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Schwebende Lasten

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Nicht weniger als ein ganzes Leben erzählt Annett Gröschner mit der Geschichte der Blumenbinderin und Kranfahrerin Hanna Krause – mit einer Wucht und Poesie, wie sie nur dort entstehen können, wo die Literatur wirklichkeitssatt ist.

Hanna Krause war Blumenbinderin, bevor das Leben sie zur Kranführerin machte. Sie hat zwei Revolutionen, zwei Diktaturen, einen Aufstand, zwei Weltkriege und zwei Niederlagen, zwei Demokratien, den Kaiser und andere Führer, gute und schlechte Zeiten erlebt, hat sechs Kinder geboren und zwei davon nicht begraben können, was ihr naheging bis zum Lebensende. Hatte später, nachdem ihr Blumenladen längst Geschichte war, von einem Kran in der Halle eines Schwermaschinenbaubetriebes in Magdeburg einen guten Überblick auf die Beziehungen der Menschen zehn Meter unter ihr und starb rechtzeitig, bevor sie die Welt nicht mehr verstand. Hanna Krause blieb bis zu ihrem Tod eine, die das Leben nimmt, wie es kommt. Ihr einziges anständig bleiben. Annett Gröschners Roman erzählt die Geschichte eines Jahrhunderts in einem einzigen Leben und gibt, mit Hanna, denen ein Gesicht, die zu oft unsichtbar bleiben. Ein Roman über das Ende des Industriezeitalters und seiner Heldinnen im Osten Deutschlands – und über eine gewöhnliche Frau in diesem unfassbaren 20. Jahrhundert.

282 pages, Hardcover

First published March 21, 2025

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Annett Gröschner

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10 (2%)
1 star
1 (<1%)
Displaying 1 - 30 of 66 reviews
Profile Image for nettebuecherkiste.
685 reviews178 followers
September 19, 2025
Hanna kann man wohl als typischen deutschen Teenager in der Weimarer Republik beschreiben. Sie arbeitet im Magdeburger Blumenladen ihrer Schwester, kümmert sich zeitweise um den Haushalt ihrer anderen Schwester in Berlin und hat Reibereien mit beiden. Sie heiratet einen Mann, der sich als nicht besonders gute Wahl entpuppt, und ist bald reihenweise schwanger. Irgendwie bringt sie ihre Familie, wenn auch nicht alle Mitglieder derselben, durch fast das gesamte 20. Jahrhundert und durchlebt dabei absolute Armut, Kriege, Verluste und zwei Dikaturen. Ihre Leidenschaft bleibt dabei jedoch unverändert: Blumen.

Ich gehe inzwischen oft skeptisch an Weltkriegsliteratur heran. Nun ist dieses Buch nicht wirklich Weltkriegsliteratur, denn es umspannt ja fast das gesamte letzte Jahrhundert, doch naheliegenderweise nehmen das 3. Reich und der 2. Weltkrieg einen großen Teil des Buchs ein.

Ich nehme hier vorweg: Das Buch hat mich nach und nach für sich gewonnen bis hin zur echten Begeisterung. Locker chronologisch erzählt Gröschner uns von Hannas Blumenladen im Knattergebirge, dem Magdeburger Viertel, das laut Wikipedia vor dem 2. Weltkrieg eines der am dichtesten besiedelten Gebiete Europas war, ihrem Abstieg in bittere Armut, schrecklichen Kriegserlebnissen, dem Verlust von Kindern, ihrer Arbeit in der DDR als Kranführerin bis hin zur Wiedervereinigung. Dabei wird das Buch auch zu einer Art Chronik der Geschichte der Stadt Magdeburg im 20. Jahrhundert. So hat mich das Buch zum Recherchieren veranlasst, was ich ja besonders liebe. Den Kapiteln vorangestellt sind Beschreibungen verschiedener Blumenarten und Insekten, die Hanna in ihr Notizbuch geschrieben hat. Am meisten beeindruckt und erschüttert hat mich die Schilderung der Bombenangriffe auf Magdeburg, durch die Stadt völlig zerstört, das Knattergebirge ausgelöscht wurde. Ich habe mich schon viel mit diesem Thema befasst, aber noch nie hatte ich so sehr das Gefühl, den absoluten Horror eines Feuersturms so nah mitzuerleben. Der Krieg hinterlässt Hanna und ihre Kinder traumatisiert, aber sie schlagen sich weiter durch. Wie schon zuvor liegt der Hauptteil der Last und Verantwortung für die Familie bei Hanna.

Was Annett Gröschner hier erzählt, ist keine Geschichte über klischeehafte Charaktere, die sich gegen Nazis wehren, vermengt mit einer kitschigen Lovestory. Hanna macht vor allem eines: sich arrangieren und irgendwie überleben. Das tut sie mit einer Konsequenz, die sie zu einer der zahlreichen Heldinnen des Alltags macht, denen Annett Gröschner mit diesem Buch ein Denkmal setzt.

So wurde das Buch zu einem echten Lesehighlight und ich bin wirklich enttäuscht, dass es nicht in die Shortlist für den Deutschen Buchpreis aufgenommen wurde.

Das Hörbuch ist von Michaela Winterstein einfühlsam, aber ohne Pathos eingelesen.
Profile Image for Alexander Carmele.
475 reviews440 followers
September 27, 2025
Mitreißende Lebensgeschichte einer Arbeiterin – am Ende zu hastig.
(Longlist Deutscher Buchpreis 2025)

Inhalt: 5/5 Sterne (Blumen in Zeiten des Krieges)
Form: 2/5 Sterne (dienlich-passend)
Erzählstimme: 2/5 Sterne (unsituiert-unreflektiert)
Komposition: 5/5 Sterne (Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit)
Leseerlebnis: 4/5 Sterne (mitreißende Einmallektüre)
--> 18/5 = 3,6 Sterne.

Lebensläufe, die den Krieg, die Nachkriegszeit und die DDR-Zeit abdecken, stellen eine verkappte Biographie dar. Romane wie die von Susanne Abels Gretchen-Saga, Christoph Heins Das Narrenschiff oder Jan Weilers Der Markisenmann verdichten Lebensläufe, die die Regime durchziehen, zeigen Höhen und Tiefen und sympathisieren auch manchmal mit den Figuren. Gröschners Schwebende Lasten gehört zu den letzteren. Es gibt eine klare Heldin, und die Heldin heißt Hanna Krause:

Als Hanna an diesem Freitag vom Nicolaiplatz zurückgekehrt war, fielen die drei Mädchen ihr um den Hals, ohne einen Ton zu sagen. Hanna hatte kein Zeitgefühl mehr, es war dunkel, aber das konnte auch vom Rauch kommen. Weiß gepudert und wie ferngesteuert ging sie mit ihren Töchtern durch die Ankerstraße, die Mittag- und die Wasserkunststraße bis zur Reichsbahngartenkolonie Libelle, wo der Garten blühteblühteblühte, als wäre nichts gewesen. Hanna schritt von Beet zu Beet und sagte die Blumennamen auf: Aster, Gladiole, Chrysantheme, Rose, Goldrute. Dann legte sie sich zwischen die Rosenstöcke und schlief ein.

Schwebende Lasten spielt nicht in einem akademischen Kunst- und Kulturbetrieb-Milieu. Hanna verkauft für ihr Leben gern Blumen und wäre auch gerne Blumenverkäuferin geblieben, aber der Alkoholismus ihres Mannes und der Zweite Weltkrieg kamen ihr in die Quere. Mitläuferin wider Willen, aus Angst um Kind und Kegel, versucht sie sich durchzuschlagen, was ihr mehr oder minder gelingt. Ein schlechtes Gewissen bleibt, und am Ende ihres Leben, das der rote Faden, meistert sie eine noch offengebliebene Herausforderung, die ihr ein unbekannter Mann in ihren Blumenladen im Pottlappenviertel stellt:

Als die Glocken der Johanniskirche gerade zwölf schlugen, betrat ein Mann den Blumenladen. Hanna sah auf den ersten Blick, dass er eleganter gekleidet war als die Männer, die sich sonst über die Schwelle trauten, und er war auch nicht so verdruckst. Seine entschiedenen Schritte von der Tür bis zur Ladentheke verrieten, dass er ganz genau wusste, was er wollte. […] «Sie haben einen exzellenten Ruf», sagte der Mann.

Die Komposition um die gleichzeitige Ungleichzeitigkeit eines gemalten Blumenstraußes, der die Stadien des Lebensweges symbolisiert, aber auch eine Schuld und Scham, mit der Hanna fertig werden muss, bindet Schwebende Lasten gut zusammen. Die eher einfache Erzählweise, das flapsige Vorausgreifen und das deutlich über den Figuren Bleibende, trennt Schwebende Lasten von gleichsituierten Werken wie Der Totschläger (L'assommoir) von Émile Zola. Die Erzählweise und Erzählform eröffnen keinen mehrdimensionalen Zugang zu den Figuren und die Lebensumstände. Es bleibt alles angeschnitten, kurz angedeutet, und ähnelt daher mehr Annette, ein Heldinnenepos von Anne Weber, nur ohne Süffisanz und Überheblichkeit. Die Erzählinstanz mag Hanna und solidarisiert sich mit ihr.

In der Nacht bevor Hanna das erste Mal auf den Kran stieg, schlief sie schlecht. Sie hatte Höhenangst, aber das konnte sie nicht zugeben. Sie wollte nicht mimosenhaft sein, auch wenn sie Mimosen mochte. Die Blumen ähnelten ihr, denn sie waren nur scheinbar empfindlich.

Annett Gröschner gelingt mit Schwebende Lasten eine angenehme Familienchronik zu schreiben, unterhaltsam mit typischen Schwächen. Sie bleibt zu nahe am Gegenstand, bspw. nämlich hätte sie die ganzen Töchter (vier an der Zahl), gar nicht alle erwähnen brauchen und auch nicht die Halbschwester Margarete oder die Schwester Liese. Viele Randfiguren bleiben als Skizze bestehen wie schon bei Christoph Heins Das Narrenschiff . Hanna aber leibt und lebt, und das genügt vorerst, nur nicht für ein Wiederlesen.

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Details – ab hier Spoilergefahr (zur Erinnerung für mich):
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Inhalt:
●Hauptfigur(en): Hanna Krause, 3.9.1913 geboren, nach dem Tod ihrer Eltern bei der Halbschwester Rose und ihrem Ehemann Walter in Magdeburg aufgewachsen, mit Schwester Liese. Margarete ihre andere Halbschwester.
●Zusammenfassung/Inhaltsangabe:
1.) Rose schickt Hanna nach Berlin, zu Margarete, als es mit dem Blumenladen in der Nähe der Landesfrauenklinik nicht so gut läuft. Hannas Vater verließ die Familie, als sie noch sehr klein ist (der „Polacke“). Margeret, wohlsituiert, in Berlin mit dem Sauerkohlfabrikanten Heinrich Hoffrichter. Sie verliebt sich in einen Karl Krause, Eisenbahnversicherungsvertreter.
2.) Karl (K), der Sozialdemokrat, und Hanna (H) kommen zusammen. H finanziert sich einen Blumenladen auf dem Johannisberg mit Ks Hilfe. Sie bekommt einen Sohn, Johannes. Wegen des Ladens sprechen Rose und Walter nicht mehr mit ihr. K verliert schnell seine Arbeit. Erfindungsreich hält sie ihren Blumenladen am Laufen, aber K verspielt und versäuft das Geld.
3.) H bekommt Elisabeth. Der Gurkenfabrikant stirbt; Margerete wird von ihrem Gynäkologen versetzt, mit dem sie eine Affäre gehabt hat.
4.) Ein Mann kommt in ihren Laden mit dem Wunsch nach einem speziellen Brautstrauß, nach einem Gemälde von Ambrosius Bosschaert (1573–1621), Vaas met bloemen. Gibt ihr einen Vorschuss von 50 RM. Als Alternative würde er auch einen Strauß nach «Jacob Marrel (1614–1681), Blumenstück mit Vase» akzeptieren. Sie schaut das Stillleben im Kaiser-Friedrich-Museum an und schafft es beinahe, den Strauß zu rekonstruieren (ersetzt eine Tulpe durch eine Lilie, eine andere durch eine Rose). Aber der Mann holt den Strauß nicht ab, vielleicht auch, weil H dem Blockwart nachgab und ein „Juden unerwünscht“-Schild im Schaufenster aufgehängt hat. Sie wirft den Strauß weg. Sie behält die Karte mit dem Stillleben. Reichskristallnacht findet statt.
5.) K verbirgt eine Jüdin bei ihnen. H hat Angst und schickt sie nach ein paar Tagen weg. Barbara wird geboren. Der Krieg beginnt. Sie muss den Laden aufgeben.
6.) K gibt Zwangsarbeiter etwas zu essen und kommt ins Gefängnis. Johannes zieht zu seinen Ks Eltern.
7.) H fragt Sibylle und den NS-treuen Willibald, Ks Eltern, um Hilfe. Neffe Erich lässt Kontakte spielen, vor allem will Willibald, dass Johannes, Ks Sohn, nicht unter Verdacht fällt.
8.) K hat einen Arbeitsunfall, verliert ein Bein. Versäuft das Geld. H fängt an, im Krupp-Gruson-Werk zu putzen. Sibylle hilft etwas aus.
9.) Selma wird 1943 geboren. H putzt, ihre Fesseln schwellen wegen der nächsten Schwangerschaft an, sie wird krankgeschrieben und entkommt einem Bombenangriff auf das Krupp-Gruson-Werk. Elisabeth und Barbara wohnen mittlerweile auch bei den Großeltern. Sie besucht sie jeden Tag. Anfang August 1944 ist Selma krank. Sie lässt das Baby bei Karl und fährt zu den Großeltern. Bomben fallen. Karl und Selma überleben.
10.) H wieder schwanger. Sie finden nach dem Bombenangriff nur noch Notquartiere und dann eine Wohnung in der Alten Neustadt. Johannes, regimetreu, nun bei ihnen. H will ihre Kinder während der Bombenangriffe bei sich haben. Freitag, 29.09.1944, Einladung bei Liese zum Kaffeetrinken. Schneidern SA- und SS-Uniformen. Als Fliegeralarm losbricht, kämpft Liese für sich einen Platz im Luftschutzbunker und lässt H und ihre Kinder außen vor. H muss zur Kirche, dort Schutz suchen. Bomben fallen auf die Kirche. Sie fliehen. Johannes wird von Feuersbrunst erwischt.
11.) Roses Laden wird zerstört; die Stadt liegt zunehmend in Schutt und Asche. Liese verliert ihren Sohn. Sibylle stirbt. H noch schwanger, aber das Kleine bewegt sich nicht, Totgeburt, Erstickung durch die Nabelschnur. Sie spendet den Fötus der hiesigen Anatomiesammlung. Name, Kristina. Ende des Krieges. H klaut und sammelt Dinge zum Überleben.
12.) Margarete kommt aus Berlin, hat Hunger. H schickt sie zu Liese, die mit Ehemann wieder gut im Geschäft mit Maßschneiderei. Elisabeth geht mit Margarete nach Berlin, aber Elisabeth bekommt Heimweh.
13.) Anfang 1949 findet K Arbeit im Eisenwerk. Er arbeitet mit Zahlen. Sie finden eine Wohnung. H bekommt Judith, am Gründungstag der DDR. Rose bietet H an, den Laden zu hüten, während sie sich in Hamburg versucht. H lehnt ab. Sie leben mit Willibald, dem Schwiegervater, zusammen. K säuft.
14.) H findet Arbeit als Kranfahrerin. 1. Juli 1954, nach Juni Aufstand. Sie arbeitet mit ihrer Kollegin Edith beim Ausgießen, Schulkameradin von Barbara.
15.) Anfang der 1960er, K schläft Rausch aus. H Vorsitzende der Frauenkommission 1964, die über Abtreibung entscheidet.
16.) Herzinfarkt mit 49, 1962. Bei Doktor Poggenberg, Herzoperation.
17.) H liest Thomas Mann. Viele Familienfeiern.
18.) 6. Juli 1967, Ediths 11jährige Tochter Sabine verunglückt. Edith verschwindet, kehrt nicht mehr ins Werk zurück.
19.) Arbeit bis 3. September 1973, letzter Tag auf dem Kran, mit 60. Ziehen um in die Neustadt. K muss operiert werden. Kehlkopfkrebs. Hört nicht mit dem Rauchen auf. K beobachtet Kinder vom Fenster, wird der Pflasteropa. H und K kommunizieren über Gesten. H pflegt ein Blumenbeet für die Arbeiterwohnungsgenossenschaft. Margarete, das letzte Mal 1969 auf dem Alexanderplatz, stirbt kurz danach. Liese zieht nach Tod ihres Ehemannes nach Karl-Marx-Stadt. Rose meldet sich aus Hamburg nicht mehr.
20.) H versteckt sich im Gewächshaus, lässt sich einschließen, um dort einen Nacht zu verbringen. Allein und glücklich.
21.) 1982, kurz nach seinem 70. Geburtstag stirbt er. Barbaras Ehe scheitert, Tochter Annja lebt beim Vater. Judiths Tochter Nelly spezialisiert sich als 400meter-Sprinterin, gibt H die Dopingmittel, die H aufputschen. Selmas Tochter Minette versorgt sie, nachdem Nelly aus dem Kader fliegt. Andrea, Elisabeths Tochter, besucht sie als sie 80 ist, bittet um Rat wegen Schwangerschaft. Andrea behält das Kind, geht aber an Schwangerschaftsdepression zugrunde.
22.) Die Vorzeige-Bürgerin Judith, Datenverarbeiterin, verliert Glauben ins System, beschwert sich über die Rechnerentwicklung. Sie wird degradiert, muss auf dem Kran arbeiten. Sie versucht eine Flucht, wird erwischt. Sie kommt ins Stasi-Untersuchungsgefängnis. Sie wird zu anderthalb Jahren Untersuchungshaft verurteilt. H protestiert. Es ist Anfang 1989.
23.) H überlegt Vorgarten aufzugeben. November 1989 zieht Judith mit Nelly und ihrem Mann Thomas weg. Die Wohnhäuser werden verkauft und der Vorgarten von H vernichtet. Eine Nachbarin protestiert. Barbara erhält Stipendium, um in den USA Soziologie zu studieren. Sie fahren zur Feier mit H und allen Töchtern nach Den Haag, um das Blumenstraußbild anzusehen. Sie finden es. H sieht es sich genau an und memoriert es.
24.) H lässt Blumensträuße in ihrer Wohnung verwelken. Es kommt heraus, dass sie bei einer Vietnamesin arbeitet, in einem Blumengeschäft. H bleibt zwei Jahre dort, und stellt dann mit dem verdienten Geld den Blumenstrauß zusammen, den sie in Den Haag gesehen und dem Mann versprochen hat. Eine Blume aber fehlt, die Schachblume. Sie verwendet hierfür eine Zwergsonnenblume. Die Vietnamesin organisiert eine Fotografen, der den Strauß festhält. 5. Juni 1992 hat sie den Strauß fertiggestellt. Plötzlich stellt sich eine große Leere ein.
25.) Mit über 80, 1993, geht sie in März Sonnenblumen pflanzen, dort, wo ihr Blumenladen gestanden hat. Sie wird von einer Polizeistreife gestellt. H zitiert Neruda. Sie ist verwirrt. Kommt bald ins Krankenhaus. Stirbt im Juni. Die Töchter sehen bei einem Spaziergang die Sonnenblumen und wundern sich, als wäre es ein göttlicher Eingriff.
●Kurzfassung: Hanna, glückliche Blumenhändlerin, arbeitet zuerst bei ihrer Halbschwester Rose, später in ihrem eigenen Laden. Kurz vor der Reichskristallnacht taucht ein Fremder auf und wünscht sich von ihr einen speziellen Blumenstrauß. Der Fremde verschwindet und Hannas Laden geht im Zuge des Kriegsbeginns Pleite. Sie bringt ihren Mann und ihre drei Töchter durch (Barbara, Elisabeth, Judith), verliert ihren Sohn. In der neu gegründeten DDR wird sie Kranfahrerin, geht mit 60 Jahre in Rente, bis sie dann in der Wendezeit Kraft und Möglichkeit findet, den speziellen Blumenstrauß anzufertigen. Kurz danach stirbt sie.
●Charaktere: (rund/flach) eher flache, oberflächliche Charaktere, sehr von außen betrachtet
●Besondere Ereignisse/Szenen: Bombenangriffe auf Magdeburg, sehr anschaulich; Unglück von Edith und Sabine auch
… insgesamt sehr mitreißend und vom Plot her flüssig und spannend. Erinnert sehr an Jan Weilers „Der Markisenmann“ und Susanne Abels Gretchen-Romane: „„Was ich nie gesagt habe“ und “Stay away from Gretchen”. Eher schmonzettig, also ohne Komplexität, eher runtererzählt, aber durch die vielen Episoden und Einzelheiten mitreißend. Ein bisschen wie eine gelungene Familiensaga und auch Seifenoper-Klischees (Margarete und ihre Nostalgie, der Gurkenfabrikant; der böse Schwiegervater). Erinnert auch stark, in seiner Episodenhaftigkeit an Christoph Heins „Das Narrenschiff“ – nur ohne den Hintergrund der Funktionäre. Hier Arbeitermilieu. Vom Plot her, auch mit dem roten Faden des Blumenstraußes, gelungen.
●Diskurs: --> DDR, Vergangenheitsaufarbeitung, Judenverfolgung. Milieustudie mal nicht im Akademischen und Kunst und Kulturbetrieb.
5 Sterne

Form:
●Wortschatz: schöne, altmodische, sehr mit Lokalkolorit versehene, dennoch einfache, angemessene Sprache für das geschilderte Milieu.
●Type-Token-Ratio: 0,18 für ein Unterhaltungsroman vielgestaltig, aber durch die rasche Abfolge von Szenen und Situationen (Musil >0,25 - Genre < 0,1)
●Satzlängen-Verteilung-Median: 14,4 Wörter – STAB 10 Wörter, breite Streuung, relativ berechenbare, schnell lesbare Sätze. (bei Musil: 28 Wörter mit Standardabweichung (STAB) 19 Wörter)
●Anteil der 1000 häufigsten Wörter: um 80% abzubedecken, benötigt Gröschner 1642 Wörter, als 75% des Gesamttextes – auch variantenreich (Musil/Mann <70% - Genre >80%)
●Wortartenverteilung: (Musil/Mann: Adjektive 13%, Adverbien 7%)
●Verhältnis Nominal-/Verbalstil: sehr raffend, nicht so verbalorientiert.
●Stimmige Wortfelder: sehr stimmig.
●Satzstrukturen: gute belletristische Abwechslung
●Wiederkehrende Motive/Tropen: Blumen
●Innovation: keine
… sehr plastisch, eingängig, unaufdringliche Sprache, die ihren Zweck erfüllt
--> 2 Sterne

Erzählstimme:
●Eindruck: auktoriale Erzählinstanz, die kommentiert, vorgreift, das Wissen organisiert; die Erzählinstanz spricht aus einer unbekannten Gegenwart heraus. Sie urteil, und reflektiert sich teilweise als ich (bspw. im letzten Satz). Erzählinstanz wirkt regieführend.
●Erzählinstanz (reflektiert, situiert, perspektiviert?): Erzählinstanz weiß mehr als ihre Figur, weitgehend personal erzählt, auf Hanna gemünzt. Hält sich weitgehend zurück, schaut nicht in die Köpfe der anderen.
●Erzählverhalten, -stil, -weise: bilanzierend im Überblick, rekapitulierend, etwas souverän, ja, fast flapsig
●Einschätzung: Regieführend, auf Abwechslung bedacht, mit Sinn für Dramaturgie, Übertreibung, aber immer mit Fokus auf die Heldin, sehr empathisch, solidarisch. Dennoch unreflektiert, und unsituiert. D.h. eine eher belletristisch, auf Effekt angelegte Erzählhaltung, die sich herausnimmt, was ihr gerade passt. Summarisch. D.h. aber auch ohne Rahmung.
--> 2 Sterne

Komposition:
●Eindruck (szenisch/deskriptiv/Tempiwechsel): die Rahmung gelingt durch den Blumenstrauß mit den Blumen, die gar nicht zur selben Jahreszeit wachsen. Gutes Bild für die Gemeinschaft, die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit, das Leben selbst, die Schuld, das Schild gegen jüdische Kunden aufgehängt zu haben, der Versuch, diese Schuld zu begleichen, die lebenslange Liebe zu Blumen.
●Extradiegetische Abschnitte: nein, die Erzählung bleibt komplett in der Welt
●Lose Versatzstücke: nein
●Reliefbildung: gute gelungene Reliefbildung, Zeitraffung, Verdichtung
●Einschätzung: gelungene inhaltliche Präsentation, leider mit Schwäche in der Erzählstimme, die sich versteckt hält, nicht ihren Erzählgrund preisgibt. Die meisten Fäden werden aber zu Ende erzählt, bis auf das Schicksal von Edith.
--> 5 Sterne

Leseerlebnis:
●Gelangweilt: nein, eher mitreißend, sentimentalisierend
●Geärgert: nein
●Amüsiert: nein, zu traurige Geschichte, zu viel Elend und Leid und Schmerz.
●Gefesselt: ja, durch die Tapferkeit und Energie der Hannas
●Zweites Mal Lesen?: nein, nicht wirklich, dafür erschließt sich der Text allzu sehr im ersten Durchgang. Die Allegorie sitzt, aber nur als Effekt. 1 Stern Abzug.
--> 4 Sterne

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Profile Image for Elena.
1,032 reviews414 followers
August 14, 2025
Hanna Krauses Geschichte beginnt zwar in Berlin als Haushälterin ihrer Halbschwester, spielt sich dann aber über fast ein ganzes Jahrhundert in Magdeburg ab. Das Handwerk der Floristin erlernt sie bei ihrer anderen Halbschwester, die sie seit ihrer Kindheit drangsaliert. Nach ihrer Hochzeit mit dem Versicherungskaufmann Karl eröffnet sie einen eigenen kleinen Blumenladen im Knattergebirge, der den zweiten Weltkrieg und die dunklen Nazijahre aber nicht überlebt - genau wie das Viertel, in dem Hanna wohnt. Nach dem Krieg und der deutsch-deutschen Teilung wird Hanna Kranführerin. Die sechsfache Mutter bleibt ihrem Lebensmotto treu: Anständig bleiben. Sie bleibt bis zu ihrem Tod eine, die das Leben nimmt, wie es kommt.

Annett Gröschner hat mich mit ihrem Roman "Schwebende Lasten" von der ersten Zeile an verzaubert. Ich habe die Verbindung zwischen Hanna Krause, dieser Protagonistin, mit der man sich so gut identifizieren kann, und den Blumen, die jedes Kapitel einläuten - angelehnt an das Gemälde Blumenvase in einer Fensternische von Ambrosius Bosschaert -, sehr gemocht. Die Blumen und Pflanzen ziehen sich durch Hannas Leben, sie geben ihr Ruhe und Freude, was ihre Mitmenschen oft nicht vermögen. Dieses Leben ist geprägt von schweren Verlusten und Schicksalsschlägen, Hanna gibt aber nie auf, sie macht weiter, für ihren Mann, ihre Kinder und auch sich selbst. Es ist ein einfaches Leben einer einfachen Frau - und genau das macht diesen Roman für mich aus. Ganz unaufgeregt und fast etwas distanziert erzählt Annett Gröschner ein beinahe ganzes Jahrhundert in einem Menschenleben und hat mich damit doch tief berührt und gefesselt. Ich habe das Buch als Hörbuch, gesprochen von Michaela Winterstein, gehört, was ich sehr empfehlen kann. Am Ende war ich ganz traurig, als das Buch ausgehört war!
Profile Image for Tabitia.
139 reviews8 followers
November 11, 2025
Eine schöne, wenn auch teilweise emotional schwer zu ertragende Reise durch die Jahrzehnte mit einer Protagonistin, die trotz aller Schicksalsschläge und persönlichen Entwicklungen als Durchschnittsfrau dieser Zeiten durchgeht.

Ich stimme den Kommentaren zu, dass es teilweise zu schnell ging, aber mochte, an dem Buch auch, dass je ein klar abgetrenntes Kapitel zu einem Lebensabschnitt gab. Das trägt zwar dazu bei, dass es sachlicher wirkt, aber in Kombination mit dem Blumenthema hat es mir erstaunlich gut gefallen.
Profile Image for LeserinLu.
323 reviews38 followers
March 18, 2025
In „Schwebende Lasten“ erzählt Annett Gröschner die fiktive Lebensgeschichte von Hanna aus Magdeburg – eine Geschichte, die zugleich die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive einer ostdeutschen Arbeiterin ist. Der Roman zeichnet Hannas Weg von der Floristin zur Kranfahrerin nach und verknüpft ihr Schicksal mit den politischen Umbrüchen und sozialen Verwerfungen ihrer Zeit.

Die klare Sprache und die Art, historische Zusammenhänge anhand einer weiblichen Figur greifbar zu machen, haben mich stellenweise an Klaus Kordons „Trilogie der Wendepunkte“ erinnert – eine Reihe von historischen Romanen, die ich früher sehr gerne gelesen habe. Allerdings geht Gröschner in „Schwebende Lasten“ oft noch drastischer in die historisch authentischen und furchtbaren Details. Durch das hohe Erzähltempo hatte ich aber nie das Gefühl, von der Schwere der Ereignisse erdrückt zu werden. Bloß am Ende des Romans wurde es etwas langsamer, das war aber passend zum Ende von Hannas Leben.

Besonders gefallen hat mir Hannas Haltung: Trotz der vielen verzweifelten Situationen, in die sie und ihre Familie geraten, verliert sie nie ihren moralischen Kompass. Sie bleibt anständig, verbreitet weder Hass noch Missgunst. Diese Perspektive fand ich sehr wohltuend, denn sie zeigt, dass es möglich war, trotz widrigster Umstände eine Haltung zu bewahren. Gleichzeitig hebt der Roman hervor, was für unglaubliche Härten gewöhnliche Frauen im 20. Jahrhundert überlebt haben.

Insgesamt ist „Schwebende Lasten“ ein kluger, temporeicher und historisch fundierter Roman. Eine Empfehlung für alle, die sich für deutsche Geschichte interessieren!
Profile Image for Sandra.
201 reviews49 followers
September 16, 2025
Ich sehe durchaus, dass es wichtig und gut ist, wenn Bücher geschrieben werden, in denen Frauen in der Mitte des 20. Jahrhunderts die Hauptfiguren sind. Auch kann ich mit gut vorstellen, dass dabei tolle und interessante Geschichten entstehen. Diese hier war für mich keine solche, leider.

Hannah ist, in meinen Augen, eine eher langweilig gezeichnete Figur. Sie blieb mir fast durchgehend fern und gleichgültig. Nur am Ende, als sie Zwergsonnnenblumen pflanzt, fängt sie an, sich für mich wirklich aus den Buchseiten herauszuheben und wird zum spannenden Charakter. Zu spät, zu wenig.
Profile Image for Uralte  Morla.
365 reviews118 followers
July 27, 2025
Dieser eine Blumenstrauß wird sie ihr ganzes Leben lang begleiten, ja fast verfolgen, könnte man sagen. Dieser unmögliche Blumenstrauß, den der flämische Maler Ambrosius Bosschaert um 1620 gemalt und darauf 30 Blumen verewigt hat, die gar nicht zur gleichen Zeit blühen.
Genau deswegen kann Hanna Krause 1938 auch den Wunsch eines geheimnisvollen, gut gekleideten Fremden nicht erfüllen, der ihr den Auftrag gibt, das Gemälde anhand eines realen Blumenstraußes nachzuempfinden.
Erst Jahrzehnte später, am Ende ihres Lebens gelingt es ihr. Das traurige Schicksal des Fremden ist dann schon längst besiegelt - und bei Hanna bleibt die erhoffte Befriedigung aus.
Trotzdem schließt sich ein Kreis. Kehrt sie doch in ihren letzten Jahren noch einmal zu dem Handwerk zurück, das sie einst gelernt hat und das immer ihre Leidenschaft blieb: Die Blumenbinderei.
Bei ihrer strengen Halbschwester hat sie sie erlernt, später führte sie einen eigenen Blumenladen in Magdeburg. Der wurde - wie fast die ganze Stadt - im zweiten Weltkrieg zerstört, doch Hanna kämpft sich weiter durchs Leben. Sie kämpft, als ihr Mann Karl sein Bein verliert, als ihr Sohn vom Bombenfeuer getötet wird, ihre eine Tochter tot auf die Welt kommt, sie auf der Straße landet, in der DDR beruflich als Kranfahrerin nochmal komplett neu anfangen muss - kurz, sie ist nicht unterzukriegen.
Woher Hanna diese Kraft nimmt, verrät Annett Gröschner nur zwischen den Zeilen: Sie kämpft, weil sie kämpfen muss, macht immer weiter, weil sie und ihre Familie nur so überleben können. Und überleben will sie, diese Hanna. Bis ins hohe Alter soll sie das auch tun.
"Schwebende Lasten" erzählt das ganze Leben einer ganz normalen Frau aus der Arbeiterklasse. Eine Frau, die sich politisch raushält, ihre Kinder ohrfeigt, obwohl sie sich vorgenommen hat, es nie zu tun (es hagelt wirklich viele Ohrfeigen in diesem Buch, aber das war wohl die Realität der Zeit), die keine Heldin im gesellschaftlichen Sinne ist, aber doch irgendwie eine im privaten.

Gröschner hat mit Hanna Krause eine Figur geschaffen, die man bewundern kann, obwohl sie nicht alles richtig macht. Die mit Stärke überzeugt, so wie das Buch mit seiner feinen, sachlichen Sprache und Sätzen, durch die man durchfliegt. Und das anhand ihrer Protagonistin die Geschichte des 20. Jahrhunderts erzählt, mit all den grausamen Schrecken des Krieges (die Haut der Schwiegermutter im Gebüsch werde ich wohl nie vergessen) und den Zwängen, denen vor allem Frauen ausgesetzt waren.

Ich habe "Schwebende Lasten" gerne gelesen und empfehle es allen, die gerne Lebenschroniken lesen!
Profile Image for Anna.
605 reviews40 followers
October 17, 2025
Deutscher Buchpreis Longlist #19
Mein persönliches Ranking Platz 14 von 20

Schwebende Lasten ist ein sehr lesbarer Roman, der perfekt wäre, wenn es um einen deutschen Women's Prize for Fiction ginge. Wir lernen die Blumenbinderin Hanna als junge Frau in der Weimarer Republik kennen, und folgen ihr erst durch Familiengründung, Zweiten Weltkrieg und schwere Verluste, dann in die DDR, auf einen Kran und schließlich in ein vereinigtes Deutschland.

Innovativ ist der Aufbau nicht: Zeitlich leicht versetzt, aber literarisch herausragend hat Jenny Erpenbeck das in Aller Tage Abend bereits gemacht, und erst letztes Jahr war für den Womens Prize das Australische Buch "Restless Dolly Maunder" nominiert, das ähnlich wichtige Zeiten für den Kontinent in den Blick nimmt. Interessant ist es aber doch: Die Deutsche Geschichte ist so bewegt, dass es einem nicht langweilig wird, diese Brüche und Momente über die Perspektive einer Frau zu sehen. Annett Gröschner schreibt zudem kompetent, und sie hat mit dem Blumenmotiv, das auch die Kapitel selbst strukturiert, ein attraktives Stilmittel gefunden. Schwebende Lasten lässt sich gut lesen.

Allerdings traut sich der Roman nicht, uns anstrengende, gebrochene oder ambivalente Charaktere vorzustellen. Selbst da, wo der Mann Hannas schwer verletzt wird, dient das eher als Kolorit. Hanna selbst ist klug, sehr begabt und versucht, ihr Leben selbst zu gestalten. Sie wird ungeplant schwanger und landet deswegen bei einem Mann, der alles andere als perfekt ist. Sie muss hart arbeiten, um die Familie über Wasser zu halten, und schafft es dabei doch, sich nie schuldig zu machen: Sie verkauft immer nur Blumen und bleibt ehrlich. Sie und ihr Mann sind ein bisschen zu sozialdemokratisch für Hitler, aber auch hier passiert wieder eigentlich nichts. Sie sind gegen die Braunen, verstecken (wenn auch nur kurz, weil sie selbst in Gefahr kommen) eine junge Frau, sie geben Fremdarbeiter:innen Essen, weil sie mit der Menschenverachtung nicht klar kommen, und bleiben doch fast immer unter dem Radar.

Kurz: Sie bleiben sauber, zahlen dafür aber keinen (oder nur einen geringen) Preis. Ob sie vom Antisemitismus profitieren, ob vielleicht auf Freund:innen oder Nachbar:innen zu Opfern werden, erfahren wir kaum. Dafür, dass der Mann so ein bisschen politisch ist, bewahren sie sich doch viel politische Unschuld in der Diktatur. Um es deutlich zu machen: Ich finde, es ist eine Stärke, dass Hanna sich vor allem pragmatisch arrangieren muss und nicht den ganzen Tag über große Politik nachdenkt. Aber auch das hat seinen Preis, gerade in Kriegszeiten. Diese Mischung aus moralischem "sauber bleiben" und apolitischem Schreiben bleibt mir zu fiktional.

In der DDR dann ist Hanna selbstbestimmt, wird eine der ersten Kranfahrerinnen, ist aber gegen die Partei und Gleichschaltung, und lässt sich nicht als Symbol für die Republik aufstellen. Sie verliert Kinder, aber der emotionale Eindruck bleibt gering; alle überlebenden Kinder leben durchschnittliche, bald verpartnerte Leben. Diese Figur bleibt blass, weil sie nur dient, um uns, möglichst unpolitisch, durch politische Zeiten zu führen. Viel wird erzählt, wenig gezeigt, und Gröschner sorgt dafür, viele Signallampen anzuzünden. Was mir fehlte, waren reale Figuren, die sich irgendwie verhalten; die Meinungen haben, die sich verlaufen, und irgendwann wieder den Weg zurück finden müssen. Selbst die schwierige Beziehung zum Alkoholikermann ist am Ende doch auch liebevoll.

Vielleicht liegt das auch an der Panoramafunktion: Weil wir auf wenigen Seiten über viele Jahre hinweggleiten und dabei immer die wichtigen Momente deutscher Geschichte sehen sollen, bleibt nicht genug Zeit, in die Figur hineinzusehen. Sie muss eine Hülle bleiben, weil sie eine Stellvertreterin ist.

Und: Gröschner interessiert sich recht wenig für ihre Figur, nachdem diese aus dem Kinderkriegen rauskommt. Jahre rasen dahin, und Hanna ist einfach nicht solide genug, um dem Leben jenseits der 60 Struktur zu geben. Ihre Kinder sind Statistinnen, und es gelingt immer wieder, emotionale Momente zu produzieren - nur eben oft welche, die nicht spezifisch für diese Familie und diese Frau, sondern Stellvertretermomente für die Deutsche Geschichte sind.

Insgesamt ein easy read, der viele gute Momente produziert, sich aber literarisch nicht viel traut. Es müssen nicht alle Täter gewesen sein, es müssen sich nicht alle schuldig gemacht haben, es waren nicht alle politisch - aber es ist schon erstaunlich, wie Annett Gröschner es schafft, über zwei Regimewechsel hinweg, dass bei ihr immer alle sauber geblieben sind. Wenn eine ausgebombte Mutter im Hungerwinter hochschwanger und mit 4 (?) Kindern nicht verzweifelt sein und vielleicht über ihre moralischen Werte nachdenken muss, dann bleibt ihre Geschichte blutleer.
Profile Image for Rosa.
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August 28, 2025
#longlistlesen Nummer 3

Oh boy. Es gibt einfach diese gewisse Art von (historischer) Literatur, die ich beileibe nicht leiden kann. Dazu hat Reichskanzlerplatz von der letztjährigen Longlist gehört, mein absolutes Hassbuch Lessons in Chemistry und irgendwie hat Schwebende Lasten denselben unangenehmen vibe für mich.

Auf dem Papier eine total spannende Geschichte - von einer Frau, die einen Weltkrieg und zwei Diktaturen durchlebt, in der Zeit des Nationalsozialismus als Blumenbinderin und in der DDR als Kranfahrerin arbeitet, so etwas kann absolut delicious sein.

Ist es halt nur nicht. Es ist mainly kitschig, auf eine ganz unangenehme, subtile Art und Weise, die so geschickt angelegt war, dass es mir nur dann aufgefallen ist, als ich das Buch wieder weggelegt habe, um drüber nachzudenken.

Ich bin leider nicht versiert genug, um zu beschreiben, was an Kairos von Jenny Erpenbeck gut und an diesem Buch gewollt war - aber es ist einfach so eine Art schales Gefühl, als hätte man gerade Karton gegessen und was Nahrhaftes erwartet.

Natürlich ist nicht alles schlecht; das Buch hatte - vor allem durch seine Tragödien - immer wieder spannende Wendungen, die aber halt teilweise fast manieriert rübergekommen sind, besonders durch diese gottverdammten Blumenanalogien, die die ganze Zeit gezogen wurden. Und ich muss trotzdem zugeben, dass ich das Buch in wenigen Stunden gelesen hab.

Ich glaub, ich hab einfach immer Schwierigkeiten mit solchen Schicksalen, die so perfekt geradlinig verlaufen - die irgendwie dazu dienen, einen Punkt reinzuhämmern, der wie Leuchtreklame jegliche darunterliegende Ebene zunichte macht. Ja, Hanna ist cool, schon total - aber sie scheint mir doch etwas konstruiert, dass ich manchmal nicht das Gefühl hab, ein echtes Schicksal zu lesen.

Pluspunkte gibts für die Töchter, die fand ich spannend und ich mochte es, wie sie mit ihrer Mutter interagiert haben - da hat Hanna sich am lebensnächsten angefühlt.

Ich muss aber wahrscheinlich echt 2.5 Sterne geben, und weil ich nicht so sein will, werden das hier auf Goodreads 3.
Profile Image for Wal.li.
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October 24, 2025
Krauses Blumenladen

Zeitweilig war Hanna Krause als junge Frau in Berlin, doch irgendwann kam sie wieder zurück nach Magdeburg. Dort führt sie ihren Blumenladen mit Freude. Ob ihr Mann Karl so unbedingt ein Hauptgewinn, bezweifelt sie manchmal. Doch bald kommt ein Kind nach dem anderen und nicht alle dürfen leben. Die, die es schaffen liegen ihr am Herzen. Im zweiten Weltkrieg jedoch kommt ihr einziger Sohn Johannes im Bombenhagel um. Karl, der in den Gruson Werken arbeitet, wird bei einem Arbeitsunfall so schwer verletzt, dass er ein Bein verliert. Hannas Leben verläuft nicht einfach, doch sie findet Zeit ihres Leben Kraft in den Blumen.

Ein ganzes Leben erzählt die Autorin. Von Hannas Jugendjahren über die Jahr zwischen den Kriegen, den zweiten Weltkrieg und die Zeit danach. Die Blumen geben Hanna Halt und sie versteht sich aufs Blumenbinden. Schade nur, dass es Zeiten gibt, in denen niemand etwas für Blumen übrig hat. Es gibt keine andere Möglichkeit mehr als den Laden zu schließen. Dass sie Karl manchmal aus der Kneipe holen muss, begeistert Hanna auch nicht. Aber man bleibt halt zusammen und da sind ja auch die Mädchen. Nach dem Krieg wird Hanna Kranführerin bei den Gruson Werken, die irgendwann anders heißen.

In der ARD Aufiothek wartet dieses Kleinod auf seine Hörer. Das Buch stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreis 2025. Die Erzählung von Hannas Leben ist genau das. In seiner Schlichtheit liegt gerade der Charme dieses Romans. Was soll eine einfache Frau, die nur acht Jahre lang die Schule besuchte, schon zu erzählen haben. Eine ganze Menge, denn sie erlebt schwere Tage und auch schöne Tage, Leid und Freude und sie beißt sich durch. Bei allen Verlusten, die sie erleidet, gibt sie nicht auf. Im Alter hat sie eine ruhige Ausstrahlung gewonnen, bereit den letzten Weg zu gehen. Wie im Klappentext beschrieben, darf sie gehen bevor sie die Welt nicht mehr versteht und die Mädchen können ihr die letzten der geliebten Blumen schenken. Ein ruhiger und doch berührender Roman.
Profile Image for Hanna.
646 reviews86 followers
June 6, 2025
Schwebende Lasten wäre nicht unbedingt ein Buch gewesen, das ich mir gekauft hätte, ich habe mich nicht als Zielgruppe gesehen. Aber es ist ja gerade das Schöne am Lesen, dass es uns ermöglicht in unterschiedlichste Lebensrealitäten einzutauchen. Das Buch erzählt die Geschichte von Hanna und gleichzeitig die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. Hanna mochte ich schnell gerne, nicht nur wegen unserer Namensverwandschaft. Sie ist das, was man gemeinhin als “starke Persönlichkeit” bezeichnen würde, aber niemand, die sich aktiv in den Vordergrund drängt. Hanna ist Mensch gewordene Resilienz, ihr Leben durchkreuzt von heftigen Schicksalschlägen, die mich als Leserin sehr berührt haben, sie gibt nie auf, auch wenn sie immer wieder am Rande der Verzweiflung ist. Zu Beginn haben mich die Blumenbeschreibungen an den Kapitelanfängen noch irritiert, ich fand es hatte etwas zu Bemühtes, aber je weiter man liest desto mehr Sinn machen sie, am Ende fand ich die Idee richtig schön und poetisch.
Schwebende Lasten ist ein sehr politisches Buch, auch wenn es im ersten Anschein nicht so aussehen mag, aber wie heißt es so schön: Auch das Private ist politisch.
Profile Image for Jule.
344 reviews14 followers
August 24, 2025
Als Hörbuch gehört wegen der Longlist des deutschen Buchpreises. Der Klappentext klingt vielversprechend und groß - und so war auch das Buch, das einen umfassenden Blick auf ein geschichtlich bewegtes Jahrhundert richtet. So bewegt die äußeren Zeiten als auch die persönlichen Lebensumstände Hannas waren, so wenig Bewegung Ihres Inneren wurde dargestellt. Dadurch fiel es mir zwar schwerer, der Protagonistin näher zu kommen, war aber gleichzeitig sehr angetan von diesem gelungenen Stilmittel. Ganz toll sind die Blumenbeschreibungen, wie das Buch einen großen Bogen spannt und eine weibliche Perspektive auf das 20. Jahrhundert schildert.
Profile Image for an Anna Blume.
151 reviews12 followers
October 5, 2025
Hektisch erzählte Geschichte, ein wenig mehr Zeit hätte sich Gröschner nehmen dürfen. Aber vielleicht ist es auch einfach ein atemloses Leben, das Hanna Krause führt. Ein Leben, so seltsam und realistisch, wie Lebensläufe eben sind. Nur wenige Male aber fühlte ich mich berührt. Leider nicht ganz meine Geschichte.
Profile Image for Dunja Brala.
595 reviews41 followers
August 20, 2025
Meine Mutter wollte in ihrem Leben eigentlich Floristin werden. Sie hatte eine große Liebe für Blumen, kannte alle Arten, war diesbezüglich experimentierfreudig und hatte ein Händchen für Sträuße und Gestecke. Sie war eine Blumenfrau genauso wie Hanna -nur rosa Gerbera die konnte sie nicht leiden und hat kurz vor ihrem Tod noch verfügt, dass davon bitte keine in irgendwelche Kränze sollten.

Wenn Hanna eine Blume wäre, dann wäre sie am liebsten eine Hortensie, widerstandsfähig und farbig in der Jugend, und selbst wenn sie verblüht hoffentlich immer noch hübsch anzuschauen.
Fast ein ganzes Jahrhundert umspannt die Geschichte der Hanna Krause. Schon als Stiefschwester - als Nesthäkchen- das aber nicht verwöhnt, sondern mit Strenge und Gewalt zum Arbeiten erzogen wurde, ist sie nicht auf Rosen gebettet.. Ziemlich früh heiratet sie Karl gegen den Rat ihrer Familie. Ein Versicherungskaufmann, einen Büromenschen, der aber kurz nach der Hochzeit seinen Job verliert und dann doch in der Fabrik landet. So richtig versorgen kann er seine Familie nicht. Die wächst und wächst, doch dem Alkohol gilt seine größere Liebe. Und so muss Hanna ran. Sie eröffnet einen Blumenladen und geht in dieser Arbeit auf. Selbst als es kaum noch Blumen gibt, schafft sie es irgendetwas ansehnlich zusammen zu stecken. Doch sie verliert ihr Geschäft und arbeitet nach dem Zweiten Weltkrieg als Kranführerin hoch oben und hat dort den Überblick.
Den Verlust zweier Kinder, einen Kaiser, mehrere Führer, zwei Demokratien und viele andere politische Wechsel hat sie am Ende überlebt und alle Höhen und Tiefen ertragen. Es muss ja irgendwie weitergehen.

Im ersten Drittel der Geschichte habe ich mich immer wieder gefragt, was an diesem Buch so besonders sein soll. Es ist halt die Lebensgeschichte einer Frau des letzten Jahrhunderts. Eine von vielen, aber doch nichts einzigartiges? Doch nach und nach erschloss sich mir, was mir dieses Buch abverlangt: Respekt vor der Stärke einer Frau, der schwere Lasten auf ihre Schultern geladen wurden, die ein Mensch alleine eigentlich gar nicht tragen kann, und die nicht daran zerbricht. Es sind diese unsichtbaren Frauen, die unser System aufrecht erhalten - auch heute noch – zwar anders, aber immer noch mit einer Selbstverständlichkeit, die manchmal ans Schmerzhafte grenzt. Sie nehmen sich selbst nicht so wichtig, sie versorgen ihre Kinder, tolerieren die Unfähigkeit ihrer Männer und ertragen die Misogynie der Gesellschaft. Diese schwebt in jeder zweiten Zeile mit.
Man traut Hanna erst mal nichts zu und sieht dann nicht, was sie im Leben alles geschafft hat – das ohne zu verzweifeln, zu verbittern und zu verzagen.

Annett Gröschner hat ihr Portrait der Hanna Krause, das oberflächlich gesehen, den Flair von Trauerrändern unter den Fingernägeln, den beißenden Geruch von Schweiß und das bittersüße des Rosenkohls versprüht, mit der Zartheit von Blumen angereichert. Die floralen Einleitungen, die den Kapiteln ihren Titel geben, setzen die Härte des Inhalts in eine fragile Relationen.
Die Integration des Gemäldes von Bosschaert fand ich sehr gelungen und macht den Plot rund.
Erzählerisch legt die Autorin den Pragmatismus an den Tag, den ihre Hanna perfektioniert hat. Dialoge setzt sie wohl dosiert ein. Diese sind immer auf den Punkt. Sie schweift nie mit den Gedanken ab, erzählt nur das, was wichtig ist und man kann das Seufzen der Mühsal förmlich hören.
Bis zum Schluss finden Hannas Hände keine Ruhe, und so widmet sie sich zum Ende ihres Lebens hin wieder dem, was ihr die größte Freude bereitet. Für Sie sind Blumen, die besten Freunde und die intelligentesten Gesprächspartner.

Die letzten 10 Seiten hat mich das Buch überwältigt – mir schossen immer wieder die Tränen in die Augen, weil mich das Leben der Hanna Krause sehr berührt hat und es vielleicht sogar ein klein wenig den Blick auf meine Mutter verändert, die schon mit 65 Jahren starb und ihr Leben ebenfalls mit harter Arbeit verbringen musste damit die Anderen nicht untergehen.

Und allein dass ein Buch das schafft, ist den Platz auf der Longlist wert. Ein Highlight und eine große Leseempfehlung für alle.
Profile Image for Indre.
112 reviews11 followers
September 19, 2025
Ich habe es sehr genossen, jedes einzelne Kapitel dieses Buches zu lesen. Die Geschichte ist rundum gelungen, fesselnd und voller Spannung. Schade, dass es nicht auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat – dennoch ist es absolut lesenswert und verdient große Aufmerksamkeit.
Profile Image for Mia.
270 reviews1 follower
December 21, 2025
Hat mir wirklich gut gefallen!
Hannas Geschichte war sehr eindrücklich und bewegend und eine Perspektive, die ich so noch nicht oft gelesen hatte. Den Schreibstil mochte ich auch gerne!
Profile Image for Kai Gründler.
32 reviews
September 20, 2025
An der Oberfläche ein extrem geradlinig-nüchtern erzählter Roman über das Leben einer Frau, „die zwei Revolutionen, zwei Diktaturen, einen Aufstand, zwei Weltkriege und zwei Niederlagen, zwei Demokratien, den Kaiser und andere Führer“ in Magdeburg erlebt hat. Also ein langer, wilder Ritt durch die Geschichte Deutschlands aus Sicht einer arbeitenden Frau und Mutter. (Wie) Hält man das alles aus?

Für mich geht es unter der Oberfläche vor allem um Leidenschaft und Resilienz: Die Protagonistin Hanna liebt Pflanzen und kennt sie in und auswendig. Sie helfen ihr, das Weltgeschehen zu deuten und geben ihr Antrieb - der zum Schluss ganz leise und traurig verpufft, als sie ihr über 50 Jahre lang ersehntes Ziel erreicht.

Es geht auch um Generationenunterschiede: Hanna kannte ihr Leben lang das Konzept der Fruchtbarkeit nicht (und bekommt zu viele Kinder) und wird von ihrer Tochter belächelt; und sie wiederum belächelt ihre Töchter, die Kunst nur theoretisch schätzen und sich alles bloß angelesen haben – die „studierten Ahnungslosen“.

Jedes Kapitel wird mit der Beschreibung einer Pflanze oder eines Tieres eingeleitet. Ich wünschte es hätte hierzu Bilder gegeben, weil man eigentlich nicht bei jedem Kapitel zum Handy und Google greifen möchte. Dafür ist das Buch einfach zu leise und analog. Diese Kapitelanfänge waren mir irgendwann etwas zu gimmicky/gewollt.

Ich mochte das Buch insgesamt, wobei es mir auf Dauer etwas zu uninspiriert erzählt war. Dennoch ist es immer irgendwie mitnehmend, so ein ganzes Leben erzählt zu bekommen - es zwingt einen dazu, über die eigene Endlichkeit und darüber nachzudenken, wie stark unser Leben von Epoche und Zufall bestimmt ist.

(Und eine Frage zum Schluss: Was soll der Gerbera disrespect??!)
Profile Image for Leslie Samland.
80 reviews3 followers
January 18, 2025
Wow!
This was absolutely brilliant! You were right beside Hanna, discovering every nook and cranny in the past and the future.
I had such fun reading about the city I grew up in, learning about its past. Hanna was such a refreshingly reasonable and down-to-earth woman.
Profile Image for Estrelas.
932 reviews
May 16, 2025
„Die Schlosser riefen sie Mannweib, weil Frauen auf dem Kran nichts zu suchen hatten.“

Erwartung: Die arbeitende Frau in der DDR

Realität: Viel Nationalsozialismus, wenig danach

Schade!
Profile Image for Susanne.
199 reviews41 followers
October 26, 2025
Ich finde das Thema, die Geschichte an sich extrem spannend und die Idee, ein typisches Frauenleben zu erzählen, das in Ostdeutland das vergangene Jahrhundert erlebt hat.
Leider blieb für mich Hanna das ganze Buch hindurch ein theoretisches Konstrukt, sie hat mich nicht berührt, selbst in den dramatischsten Situationen war ich weit weg vom Geschehen. Vielleicht war das Absicht, die lakonische Erzählweise. Mir persönlich fehlt dabei die kathartische Wirkung, das Mitfiebern und Mitleiden.

Dennoch mag ich immer noch die Idee und habe für mich aus dem Buch viel Wissen über Magdeburg mitgenommen und werde mit ganz großer Sicherheit bald einmal diese Stadt besuchen, um mir alles anzuschauen.
Profile Image for Anna.
1,113 reviews
October 13, 2025
Hanna urodziła się w 1913 roku w Magdeburgu jako jedna z dwóch córek z drugiego małżeństwa matki. Po śmierci rodziców dorasta u przyrodniej siostry i pomaga w jej kwiaciarni, ta jednak wysyła ją do drugiej siostry do Berlina, gdzie Hannie się podoba. Niestety dziewczyna nie ma wpływu na swój los, musi wrócić do Magdeburga, pomóc siostrze i wyjść za pierwszego kandydata na męża, Karla.

Ciąg dalszy: https://przeczytalamksiazke.blogspot....
Profile Image for Sophie.
111 reviews
September 18, 2025
Ein Buch geschrieben mit ganz viel Liebe und Poesie, über eine bemerkenswerte Frau. Eine Frau wie es sie zu hunderten gab und die einzigartig ist dadurch, dass Annett Gröschner ein Buch über sie geschrieben hat. Eine Geschichte, die genau so vorgekommen sein wird, ohne biographisch zu sein. Für mich ist es nur eine Geschichte, aber für andere war das Wirklichkeit und das ist etwas, dass mich sehr gefesselt und berührt hat.
Profile Image for Räuberin.
2 reviews
September 1, 2025
Selten habe ich mich so in eine Protagonistin verliebt wie in Hanna. Raue Schale, weicher Blumenkern bildet ihr Leben ein Jahrhundert ab, in dem sie zwei Diktaturen, einen Krieg und neben sehr viel Verlust auch immer wieder Freude findet. Ich glaube nicht, dass das Buch den Buchpreis gewinnen wird, aber lesenswert ist es umso mehr!
Profile Image for Anna Belle.
18 reviews
May 1, 2025
Ein Leben, eine Stadt, vier Staatsformen

Annett Gröschners neuester Roman erzählt von Hanna aus Magdeburg, die sich in den 1930er Jahren ein selbstständiges Leben aufbaut, mit eigenem Blumenladen und mit einem Trottel von Ehemann, aber doch ziemlich unabhängig und glücklich. Doch die vierziger Jahre bringen das Unheil in Hannas Familie, die Magdeburger Bombennächte rauben ihr nicht nur den Laden und das Zuhause. Und dann auf einmal die DDR und wieder ein ganz neues Leben für Hanna, die alles stoisch erträgt, weil sie einfach nur leben will.

Der Roman veranschaulicht an einem Menschenleben das kontrastreiche 20. Jahrhundert, das langsame Zerreissen zwischen Extremen, zwischen Krieg und Frieden, Diktatur und Demokratie, Sozialismus und Kapitalismus. Obwohl hier historisch gesehen viel passiert, ist es irgendwie ein ganz ruhiges, unaufgeregtes Buch. So wie Hannas Leben, das auch unaufgeregt und doch für mich heute fast unvorstellbar ist. Besonders gefällt mir auch, dass die Stadt Magdeburg in den Fokus rückt, dass auch ihre Geschichte vor, während und nach dem Krieg hier erzählt wird. Dass Spuren, die heute im Stadtbild unsichtbar geworden sind, literarisch festgehalten werden.

Gröschners Idee, ein Gemälde aus dem 17. Jahrhundert ("Blumenvase in einer Fensternische") als Leitmotiv einzusetzen, nach dessen Bestandteilen die Kapitel benannt sind und das die Blumenverehrerin Hanna ihr Leben lang begleitet, hat mich total begeistert und bringt auch noch einmal eine ganz andere Dimension in diese Erzählung von einem "ostdeutschen Frauenleben".
Profile Image for Kira.
73 reviews6 followers
October 26, 2025
Spannender Lebenslauf durch die Weimarer Republik, den Krieg und die Nachkriegszeit, ausnahmsweise mal mit einem Fokus auf die Frau. Ein Buch über eine dunkle Zeit wo man eher übers Überleben statt Leben spricht. Aber trotzdem ist es eine Geschichte einer Heldin. Ein ganz normale Frau, die wie viele andere eine Alltagsheldin war und die viel zu oft in Vergessenheit geraten, wogegen dieses Buch angeht.
Wundervoll und sympathiereich zeigt die Autorin hier Feminismus hat es schon immer gegeben, musste es schon immer geben, nur hat er sich damals anders gezeigt und manchmal wussten die Frauen selber nichtmal, dass sie Feministinnen sind.
Alles in Allem eine sehr schöne und poetisch Geschichte, mit vielen kleinen Anekdoten zur Botanik, die das Leben der Protagonistin begleiten.
1⭐️ Abzug, weil es mich dann doch nicht so lange begleitet und mitgerissen hat. Trotzdem sehr lesenswert und ein wohlverdienter Platz auf der Longlist des Deutschen Buchpreises!
1 review
Read
December 28, 2025
Eine ergreifende Geschichte über das Leben einer einfachen Frau, die sich an einfachsten Dingen erfreute. Als Magdeburger, der am Nicolaiplatz aufgewachsen ist und mittlerweile in Buenos Aires lebt, hat es mir auch geholfen, meine Geburtsstadt und ihre tiefen Schicksalsschläge besser zu verstehen. Wirklich gut geschrieben, die Verbindung von Literatur und Botanik ist genial. Die anfängliche Lebenslust von Hanna kommt ebenso herüber wie der Schmerz aus Kriegszeiten und privaten Schicksalen, das Sich-Zurechtfinden in DDR-Zeiten oder die Entfremdung nach der Wiedervereinigung, immer ohne dass Hanna große Ansprüche hegte. Das Buch ist nicht nur gut recherchiert geschrieben, es zeigt auch auf, wie gravierend Schicksalsschläge Menschen brechen können. Es mahnt, wie schwerwiegend Diktatur und Totalitarismus letztendlich jeden einzelnen schaden werden. Was wäre, wenn Hanna und Karl heute immer noch im engen Knattergebirge das Blumengeschäft, vielleicht an ihre Kinder vererbt hätten? Die Geschichte wollte es anders, da Generationen vor uns in Deutschland der Lust des Nationalsozialismus erlegen sind und lieber der Massenverführung statt ihren Verstandes folgten. Auch damals fing es schleichend an - dieser Erkenntnis scheint man heute nicht mehr überall zu folgen. Gerade aus diesem Grund ist „Schwebende Lasten“ ein absolut wichtiger Roman. Eines meiner Lieblingsbücher aus diesem Jahr und eine absolute Lese-Empfehlung!
Profile Image for Buch & Brett.
12 reviews
August 21, 2025
Buchvorstellung
Nicht weniger als ein ganzes Leben erzählt Annett Gröschner in ihrem Roman „Schwebende Lasten“. Im Mittelpunkt steht Hanna Krause, eine Frau, die das zwanzigste Jahrhundert mit all seinen Umbrüchen, Kriegen und Systemwechseln durchlebt hat. Als Blumenbinderin beginnt ihr Lebensweg, als Kranfahrerin endet er. Dazwischen liegen zwei Weltkriege, zwei Revolutionen, Diktaturen und Demokratien, Schicksalsschläge und Neubeginne. Hanna erlebt gute und schlechte Zeiten, bringt sechs Kinder zur Welt, verliert zwei davon und bleibt dennoch aufrecht. Inmitten der Halle eines Schwermaschinenbaubetriebs in Magdeburg hat sie einen besonderen Blick auf das Leben und die Menschen. Ihr einziger Grundsatz ist anständig bleiben. Gröschners Roman ist ein literarisches Panorama des zwanzigsten Jahrhunderts, erzählt durch das Leben einer Frau, die für viele steht, aber oft unsichtbar bleibt. Ein Buch über das Ende des Industriezeitalters im Osten Deutschlands und über die stille Heldin Hanna.

Rezension
Es ist ein stilles Buch mit einer gewaltigen Stimme. „Schwebende Lasten“ von Annett Gröschner hat mich nicht nur zum Innehalten gebracht, sondern nachhaltig beeindruckt. Dieses Werk erzählt nicht von lauten Heldentaten, sondern von einem Leben, das durch seine Tiefe, seine Präsenz und seine aufrichtige Menschlichkeit berührt. Hanna Krause ist keine erfundene Heldin, sie könnte unsere Großmutter sein oder eine Frau aus der Nachbarschaft. Und gerade diese Nähe macht sie unvergesslich.

Gröschner schreibt mit einer Sprache, die klar und doch poetisch ist, mit einer Nüchternheit, die nichts beschönigt, aber umso mehr bewegt. Besonders eindrucksvoll ist die Struktur des Romans; jedes Kapitel wird von einer Pflanze eingeführt, was nicht nur an Hannas ursprünglichen Beruf als Floristin erinnert, sondern das Erzählte subtil mit der Natur, dem Wachstum, dem Vergehen und Wiederaufblühen verbindet. Die Symbolik dieser Blumen, mal zart, mal robust, spiegelt Hannas Lebensstationen auf eindrucksvolle Weise.

Hanna ist eine Frau, die sich nicht beklagt, die mit Pragmatismus und Würde durch die Jahrzehnte geht. In einer Szene, die mir besonders naheging, fällt ihre kleine Tochter Judith aus dem Fenster und überlebt nur durch eine besondere Jacke. Gröschner beschreibt diesen Moment nicht dramatisch, sondern in einer sachlichen Knappheit, die umso stärker unter die Haut geht. Genau das ist die große Kunst dieses Romans. Er ruft keine großen Gefühle hervor, sondern lässt sie im Leser wachsen. Man liest nicht nur über Hanna, man fühlt mit ihr, man denkt an sie, wenn das Buch schon lange zugeklappt ist.

Die Kontraste im Roman sind fein, aber wirkungsvoll. Da ist dieser elegante Kunde, der einen Blumenstrauß nach einem alten Meisterbild bestellt, eine unmögliche Komposition, weil die Blumen darauf nicht gleichzeitig blühen. Der Auftrag bleibt unerfüllt, geht Hanna aber nie aus dem Kopf. Die exemplarische Karte des Kunden, auf dem das Meisterbild abgedruckt ist, benutzt Hanna jahrzehntelang als Lesezeichen. Diese Szene steht für das, was Gröschner so meisterhaft gelingt; das Alltägliche und das Unerreichbare, das Konkrete und das Symbolische ineinanderfließen zu lassen.

Magdeburg ist mehr als nur ein Schauplatz. Die Stadt mit ihren Wandlungen, von der Kaiserzeit bis zur Wende, vom Glasscherbenviertel bis zur Industriestadt, ist Teil von Hannas Identität. Gröschner zeichnet nicht nur ein Frauenleben nach, sondern auch eine Stadtgeschichte, eine Kulturgeschichte, eine Arbeitergeschichte. Dabei bleibt sie stets nah bei ihrer Figur, verliert nie den Blick für das Konkrete, für die kleinen Gesten, für das unspektakuläre, das gerade deshalb so groß ist.

Hanna wird alt, langsam, nachdenklich. Ihre Kinder leben ihr eigenes Leben, die Welt verändert sich schneller als sie selbst. Es ist dieser Prozess des Alterns, des Nachlassens, der ebenfalls Raum bekommt. Ohne Melancholie, aber mit viel Verständnis und Respekt.

In einer besonders eindrucksvollen Passage wird Hannas vierte Tochter Christina, die kurz nach der Geburt verstorben ist, auf Wunsch eines Arztes zu wissenschaftlichen Zwecken in Formalin konserviert. Es ist ein Moment von großer Ambivalenz, zwischen medizinischer Praxis und persönlicher Tragödie. Viele Jahrzehnte später besucht Hanna, mittlerweile über achtzig Jahre alt, ihr Kind ein letztes Mal, gemeinsam mit ihrer Enkelin Nellie. Der Besuch ist von stiller Intensität und wirkt wie ein Echo aus einer anderen Zeit.

Einen eindringlichen Kontrast zu Hannas Leben bildet ein weiterer Abschnitt; Elisabeths Tochter und Enkelin von Hanna Andrea ist im dritten Monat schwanger und unsicher, ob sie das Kind behalten will. Der Unterschied zu Hannas Lebensrealität könnte kaum größer sein. Andrea kann ihre Entscheidung frei und selbstbestimmt treffen. Sie muss keine sogenannten Engelmacherinnen aufsuchen, sie ist keiner existenziellen Gefahr durch einen illegalen Eingriff ausgesetzt. Kein Küchentisch, keine Stricknadel, kein Risiko, an den Folgen einer heimlichen Abtreibung zu sterben. All das war für Hanna in der Vergangenheit jedoch Realität.

Gröschner beschreibt diesen Kontrast mit leiser Zurückhaltung, aber großer Tiefenschärfe. Der Moment steht exemplarisch für die Art, wie Erinnerung, Trauma, gesellschaftlicher Wandel und das Weiterleben in diesem Roman miteinander verflochten sind.

Fazit
„Schwebende Lasten“ ist ein stilles Meisterwerk. Es ist ein Buch, das sich nicht aufdrängt, das keine Effekte braucht, weil es in seiner Schlichtheit so berührend ist. Hanna Krause ist eine literarische Figur, die bleibt, weil sie für viele steht und doch ganz sie selbst ist. Gröschner hat einen Roman geschrieben, der tief gräbt, der nicht nur über das zwanzigste Jahrhundert erzählt, sondern darüber, was es heißt, Mensch zu sein. Für mich ist es eines dieser seltenen Bücher, das mit jedem Kapitel mehr gewinnt, das man weiterempfiehlt, verschenkt, wiedergelesen sehen möchte. Ein großer Wurf mit leisen Tönen.
2 reviews2 followers
November 11, 2025
Was für eine starke Frau! Wie einfach erscheint einem die heutige Zeit.
Profile Image for Bajo.
90 reviews3 followers
October 6, 2025
"Sag mir wo die Blumen sind...
...Mädchen pflückten sie geschwind
Wann wird man je verstehen
Wann wird man je verstehen ? "

So verzweifelt wie das berühmte Antikriegslied Marlene Dietrichs mutet der Roman Schwebende Lasten nicht an. Was Roman und Lied jedoch gemeinsam haben, ist das Thema Krieg und Blumen.

Über einen Zeitraum von 80 Jahren erstreckt sich das nur 280 Seiten lange Buch. Hauptdarstellerin ist Hanna Krause, geboren 1913 in Magdeburg, leidenschafliche Floristin und Blumenliebhaberin, deren Träume durch den 2. Weltkrieg und die Ehe mit einem alkoholkranken Mann zerstört werden. Von ihren sechs Kindern überleben vier. Nach der schweren Zeit der Zerbombung Magdeburgs im 2. Weltkrieg wird Hanna in der neu gegründeten DDR Kranführerin. Sie bringt ihre Kinder und den durch einen Betriebsunfall invaliden Ehemann durch Zeiten des Hungers und der Wohnungslosigkeit. Die Familie überlebt, die Kinder werden erwachsen, Enkelkinder werden geboren.

Von der Larmoyanz des Liedes von Marlene Dietrich ist im Roman wenig bis nichts zu spüren. Hanna nimmt ihr Leben an, so schwer es auch kommt. Weiter, weiter, Tag für Tag, was zählt ist, dass die Familie, Mann und Kinder, durchkommen.

In nüchterner Sprache schildert die Autorin die schweren Zeiten, durch die Hanna geht. Diese nüchterne, beinahe emotionslose Darstellung der Schrecken des Krieges, der Zerbombung, des Feuersturms über Magdeburg, der Bombenalarme, der verschütteten Schutzräume, machen die Lektüre des Grauenhaften einigermaßen erträglich. Hanna ist eine starke Frau, die ihre Kraft aus der Liebe zu ihrer Familie und vor allem aus ihrer Liebe zu den Blumen zieht.

So durchziehen Blumen als Leitmotiv den Roman. Jedem Kapitel ist die botanische Beschreibung einer Blume vorangestellt und bildet, wie sich zum Schluß herausstellt, den klugen Plot für den Roman. Zentrale Charaktere sind Hanna Krause und ihr Ehemann Karl. Deren schwieriges Verhältnis bleibt trotz aller Widrigkeiten dennoch liebevoll. Die Beschreibung der Kinder, Enkel, Geschwister, Schwiegereltern, Arbeitskollegen und Freunde bleibt dagegen eher blass. Ihre Charaktere werden nur kurz angerissen. Hier hätte ich mir mehr Ausführlichkeit gewünscht.

Sehr viel, vielleicht zu viel, hat die Autorin in diesen Roman gepackt. Die Rolle der Frau, die dem Ehemnann zu gehorchen hat; Judenverfolgung; NS-Zeit; zweiter Weltkrieg; Neugründung der DDR; gnadenlose Planerfüllung im Stahlwerk; die Wende mit ihren Auswirkungen auf die Familie, insbesondere für Kinder und Enkel. Für all diese Themen ist der Roman m. E. zu kurz geraten. Einige hundert Seiten mehr hätten nicht geschadet.

Dennoch ein Zeugnis der Zeit von 1913 bis Anfang der 1990iger Jahre in Deutschland, das sich zu lesen lohnt. Ich vergebe vier Sterne.


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