Leben wir in einem Land, in dem, wer reich ist, das Gesetz nicht fürchten muss?
Anne Brorhilker, die als Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Köln jahrelang und unerschrocken die Cum/Ex-Ermittlungen geleitet hat, kennt das komplexe Verhältnis zwischen Wirtschaftskriminalität und Justiz wie keine andere. Hier schildert sie erstmals ihre erstaunlichen Erfahrungen mit der Finanzelite, blickt hinter die Kulissen der Großbanken und entlarvt die Selbstgefälligkeit vieler Weshalb war die Aufklärung trotz jahrelanger Ermittlung und auch zahlreicher Urteile so mühsam? Warum tut sich der Staat so schwer, die Milliarden zurückzufordern? Geld, das den ehrlichen Steuerzahlern zusteht? Mit ihrem Entschluss, den Staatsdienst zu quittieren und als Teil der Zivilgesellschaft für Aufklärung zu sorgen, hat Anne Brorhilker ein Zeichen Der Kampf für Gemeinwohl und Gerechtigkeit geht uns alle an - und mit Mut können wir etwas bewegen! Ein Euro des Verkaufspreises dieses Buches geht an die Bürgerbewegung "Finanzwende e.V.".
Ein Zeugnis staatlicher Dysfunktionalität. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte sind dem deutschen Fiskus durch Cum-Ex- und Cum-Cum-Betrügereien etwa 40 Milliarden Euro abhandengekommen.
Die Autorin zeigt auf, welche Mechanismen dazu geführt haben, dass Banker und ihre Anwälte ein so leichtes Spiel hatten: In der Finanzindustrie wird so getan, als seien komplexe Finanzprodukte Garant für hohe Renditen, während verschleiert wird, dass diese im Kern nur aus einem Griff in die Steuertöpfe finanziert werden. Prüft das denn keiner? Nein. Sobald eine Bank eine vermeintliche "Steuerrückzahlung" forderte, wurden diese ohne inhaltliche Prüfung, ob betreffende Steuer zuvor je geleistet wurde, überwiesen. Äußerte jemand auf der operativen Ebene der Finanzaufsichtsbehörden Bedenken, wurde er von Vorgesetzten kaltgestellt. Gekaufte Rechtsgutachten verliehen der Betrügerei einen legalen Anschein.
Dass dem Staat die ergaunerten Milliarden nun fehlen, wird gerne als Erklärung dafür herangezogen, warum Schwimmbäder geschlossen werden oder Schulen schlecht ausgestattet sind. Aber das kann bei rund 1.000 (!) Milliarden Euro Staatseinnahmen pro Jahr nicht die ganze Wahrheit sein. Das Problem liegt tiefer und wird im Buch immer wieder angedeutet: die Ineffektivität staatlicher Akteure. Man kann als Beamter weiter in Lohn und Brot bleiben, selbst wenn man keinerlei nachweisbaren Nutzen stiftet. Dort versickern Gelder und dort liegt die Wurzel des Übels.
Leider traut sich die Staatsanwältin a. D. aber nicht, die eigentliche Konsequenz auszusprechen: Selbst wenn das Geld beim Staat ankommt, versickert es in undurchsichtigen Strukturen und wird verschwendet. Die größten „Steuerräuber“ sind somit nicht die skrupellosen Banker, sondern der Staat selbst. Die Konsequenz kann daher nur sein: so wenig Staat und so wenig Steuern wie möglich.
Rückblick auf die Jagd nach den Cum/Ex-Millionen - ein kritischer Blick auf die Justiz- und Finanzbehörden - und konkrete Forderungen, wie es besser ginge, incl. Kritik an patriachalischen Strukturen. Sehr lesenswert, denn immerhin wird der gesamte Schaden durch Steuerhinterziehung auf 100 Milliarden geschätzt - ein Fünftel des gesamten Bundeshaushalts. Sollte man im Hinterkopf haben. bevor man sich mit Bürgergeld-Pläne o.ä. beschäftigt