem Buch großes erhofft habe, schon der Klappentext hat mich nicht vom Hocker gehauen, aber hab's trotzdem gekauft weil ich Simon Strauss' Sprache so schön finde. Was ich an "sieben Nächte" aber so gut fand, konnte ich in römische Tage leider nicht finden und musste mich regelrecht durchkämpfen. Schade.
War nicht meins, kein angenehmes Lesen für mich. Manche Stellen waren wunderschön geschrieben doch insgesamt hatte es mich null abgeholt. Die Art wie der Protagonist teilweise über Frauen reden war für mich unangenehm zu lesen
So drückend wie ein zu warmer und zu lauter Tag in Rom. Ich habe wirklich versucht dieses Buch zu mögen und es bis zur letzten Seite nicht richtig geschafft. Peccato.
Ein etwas anderer „Reiseroman“, der die Blickrichtung auf einzelne Details von Rom setzt und sich zwischen italienischen Eindrücken und melancholischen Gedanken hin und her bewegt. Der Interpretationsspielraum ist gegeben und lädt dazu ein, dass der Leser sich in die eigenen irdischen Gedanken einlässt.
In Römische Tage berichtet Simon Strauß von der Rom-Reise eines (jungen?) Mannes. Er beschreibt die Stadt, die Mentalität, die Gesellschaft, bleibt meiner Meinung nach aber sehr oberflächlich, dafür mit viel Pathos. Irgendwie wirkt alles recht trivial.
Im Klappentext wird versprochen, dass eine Welt voller Gegensätze präsentiert und die Frage beantwortet werde, warum die Gegenwart nicht ohne die Vergangenheit auskommt - klingt philosophisch, aber dafür hat mir der Tiefgang gefehlt.
Ich könnte mir vorstellen, dass es eine schöne Lektüre ist für Menschen, die sehr vertraut mit Rom und seinem Flair sind, da sie sicherlich vieles wiedererkennen werden. Vielleicht werden sich einige Leser auch mit der Situation des Protagonisten identifizieren können, der wohl versucht, seinen Platz in der Welt zu finden. Mich hat das leider kalt gelassen.
Für mich war Römische Tage ein netter Reisebericht, der sich mit seinen 100 Seiten schnell weggelesen hat. Vielleicht fehlt mir aber auch einfach das literarische Verständnis, um den Text vollends begreifen zu können...
Italien gilt den Deutschen als Sehnsuchtsland. Bücher über den Aufenthalt deutschsprachiger Autoren in Rom gab es schon öfter. Ich denke da gleich an Canto von Paul Nizon. Ein unglaublich gutes Buch, in dem Nizon von seinem Lebensgefühl sprach. Simon Strauss hat einen anderen Ansatz. Er hat mehr Distanz, schreibt gelehrt über Rom und preist das geschichtlich wertvolle. Das Buch ist wie ein Essay. Das vermag mich im ersten Moment nicht besonders zu berühren, obwohl es einige interessante Details gibt. Es ist ein sehr reflektierendes Buch. Emotionaler wird es, wenn Simon Strauss von seinen Begegnungen mit Menschen erzählt. Das Buch wird auch hier sehr zeitgenössisch und die politische Lage des Landes bestimmt auch die Gefühlslage der Römer und umgekehrt.
Mir hat Römische Tage besser gefallen als Simon Strauss´Erstlingsroman Sieben Nächte, aber eigentlich lassen sich die beiden Bücher kaum miteinander vergleichen.
Ich war nie in Rom und meine klassische Bildung ist leider nicht mal ansatzweise so gut wie ich es mir wünschen würde. Vieles ist deswegen an mir beim Lesen bestimmt vorbeigegangen. Und unzählige explizit genannte Referenzen sowieso. Aber der Roman transportiert eine Stimmung aus Rom mit, die einem beim Lesen/Hören packen kann und man wünscht sich, endlich Rom auch mal selbst zu sehen - um dann den Roman nochmal zu lesen ... alternativ Goethes Italienische Reise. (Zum zweiten Mal. Natürlich.)
Für mich weniger ein Reisebuch, mehr ein anekdotenhaft zusammengefügter Gedankengang des Autors. Manchmal etwas selbstdarstellerisch, aber mit vielen schönen Einfällen, die zum Weiterdenken anregen.